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Elterngeld – Steuerklassenänderung kann zu höherem Elterngeld führen

Sozialgericht Dortmund

Az.: S 11 EG 8/07

Urteil vom 28.07.2008


Entscheidung:

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2007 verurteilt, bei der Berechnung des von der Klägerin zu beanspruchenden Elterngeldes vom 10. April 2007 bis 09. März 2009 von der tatsächlich gewählten Steuerklasse III ab November 2006 und den sich daraus ergebenden Steuerabzugsbeträgen auszugehen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines höheren Elterngeldes.

Die Klägerin ist die Mutter des am xxx2007 geborenen xxx. Sie ist ebenso wie ihr Ehemann im XXX beschäftigt, beide sind der Vergütungsgruppe A 07 zugeordnet; während der Ehemann der Klägerin sich in der Gehaltsstufe 6 befindet, ist die Klägerin in der Stufe 4 eingruppiert, woraus sich im Jahre 2007 eine monatliche Bruttogehaltsdifferenz von 122,69 EUR zu Gunsten des Ehemannes ergab. Bei beiden Ehegatten war zunächst jeweils die Steuerklasse IV auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Dies änderten die Eheleute mit Wirkung vom 01.11.2006 dahingehend, dass die Klägerin die Steuerklasse III und ihr Ehemann die Steuerklasse V eintragen ließen. Dadurch stieg das monatliche Nettoeinkommen der Klägerin (ohne Sonderzahlungen etc.) von 1.725,67 EUR auf 1.942,55 EUR, demgegenüber sank das des Ehemanns der Klägerin von 1.813,61 EUR auf 1.497,61 EUR.

Das Versorgungsamt xxx bewilligte mit Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides Elterngeld in Höhe von monatlich 559,74 EUR bei zwischen den Beteiligten nicht streitiger Anrechnung der beamtenrechtlichen Mutterschaftsbezüge der Klägerin, wunschgemäß ausgezahlt auf 23 Monate für die Zeit vom 10.04.2007 bis 09.03.2009. Dabei ist ein Nettoeinkommen für die 12 Monate vor der Geburt des Kindes von 1.670,85 EUR zugrunde gelegt worden, was sich unter Fortschreibung der unter der Gültigkeit der Steuerklasse IV ab November 2007 ergab. Der Ehemann der Klägerin erhielt Elterngeld für die Zeit vom 10.04. bis 09.08.2008 in Höhe von 588,42 EUR bewilligt; dabei ist ebenfalls auf einen fiktiv errechneten Nettoverdienst auf der Basis einer Besteuerung entsprechend der Steuerklasse IV abgestellt worden.

Mit der hiergegen am 27.07.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr bereits im Vorverfahren erhobenes Begehren weiter, das zu beanspruchende Elterngeld auf der Grundlage der von ihr tatsächlich bezogenen Nettoeinkünfte in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes zu berechnen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass weder im Einkommensteuer- noch im Elterngeldgesetz Einschränkungen zur freien Wahl der Steuerklasse vorgesehen seien. Befragt durch das Gericht, ob „schutzwürdige“ Gründe für den Steuerklassenwechsel vorzubringen seien, verweist die Klägerin auf die gesetzliche Möglichkeit, Steuerklassenwechsel einmal im Jahr vornehmen zu können.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 05.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2007 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, das Elterngeld in dem Zeitraum vom 10.04.2007 bis 09.04.2009 auf der Grundlage der tatsächlichen Steuerklassenwahl zu berechnen und dementsprechend höhere Leistungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und den der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Beratung der Kammer waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist mit dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Antrag begründet.

Der Bescheid des Versorgungsamtes xxx in der Fassung des Widerspruchsbescheides erweist sich insofern als nicht mit dem Gesetz vereinbar, als er für die Berechnung des Elterngeldes von fiktiven Steuerabzugsbeträgen auf der Basis der Steuerklasse IV ab November 2006 ausgegangen ist, die Klägerin wird hierdurch beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Höhe des in Rede stehenden Elterngeldes wird gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 7 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) auf der Grundlage des u.a. aus nichtselbständiger Tätigkeit in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes erzielten Nettoeinkommens nach Abzug der darauf entfallenden Steuern einschließlich Solidaritätszuschlag (und gegebenenfalls gezahlter Sozialversicherungsbeiträge) abzüglich eines Zwölftels des Pauschbetrages nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) festgestellt.

Nettoeinkommen in diesem Sinne ist das tatsächlich von der Klägerin erzielte (gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG ohne einmalige Bezüge, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG) auf der Basis der von ihr und ihrem Ehemann tatsächlich gewählten Steuerklassenkombination, also bis Oktober 2006 die jeweilige Lohnsteuerklasse IV und ab November 2006 die Kombination III für die Klägerin und V für den Ehemann. Entgegen der gesetzlichen Regelung hat der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht dieses Nettoeinkommen der Klägerin (dementsprechend auch nicht das des Ehemanns der Klägerin hinsichtlich des ihm von April bis August 2008 bewilligten Elterngeldes), sondern ein von ihm für zutreffend erachtetes, auf der Basis der bis Oktober 2006 gültigen Lohnsteuerklassenwahl sich ergebendes Nettoeinkommen zugrunde gelegt. Das BEEG stellt hingegen nicht auf ein zu berücksichtigendes Nettoeinkommen der Ehegatten bzw. der Klägerin anhand einer „sinnvollen“ bzw. „den beiderseitigen Einkommensverhältnissen angepassten“ Lohnsteuerklassenwahl ab, sondern nimmt das tatsächliche, also auch das in Anbetracht des Lohnsteuerklassenwechsels erzielte Nettoeinkommen in Bezug.

Wie das Sozialgericht Augsburg in dem Urteil vom 08.07.2008 (S 10 EG 15/08) nach Auffassung der Kammer zu Recht und unter Hinweis auf die parlamentarische Diskussion im Bundestag eingehend dargelegt hat (siehe dort), war dem Gesetzgeber durchaus bewusst, dass durch entsprechende Steuerklassenwahl die Höhe des Elterngeldes „beeinflusst“ werden kann. Wenn er angesichts dessen keine Regelung in das Gesetz aufnimmt, wonach ein vor der Geburt des Kindes erfolgter Lohnsteuerklassenwechsel unbeachtlich ist bzw. nur eine „sinnvolle“ Lohnsteuerklassenkombination der Ehegatten der Elterngeldberechnung zugrunde zu legen ist, darf die Beklagte dies nicht zum Anlass nehmen, die ausdrücklich nicht vorgegebene fiktive Berechnung des in Bezug genommenen Nettoeinkommens quasi über die Hintertür von Verwaltungsvorschriften bzw. Richtlinien doch noch einzuführen (vgl. dazu auch die zutreffenden Ausführungen des SG Augsburg a.a.O. zur Unbeachtlichkeit dieser Richtlinien im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung). Über solche Richtlinien lassen sich „ungelöste“ Hausaufgaben des Parlaments/Gesetzgebers nicht kompensieren, sie sind ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten.

Somit ist die Beklagte gehalten, die nach dem EStG mögliche und zulässige freie Steuerklassenwahl in einem Kalenderjahr (siehe dazu auch § 133 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB III – in Bezug auf das Arbeitslosengeld) zu beachten und das so erzielte Nettoeinkommen der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legen. Darin liegt – auch hierauf hat das SG Augsburg zu Recht hingewiesen – kein rechtsmissbräuchliches, sondern ein „gesetzmäßiges“ Verhalten der Klägerin bzw. beider Ehegatten, zumal sich wegen des Progressionsvorbehaltes ohnehin eine faktische, teilweise Besteuerung des Elterngeldes, insbesondere bei Niedrigverdienern, ergibt (§ 32 b EStG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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