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Strafverfahren – Erkenntnisse über Steuerstraftaten

Landgericht Göttingen

Az: 8 KLs 1/07

Beschluss vom 11.12.2007


In der Wirtschaftsstrafsache wegen Vorenthalten von Arbeitsentgelt u.a. ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 393 Abs. 2 S. 2 AO mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Das Verfahren wird gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlagefrage ausgesetzt.

Gründe

A.
In dem der Kammer vorliegenden Verfahren sind die beiden Angeschuldigten A. und B. durch die Staatsanwaltschaft Q. – Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen – (Az.: 413 Js 3938/05) angeklagt, durch 71 Straftaten gemeinschaftlich handelnd in 39 Fällen (1. – 39.) als Arbeitgeber Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit der Einzugsstelle vorenthalten zu haben (§ 266a Abs. 1 StGB i.d.F.v. 13.11.1998), in 6 Fällen (40. – 45.) als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthalten zu haben (§ 266a Abs. 1 StGB i.d.F.v. 23.07.2002), in 19 Fällen (46. – 64.) in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, gewerbsmäßig das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass sie durch Vorspiegelung falscher und Entstellung und Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregten und unterhielten und dabei einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt zu haben (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 StGB), in 7 Fällen (65. – 71.) durch dieselbe Handlung als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthalten zu haben, als Arbeitgeber der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige und unvollständige Angaben gemacht und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthalten zu haben (§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB i.d.F.v. 23.07.2004).

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 23.03.1999 wurde die Firma „S.“ GmbH (im Folgenden: S.) von den drei Gesellschaftern A., B. und T. gegründet. Geschäftsgegenstand der S. ist die Geschlechtsbestimmung an Eintagsküken (sog. „chick-sexing“). Sitz der Gesellschaft ist C. Die Stammeinlagen betrugen bei den Angeschuldigten je 20.000,00 DM und bei T. 10.000,00 DM. T., die Mutter der Angeschuldigten, wurde am 26.03.1999 zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt. Sie besaß das alleinige Vertretungsrecht gem. § 5 des Gesellschaftsvertrages. Bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 5 Stunden erhielt sie ein monatliches Gehalt von 500,00 DM. B. wurde zum 01.04.1999 als Bürokaufmann mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.275,00 DM zuzüglich eines 13. Monatsgehalts angestellt. Auch der Ehemann von T. und Vater der Angeschuldigten, X. wurde zum 01.04.1999 als Bürokaufmann angestellt. Zum 01.07.1999 wurde am 10.06.1999 A. als Bürokaufmann zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.750,00 DM zuzüglich eines 13. und 14. Monatsgehaltsgehalts eingestellt. Seine Eintragung als weiterer Geschäftsführer in das Handelsregister erfolgte am 02.03.2004, T. wurde am 30.9.2004 als Geschäftsführerin abberufen. In der Zeit, in der sie zur Geschäftsführerin bestellt war, unterschrieb sie lediglich die Lohnsteueranmeldungen ab 08/1999 sowie die Jahresabschlüsse 2000 und 2001, nicht jedoch die diversen Verträge mit Brütereien und Gruppenführern, die Rahmenverträge mit den zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen Sortierern, die darauf Bezug nehmenden rechtsverbindlichen Erklärungen der einzelnen Sortierer und auch nicht die Zahlungsanweisungen an die Sortierer.

X. hatte bereits 1973 die Einzelfirma „Y.“ in C. gegründet, deren Unternehmensgegenstand ebenfalls die Ausführung von Geschlechtsbestimmungen an Eintagsküken war. In jenem Jahr schloss X. mit der koreanischen Firma „Z.“ mit Sitz in V., vertreten durch E. einen Vertrag. Danach setzte die Z. qualifizierte Spezialisten für die Geschlechtsbestimmung von Eintagsküken in Brütereien in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten ein. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs dieses Einsatzes übertrug die koreanische Firma Z. der Agentur von X. den Einsatz der Sortierer bei den Brütereien, die Unterstützung der Sortierer bei allen Einreiseformalitäten, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen, die Einholung der Aufträge der Brütereien sowie die organisatorische und rechnerische Abwicklung der Aufträge. Die Agentur von X. erhielt im Gegenzug eine Provision von 15% des Sortierentgelts, das von den Brütereien für die Sortierleistungen an die Z. zu zahlen war. Der Agentur wurde das Inkasso des Sortierentgelts übertragen. Für Fehlsortierungen der Sortierer sollte die Z. allein haften. In § 4 des Vertrages hieß es, Abzüge (von der Sortiervergütung) bräuchten nicht vorgenommen zu werden, da die Sortierer freiberuflich für die Z. tätig seien. Es bestehe weder Sozialversicherungs- noch Lohnsteuerpflicht. Die Sortierer seien von der Z. darauf hinzuweisen, dass sie ihr Einkommen zur Einkommenssteuer anzumelden hätten.

Die Einzelfirma von X. wurde zum 31.03.1999 aufgegeben und der gesamte Kundenstamm, den die Generalagentur Y. bislang mit der Z. in Zusammenarbeit bedient hatte, zum 01.04.1999 an die zu gründende S. übergeben. Büroausstattung und Fahrzeugbestand sollten von der zu gründenden S. zum Schätzpreis übernommen werden (Ermittlungsakte {EA} Bd. 7 Bl. 56). Die S. ist als Nachfolgeunternehmen der vormaligen Einzelfirma Y. zu sehen.

Das Sortieren der Küken nach ihren Geschlechtern erfolgt überwiegend durch südkoreanische und chinesische Staatsangehörige, die hierfür in ihren Heimatländern zuvor eine spezielle Ausbildung zum Erlernen besonderer Finger- und Sehfertigkeiten absolvieren, um pro Stunde bei mindestens 700 bis 800 Küken das Geschlecht bestimmen zu können. Auf Empfehlung inländischer Gruppenführer erhielten die Kükensortierer ein Einladungsschreiben der S. in deutscher Sprache. In den standardisierten Einladungsschreiben hieß es: „Ich lade Sie hiermit im Namen der S. ein, für diese Organisation auf die Dauer von zunächst einem Jahr als selbstständige Kükensortiererin (Chick-Sexer) tätig zu werden. Ihr Mindesteinkommen wird ca. 18.000,– Euro pro Jahr betragen“ (vgl. Beweismittelordner {BMO} Bd. 1 Bl. 82 ff.). Der Landkreis K. erhielt als zuständige Ausländerbehörde sodann eine Kopie dieses Schreibens und erteilte seine Vorabzustimmung. Mit diesem Einladungsschreiben begaben sich die Sortierer in ihrem Heimatland zur deutschen Botschaft und beantragten eine Ausreiseerlaubnis und ein dreimonatiges Visum, das sie aufgrund der Vorabzustimmung des Landkreises und des Einladungsschreibens erhielten und mit dem sie dann in der Folge nach Europa ausreisten. Nach den Bedingungen dieses Visums war es den Kükensortierern in Deutschland nur gestattet, eine selbständige Tätigkeit als Kükensortierer für die S. auszuüben. Die erforderlichen Formalitäten für ihre Einreise regelte die S., ebenso wie alle Fragen den Aufenthalt und die Tätigkeit der Sortierer betreffend. So kümmerte sie sich insbesondere darum, dass der Landkreis K. eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer eines Jahres aussprach, die wiederum ebenfalls nur unter der Bedingung erteilt wurde, dass die Sortierer eine selbständige Erwerbstätigkeit als Kükensortierer im Rahmen eines Agenturvertrages für die S. ausüben (vgl. EA Bd. 1.1 Bl. 196 ff., 235 ff.).

Die S. erhielt von unterschiedlichen Brütereien Aufträge zur Geschlechtsbestimmung an Eintagsküken an bestimmten Schlupftagen. Die Brütereien beauftragten selbst keine eigenen Kükensortierer, sondern bekamen diese von der S. zu den gewünschten Tagen gestellt. Der Arbeitseinsatz der Sortierer wurden entweder direkt zwischen der GmbH und der einzelnen Brüterei oder aber mittelbar über die Agenturen der einzelnen Gruppenführer (wie N. und O.) geregelt. Die Gruppenführer hatten alle ein Einzelunternehmen als Gewerbe angemeldet.

Mit den Agenturen der Gruppenführer W., N. und R. hatte die S. sog. Agenturverträge abgeschlossen (vgl. z.B. BMO Bd. 1 Bl. 76), in denen die jeweiligen Aufgaben und Vergütungen geregelt waren. So übertrug die S. beispielsweise N. den Einsatz der Sortierer in drei Brütereien als Subunternehmer. Während N. die pünktliche Erledigung der Aufträge der Brütereien nach den Vorgaben der S. oblag, er weiter sicherzustellen hatte, dass genügend Sortierer zur Auftragserledigung zur Verfügung standen und er monatlich einen Abrechnungsnachweis zu erstellen hatte, aufgrund dessen die S. Rechnungen für die Brütereien und Abrechnungen gegenüber den Sortierern erstellte, blieb die S. für die kaufmännische Abwicklung des Kükensortierens, alle aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten und den Kontakt zu den Kunden zuständig.

Die Kükensortierer waren zur effektiven Auftragsabwicklung verschiedenen Gruppen zugeordnet (z.B. Gruppe LB., Gruppe MB., Gruppe NB., Gruppe OB. etc.), die als Gesellschaften bürgerlichen Rechts organisiert waren und als deren Bevollmächtigte jeweils die einzelnen Gruppenführer agierten. In diesem Zusammenhang hatte jeder Sortierer eine „Rechtsverbindliche Erklärung“ (EA Bd. 5.2 Bl. 162) zu unterschreiben, wonach er als selbständiger Kükensortierer im Rahmen eines Werkvertrages zwischen der jeweiligen GbR und der S. tätig werden sollte und sich verpflichtete, eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten. In „Rahmenwerkverträgen“ zwischen der jeweiligen Gruppe (GbR) und der S., stets unterschrieben durch A. und einen der Gruppenführer (vgl. z.B. EA Bd. 5.2 Bl. 158), verpflichteten sich die Sortierergruppen, Spezialistensortierleistung, d.h. Geschlechtsbestimmung bei Eintagsküken mit einer garantierten Genauigkeit von 99 bzw. 98% zu erbringen, die die S. gegenüber Brütereien übernommen hatte. Die Vergütung für die GbR sollte in einer gesonderten Vergütungstabelle ausschließlich der Mehrwertsteuer festgelegt und anfallende Mehrwertsteuer in gesetzlicher Höhe gesondert gezahlt werden. Die GbR oder von ihr beauftragte Dritte sollten an die S. nach Abschluss der Sortierleistungen eine prüfungsfähige Schlussrechnung erstellen, die darin genannten Beträge sollte die S. spätestens 45 Tage später bezahlen. Fehlsortierungen sollten den Werklohn mindern. Die GbR sollten eventuelle Versicherungskosten selbst tragen und sicherten zu, ihre gewerberechtlichen Belange im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu regeln. Wie sich später herausstellte kamen die Rahmenwerkverträge und auch die damit zusammenhängenden rechtsverbindlichen Erklärungen in der Praxis jedoch nie zur Anwendung.

Die Sortierer wurden deutschland- und europaweit in Brütereien eingesetzt. Die Organisation des Einsatzes bei den einzelnen Brütereien erfolgte häufig durch die S., zum Teil jedoch auch durch die Gruppenführer, die ihren Bedarf an Sortierern bei der S. anmeldeten und diese dann auf die Brütereien verteilten. Den Sortierern wurde durch die S. oder die Gruppenführer mitgeteilt, wann sie wo zu arbeiten hätten. Die Sortierleistungen der Sortierer in den Brütereien wurden von den jeweiligen Gruppenführern mengenmäßig der gesamten Gruppe nach erfasst und dann an die S. weitergeleitet. Diese errechnete den zu zahlenden Betrag anhand der erfassten Mengen, den sie sodann zuzüglich Mehrwertsteuer (sofern es sich um eine inländische Brüterei bzw. Agentur handelte) der Brüterei oder aber der beauftragenden Agentur des Gruppenführers in Rechnung stellte, wobei letztere den zu zahlenden Betrag dann wiederum von den Brütereien forderten. Die Zahlungen der Brütereien erfolgten an die S. – entweder direkt oder aber zum Teil auch unter Zwischenschaltung der Gruppenführer, die dann ihre jeweilige Provision abzogen und den Rechnungsbetrag sodann an die S. weiterüberwiesen (vgl. z.B. Aussage der Gruppenführer O. – EA Bd. 1.2 Bl. 60.2 ff. – und N.- EA Bd. 1.2 Bl. 43.3 ff.). Die S. entlohnte nachfolgend stets selbst die einzelnen Sortierer – nach der Buchführung erfolgte die Abrechnung mit den Sortierern monatlich -, indem sie den erhaltenen Betrag durch die Anzahl der tätig gewesenen Sortierer teilte und sodann bei jedem einzelnen 13% für ihre eigene Provision, anteilig Lohnsteuer, gegebenenfalls Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag abzog und den Rest in der Regel per Scheck an die Sortierer auszahlte. Dass lediglich 37 bzw. 40% der Vergütung einem Lohnsteuerabzug unterworfen wurden, ergab sich daraus, dass schon die Einzelfirma von X. 1977 mit dem Finanzamt K. eine Vereinbarung getroffen hatte, derzufolge von den an die Sortierer gezahlten Entgelten ein pauschaler Werbungskostenabzug von 70% vorgenommen wurde und lediglich die restlichen 30% zu versteuern waren. Der Grund für diese Regelung lag darin, dass von den Sortierern damals noch eine hohe Mobilität verlangt wurde und sie hohe Reisekosten durch Flüge etc. hatten. Da sie jedoch häufig in Gruppen reisten und sie oftmals der deutschen Sprache nicht mächtig waren, gestaltete sich ein Einzelnachweis der jeweiligen Werbungskosten schwierig, so dass der Einfachheit halber ein hoher Pauschalbetrag anerkannt wurde. Da die Sortierer aber mehr und mehr in der Nähe bestimmter Brütereien blieben, wurde der pauschale Abzug später abgesenkt. Von 1999 bis März 2003 betrug der dem Lohnsteuerabzug unterliegende Teil der Vergütung 37%, ab April 2000 dann 40%.

Die Kükensortierer hielten sich häufig mehrere Monate bis Jahre in der Bundesrepublik Deutschland und angrenzenden europäischen Ländern (wie Dänemark, den Niederlanden, Frankreich etc.) auf und waren dabei nahezu ausnahmslos nach dem vorstehend geschilderten System für die S. tätig.

Im Mai und Juni 2004 wurde auf ein Ersuchen der französischen Partnerbehörde QB. um Amtshilfe wegen Verdachts der illegalen Beschäftigung von chinesischen Kükensortierern durch die S. dort eine Prüfung durch die Zollbehörden ohne Beanstandung durchgeführt, weil die Sortierer als Selbständige anzusehen und deshalb keine Sozialabgaben geschuldet seien. Das Prüfungsergebnis hatte unter anderem auf dem Agenturvertrag von 1973 sowie auf den rechtsverbindlichen Erklärungen der einzelnen Sortierer gefußt, die wiederum Bezug nahmen auf die jeweiligen (Rahmen)Werkverträge zwischen den einzelnen GbR und der S.

Sodann fand im September 2004 eine reguläre Betriebsprüfung betreffend die Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer bei der S. durch das Finanzamt K. statt. Um einen doppelten Prüfungsaufwand zu vermeiden, wurde ab Oktober 2004 zugleich auch eine Lohnsteueraußenprüfung veranlasst und durchgeführt. Im Rahmen der Prüfungen erstellte die Betriebsprüferin, Steueroberinspektorin U., für die S. eine Liste mit fehlenden Unterlagen, die sie benötigte, um sich ein Bild von den gesamten Unternehmensumständen zu machen. Sie erhielt daraufhin von den Angeschuldigten einen Ordner, in dem die Rahmenwerkverträge abgeheftet worden waren sowie auch ein Blatt Papier, auf dem es hieß, diese Verträge seien in der Praxis nie angewendet worden. Auf Nachfrage zu diesem Schriftstück bei A. erläuterte er ihr den Inhalt der Anmerkung dahin, dass die Sortierer mit Hilfe der Rahmenwerkverträge an die S. gebunden werden sollten und durch Vereinbarung einer Kündigungsfrist ein plötzliches Abwandern der Sortierer, wie häufiger in der Vergangenheit geschehen, verhindert werden sollte. Weiter versah er die Anmerkung mit der Überschrift „Rahmenwerkverträge“ und unterzeichnete sie am 23.11.2004 mit seinem Namen.

Weil die Zeugin U. erfahren hatte, dass auch schon die Zollbehörden bei der S. Prüfungen durchgeführt hatten und sie sich von dort weitere Erkenntnisse für ihre Prüfung erhoffte, setzte sie sich mit dem Zoll in Verbindung. Dabei kam das Gespräch auch auf einen Agenturvertrag aus dem Jahr 1973, von dem Steueroberinspektorin U. aus einem früheren Strafverfahren gegen X. und B. (wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe hierzu, vgl. Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft Q., Az.: 402 Js 7660/98) wusste, dass dieser Vertrag mangels Existenz der Z. nicht mehr galt. In der daraufhin am 10.12.2004 anberaumten Dienstbesprechung zwischen Zoll, Finanzamt und der Steuerfahndung wies die Zeugin U. neben der Tatsache, dass die Z., die 1973 Vertragspartner gewesen war, nicht mehr existierte, insbesondere auf die Anmerkung vom 23.11.2004 zu den Rahmenverträgen hin. Der Zoll, dem zuvor nicht bekannt gewesen war, dass der eine Vertragspartner, die Z., nicht mehr existierte und dass auch die Rahmenwerkverträge nie angewendet worden waren, bewertete den Sachverhalt aufgrund der durch das Finanzamt K. mitgeteilten neuen Erkenntnisse anders als noch einige Monate zuvor und hielt nunmehr einen Anfangsverdacht für Straftaten nach § 266a StGB für gegeben. Es kam in der Folge am 17.12.2004 zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen A., B. und T., in dessen Verlauf die Geschäfts- und Privaträume der Angeschuldigten durchsucht, Anhörungsschreiben an die Brütereien versandt, die noch in Deutschland lebenden Kükensortierer und Gruppenführer vernommen wurden und dadurch insgesamt umfangreiches Beweismaterial zutage gefördert wurde, auf das sich nunmehr die Anklage der Staatsanwaltschaft bezüglich des Vorwurfs der Sozialversicherungsbeitragsvorenthaltung stützt.

Das Verfahren gegen T. wurde am 18.12.2006 gem. § 206a StPO eingestellt, da sie ausweislich eines amtsärztlichen Gutachtens mittlerweile verhandlungsunfähig ist und mit einer Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit nicht mehr zu rechnen ist (vgl. EA Bd. 1.2 Bl. 311 f., EA Bd. 1.4 Bl. 187 f.).

Seit Gründung der S. im März 1999 waren bis Anfang 2005 mehr als einhundert Personen als Sortierer für die S. tätig. Innerhalb dieses Zeitraums zahlte die S. mehr als 10 Millionen € an die Kükensortierer für deren Sortierleistungen in in- und ausländischen Brütereien aus. Lohnsteuer wurde von diesen Beträgen zwar zum Teil abgeführt, Sozialversicherungsbeiträge wurden jedoch nicht gezahlt. Ab Januar 2003 wurden bei der AOK monatlich Beitragsnachweise eingereicht, in denen nur die Familienmitglieder (A., B., T., X. etc.), nicht jedoch die Kükensortierer enthalten waren.

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B.
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 393 Abs. 2 S. 2 AO ist für die Entscheidung der Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 199 StPO entscheidungserheblich. Denn nach dem Ergebnis der Ermittlungen besteht – die Verfassungsmäßigkeit von § 393 Abs. 2 S. 2 AO unterstellt – ein hinreichender Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO hinsichtlich der angeklagten Taten, so dass die Kammer das Hauptverfahren gem. § 203 StPO eröffnen müsste (dazu unter I.). Auch liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 393 Abs. 2 S. 2 AO vor (dazu unter II.). Im Fall der Nichtigkeit von § 393 Abs. 2 S. 2 AO müsste die Kammer die Eröffnung aus Rechtsgründen ablehnen, da dann wegen des Verwendungsverbots des § 393 Abs. 2 S. 1 ein – für alle Stadien des Strafverfahrens, mithin auch für die Eröffnung des Hauptverfahrens geltendes (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , Kommentar zur AO und FGO, Lfg. 163, November 1999, § 393 Rn. 173 f.) – Verfahrenshindernis vorläge. Denn die Ermittlungsergebnisse wären dann insgesamt nicht verwertbar (dazu unter III.).

I.

Ein hinreichender Tatverdacht der Straftatbegehung gem. § 266a Abs. 1 StGB besteht nach Aktenlage zumindest hinsichtlich des Angeschuldigten A. (1.). Demgegenüber kommt für den Mitangeschuldigten B. bei vorläufiger Tatbewertung aus Sicht der Kammer lediglich eine Strafbarkeit als Gehilfe gem. §§ 266a, 27 StGB in Betracht (2.).

1. Eine Verurteilung von A. wegen täterschaftlich begangenen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen ist mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

a) Es besteht der hinreichende Verdacht, dass es sich bei den Kükensortieren um Arbeitnehmer handelt, für die gem. § 266a Abs. 1 StGB Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen wären, und dass als Arbeitgeber die S. anzusehen ist.

(aa) Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Abs. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beschäftigte in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 19.08.2003 – B 2 U 38/02 R -; Urteil v. 12.02.2004 – B 12 KR 26/02 R -; Tröndle/Fischer , StGB, 54. Aufl., 2007, § 266a Rn. 4). Weitere Kriterien sind Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, Notwendigkeit der engen, ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Arbeitskontrolle, fehlender Einsatz eigenen Kapitals, Ausführung der Arbeit mit Mitteln des Auftraggebers, fehlendes unternehmerisches Risiko, keine Unternehmerinitiative, keine eigene Umsatzsteuererhebung, keine Entscheidungsfreiheit über die Zahlungsweise von Kunden, Leistungserbringung nur in eigener Person, Tätigkeit im wesentlichen nur für einen Auftraggeber (vgl. hierzu BFHE 144, 225).

Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko und die Unternehmerinitiative gekennzeichnet (vgl. BFH, Urteil v. 16.05.2002 – IV R 94/99 -). Weitere Kriterien sind das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, Werbung in eigener Sache, eigene Rechnungsausstellung, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit (vgl. BSG, Urteil v. 12.02.2004 – B 12 KR 26/02 R -). Selbständige erhalten zudem keine Bezahlung im Krankheitsfall und bekommen ihre Vergütung zuzüglich der Umsatzsteuer.

Ob jemand abhängig oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. BFHE 126, 311). Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so geben letztere den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff.).

Der hinreichende Verdacht, dass die Sortierer nicht selbständig, sondern abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig sind, ergibt sich aus einer Fülle an Indizien:

So konnten die Sortierer nicht selbstbestimmt tätig werden, sondern ihnen war sowohl der Arbeitsort (die jeweilige Brüterei) als auch die Arbeitszeit (an den je Brüterei jeweils nur einzelnen Schlupftagen) wie auch die Art der Arbeit (ob „Federsexing“ oder „Kloakensexing“) vorgegeben. Während sich die Art der Arbeit aus der jeweils zu sortierenden Geflügelrasse ergab und die Sortierer zudem diesbezüglich auch Weisungen der Brütereien unterlagen, stimmte die S. – oder aber teilweise auch die jeweiligen Gruppenführer – die Planungen bezüglich der zu sortierenden Küken mit den Brütereien ab und legte fest, an welchen Tagen um wie viel Uhr wie viele Sortierer bei den Brütereien erscheinen sollten. Entsprechend diesen Planungen, auf die die Sortierer keinen Einfluss hatten, begaben sich die eingeteilten Sortierer dann zum Sortieren in die jeweiligen Brütereien. Dort wurde ihre Arbeit häufig stichprobenmäßig auf Sortierfehler durch den Gruppenführer oder einen der aus der Gruppe hierfür abgestellten Sortierer kontrolliert.

Ihnen kam auch nicht die für Selbständige typische Unternehmerinitiative zu, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, frei zu entscheiden, in welchem Umfang sie tätig sein wollten. Es gab keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Sortieren und den Brütereien, auch Verhandlungen fanden nicht statt. Vertragspartner der Brütereien waren regelmäßig die S. oder aber zum Teil auch einer der Gruppenführer. Die Kükensortierer kannten die Verträge, die zwischen den Brütereien, den Gruppenführern und der S. abgeschlossen werden, nicht. Die Entgelte pro sortiertes Geflügel wurden von der S. mit den Brütereien ausgehandelt, die Sortierer hatten hierauf keinen Einfluss. Ihre Vergütung erhielten sie stets von der S. Die Höhe ihrer Einnahmen konnten sie ebenfalls nicht durch eine Steigerung ihrer Arbeitsleistung oder durch die Herbeiführung eines besonderen Erfolges beeinflussen, da ihnen die Aufträge vorgegeben wurden und es ihnen nahezu unmöglich war, unabhängig von der S. oder einem vergleichbaren Unternehmen Sortieraufträge zu erhalten. Die im Ermittlungsverfahren vernommenen Sortierer haben hierzu übereinstimmend ausgesagt, es sei nicht möglich bzw. sehr schwer, ohne die Firma S. als Sortierer zu arbeiten (vgl. EA Bd. 5.1 Bl. 44 f., 69 f., EA Bd. 5.2 Bl. 198 ff.). Dies wurde sowohl von den Gruppenführern als auch den Brütereien bestätigt (vgl. z.B. EA Bd. 1.2 Bl. 72, EA Bd. 5.1 Bl. 370R, 413 f.).

Die Sortierer haben weiter ausgesagt, dass sie grundsätzlich die von den Gruppenleitern bestimmten Einsätze wahrnehmen und lediglich bei Krankheit oder Heimaturlaub absagen würden. Nicht sie selbst müssten dann für Ersatz sorgen, sondern sie hätten sich in diesem Fall nur bei dem Gruppenleiter – nicht jedoch bei der Brüterei – abzumelden, der sich dann um Ersatzsortierer kümmere. Selbständige müssen sich demgegenüber selbst um Vertretungen bzw. Aushilfen bemühen.

Auch das unternehmerisches Risiko lag nicht bei den Sortierern. Zwar verpflichteten sie sich in den Rahmenwerkverträgen gegenüber der S. bzw. den Gruppenführern, die Sortierungen mit einer Genauigkeit von 98 bzw. 99% durchzuführen, und Fehlsortierungen sollten den sogenannten Werklohn mindern. Allerdings sollten die Rahmenwerkverträge in der Praxis ohnehin nicht angewendet werden. Zudem ergibt sich aus den Aussagen der vernommenen Sortierer wie auch denen von Mitarbeitern der Brütereien, dass Fehler nur sehr selten auftraten, dann nur selten zu Regressforderungen gegenüber der S. oder einem Gruppenleiter führten, derartige Forderungen dann ohnehin nur in wenigen Fällen befriedigt wurden, und letztlich bei den Kükensortierern selbst nur in wenigen Fällen Abzüge von der Vergütung vorgenommen wurden (vgl. z.B. EA Bd. 5.1 Bl. 23, 70, 99, 206, 295 f., 284, 310). Das tatsächliche diesbezügliche wirtschaftliche Risiko der Sortierer war also nur sehr gering. Letztendlich trugen überwiegend die Brütereien selbst oder aber die S. das Risiko von Fehlsortierungen. Im übrigen ist es auch in anderen Bereichen nicht unüblich, dass Arbeitnehmer je nach Verschuldensgrad für eigene Fehler einzustehen haben und hierfür vom Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Die Haftung für eigenes Verschulden kommt auch in Arbeitsverhältnissen vor.

Da die Sortierer insgesamt weder wesentliche Fixkosten hatten – die Sortiereinrichtungen, an denen sie ihre Tätigkeit ausführten, standen in den Brütereien bereit, diese stellten auch sterile Kleidung, so dass die Sortierer allenfalls die Kosten ihrer Arbeitsmaterialien (wie beispielsweise spezielle Lampen) selbst trugen, die jedoch keinen wesentlichen Kapitaleinsatz darstellten -, keine eigene Rechnungen an die Brütereien schrieben und deswegen kein Forderungsausfallrisiko trugen, bestand bei ihnen insgesamt kein unternehmertypisches Risiko, Verluste zu erwirtschaften.

Die Sortierer waren gewerberechtlich nicht gemeldet und unterhielten keine eigenen Betriebsstätten. Auch eine Werbung der Sortierer in eigener Sache gab es nicht. Im Verhältnis zwischen den Kükensortierern und der S. wurde nie Umsatzsteuer berechnet. Bei einer tatsächlichen Selbständigkeit hätten die Kükensortierer allein oder aber bei Tätigwerden als GbR der S. die Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die S. hätte diese bezahlen und Vorsteuer geltend machen können, während die Kükensortierer oder die jeweiligen GbR die Umsatzsteuer hätten abführen müssen. In den gesamten Beweismitteln tauchen jedoch keine diesbezüglichen Vorgänge auf. Dies spricht dafür, dass eine selbständige Tätigkeit weder vorlag noch gewollt war.

Zudem impliziert auch die Zahlung von Lohnsteuer, die von selbständig Tätigen nicht abzuführen ist, die Arbeitnehmereigenschaft der einzelnen Sortierer. Die Einlassung des Angeschuldigten A., es handele sich um eine „Quasi-Lohnsteuer“ (vgl. EA Bd. 1.4 Bl. 16 ff., 28 ff., 39a ff.), überzeugt nicht.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, bei der abgeführten Lohnsteuer habe es sich lediglich um eine „Quasi-Lohnsteuer“ gehandelt. So haben die Behörden stets von Lohnsteuer und nicht etwa von einer „Quasi-Lohnsteuer“ gesprochen. Beispielsweise hatte das Finanzamt K. den Vorgängerbetrieb des Vaters X. bereits 1977 aufgefordert, Lohnsteuererklärungen abzugeben, da die Kükensortierer als Arbeitnehmer anzusehen seien, für die X. als inländischer Arbeitgeber Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen habe (EA Bd. 1.2 Bl. 304). Auch in einem aus dem Jahr 1981 datierenden Schreiben vom Finanzamt K. an Steuerberater D. wird auf eine Besprechung Bezug genommen, in der X. bezüglich des Lohnsteuerabzugs unter anderem die Auflage gemacht wurde, die gesetzlich vorgeschriebenen Lohnsteuerklassen sämtlicher Arbeitnehmer zu beachten bzw. zu überwachen (EA Bd. 6.3 Bl. 419). Ebenso entschied die Oberfinanzdirektion 1980, dass die Kükensortierer als Arbeitnehmer zu behandeln seien (vgl. BMO Bd. 1 Bl. 125). Als Werbungskosten der Sortierer sollten weiter pauschal 70% angesetzt werden, was mit den Kfz- und Flugkosten, der Unterbringung und den Verpflegungsmehraufwendungen erklärt wurde. Ab 1981 sollten dann die Aufwendungen konkret nachgewiesen werden.

Eine derartige Konstruktion einer „Quasi-Lohnsteuer“ ist im übrigen aus dem Gesetz auch nicht bekannt.

Die S. führte für jeden Sortierer lohnkontoähnliche monatliche Vergütungstabellen, auf denen die monatlichen Sortierleistungen abgerechnet und hiervon die Provision der GmbH, Lohnsteuer sowie gegebenenfalls Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag abgezogen wurden.

Gegen die Arbeitnehmereigenschaft spricht nicht, dass die Sortierer stets einen Gruppenlohn – vergleichbar mit einem Akkordlohn – erhielten, dadurch dass bei der Auftragsausführung in der Gruppe die an einem Tag sortierten Küken gleichmäßig auf die Sortierer aufgeteilt wurden, so dass jeder grundsätzlich die gleiche Vergütung erhielt. Denn auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen gibt es flexible Arten von Lohnzahlungen die etwa eine Erfolgskomponente beinhalten, wie z.B. Formen des Akkord- oder Prämienlohns (BSG, Urteil v. 19.08.2003 – B 2 U 38/02 R -). Derartige Akkordlohnberechnungen sind auch in anderen Bereichen, z.B. bei Mauerwerksarbeiten im Baubereich möglich, ohne dass hieraus eine Selbständigkeit der Tätigkeit abgeleitet wird.

Dass die Sortierer keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub hatten, spricht ebenfalls nicht zwingend gegen ihre Einordnung als Arbeitnehmer. Denn derartige Regelungen sind nicht Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr begründet umgekehrt das Arbeitsverhältnis Ansprüche auf solche Sozialleistungen (vgl. BFH, Urteil v. 24.07.1992 – VI R 126/88 -; FG Sachsen, Urteil v. 09.11.2005 – 2 K 2709/03 -).

Die Kükensortierer befanden sich in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zur S. Sie hielten sich häufig mehrere Monate bis Jahre in der Bundesrepublik Deutschland und den angrenzenden europäischen Ländern (wie Dänemark, den Niederlanden, Frankreich etc.) auf und waren dabei nahezu ausnahmslos für die S. tätig. Da Einreisevisum wie auch Aufenthaltsgenehmigung jeweils unter der Bedingung einer selbständigen Sortiertätigkeit für die S. erteilt worden waren, hatten diese nur Gültigkeit im Rahmen der Tätigkeit für die S. und schlossen zunächst eine Tätigkeit unabhängig von der S. oder aber für ein anderes Unternehmen aus. In der Praxis konnten die Sortierer ohne die S. ohnehin nicht eigenständig tätig werden. Die vernommenen Sortierer haben hierzu übereinstimmend ausgesagt, ohne Aufträge von S. könnten sie in Deutschland nicht bzw. nur schwer leben (vgl. z.B. EA Bd. 5.1 Bl. 10 ff., 57 ff.). Daher lehnten sie nur in den seltensten Fällen einen Auftrag ab (vgl. hierzu auch die Aussage des Gruppenführers O. EA Bd. 1.2 Bl. 60.2 ff.) und nahmen prinzipiell jeden ihnen zugewiesenen Auftrag wahr, es sei denn sie waren krank oder hatten Urlaub.

Weiter wurden in den Geschäftsräumen der S. Personalunterlagen für jeden der Kükensortierer sichergestellt, in denen sich neben den Unterlagen zur Aufenthaltserlaubnis auch Versicherungsunterlagen, Heiratsurkunden, Mietverträge, Kindergeldanträge, Lohnsteuerkarten, Führerscheine etc. teilweise als Kopie oder aber im Original befanden. Auch dies zeigt die Abhängigkeit der häufig der deutschen Sprache nur unzureichend mächtigen Sortierer, die deswegen regelungsbedürftige persönliche Angelegenheiten der S. übertrugen. Einer der Sortierer, TB., hat ausgesagt, für ihn sei es selbstverständlich gewesen, dass die S. seine persönlichen Unterlagen besessen habe, da das Verhältnis zwischen ihnen ähnlich dem eines Arbeitgebers und Arbeitnehmers gewesen sei.

Die Kükensortierer sollten auch über den Abschluss der Rahmenverträge und die Unterzeichnung der rechtsverbindlichen Erklärungen an die S. gebunden werden, indem ihnen dadurch suggeriert wurde, sie könnten nicht einfach wechseln, sondern müssten zunächst eine Kündigung aussprechen und eine dreimonatige Kündigungsfrist einhalten.

Auch nach dem äußeren Eindruck, dem ebenfalls maßgebende Bedeutung zukommt (vgl. BFHE 113, 235; 120, 465), stellt sich die Arbeit der Kükensortierer – insbesondere auch aus Sicht der Brütereien – als unselbständig dar. Diese haben in den ihnen übersandten Anhörungsbögen angegeben, die Kükensortierer stünden ihrer Ansicht nach in einem Beschäftigungsverhältnis zur Firma S. (vgl. Anhörung Brüterei UB. – EA Bd. 5.1 Bl. 381 ff., Brüterei VB. – EA Bd. 5.1 Bl. 287 ff., Brüterei WB. – EA Bd. 5.1 Bl. 299 ff., Brüterei XB. – EA Bd. 5.1 Bl. 316 ff.).

Insgesamt standen die einzelnen Sortierer in starker Abhängigkeit zur S. Sie brachten jeweils nur ihre Arbeitskraft ein, alles andere wurde für sie organisiert. Der gesamte Ablauf von ihrer Einladung nach Deutschland über ihre Einreise, ihre jeweiligen Arbeitseinsätze bis hin zur Entlohnung wurde von der S. gestaltet. Sie waren weitgehend weisungsgebunden und darauf beschränkt, zu vorgegebenen Zeiten an vorgegebenen Orten vorgegebene Mindestmengen zu vorgegebenen Entgelten zu sortieren. Dass die eigentliche Geschlechterbestimmung bei den Eintagsküken dann selbständig erfolgte, ist unerheblich, denn letztlich führt jeder Handwerker die zu seinem Beruf gehörenden Arbeiten im engeren Sinne selbständig durch, ohne dass er deswegen automatisch auch Selbständiger im Sinne des Sozialversicherungsrechts wäre (vgl. auch FG Hamburg, Urteil v. 29.06.2005 – II 402/03 -: „Umgekehrt spricht eine in der Natur der Sache liegende Eigenverantwortlichkeit nicht zwingend für eine selbständige Tätigkeit“ ).

(bb) Die S. – nicht jedoch die jeweiligen Gruppenführer – ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch als Arbeitgeber der Kükensortierern anzusehen.

Selbst wenn man diejenigen Gruppenführer, die mit den Brütereien eigene Verträge abschlossen und sich hierfür Sortierer von der S. ausliehen, als „Entleiher“ im Sinne des AÜG und die S. dementsprechend als „Verleiher“ ohne die nach § 1 Abs. 1 notwendige Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmer-Überlassung ansieht, ändert sich an diesem Ergebnis nichts. Denn der Verleiher ist unter der Voraussetzung, dass er und nicht der Entleiher die Arbeitskräfte entlohnt, auch dann als Arbeitgeber anzusehen, wenn er eine mangels Erlaubnis unerlaubte Arbeitnehmer-Überlassung im Sinne von § 9 Abs. 1 AÜG betreibt (BFH Urteil v. 02.04.1982 – VI R 34/79; LG Oldenburg, Urteil v. 18.09.2000 – 2 KLs 13/95 -; ebenso BGH wistra 2001, 464 f.; LG Oldenburg wistra 2005, 117). Bei einem gem. § 9 Abs. 1 AÜG unwirksamen Vertrag haftet der Verleiher gem. § 28e Abs. 2 S. 3 und 4 SGB IV, § 10 Abs. 3 AÜG neben dem Entleiher als Gesamtschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge und macht sich im Falle der Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge gem. § 266a StGB strafbar. Da hier die Kükensortierer monatlich Zahlungen regelmäßig per Scheck durch die S. erhielten, wie sich aus den Lohnlisten, den Zahlungsanweisungen und den Aussagen der vernommenen Kükensortierer ergibt, entlohnte der Verleiher – die S. – die Kükensortierer und ist insofern ebenfalls als Arbeitgeber anzusehen.

Gegen eine Arbeitgebereigenschaft der Gruppenführer spricht allerdings, dass alle maßgeblichen, das Arbeitsverhältnis der asiatischen Kükensortierer betreffenden Vorgänge durch die S. abgewickelt wurden. Die S. lud die Sortierer ein, kümmerte sich um die Einreise und aufenthaltsrechtlichen Belange, verwaltete deren persönliche Unterlagen, teilte die Sortierer in Gruppen ein, stellte den Kontakt zu den Gruppenführern her, führte Lohnlisten und entlohnte die Sortierer aus eigenen Finanzmitteln. So gesehen dürfte sie sich der Gruppenführer nur als ihrer „Weisungsgehilfen“ bedient haben.

b) Nach vorläufiger Bewertung der Aktenlage ist A. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als faktischer Geschäftsführer der S. anzusehen. Dies begründet die Annahme einer strafrechtlich relevanten Verantwortlichkeit im Sinne des § 14 StGB für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und damit seine Täterstellung für eine Straftaten nach §§ 263, 266a StK.

Täter des § 266a StGB kann nur der Arbeitgeber sein, denn diesen trifft die sozialversicherungsrechtliche (§ 28 SGB IV), strafrechtliche und damit haftungsrechtliche Verantwortung für das rechtzeitige Abführen der Sozialversicherungsbeiträge. Taugliche Täter sind auch die für den Arbeitgeber im Sinne des § 14 StGB verantwortlich Handelnden, wie der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder der Geschäftsführer einer GmbH, aber auch der sog. faktische Geschäftsführer (vgl. hierzu BGHSt 47, 318, 324 unter Hinweis auf BGHSt 21, 101, 103; Tröndle/Fischer , § 266a Rn. 5; LK- Gribbohm , Stand: 01.06.1996, § 266a Rn. 15 m.w.N.), also derjenige, der die Geschäftsführung tatsächlich übernommen hat (BGH NStZ 2000, 34, 35).

Von faktischer Geschäftsführung ist auszugehen, wenn sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen weitgehend von dem faktischen Geschäftsführer vorgenommen werden und er im Übrigen auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss nimmt (BGH NJW 2000, 2285 unter Hinweis auf BGHSt 31, 118, 121; vgl. auch BGH NStZ 2000, 34, 35 unter Hinweis auf BGHSt 3, 32, 37). Die Bandbreite möglicher Geschäftsführungsaufgaben hängt wesentlich von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab, jedoch gibt es einen Kern von Tätigkeitsbereichen, die typischerweise zur Organzuständigkeit eines Geschäftsführers gehören. Hierunter fallen insbesondere die Bestimmung der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Einstellung von Mitarbeitern, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern der Gesellschaft einschließlich der Vereinbarung von Vertrags- und Zahlungsmodalitäten, Entscheidung der Steuerangelegenheiten, Verhandlungen mit Kreditgebern, Steuerung von Buchhaltung und Bilanzierung, und – als weiteres starkes Indiz – die Höhe des Gehaltes (vgl. BGH NJW 1997, 66, 67; Dierlamm , NStZ 1996, 153, 156). Einen weiteren Anhaltspunkt stellt es dar, wenn der faktische Geschäftsführer in seiner Organfunktion nach außen und für unternehmensfremde Dritte erkennbar aufgetreten ist.

In Fällen der faktischen Mitgeschäftsführung muss die Aufgabenwahrnehmung durch den faktischen Geschäftsführer im Verhältnis zum bestellten Geschäftsführer eine qualifizierte Intensität erreicht haben. Als Abgrenzungsmerkmal dient insoweit das Kriterium der „überragenden Stellung“ (vgl. hierzu BGHSt 31, 118). Die Stellung des faktischen Geschäftsführers ist dann als „überragend“ zu bewerten, wenn er sämtliche unternehmerischen Entscheidungen von Bedeutung maßgeblich beherrscht und bestimmt, und zwar derart, dass die Mitwirkung anderer Entscheidungsträger nur untergeordneten Stellenwert einnimmt.

Als weitere Voraussetzung der faktischen Geschäftsführung wird eine nicht unerhebliche Dauer der Geschäftsführertätigkeit gefordert (vgl. Dierlamm , NStZ 1996, 153, 157). Eine bloß kurzzeitige oder auch nur vorübergehende Übernahme geschäftsführender Funktionen – etwa für einige Wochen – genügt nicht. Die Dauer des Organhandelns ist ebenso wie dessen Außenwirkung notwendige Voraussetzung der Faktizität und Wesensmerkmal jeder Geschäftsführertätigkeit.

Insgesamt ist daher für die Stellung eines faktischen Geschäftsführers erforderlich, dass der Täter in qualifizierter Intensität Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen hat (wobei in Fällen faktischer Mitgeschäftsführung eine „überragende Stellung“ im Unternehmen notwendig ist), er bei Wahrnehmung dieser Aufgaben in seiner Funktion als „Geschäftsführer“ nach außen aufgetreten ist und seine geschäftsführende Tätigkeit von gewisser Dauer war (vgl. hierzu BayObLG NJW 1997, 1936 f. m.w.N.). Im übrigen darf die Unternehmensführung nicht einseitig angemaßt sein, sondern muss mit dem Einverständnis der Gesellschafter, das als eine konkludente Bestellung zu werten ist, erfolgt sein (BGHSt 3, 33, 38).

A. schloss den überwiegenden Teil der Verträge mit den Geschäftspartnern der S. wie den Gruppenführern oder Brütereien ab. So unterzeichnete er beispielsweise den Vertrag mit der Brüterei YB. (EA Bd. 6.2 Bl. 52 ff.), mit der Brüterei ZB. (EA Bd. 6.1 Bl. 44 f.) einschließlich einer gesonderten Preisvereinbarung (EA Bd. 6.1 Bl. 46), mehrere Verträge mit Gruppenführern (R. – EA Bd. 6.1 Bl. 72 f., N.- BMO Bd. 1 Bl. 76, W. – EA Bd. 6.2 Bl. 94 f., H. – EA Bd. 6.2 Bl. 89), diverse Rahmenwerkverträge mit unterschiedlichen Sortierergruppen (vgl. z.B. Gruppe OB. – EA Bd. 6.1 Bl. 47 ff., Gruppe AC. – EA Bd. 6.1 Bl. 59 ff., Gruppe BC. – EA Bd. 6.1 Bl. 51 ff., Gruppe CC. – EA Bd. 6.1 Bl. 55 ff., Gruppe DC. – EA Bd. 6.1 Bl. 68 ff., Gruppe EC. – EA Bd. 1.2 Bl. 107 ff.) sowie die rechtsverbindlichen Erklärungen (z.B. EA Bd. 6.4 Bl. 29 ff., 74 ff., 153 ff.). Er lud die im asiatischen Raum lebenden Sortierer zur Arbeit nach Europa ein (vgl. z.B. EA Bd. 6.2 Bl. 360 ff., BMO Bd. 1 Bl. 82 ff.), korrespondierte deswegen mit den Botschaften und Konsulaten (vgl. EA Bd. 7 Bl. 140, EA Bd. 6.3 Bl. 6), nahm in den weit überwiegenden Fällen die Wochenplanungen für den Einsatz der Sortierer vor (vgl. z.B. EA Bd. 7 Bl. 150, 155, 157, 161 f., 164, 167, 386), korrespondierte wegen der Verträge mit den Brütereien und Gruppenführern und kümmerte sich um die Bezahlung der von der S. ausgestellten Rechnungen (vgl. z.B. EA Bd. 6.1 Bl. 245). Ihm oblag es, die Anweisung der Sortierentgelte an die Sortierer vorzunehmen (vgl. z.B. EA Bd. 6.3 Bl. 192 ff., 205 ff., 363 ff.), er erstellte die Grundaufzeichnungen für die Finanzbuchhaltung und war bereits seit dem 01.07.1999 der hauptsächliche Ansprechpartner für den langjährigen Steuerberater (so die Aussage des Steuerberaters D., vgl. EA Bd. 1.2 Bl. 408). Zudem war es A., der im Frühjahr 2003 – vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer im Jahr 2004 – Arbeitsverträge zur Einstellung von X. und GC. als „Arbeitgeber“ unterschrieb (EA Bd. 6.2 Bl. 99 f., 102 f.). Ebenfalls unterzeichnete er im Jahr 2000 den Vertrag zum Abschluss einer Direktversicherung zur betrieblichen Altersvorsorge für X. als „Arbeitgeber“ (EA Bd. 6.1 Bl. 38).

A. trat auch nach außen und für unternehmensfremde Dritte erkennbar als maßgeblicher Entscheidungsträger der Gesellschaft auf, wie die Vernehmungen von Gruppenführern, Brütereien und Sortierern ergeben haben.

Nach Meinung des langjährig mit der S. zusammenarbeitenden Gruppenführers N. leitet nur A. die Firma (EA Bd. 5.2 Bl. 64). A. sei der Boss, er mache alles. Er lade die Leute ein, entscheide wie viele Leute kommen sollten und erledige sämtliche geschäftlichen Tätigkeiten der Firma. Ansprechpartner bei S. sei überwiegend A. Er selbst habe seit 1994 einen Vertrag mit der Fa. Y. über Vermittlung von Sortierern. Dieser erste Vertrag, den noch sein – mittlerweile verstorbener – Bruder abgeschlossen habe, bestand mit T. (auf die X. damals seine Einzelfirma Y der Form halber übertragen hatte), den zweiten Vertrag nach Gründung der S. habe dann er selbst nach fünf Jahren (1999) mit A. abgeschlossen (EA Bd. 5.2 Bl. 63), dieser sei überwiegender Ansprechpartner (EA Bd. 1.2 Bl. 46).

Diese Einschätzung wird von dem weiteren Gruppenführer G. geteilt: Ansprechpartner bei der Fa. S. sei A. und zwar seit 1990. Wenn dieser nicht da sei, vertrete ihn sein Bruder oder eine Dame; diese beiden könnten aber nichts entscheiden, sondern bedienten nur das Telefon. A. sei der Chef der S.

Auch bei den Brütereien – soweit man dort überhaupt hierzu Angaben machen konnte – wurde allein A. als Gesprächspartner und Entscheidungsträger angesehen. Aus Sicht der Brüterei JC. (EA Bd. 5.1 Bl. 277 f.), die bis zum 12.04.2004 eine langjährige Geschäftsbeziehung mit der S. verband, war Ansprechpartner und maßgeblicher Entscheidungsträger bei der S. der A. Andere Mitglieder der Familie waren dort namentlich nicht bekannt. Für die Brüterei UB. war er ebenfalls hauptsächlicher Gesprächspartner, weitere Personen waren dort nicht bekannt (EA Bd. 5.1 Bl. 383 f.).

Auch der Vater des Angeschuldigten, X. , hat in seiner Vernehmung (EA Bd. 1.4 Bl. 78) angegeben, A. sei von ihm und T. auf die Geschäftsübernahme vorbereitet worden, indem er selbst ihm das notwendige Handwerkszeug im Außendienst und seine Frau ihm die kaufmännische Abwicklung vermittelt habe.

Demgegenüber trat die als solche bestellte Geschäftsführerin T. nach außen so gut wie nicht auf. Keine der angehörten Brütereien kannte T. (vgl. EA Bd. 5.1 Bl. 319 f., 383 f., 276 f., 289 f., 303 f.), die bereits bei ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin fast 66 Jahre alt war und sich keines guten Gesundheitszustandes erfreute. Auch in den Geschäftsunterlagen der S. sind während der fast fünfjährigen Dauer ihrer Bestellung zur alleinigen Geschäftsführerin kaum Aktivitäten zu verzeichnen. So finden sich Unterschriften von ihr lediglich unter einigen Lohnsteueranmeldungen und Jahresabschlüssen, der Gewerbeanmeldung für die S. und einer Handlungsvollmacht für die S. i.G. zugunsten von A.

Auch aus den gezahlten Gehältern lassen sich Rückschlüsse auf die wahren Machtverhältnisse in der GmbH ziehen. Während die alleinige Geschäftsführerin T. ein Jahresgehalt von 6.000,00 DM bekam, erhielt B. jährlich 16.575,00 DM und A. ein Jahresgehalt von 66.500,00 DM, ab dem 01.07.2002 sogar 46.691,68 €.

Bereits der Vergleich des Aufgabenumfangs, der „Außenauftritte“ und der Gehälter legt nahe, dass T. als eine Art „Strohfrau“ fungierte. Auch in einem früheren Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen B. und X. hatte sich herausgestellt, dass die damalige Einzelfirma von X. lediglich offiziell auf T. übertragen worden war, damit X. nicht seine Rentenberechtigung verlor, obwohl dieser in Wahrheit nach wie vor Geschäftsführer der Generalagentur Y. war (vgl. Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft Q., Az.: 402 Js 7660/98, Bl. 4 f.). Gegen eine Geschäftsführertätigkeit über den gesamten Zeitraum bis 30.09.2004 spricht zudem der kritische Gesundheitszustand von T. Diese erlitt bereits im Jahr 2003 einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung.

In der Gegenüberstellung der wahrgenommen Aufgaben von A. einerseits und T. andererseits zeigt sich der lediglich untergeordnete Stellenwert, den die Mitwirkungshandlungen von T. eingenommen haben.

Nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens hat A. über mehrere Jahre die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführerorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen. Indem er federführend bei dem größten Teil der Verträge mit den Brütereien, den Preisvereinbarungen, den Agenturverträgen mit den Gruppenführern, dem überwiegenden Teil der Rahmenwerkverträge, den Einladungsschreiben, den Lohnauszahlungen und der Finanzbuchhaltung war, traf er die maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand der Gesellschaft entscheidenden Maßnahmen. Ihm kam damit innerhalb der Gesellschaft eine überragende Stellung zu.

Vergleichbares lässt sich für den Angeschuldigten B. demgegenüber nicht feststellen. Ihm fehlte es am bestimmenden Einfluss auf sämtliche Geschäftsvorgänge; im relevanten Tatzeitraum war er zum größten Teil nicht mit wesentlichen wirtschaftlichen und kaufmännischen Entscheidungen befasst (nähere Einzelheiten hierzu unter Ziff. 2).

Auch aus Sicht unternehmensfremder Dritter kam ihm nicht die Stellung eines Geschäftsführers zu. Keine der befragten Brütereien oder Gruppenführer nannte seinen Namen als maßgeblichen Entscheidungsträger. Auch sein Vater hat zeugenschaftlich bekundet, B. habe ein umfangreiches eigenes Unternehmen, das ihn restlos in Anspruch nehme. Er betreibe einen Autohandel und befasse sich mit Immobilien. Auf sein Bitten hin habe B. Briefe geschrieben, E-Mails abgerufen und ihn und seine Frau so unterstützt. Es sei auch mal vorgekommen, dass B. aus Eile oder Vereinfachungsgründen einen Brief für die S. auf seinem PC geschrieben habe. Dann habe er aber auf Anweisung gehandelt (EA Bd. 1.4 Bl. 78).

Die lediglich untergeordnete Stellung des Angeschuldigten B. wird weiter durch das Gehalt widergespiegelt. Zwar ist er seit der Gründung der S. ebenso wie A. einer der Gesellschafter und hält einen Geschäftsanteil von 10.000,00 € aus dem Stammkapital von insgesamt 25.000,00 € (BMO Bd. 1 Bl. 1 ff.). Während er jedoch bei der S. zu einem monatlichen Gehalt von 1.275,00 DM brutto sowie einem 13. Monatsgehalt als Bürokaufmann eingestellt wurde (EA Bd. 6.1 Bl. 29 f.), erhielt der Mitangeschuldigte A., der ebenfalls als Bürokaufmann eingestellt wurde, mit einem monatlichen Brutto-Gehalt von 4.750,00 DM sowie einem 13. und 14. Monatsgehalt ein Vielfaches mehr an Vergütung. Dessen Gehalt wurde am 25.06.2002 dann sogar auf 3.335,12 EUR angehoben (vgl. BMO Bd. 1 Bl. 29).

Insgesamt kam B. im Gegensatz zu seinem Bruder A. daher keine maßgebliche Bedeutung bei unternehmerischen Entscheidungen zu.

Alle Umstände sprechen dafür, dass die formell bestellte Geschäftsführerin und Gesellschafterin T. sowohl Kenntnis von der tatsächlichen Geschäftsführung ihres Sohnes Hans-Joachim hatte und – indem sie ihn gewähren ließ – dies auch billigte. Dies ergibt sich auch aus den Angaben des Zeugen X., der ausgesagt hat, er und seine Frau hätten den Sohn A. auf die Geschäftsleitung vorbereiten wollen.

Mangels entsprechender Anhaltspunkte für das Gegenteil ist auch von einer Billigung durch den weiteren Gesellschafter B. auszugehen. Dieser war ebenfalls im Unternehmen tätig und wusste um die Aufgabenerfüllung und das Auftreten von A.

c) Die Kammer hält es auch für überwiegend wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte A. (zumindest bedingt) vorsätzlich handelte.

Ein vorsätzliches Verhalten gem. § 266a StGB setzt das Bewusstsein und den Willen voraus, die geschuldeten Beiträge bei Fälligkeit nicht an die Kasse abzuführen (vgl. BGH NJW 1997, 130, 133 m.w.N. zur Rspr.). Im Rahmen von § 266a StGB genügt bedingter Vorsatz ( Tröndle/Fischer , § 266a Rn. 23 m.w.N.). Der Arbeitgeber muss daher die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit kennen und wollen oder aber zumindest billigend in Kauf nehmen, dass diese Pflicht nicht erfüllt wird.

Bei dem Angeschuldigten A. besteht diesbezüglich ein hinreichender Verdacht.

Schon bei dem Vorgängerunternehmen der S., der Einzelfirma Y des Vaters X., wurden die Sortierer als Arbeitnehmer eingestuft. Dies ergibt sich aus diversen Schreiben: So heißt es in einem Schreiben an eine schweizer und eine dänische Brüterei vom 01.08. bzw. 29.08.1973, in der Y. seien ausreichend Sexer „beschäftigt“ (EA Bd. 6 Bl. 176 f.). In Bescheinigungen aus dem Jahr 1973 werden die Kükensortierer als „Mitarbeiter“ bezeichnet und es ist die Rede von einem „Montag-Arbeitsplatz“ (EA Bd. 6 Bl. 178 f.). In einem Vertragsvordruck aus dem Jahr 1972 heißt es, die Einzelfirma Y. „stellt der LC. in EC. zunächst für zwölf Monate einen Kükensortierer – möglichst einen Japaner“ und sichert „sofortige Ersatzgestellung bei Erkrankung des Sexers“ zu (EA Bd. 6 Bl. 180). Weiter ist in einem handschriftlichen Aktenvermerk aus 1984 davon die Rede, die „Arbeitseinteilung“ der Sortierer werde vom Büro der Y. aus vorgenommen (EA Bd. 6 Bl. 185 f.). In einem Schreiben des Steuerberaters D. an das Finanzamt K. aus dem Jahr 1981 heißt es, X. habe alle „Arbeitnehmer“ zu Reisekostennachweisen aufgefordert (EA Bd. 1.2 Bl. 307 f.).

Das Vorgängerunternehmen des Vaters X. war zudem bereits 1977 durch das Finanzamt K. aufgefordert worden, Lohnsteuererklärungen abzugeben, da die Kükensortierer als Arbeitnehmer anzusehen seien (EA Bd. 1.2 Bl. 304). Auch war den Sortierern durch das Finanzamt gestattet worden, von den Einnahmen 70% als pauschalen Werbungskostenansatz abzuziehen, allerdings nur, soweit sie als Arbeitnehmer anzusehen seien. Die pauschale Regelung gelte nicht, wenn die Sortierer als selbständig anzusehen seien (EA Bd. 1.2 Bl. 306). In der Folge wurde jedoch stets von der 70%-igen Pauschale Gebrauch gemacht. Auch ein Aktenvermerk des Finanzamts K. aus dem Jahr 1980 hielt fest, dass die Kükensortierer als Arbeitnehmer behandelt und 70% pauschal als Werbungskosten angesetzt werden. Hiervon hatte A. auch Kenntnis, da diese beiden Schriftstücke in dem Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 05.06.2000 behandelt wurden und er auch an der diesbezüglichen Schlussbesprechung teilgenommen hat (BMO Bd. 1 Bl. 124 ff.).

Die S. stellt zweifelsohne die Nachfolgerin der Einzelfirma von X. dar. Denn bereits diese hatte die Geschlechtsbestimmung an Eintagsküken zum Unternehmensgegenstand, ihr Sitz befand sich ebenfalls in C. und die Firma wurde ebenfalls von einem Mitglied der Familie betrieben. Die S. übernahm einer Vereinbarung zufolge den gesamten Kundenstamm der alten Agentur sowie die Büroausstattung und den Fahrzeugbestand zum Schätzpreis (vgl. EA Bd. 7 Bl. 56).

A. war auch schon vor der Gründung der S. in das frühere Einzelunternehmen involviert. Dies ergibt sich aus der Aussage seines Vaters, wonach er zusammen mit seiner Frau T. noch zu ihrer aktiven Zeit seinen Sohn A. auf die Geschäftsübernahme vorbereitet und in das Geschäft eingeführt habe (vgl. EA Bd. 1.4 Bl. 78). Auch aus einem von A. unterzeichneten und an die Brüterei YB. gerichteten Schreiben mit dem Briefkopf der S., in dem es unter der Überschrift „Mitteilung an unsere Kunden“ heißt: „Ab dem 01.04.1999 bedienen wir Sie in geänderter Rechtsform, als S.“ (EA Bd. 6.4 Bl. 202) geht hervor, dass er nicht erst mit der Gründung der GmbH vollständig neu in das Geschäft mit der Geschlechterbestimmung bei Eintagsküken eintrat.

Mit der für einen hinreichenden Tatverdacht erforderlichen Wahrscheinlichkeit ist vor diesem Hintergrund daher davon auszugehen, dass A. es wenigstens für möglich hielt, dass die Kükensortierer abhängig Beschäftigte der S. waren, für die er somit als Arbeitgeber verpflichtet war, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, er jedoch zumindest billigend in Kauf nahm, dass diese Pflicht nicht erfüllt wurde.

Es tritt hinzu, dass im Rahmen der Durchsuchung bei der S. mehrere Ausdrucke aus dem Internet gefunden wurden, ausweislich derer im Mai 2004 auf rechtlichen Ratgeberseiten zu Themen wie Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit (verkappte Arbeitnehmer, Abgrenzungskriterien) und Sozialversicherungspflicht recherchiert worden war (EA Bd. 6.1 Bl. 212 ff.). Dort finden sich unter anderem auch Informationen darüber, dass man zu der Frage, wie ein bestimmtes Vertragsverhältnis einzustufen ist, eine Anfrage an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte richten kann, die hierüber dann verbindlich entscheidet.

Zudem existiert eine Aktennotiz der S. aus dem Mai 2004 (EA Bd. 6.1 Bl. 155), in der sich mit der Frage beschäftigt wird, ob die Kükensortierer eine selbständige Beschäftigung ausüben. Dies wird u.a. damit zu begründen versucht, dass die Kükensortierer selbständig entscheiden können, ob sie die angebotene Arbeit übernehmen, dass Fehlsortierungen zu Lohnabzügen des Kükensortierers führen, somit die Kükensortierer selbst das Unternehmerrisiko tragen und dass sie nicht weisungsgebunden sind, sondern selbst über Ort und Zeit ihrer Tätigkeit bestimmen. Aus den schriftlichen Angaben der Brütereien ergibt sich jedoch, dass die Brütereien entscheiden, wann, wo und wie die Sortierungen stattfinden, dass es keinen direkten Kontakt mit den Sortierern gibt und dass Sortierfehler zwar der S. mitgeteilt werden, die Brütereien jedoch keine Entschädigungen erhalten und somit selbst das Risiko tragen. Zudem haben die Sortierer den Anweisungen der Brütereien, z.B. zur Art der Sortierung, Folge zu leisten.

Dem verantwortlich Handelnden der S. war mithin bekannt, dass maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Frage der Sozialversicherungspflicht die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Dauer, Ort und Art der Arbeit sind; auch die Problematik der Scheinselbständigkeit der Kükensortierer war bekannt. Es ist weiter davon auszugehen, dass A. aufgrund der aufgefundenen Unterlagen aus dem Internet von der Clearingstelle der BfA wusste. Er wäre daher verpflichtet gewesen, die rechtliche Stellung der Kükensortierer unter wahrheitsgemäßer Mitteilung aller dafür relevanten Tatsachen in einem behördlichen Verfahren klären zu lassen, führte diese Klärung aber bewusst nicht herbei, sondern beließ es bei der vermeintlich unklaren Lage.

Darüber hinaus wusste A. ausweislich der von ihm später am 23.11.2004 unterzeichneten Anmerkung zu den Rahmenwerkverträgen, welche die S. geschlossen hatte, davon, dass diese – scheinbar auf selbständige Tätigkeit der Sortierer ausgelegten – Verträge tatsächlich nicht praktiziert wurden und somit nur zum Schein erstellt worden waren. Dies wird wahrscheinlich auch den Zweck gehabt haben, nachforschenden Behörden (wie dem Zoll) suggerieren zu können, die Sortierer seien selbständig tätig. Dieser Umstand indiziert ebenfalls zumindest bedingt vorsätzliches Handeln.

Die Kammer ist sich bewusst, dass es sich bei den Begriffen „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ um rechtlich komplexe normative Tatbestandsmerkmale handelt, hält es allerdings angesichts der deutlich zutage tretenden wirtschaftlichen Abhängigkeit der einzelnen Sortierer von der S. für sehr wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte A. auch als rechtlicher Laie hier das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erfassen konnte und erfasst hat.

Mit Blick auf den sehr geringen Aufgabenumfang der formellen Geschäftsführerin T. und die Kenntnis seiner eigenen Aufgaben und des hierfür erhaltenen Gehalts ist davon auszugehen, dass A. auch um seine faktische Geschäftsführerstellung wusste.

d) Es besteht der hinreichende Verdacht, dass durch das Nichtabführen der Sozialversicherungsbeiträge zum Fälligkeitsdatum des 15. des jeweiligen Folgemonats in der Zeit von April 1999 bis Februar 2005 insgesamt ein strafrechtlich relevanter Beitragsschaden von mindestens 1.114.684,26 € entstand.

Der Schaden weicht von dem in der Anklageschrift genannten Schaden von 4.856.449, 24 € ab, da die dortigen Berechnungen nicht berücksichtigt haben, dass die Sortierer zu einem nicht unerheblichen Teil im europäischen Ausland gearbeitet haben, was jedoch Auswirkungen auf den Umfang der Beitragsschuld im Inland hat.

§ 266a StGB stellt nur das Nichtabführen solcher Sozialversicherungsbeiträge unter Strafe, die nach deutschem Sozialversicherungsrecht zu entrichten sind.

Zwar gilt gem. § 3 StGB das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen worden sind, wobei gem. § 9 Abs. 1 StGB eine Tat an jedem Ort begangen ist, an dem der Täter gehandelt hat oder im Fall des Unterlassens hätte handeln müssen, so dass danach auch ein in Deutschland begangenes unterlassenes Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen an ausländische Sozialversicherungsträger dem deutschen Strafrecht unterfiele. Allerdings ist vorrangig vor der Anwendung der §§ 3 ff. StGB durch Auslegung jeder einzelnen Norm zu prüfen, ob von ihr nur inländische oder auch ausländische Rechtsgüter erfasst werden, denn im Grundsatz ist der deutsche Strafrechtsschutz auf deutsche Schutzgüter beschränkt (vgl. Schönke/Schröder- Eser , StGB, 28. Aufl., Vorbemerkungen §§ 3-7 Rn. 13; Tröndle/Fischer , Vor §§ 3-7 Rn. 4). § 266a Abs. 1 und 2 StGB schützen allein das Gesamtinteresse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Sozialversicherungsaufkommens, beschränken also den Schutz auf das Inland, weil die Vorschrift gerade die deutsche Solidargemeinschaft vor der Gefährdung des Aufkommens zur Sozialversicherung schützen soll und dieser Schutz nicht auch auf die ausländischen Solidargemeinschaften ausgedehnt werden kann. Tatgegenstand von § 266a StGB sind Beiträge zur Sozialversicherung. Diese Beiträge zur Sozialversicherung sind die Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 28d SGB IV (vgl. Tröndle/Fischer , § 266a Rn. 9).

Findet von Deutschland aus eine Beschäftigung im europäischen Ausland statt, so ist für die Frage, ob die deutschen oder aber die jeweiligen EG-ausländischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gelten, grundsätzlich der Ort entscheidend, an dem die Arbeit tatsächlich ausgeübt wird, vgl. §§ 3 Nr. 1, 9 Abs. 1 SGB IV (Territorialitätsprinzip in der Ausprägung des Beschäftigungsortprinzips). Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, in welchem Staat sich der Wohnsitz des Arbeitnehmers befindet. Auch der Sitz des Unternehmens oder die Dauer der Erwerbstätigkeit sind grundsätzlich nicht relevant.

Die Vorschriften der §§ 2 ff. SGB IV stehen jedoch unter dem Vorbehalt über- und zwischenstaatlichen Rechts (§ 6 SGB IV). Als derartige, nach § 249 Abs. 2 EG mit unmittelbarem Geltungsvorrang ausgestattete Regelung enthält die EWG-Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 (sog. „Wanderarbeitnehmerverordnung“) für die Fälle grenzüberschreitender Beschäftigung in Ländern der Europäischen Union Kollisionsvorschriften, die das anwendbare nationale Sozialversicherungsrecht bestimmen (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 233, 234). Nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 1408/71 sollen grenzüberschreitend tätige Personen dem Sozialversicherungsrecht nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Art. 13 Abs. 2 lit. a) bestimmt sodann, dass auf einen Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates beschäftigt ist, unabhängig von seinem Wohnsitz und dem Sitz seines Arbeitgebers das Recht dieses Staates Anwendung findet. Übt ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aus, unterliegt er gem. Art. 14 Abs. 1 lit. c) der Verordnung 1408/71 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem er wohnt, wenn er teilweise in diesem Staat auch arbeitet. Ist der Arbeitnehmer für ein Unternehmen in mehreren Staaten tätig, nicht jedoch in seinem Wohnsitzstaat, so gelten für ihn die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Allerdings gilt diese Verordnung in erster Linie für EU-Bürger und erst seit dem 01.06.2003 auch für Arbeitnehmer anderer Nationalitäten (sog. Drittstaatsangehörige), wobei diese Sonderregelung wiederum nicht in Dänemark anwendbar ist. Ansonsten, d.h. für die Zeit vor der Erstreckung der Verordnung 1408/71 auf Drittstaatsangehörige, gilt, dass es auf den Schwerpunkt der Tätigkeit ankommt, wenn diese im In- und Ausland ausgeübt wird (vgl. Kasseler Kommentar- Seewald , Kommentar zum SGB IV, EL 53, 2007, § 3 Rn. 4).

Demnach gilt für die Monate ab dem 01.06.2003 für diejenigen Kükensortierer, die im Ausland und nur in einem EU-Mitgliedstaat gearbeitet haben, allein das ausländische Sozialversicherungsrecht, unabhängig, davon, wo sie gewohnt haben. Für diejenigen Sortierer, die monatlich in mehreren Staaten (z.B. in Frankreich und den Niederlanden, vgl. hierzu EA Bd. 6.2 Bl. 350 f.) tätig waren, kommt es darauf an, wo sie gewohnt haben. Haben sie in dem Staat gewohnt, in dem sie teilweise auch gearbeitet haben (z.B. Frankreich), so gilt das Recht des Wohnsitzstaates. Haben die Sortierer aber beispielsweise in Deutschland gewohnt, aber in Frankreich und den Niederlanden gearbeitet, so gilt deutsches Sozialversicherungsrecht, da der Sitz des Unternehmens – der S. – in Deutschland ist.

Für die Monate April 1999 bis Mai 2003 kommt es für die asiatischen Sortierer darauf an, wo der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag.

In all den Fällen also, in denen die Sortierer vor dem 01.06.2003 schwerpunktmäßig im Ausland arbeiteten oder nach diesem Zeitpunkt nur in einem Mitgliedstaat tätig waren oder in verschiedenen Mitgliedstaaten und auch in Deutschland arbeiteten, jedoch in einem der ausländischen Mitgliedstaaten wohnten, waren nach deutschem Recht keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, so dass das Schutzgut der deutschen Solidargemeinschaft nicht betroffen und diesbezüglich mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Strafbarkeit gem. § 266a StGB gegeben ist und sich der Schaden innerhalb der jeweiligen Abrechnungsperioden (Kalendermonate) insgesamt – verglichen mit den Anklagevorwürfen – als geringer darstellt.

Anhand der in den Beweismitteln aufgefundenen Lohnlisten für den angeklagten Zeitraum hat die Kammer errechnet, dass von der S. an mehr als einhundert Sortierer in der Zeit von April 1999 bis Februar 2005 für Sortierleistungen in Deutschland ca. 4,5 Millionen € (in den Berechnungen mit „I“ gekennzeichnet) und für Sortierleistungen im Ausland ca. 5,9 Millionen € (gekennzeichnet mit „A“) an Löhnen gezahlt wurden (vgl. hierzu die Berechnungen im Sonderheft „Auswertungen“; das Endergebnis ist gelb markiert). Bei der Berechnung wurden in den Lohnlisten ausgewiesene Zuschläge (gekennzeichnet mit „Z“) und Vergütungen für Kontrolltätigkeiten (gekennzeichnet mit „K“) sowie für die Tätigkeit der Sortierer für O. (gekennzeichnet mit „H“) nicht berücksichtigt, da insoweit nach dem Zweifelsgrundsatz angesichts der derzeitigen Beweislage eine Zuordnung zu in- oder ausländischer Tätigkeit nicht vorgenommen werden konnte.

Die Kammer gelangt nach Aktenlage so zu einem Mindestbeitragsschaden von insgesamt 1.114.684,26 €.

Für diese Berechnung des Beitragsschadens hat die Kammer zunächst nur die Lohnzahlungen zugrundelegen können, die in den jeweiligen monatlichen Abrechnungsperioden im Zeitraum April 1999 bis Februar 2005 an allein im Inland tätige Sortierer geleistet wurden, sowie die Lohnzahlungen, die vor dem 01.06.2003 (d.h. im Zeitraum April 1999 bis Mai 2003) an Sortierer geleistet wurden, deren Tätigkeitsschwerpunkt in den jeweiligen monatlichen Abrechnungsperioden im Inland lag (vgl. hierzu Sonderheft „Auswertungen“; diese Lohnzahlungen sind jeweils grün markiert).

Da es mit der Geltung der Verordnung 1408/71 auch für Drittstaatsangehörige ab dem 01.06.2003 in den häufigen Fällen, in denen die Sortierer in mehreren ausländischen Mitgliedstaaten arbeiteten, auf deren Wohnort ankommt, bislang jedoch nicht ermittelt ist, wo die Sortierer in jedem Monat tatsächlich gewohnt haben, sieht sich die Kammer zum jetzigen Zeitpunkt daran gehindert, weitere Lohnzahlungen in die Beitragsschadensberechnung miteinzubeziehen. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass der von der Kammer berechnete Beitragsschaden lediglich ein Mindest schaden ist.

Folgende Lohnzahlungen hat die Kammer auf vorgenannter Grundlage berechnet (siehe dazu Sonderheft „Auswertungen“):

Zeitraum 04/99 – 11/99: 357.907,93 €
Zeitraum 12/99 – 11/00: 605.298,99 €
Zeitraum 12/00 – 11/01: 691.689,20 €
Zeitraum 12/01 – 11/02: 540.929,43 €
Zeitraum 12/02: 63.407,70 €
Zeitraum 01/03 – 11/03: 671.348,75 €
Zeitraum 12/03 – 11/04: 805.899,06 €
Zeitraum 12/04 – 02/05: 179.846,21 €

Die Kammer hat als Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile für den angeklagten Zeitraum sodann überschlägig jeweils 20% angenommen. Für den Zeitraum April 1999 bis Dezember 2002 wären demnach jeweils 20% der maßgeblichen Bruttolohnzahlungen (vgl. insofern LK- Gribbohm , § 266a Rn. 40) an Sozialversicherungsbeiträgen an die AOK als zuständige Stelle zu entrichten gewesen (Arbeitnehmeranteil). Für den Zeitraum Januar 2003 bis Februar 2005 hätte der relevante Beitragsschaden jeweils 40% des Bruttolohns (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) betragen, da die Angeschuldigten ab Januar 2003 monatlich unrichtige Beitragsnachweise bei der AOK einreichten, in denen nur die Familienmitglieder, nicht jedoch die Kükensortierer enthalten waren, so dass ein Betrugsvorwurf (§ 263 StGB) bezogen auf den geschuldeten Gesamtbeitrag in Betracht kommt.

Unter Zugrundelegung der Lohnzahlungen 04/99 bis 12/02 von insgesamt 2.259.233,25 € (357.907,93 € + 605.298,99 € + 691.689,20 € + 540.929,43 € + 63.407,70 €) ergibt sich daher bei angenommenen 20% Arbeitnehmerbeitrag ein Schaden von 451.846,65 €.

Hinzu tritt unter Zugrundelegung der Lohnzahlungen 01/03 bis 02/05 von insgesamt 2.329.248,67 € (671.348,75 € + 805.899,06 € + 179.846,21 €) bei angenommenen 40% Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen ein weiterer Schaden von 662.837,61 €, so dass wahrscheinlich insgesamt ein Schaden von 1.114.684,26 € entstanden ist.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kükensortierer jeweils ins europäische Ausland entsendet wurden, so dass gem. § 4 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge stets nach deutschem Recht abzuführen gewesen wären. Denn zum einen wurde der Einsatz der Sortierer im Ausland nicht zeitlich befristet, was im Rahmen einer ordnungsgemäßen Entsendung jedoch notwendig ist. Eine Befristung erfolgte weder vertraglich, denn es gab keine Verträge mit den Kükensortierern und auch mit den Brütereien wurden diesbezüglich keine vertraglichen Absprachen getroffen, noch infolge der Eigenart der Beschäftigung, denn die Sortierer wurden je nach Auftragslage bei den jeweiligen Brütereien von Schlupftag zu Schlupftag eingesetzt. Zum anderen fehlt es auch an den notwendigen Entsendebescheinigungen.

Auch wenn der Schaden insgesamt geringer als angeklagt anzusetzen sein wird, so bleibt es doch bei einem hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der angeklagten 71 Fälle des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, da es in der jeweiligen Abrechnungsperiode stets mehrere Sortierer gegeben hat, für deren Tätigkeit Sozialversicherungsbeiträge nach deutschem Sozialversicherungsrecht an die AOK zu entrichten gewesen wären.

2. Demgegenüber kommt für den Mitangeschuldigten B. bei vorläufiger Tatbewertung aus Sicht der Kammer lediglich eine Strafbarkeit als Gehilfe gem. §§ 263, 266a, 27 StGB in Betracht. Eine Verurteilung als Täter ist hingegen nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Anders als bei seinem Bruder A. fehlte es dem Angeschuldigten B. am bestimmenden Einfluss auf sämtliche Geschäftsvorgänge.

Abgesehen von der Unterzeichnung von vier Rahmenwerkverträgen, die alle wortgleich waren (Rahmenwerkvertrag zwischen S. und Kükensortierergruppen LB. – BMO Bd. 1 Bl. 64 ff., MB. – BMO Bd. 1 Bl. 73 f., OC. – EA Bd. 6.1 Bl. 96 ff. sowie NB. – EA Bd. 6.4 Bl. 84 ff.), sowie Verträgen mit zwei ausländischen Brütereien (PC. vom 16.01.2001 – EA Bd. 6.2 Bl. 44, vom 30.04.2001 – EA Bd. 6.2 Bl. 46 ff., vom 01.09.2002 – EA Bd. 6.3 Bl. 426 und QC. – EA Bd. 6.1 Bl. 80 f.) finden sich lediglich einige von B. unterzeichnete Korrespondenzen, denen aber kein für das Unternehmen richtungsweisender Charakter beigemessen werden kann. So schrieb er etwa an die niederländische Arbeitsverwaltung (z.B. EA Bd. 6.1 Bl. 233.2, EA Bd. 7 Bl. 286), eine niederländische Rechtsanwaltskanzlei (z.B. EA Bd. 6.3 Bl. 396, EA Bd. 6.4 Bl. 8), oder das Europäische Parlament (EA Bd. 7 Bl. 283 ff.) wegen der Arbeitsgenehmigungen für die in den Niederlanden tätigen Sortierer, an die Deutsche Botschaft in China wegen der Visaerteilung für einreisewillige Sortierer oder aber – als es um die Verteilung der Arbeit im Detail aus dem in den Niederlanden eingerichteten Pool ging – den anderen an diesem Pool beteiligten Unternehmen. Zudem verfasste er einige Schreiben in englischer Sprache (z.B. Angebot eines Sortierers an die RC. – EA Bd. 6.3 Bl. 413, 415; Nachfrage bei PC. nach Kontonummer und Bankadresse zur Bezahlung der Sortierer – EA Bd. 6.2 Bl. 347, 348).

Sieht man von den wenigen Verträgen, die seine Unterschrift tragen, über deren Zustandekommen aber nichts bekannt ist, ab, so lassen sich die in den Akten dokumentierten Tätigkeiten nicht dem Kern von Tätigkeitsbereichen zuordnen, die typischerweise zur Organzuständigkeit eines Geschäftsführers gehören. Augenscheinlich bestimmte der Angeschuldigte B. weder die Unternehmenspolitik noch die Unternehmensorganisation, sondern war lediglich mit praktischen Fragekomplexen wie z.B. der Beschaffung von ausländischen Arbeitsgenehmigungen oder aber Visa beschäftigt. Weder kam ihm besondere Bedeutung bei der Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern der Gesellschaft (Gruppenführer oder aber Brütereien) zu noch war er für die Anwerbung/Einladung der asiatischen Kükensortierer, der Koordination ihrer Einsätze bei den jeweiligen Vertragspartnern oder aber deren Vergütung zuständig.

Die vorstehend geschilderten Tätigkeiten von B. wie das Unterzeichnen einiger Rahmenwerkverträgen, mit denen die Zusammenarbeit mit den Sortierern pro forma geregelt wurde, lassen sich allerdings als Beihilfehandlungen, mithin Handlungen, die die Rechtsgutverletzung des Haupttäters A. verstärken und ihre Durchführung erleichtern, also die Haupttat fördern konnten, einordnen.

Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass auch der Angeschuldigte B. zum Zeitpunkt seiner Handlungen von dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen wusste und dies zumindest billigte. Denn B. war im Unternehmen tätig und wusste, was A. tat. Er hatte zugleich davon Kenntnis, dass er das Unrecht in Form der Beitragsvorenthaltung durch sein eigenes Handeln noch förderte, und wollte dieses auch. Dies ergibt sich unter anderem aus seinem Schreiben vom 20.08.2001 an Steuerberater D., in welchem er diesen bat, die beigefügten Unterlagen für die DAK wegen Scheinselbständigkeit zu lesen und eine Empfehlung zu geben, da er – B. – sich nicht sicher in der Angelegenheit fühle. Die DAK sei nicht verpflichtet, derartiges zu prüfen, aber eine neu im Haus arbeitende Abteilungsleiterin wolle sich profilieren, setze ihn unter Druck und wühle auch schon bei der BfA Berlin herum. Sie habe die Versicherte für zwei Jahre rückwirkend in die höchste Versicherungsklasse gesetzt bis Steuerbescheide vorlägen. Ihm – B. – gehe es allerdings nicht um Beiträge der Versicherten, sondern um die eigene Situation mit der „Scheinselbständigkeit“ (EA Bd. 6.4 Bl. 342). Weiter berief er sich in einem Schreiben vom 12.03.2001 an das französische Generalkonsulat im Zusammenhang mit der Bitte um Erteilung eines Visums für die Kükensortierer auf die Dienstleistungsfreiheit der Artikel 59 und 60 EU-Vertrag und merkte an, dass die Voraussetzung für einen freien Dienstleistungsverkehr, nämlich die Arbeit der Arbeiter auf regulärer Basis beim Arbeitgeber, dem Unternehmen S., erfüllt sei (EA Bd. 1.1 Bl. 224-225). In einem weiteren Schreiben an die niederländische Arbeitsverwaltung vom 23.06.2000 beantragte er „Arbeitsgenehmigungen“ für die Sortierer und führt in diesem Zusammenhang aus, die „Entlohnung“ der Sortierer mit 54,00 DM pro Stunde erfolge in Deutschland, die „Tagesarbeitszeit“ betrage ca. 8 Stunden (vgl. EA Bd. 7 Bl. 304).

Die Kammer hält es daher abweichend von der Anklage für wahrscheinlich, dass der gleichfalls als Täter des § 266a StGB angeklagte B. sich allenfalls der Beihilfe gem. § 27 Abs. 1 StGB hierzu strafbar gemacht hat.

II.

Auf der Grundlage des geltenden einfachen Rechts ist die Weitergabe von Erkenntnissen aus dem Steuerverfahren an die Zollbehörden, die zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der vorliegenden Sache unter Verwendung dieser Erkenntnisse führte, nicht zu beanstanden. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 393 Abs. 2 S. 2 AO, die eine Durchbrechung des in § 393 Abs. 2 S. 1 AO geregelten Verwertungsverbots rechtfertigen, liegen vor.

§ 393 Abs. 2 AO lautet: „Soweit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, dürfen diese Kenntnisse gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist. Dies gilt nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5) besteht.“

Allgemein setzt die Weitergabe von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Beschuldigte im Sinne von § 393 Abs. 1 AO offenbart hat, gem. § 393 Abs. 2 S. 2 AO voraus, dass hierfür ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.

Dies ist nach dem Gesetz z.B. bei gravierenden Wirtschaftsstraftaten gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO der Fall, wenn solche beispielsweise wegen ihrer Begehungsweise oder des Schadensumfangs geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören. Feste Kriterien für diesen unbestimmten Rechtsbegriff sind – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung (in BFHE 149, 387 finden sich lediglich allgemeine Ausführungen) und Literatur bislang nicht herausgearbeitet worden.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in einem Fall, in dem ein Landwirt über einen Zeitraum von zwei Jahren unter Angabe falscher Tatsachen Subventionen in Höhe von 350.000,00 DM kassiert hatte, wovon die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung Kenntnis erlangt und gedroht hatte, dies den Strafverfolgungsbehörden zu offenbaren, entschieden, dass die Finanzbehörde zur Mitteilung der bei der Betriebsprüfung erlangten Kenntnisse gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO berechtigt sei (Nds. FG NVwZ 1992, 607). Zur Begründung hat das Finanzgericht ausgeführt, allein die Höhe des Schadens lasse schwere Nachteile für das allgemeine Wohl befürchten, wobei auf das Verständnis des durchschnittlichen Steuerbürgers abzustellen sei; auch habe sich der Landwirt auf Kosten der Allgemeinheit Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen, zuverlässigen Landwirten verschafft, und schließlich sei der Vorfall nicht als einmaliges Geschehen zu werten, weil die Subventionen über einen Zeitraum von zwei Jahren bezogen worden seien.

Joecks (in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. 2005, § 393 Rn. 83, 85) hält § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO nur in Fällen großen Ausmaßes für einschlägig, etwa wenn ein erheblicher Schadensumfang bei einer Vielzahl von Geschädigten gegeben sei oder die Tat erhebliche Auswirkungen auf eine Mehrzahl von Anlegern oder Zulieferbetrieben habe. Hinsichtlich des Umfangs des durch die Wirtschaftsstraftat verursachten Schadens hält er es für naheliegend, einen siebenstelligen Betrag vorauszusetzen.

Nach Hellmann (in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 393 Rn. 189 ff.; vgl. auch Tipke/Kruse- Drüen , Kommentar zur AO und FGO, Lfg. 103, März 2004, § 393 Rn. 127) kommt es auf die eingesetzten Mittel, die Art des Vorgehens, das Ausnutzen besonderer Umstände, das Zusammenwirken mit anderen, die Dauer, die Beweggründe und das Maß der Pflichtwidrigkeit an. Die Festlegung auf eine Mindestschadenshöhe lehnt Hellmann hingegen ab und will die jeweils konkreten Umstände berücksichtigen.

In der Kommentarliteratur wird übereinstimmend eine Orientierung an § 74c GVG, wo die Zuständigkeit der Wirtschaftstrafkammer geregelt ist, befürwortet (vgl. Hellmann a.a.O., Rn. 187; Joecks a.a.O., Rn. 81; Drüen a.a.O., Rn. 124 ff.). Diese Regelung als Anhaltspunkt für das Vorliegen gravierender Wirtschaftsstraftaten zu nehmen, erscheint auch der Kammer als der einzig überhaupt gangbare Weg, um so zur genaueren Erfassung des Regelungsgehaltes des § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO wenigstens den Kreis der Wirtschaftsstraftaten exakter abstecken zu können (vgl. auch OLG Stuttgart wistra 1986, 191, 192).

Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ist vorliegend gegeben. Denn zum einen unterfällt die Norm des § 266a StGB dem Katalog des § 74c Abs. 1 Nr. 6 GVG. Zum anderen ist auch von einer Landgerichtszuständigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG auszugehen, weil besonderer Umfang und besondere Bedeutung der Sache dies rechtfertigen, denn bei den angeklagten Taten wurden über nahezu sieben Jahre bei mehr als hundert ausländischen Sortierern keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, wodurch ein Beitragsschaden von 1.114.684,26 €, mithin deutlich über 350.000,00 DM und im siebenstelligen Bereich liegend, entstand. Das hohe Maß an Organisation mit diversen Vertragspartnern im In- und Ausland und dazwischen geschalteten Gruppenführern, die Vielzahl der Betroffenen, deren ausländische Herkunft samt der sprachlichen Barriere ausgenutzt wurde und die großteils in nicht ausreichender Weise sozial abgesichert waren, der lange Zeitraum wie auch der hohe Schadensbetrag, der eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Aufkommens zur Sozialversicherung darstellt, legen eine hohe kriminelle Energie der Angeschuldigten nahe, begründen besonderen Umfang sowie besondere Bedeutung der Sache und erfordern zur Beurteilung auch besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens. Es ist daher gerechtfertigt, im vorliegenden Fall von einer gravierenden Wirtschaftsstraftat im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO und mithin von einem zwingenden öffentlichen Interesse gem. § 393 Abs. 2 S. 2 AO auszugehen.

III.

Die Ermittlungsergebnisse könnten – wäre § 393 Abs. 2 S. 2 AO verfassungswidrig – nach § 393 Abs. 2 S. 1 AO insgesamt nicht verwertet werden.

1. Nach dem Ergebnis der Nachermittlungen der Kammer durch Vernehmung der beim Finanzamt K. tätig gewesenen Steueroberinspektorin U. als Zeugin ist davon auszugehen, dass der vom Mitangeschuldigten A. in Gegenwart der Zeugin U. unterzeichnete und dieser übergebene Vermerk vom 23.11.2004 (vgl. BMO Bd. 1 Bl. 75) ausschlaggebender Anlass für die Mitteilungen an die Bediensteten des Hauptzollamtes Braunschweig im Rahmen von Dienstbesprechungen im Dezember 2004 war. Diese Mitteilungen wiederum haben einen Anfangsverdacht des Hauptzollamtes und die Aufnahme der Ermittlungen am 17.12.2004 (vgl. Einleitungsvermerk EA Bd. 1.1 Bl. 22 f. und 78 f.) begründet, im Rahmen derer sämtliche weiteren Ermittlungsergebnisse zutage gefördert wurden.

a) Die Zeugin hat ausgesagt, im Rahmen einer sich an eine Betriebsprüfung anschließenden Lohnsteueraußenprüfung bei der S. habe sie auf Nachfrage nach fehlenden Unterlagen, die sie benötigte, um sich ein Bild von den gesamten Unternehmensumständen zu machen, einen Ordner erhalten, in dem die sogenannten Rahmenwerkverträge abgeheftet worden waren sowie auch ein Blatt Papier, auf dem es unter der Überschrift „Anmerkung“ hieß: „Diese Verträge sind in der Praxis nicht anzuwenden und wurden auch niemals angewendet. Dienen nur zur Einhaltung von 3 Monats Kündigungszeit. Damit nicht wieder wie schon geschehen an einem Tag 14 Leute nicht zur Arbeit gehen. Ergebnis Leute und Kunden zur Konkurrenz gewechselt.“ Da die Urheberschaft aus diesem Papier nicht hervorgegangen sei, habe sie A. gefragt, ob er dieses Blatt unterschreiben könne. Er habe daraufhin die Anmerkung mit der Überschrift „Rahmenwerkverträge 23.11.2004“ versehen und diese mit seinem Namen unterschrieben. Sie habe mit ihm auch über die Anmerkung gesprochen und er habe ihr erläutert, dass die Sortierer mithilfe der Rahmenwerkverträge an die GmbH gebunden werden sollten.

Als sie vom Steuerberater der Angeschuldigten erfahren habe, dass auch schon die Zollbehörde bei der S. Prüfungen durchgeführt habe, habe sie sich mit dieser in Verbindung gesetzt. Auf ihre Nachfrage habe man ihr dort gesagt, bei der im Juni 2004 auf eine Anfrage einer französischen Partnerbehörde hin durchgeführten Überprüfung sei kein Grund zur Beanstandung gefunden worden (vgl. hierzu Sonderheft „HZA-Ermittlungen“). Hierbei sei auch ein sogenannter Agenturvertrag erwähnt worden, aufgrund dessen die Sortierer eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten würden. Bei genauerem Nachfragen der Zeugin nach diesem ihr bis dahin unbekannten Agenturvertrag habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um einen aus dem Jahr 1973 stammenden Vertrag zwischen der Z. und der Kükensortierer X. Agentur (u.a. BMO 1 Bl. 55 ff.) gehandelt habe; sie habe aus einem früheren Strafverfahren gewusst, dass die Z. nicht mehr existierte.

Wegen der sich aus all diesen dieses Umständen ergebenden Unklarheiten sei es schließlich am 10.12.2004 zu einer gemeinsamen Dienstbesprechung mit Mitarbeitern des Zolls, Finanzamts und der Steuerfahndung gekommen. Dabei habe sie den ihr aus der Prüfung bekannten Sachverhalt dargestellt; unter anderem habe sie neben der Tatsache, dass die Firma, die 1973 Vertragspartner gewesen war, nicht mehr existierte, auch auf die Anmerkung zu den Rahmenverträgen hingewiesen. Die Mitarbeiter des Zolls seien sehr interessiert gewesen.

b) Aus dem nach den Dienstbesprechungen im Dezember abgefassten Einleitungsvermerk des Hauptzollamts Q. vom 22.12.2004 (u.a. EA Bd. 1.1 Bl. 1 ff.) geht deutlich hervor, dass dem von A. am 23.11.2004 unterzeichneten Schriftstück maßgebliche Bedeutung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen die beiden Angeschuldigten zugekommen ist.

Denn dort heißt es unter der Überschrift „Ermittlungsanlass“ zunächst unter Ziffer I.: “ Im Rahmen von Dienstbesprechungen beim Finanzamt K. im Dezember 2004 wurde den Bediensteten des Hauptzollamtes Q. folgender Sachverhalt mitgeteilt:“ , dann folgen allgemeine objektive Erläuterungen zur Organisationsstruktur und zur Tätigkeit des Kükensortierens. Unter Ziff. VI heißt es sodann: „Im Rahmen einer Prüfung der S. durch das Hauptzollamt Q. – gem. §§ 304 ff. SGB III, § 107 SGB IV etc. im Mai/Juni 2004 wurden den Prüfern durch das Ausländeramt des Landkreises K. u.a. folgende Unterlagen zur Verfügung gestellt: Agenturvertrag aus dem Jahr 1973, EDV-Ausdrucke zu den Sexern der S. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis wurde der o.g. „Agenturvertrag“ seinerzeit der zuständigen Ausländerbehörde in K. vorgelegt. Die Sexer erhalten jeweils Aufenthaltsgenehmigungen „nur gültig für eine selbstständige Tätigkeit als Kükensortierer im Rahmen eines Agenturvertrages für die S.“ (…) . Bei der o.g. Prüfung der S. wurden durch die Prüfer folgende Unterlagen eingesehen: „Rechtsverbindliche Erklärungen“ der einzelnen Sexer, Abrechnungen/Mengenerfassungen hinsichtlich der Sortierleistungen der einzelnen Sexer. Den Prüfern war zum Zeitpunkt der Prüfung nicht bekannt, dass die o.g. koreanische Firma nicht bzw. nicht mehr existent ist und Rahmenwerkverträge der S. schriftlicher Erklärung des Geschäftsführers A. vom 23.11.2004 nicht angewendet wurden. Vor diesem Hintergrund hat die Überprüfung der S. keine Beanstandungen ergeben“ (Anmerkung: Unterstreichungen im Original) .

Unter Ziff. VII heißt es dann weiter: „Im Rahmen der Tätigkeit der S. wurden Rahmen-Werkverträge mit einzelnen Kükensortierer-GbR geschlossen. Jeder einzelne Sexer hatte in diesem Zusammenhang eine Erklärung zu unterschreiben, wonach dieser als selbständiger Kükensortierer zwischen der jeweiligen GbR und der S. tätig ist. Diese Verträge wurden jedoch nach einer schriftlichen Erklärung des Geschäftsführers A. der S. vom 23.11.2004 in der Praxis nie angewendet. Diese Verträge dienten nur zur Einhaltung einer Kündigungsfrist der Sexer. (Anmerkung: Unterstreichungen und Markierungen im Original). In der Folge werden dann unter der Überschrift bei Ziff. VIII „tatsächliche Verhältnisse“ die tatsächlichen Verhältnisse bei der S. „nach den beim Finanzamt K. vorliegenden Erkenntnissen“ dargestellt, weiter dann die Sortierer als Arbeitnehmer der S. bewertet (Ziff. IX) und nach „den derzeitigen Erkenntnissen“ der Verdacht u.a. des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB bzw. Betrug zulasten der Einzugsstelle der Sozialversicherung gem. § 263 StGB geäußert (Ziff. X).

c) Die weiteren Nachermittlungen der Kammer in Form von Zeugenbefragungen der Mitarbeiter des Hauptzollamtes, die an den Besprechungen beim Finanzamt K. im Dezember 2004 teilgenommen haben, haben zu folgenden Ergebnissen geführt:

Die Aussage des Zeugen BD. ist unergiebig, denn der Zeuge konnte sich nicht mehr genau an die Abläufe in der fraglichen Zeit erinnern und war sich auch nicht sicher, das Schriftstück vom 23.11.2004 schon einmal gesehen zu haben.

Auch der Zeuge CD., der angegeben hat, sich zwar noch an das Schriftstück selbst erinnern zu können, wusste nicht mehr, ob dieses in dem Gespräch am 10.12.2004 eine so maßgebliche Bedeutung gehabt habe. Er hat jedoch ausgesagt, Frau GD. vom Finanzamt K. habe eine Zusammenkunft angeregt, weil sie sich nicht sicher gewesen sei, ob die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte bei der S. alle ordnungsgemäß gehandhabt würden. In der Dienstbesprechung seien dann die vom Finanzamt gewonnenen bisherigen Prüfergebnisse mitgeteilt worden. Quintessenz aus dem Gespräch sei für ihn gewesen, dass die Entscheidung, ob eine Straftat vorliege oder nicht, allein aufgrund der erhaltenen Informationen nicht zu treffen sei. Maßgeblich dafür sei gewesen, ob die Kükensortierer als Selbständige oder Arbeitnehmer anzusehen waren. Dies sei aber von vielen Kriterien abhängig; in 90% der Fälle bediene man sich zur Beurteilung dieser Frage einer gutachterlichen Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers. Er sei aus dem Gespräch mit der Überzeugung herausgegangen, dass eine derartige Stellungnahme notwendig sei. Hieran zeigt sich, dass die Dienstbesprechung zusammen mit dem Finanzamt für den Zeugen CD. zumindest einen Anfangsverdacht einer Straftatbegehung ergeben hat.

Dass der ebenfalls beim Hauptzollamt Q. beschäftigte Zeuge DD. ausgesagt hat, die Information, dass die Rahmenwerkverträge keine Geltung erlangt haben sollten, habe an seiner zuvor im Juni 2004 getroffenen Einschätzung, dass die Kükensortierer als Selbständige anzusehen seien, nichts geändert, ist ohne Belang. Denn ohne die von der Zeugin erteilten Informationen wäre es nicht zur Einschaltung des Rentenversicherungsträgers und auch nicht zu einem Ermittlungsverfahren gekommen.

Ausschlaggebend für diese Bewertung ist der zeitnah nach den Dienstbesprechungen abgefasste Vermerk vom 22.12.2004. Dieser Vermerk wurde von Zollamtsrat ED. unterzeichnet, der zwar nicht an dem Gespräch am 10.12., jedoch an weiteren Gesprächen mit dem Finanzamt K. in dieser Sache u.a. am 13.12. und 15.12.2004 teilgenommen hat (vgl. Auflistung der Gespräche und Gesprächsteilnehmer durch das Hauptzollamt in Sonderheft „HZA-Ermittlungen“ Bl. 2). Insbesondere ergibt sich aus Ziff. VI und VII dieses Vermerks die Bedeutsamkeit des vom Finanzamt vorgelegten Schriftstücks vom 23.11.2004. Denn die seitens der Zollbehörden im Juni 2004 durchgeführte Prüfung hatte zu keinen Beanstandungen geführt. Dies fußte unter anderem auf dem Agenturvertrag von 1973 sowie den rechtsverbindlichen Erklärungen der einzelnen Sortierer, die wiederum Bezug nahmen auf die jeweiligen (Rahmen)Werkverträge zwischen den einzelnen GbR und der S. Auch unabhängig von dem Agenturvertrag war allerdings selbstverständlich, dass eine selbständige Tätigkeit der Sortierer eine Beitragspflicht nicht auslösen konnte. Dass die Sortierer wiederum selbständig waren, folgte aktuell aus den Rahmenwerkverträgen mit der S. Damals war den Prüfern nicht bekannt, dass die Rahmenwerkverträge nie angewendet wurden. Ihnen war aber klar, dass zumindest einer der Vertragspartner des Agenturvertrages von 1973, nämlich die Kükensortierer X. Agentur nicht mehr existierte und dass die S. diesen Vertrag nicht geschlossen hatte. Wenn der Sachverhalt nunmehr aufgrund der neuen Erkenntnisse des Finanzamts K. anders als noch einige Monate zuvor beurteilt und ein Verdacht der Straftatbegehung bejaht wurde, beruhte dies mithin in erster Linie auf den Mitteilungen betreffend das Schriftstück vom 23.11.2004. Denn dieses indizierte, dass die Kükensortierer von den Angeschuldigten eventuell nicht als Selbständige angesehen wurden.

Mit Blick auf die Aussage der Zeugin U. und auf den kurze Zeit nach den Dienstbesprechungen angefertigten Vermerk vom 22.12.2004 ist die Kammer daher davon überzeugt, dass maßgeblicher Auslöser für die Ermittlungsmaßnahmen der Zollbehörden, die – insbesondere nach Durchsuchung der Geschäfts- und Privaträume der Angeschuldigten – umfangreiches Beweismaterial zutage förderten, die von der Steueroberinspektorin U. im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung vom Mitangeschuldigten A. erhaltene Information war, dass die Rahmenwerkverträge zwischen der S. und den jeweiligen Sortierer-GbR nicht praktiziert würden. Die Erfüllung der zwangsmittelbewehrten steuerlichen Mitwirkungspflichten begründete daher einen Anfangsverdacht für die Verfolgung einer Straftat.

2. Während die Information der Zollbehörden über die Tatsache, dass der Agenturvertrag von 1973 nicht mehr maßgeblich war, zulässig war, weil diese Erkenntnis aus einem zuvor geführten Steuerstrafverfahren gegen X. und B. (Staatsanwaltschaft Q., Az.: 402 Js 76660/98) gewonnen worden war, hätte die sich aus der vom Angeschuldigten A. unterzeichneten maschinenschriftlichen Anmerkung ergebende Information, die Rahmenwerkverträge würden nicht praktiziert, allein unter dem Blickwinkel des § 393 Abs. 2 S. 1 AO nicht weitergegeben werden dürfen.

Der Angeschuldigte A. ist Steuerpflichtiger. Steuerschuldner war zwar die S.; dies ändert aber nichts daran, dass auch der Angeschuldigte unabhängig davon, dass er als faktischer Gesellschafter der Firma auch steuerlich selbst betroffen war, als Geschäftsführer im Sinne von § 393 Abs. 2 AO gehandelt hat. Denn nach § 33 AO ist Steuerpflichtiger, wer – für eine Gesellschaft – unter anderem eine Steuererklärung abzugeben hat bzw. andere durch Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat, wie dies bei einem Geschäftsführer der Fall ist (§ 34 Abs. 1 AO) und wie dies im vorliegenden Fall auch der Angeschuldigte für die Gesellschaft getan hat.

Weiter sind die die Praxis der Rahmenwerkverträge betreffenden Umstände der Finanzbehörde vom Angeschuldigten A. als Steuerpflichtigem im Rahmen der Betriebs-/Lohnsteueraußenprüfung in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart worden. Ein solches „Offenbaren“ liegt vor, wenn die Kenntnis der Behörde auf eine Handlung des Steuerpflichtigen zurückgeführt werden kann, ihr die Informationen also zuvor noch nicht bekannt waren (Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 133 m.w.N.). Dies war hier der Fall. Die Betriebsprüferin des Finanzamts K., Steueroberinspektorin U., begann am 27.09.2004 eine allgemeine Außenprüfung bei der Firma S. für die Jahre 1999 bis 2001, und zusammen mit ihrem Kollegen Herrn FD. am 22.11.2004 eine Lohnsteueraußenprüfung für die Zeiträume 5/2000 bis 9/2004. Im Rahmen dieser Prüfung erhielt sie auf ihre Anfrage vom 14.10.2004 hin nach fehlenden Unterlagen (vgl. EA Bd. 1.2 Bl. 253) – unter anderem auch zu Verträgen/schriftlichen Vereinbarungen mit den Sortierern (Werk-/Arbeitsverträge/rechtsverbindliche Erklärungen) – einen Ordner mit u.a. den Rahmenwerkverträgen und einem Blatt Papier, worauf sie die Anmerkung fand, dass die Verträge niemals angewendet worden seien. Die Unterzeichnung dieser Anmerkung durch A. am 23.11.2004 und die Zuordnung dieses Schriftstücks, in dem nur von „Verträgen“ die Rede war, zu den Rahmenwerkverträgen erfolgte ebenfalls auf Nachfrage der Betriebsprüferin, der die Urheberschaft dieses Schriftstücks nicht bekannt war.

A. kam mit der Aushändigung der Unterlagen und insbesondere seiner mündlichen und schriftlichen Auskunft seiner – sich aus § 200 AO ergebenden und die allgemeinen Pflichten der §§ 90 ff. AO ergänzenden – Mitwirkungspflicht nach.

Dies war nach § 328 AO erzwingbar. Es kann angesichts des tatsächlichen Ablaufs keinem Zweifel unterliegen, dass die Übergabe und Unterzeichnung des Vermerks vom 23.11.2004 seitens des Mitangeschuldigten A. eine Mitteilung i.S.d. §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO innerhalb des Steuerverfahrens darstellt (vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks- Joecks , § 393 Rn. 54).

Diese erfolgte noch vor der am 10.12.2004 erfolgten Einleitung des Steuerstrafverfahrens (vgl. EA Bd. 1.2 Bl. 227), die zudem die Jahre 1999 bis 2002 betraf, nicht aber auch die Jahre 2003 und 2004.

Mithin handelt es sich bei der Tatsache, dass die Rahmenwerkverträge niemals praktiziert wurden, um eine solche, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, so dass diese Kenntnisse gem. § 393 Abs. 2 S. 1 AO gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden durften, die keine Steuerstraftat ist – wie etwa § 266a StGB.

Dass die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von diesen Angaben nicht direkt „aus den Steuerakten“ erhielten, wie es der Gesetzeswortlaut des § 393 Abs. 2 S. 1 AO fordert, sondern dadurch, dass ihnen dies das Finanzamt K. im Rahmen einer deswegen einberufenen Dienstbesprechung mitteilte, ist unschädlich. Denn es ist anerkannt, dass auch solche Tatsachen und Beweismittel „aus den Steuerakten“ bekannt geworden sind, die von einem Dritten – vor allem einem Angehörigen der Finanzbehörde – aus diesen Akten mündlich oder schriftlich mitgeteilt worden sind (vgl. hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 150 f.; ebenso Franzen/Gast/Joecks- Joecks , § 393 Rn. 59 f. m.w.N.; in diese Richtung auch OLG Stuttgart wistra 1986, 191, 192). Zu den Steuerakten gehören dabei auch Akten über eine Außenprüfung, weil die Außenprüfung ein besonders geregelter förmlicher Teil des Besteuerungsverfahrens ist ( Hellmann , a.a.O., Rn. 150).

3. Sofern § 393 Abs. 2 S. 2 AO verfassungswidrig und deswegen § 393 Abs. 2 S. 1 AO anzuwenden ist, sind auch die übrigen, im weiteren Ermittlungsverfahren erlangten Beweismittel nicht verwertbar.

Zwar sieht § 393 Abs. 2 S. 1 AO dem Wortlaut nach nur ein Verwendungsverbot für die offenbarte Tatsache selbst vor. Ferner ist nach der Rechtsprechung auch bei anderen Verwertungsverboten eine so genannte Fernwirkung grundsätzlich ausgeschlossen (BGH NJW 2006, 1361, 1363; Meyer-Goßner , StPO, § 49. Aufl., 2006, Einl. Rn. 57 jeweils m.w.N.). Allenfalls ausnahmsweise kann nach der Sachlage und der Art des Verwertungsverbots dessen Fernwirkung anzunehmen sein (BGH NJW 2006, 1361, 1363; ausdrücklich offengelassen für Reichweite des Verwendungsverbots des § 393 AO in NJW 2005, 763). In dem hier vorliegenden Fall ist zu bedenken, dass der Vermerk überhaupt erst die Ermittlungen maßgeblich ausgelöst hat, somit ohne die Verwertung der selbstbelastenden Äußerung von A. in dem Vermerk vom 23.11.2004 ein Strafverfahren überhaupt nicht eingeleitet worden wäre. Der Grundrechtsschutz wäre nicht effektiv, würde man hier lediglich den Vermerk als vom Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 1 AO erfasst ansehen. In diesem Sinne hat auch der BGH in NJW 1980, 1700 zum G 10 ausgeführt:

„Im Lichte der Verfassung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob derjenige, der von einer Telefonüberwachung betroffen und dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 10 I GG beeinträchtigt ist, aufgrund der unmittelbar oder nur der mittelbar erlangten Beweismittel strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wird.“

Demgegenüber steht der vom BGH entschiedene Fall, bei dem die Frage, ob der dort durch Ausnutzung einer unzulässig erlangten Aussage aufgespürte Zeuge F. auch auf andere Weise aufgefunden worden wäre (NJW 1987, 2525, 2526), der Auffassung der Kammer nicht entgegen. Denn im dortigen Fall bestand bereits ein Anfangsverdacht und es liefen bereits Ermittlungen. Auch in anderen höchstrichterlichen Entscheidungen, in denen eine Fernwirkung abgelehnt wurde, bestand jeweils bereits ein Anfangsverdacht aufgrund anderweitiger Anhaltspunkte, die keinem Verwertungsverbot unterlagen (vgl. BGH NJW 1968, 1388; NStZ 1996, 200; NJW 2006, 1361).

Dagegen ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen, dass die Ermittlungen ohne den Vermerk vom 23.11.2004 eingeleitet worden wären. Die Zollbehörden hatten aufgrund einer nur wenige Monate zuvor (im Juni 2004) vorgenommenen Prüfung bei der S. keinen Grund zur Beanstandung gefunden und sahen keinen Verdacht einer Ordnungswidrigkeiten- oder Straftatenbegehung. Erst nachdem den Zollbehörden im Rahmen der Dienstbesprechungen im Dezember 2004 neue Informationen vom Finanzamt K. zugetragen worden waren, entstand ein diesbezüglicher Anfangsverdacht und es wurden Ermittlungsverfahren gegen die Mitangeschuldigten eingeleitet. Zu diesen neuen Erkenntnissen gehörte neben dem Schriftstück zu den Rahmenwerkverträgen zwar gleichfalls die Information, dass der Agenturvertrag aus dem Jahr 1973 mangels Existenz der Z. nicht bzw. nicht mehr wirksam war. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass diese Information letztlich keine Mitursache für die Einleitung der Ermittlungen war. Denn dem Agenturvertrag, der am 10.07.1973 zwischen der Z., vertreten durch E. und der Kükensortierer X. Agentur geschlossen wurde, kam offenkundig keine maßgebliche Bedeutung zu, weil die Kükensortierer X. Agentur nicht mehr existierte, was der Zollbehörde bereits bei der Prüfung im Juni 2004 bekannt war. Es lag auch bereits damals auf der Hand, dass die S. ihre Rechtsbeziehungen zu den Kükensortierern bzw. den Kükensortierer-GbR durch die Rahmenwerkverträge nebst rechtsverbindlicher Erklärungen auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt hatte. Dass die Z. nicht mehr existierte, war deshalb rechtlich belanglos. Entscheidend kam es vielmehr auf die Frage der Selbständigkeit der Sortierer und somit darauf an, ob die Rahmenwerkverträge praktiziert wurden oder nicht. Hierfür wiederum war allein der Vermerk vom 23.11.2004 Beurteilungsgrundlage (vgl. dazu schon oben unter Ziff. 1. c)).

Würde man eine Fernwirkung auch in den Fällen ablehnen, in denen erst durch verbotene Verwertung der Anfangsverdacht und damit praktisch „der Stein des Anstoßes“ geschaffen würde, so würden die Verwertungsverbote ausgehöhlt. Die Gefahr, dass dann im Nachhinein unter Ausklammerung des Verwertungsverbots rechtlich einwandfreie Ermittlungen angestellt und diese zur Überführung eines Straftäters verwendet würden, mit dem Argument, die Ermittlungsergebnisse selbst seien rechtmäßig erlangt, wäre sehr groß. Dies würde, wie im vorliegenden Fall dazu führen, dass letztlich einzig aufgrund der unter Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz verwendeten Selbstbelastung des späteren Beschuldigten dieser einer Bestrafung zugeführt wird. Der nemo-tenetur-Grundsatz verbietet jedoch gerade, dass die unter Zwang herbeigeführte Selbstbelastung zu einer Bestrafung führt (vgl. auch Franzen/Gast/Joecks- Joecks , § 393 Rn. 66 ff., der sich ebenfalls für eine Fernwirkung des Verbots aus § 393 Abs. 2 S. 1 AO ausspricht; Müller , DStR 1986, 699, 701; vgl. ebenfalls Klein/Orlopp , Kommentar AO, 9. Aufl., 2006, § 393 Anm. 7, die im Interesse des Steuerpflichtigen bei Beweismitteln, die sich aus den Steuerakten ergeben und nicht für die Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat verwendet werden dürfen, die Verwendbarkeit auch zum Zwecke weiterer Nachforschungen ausschließen wollen).

Zu beachten ist insoweit, dass die – schon nach dem Wortlaut nicht als bloßes Verwertungsverbot, sondern darüber hinausgehend als Verwendungsverbot ausgestaltete (vgl. hierzu Rogall , Das Verwendungsverbot des § 393 II AO, in: Festschrift für Günter Kohlmann, S. 465, 478 ff.) – Vorschrift des § 393 Abs. 2 S. 1 AO, wie unter Ziff. I. ausgeführt, dem Schutz des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts dient mit der Folge der Unzugänglichkeit für Verhältnismäßigkeitserwägungen. Aus diesem Grund muss in Fällen wie diesem, in dem die Tatsachen i.S.d. § 393 Abs. 2 S. 1 AO erst den Anfangsverdacht begründen, zur Vermeidung der Aushöhlung des effektiven Schutzes des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts eine Fernwirkung auch hinsichtlich der erst aufgrund dieses Anfangsverdachts im Wege weiterer Ermittlungen gewonnenen Beweismittel und somit auch diesbezüglich ein Verwendungsverbot angenommen werden (vgl. auch LG Stuttgart NStZ-RR 2001, 282 zu dem – deutliche Parallelen mit der hier maßgeblichen Vorschrift des § 393 Abs. 2 S. 2 AO aufweisenden -Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO; ebenso Rogall , in: FS Kohlmann, S. 465, 493 ff.).

Auch das BVerfG sieht bei Eingriffen in den Kernbereich eines Grundrechts die Notwendigkeit der Fernwirkung. Dies hat es für den Fall des Eingriffs in den Kernbereich des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG durch einen „großen Lauschangriff“ in BVerfGE 109, 279 (Rn. 191 f., zitiert nach Juris) für notwendig erachtet und dabei ausgeführt:

„Die in dem Zeitraum des Bestehens des Erhebungsverbots gewonnenen Informationen dürfen insgesamt und ungeachtet ihres Inhalts im Strafverfahren nicht verwertet werden. Das gilt nicht nur im Hinblick auf ihre Verwendung als Beweismittel im Hauptsacheverfahren, sondern auch, soweit sie als Spurenansätze für Ermittlungen in weiteren Zusammenhängen in Betracht kommen. (…) In Ergänzung zu dem Beweiserhebungsverbot {ist} ein Verbot der Verwertung für einen umfassenden Kernbereichsschutz unerlässlich. Daten aus Handlungen, die den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung betreffen, unterliegen von Verfassungs wegen einem absoluten Verwertungsverbot und dürfen weder im Hauptsacheverfahren verwertet werden noch Anknüpfungspunkt weiterer Ermittlungen sein.“

Gemessen hieran kann man angesichts dessen, dass die Selbstbelastungsfreiheit zu den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens zählt und unter anderem verfassungsrechtlich durch das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde abgesichert ist (vgl. BGH NJW 2007 m.w.N.), zumindest in den Fällen, in denen aufgrund einer erzwingbaren Selbstbelastung ein Anfangsverdacht hergeleitet und daraus folgend weitere Ermittlungsergebnisse gewonnen werden, eine Fernwirkung nicht mit dem Argument verneinen, es sei nicht auszuschließen, dass die Strafverfolgungsbehörden Beweise auch ohne die Selbstbelastung erlangt hätten. Anders ist nur zu entscheiden, wenn feststeht, dass die Beweise auch unabhängig von der Selbstbelastung erlangt worden wären, also auch unabhängig von der Selbstbelastung ein Anfangsverdacht bestanden hätte, der strafprozessuale Zwangsmittel wie eine Durchsuchung gerechtfertigt hätte.

Diese Feststellung vermag die Kammer angesichts obiger Ausführungen jedoch nicht zu treffen.

Da es bei der Entscheidung der Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens auf einen hinreichenden Tatverdacht der Tatbegehung nach § 266a StGB ankommt, dieser hinreichende Tatverdacht aber vollständig auf Beweismitteln beruht, die im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 393 Abs. 2 S. 2 AO insgesamt einem strafrechtlichen Verwendungsverbot unterliegen, müsste die Kammer nach Aktenlage bei den gegebenen Beweismöglichkeiten die Angeschuldigten am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit freisprechen, so dass sie derzeit gehindert ist, das Hauptverfahren gem. § 203 StPO zu eröffnen. Sollte die Norm allerdings entgegen der Auffassung der Kammer mit dem Grundgesetz vereinbar sein, wäre das Hauptverfahren zu eröffnen.

C.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 2. AO verfassungswidrig ist.

Der Steuerpflichtige ist gem. §§ 90 Abs. 1 S. 2, 93 Abs. 1 S. 1, 200 AO im Besteuerungsverfahren verpflichtet, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß gegenüber den Finanzbehörden anzugeben, selbst dann, wenn er dadurch zugleich ein früheres strafbares Verhalten aufdecken muss. Diese Auskunftspflicht ist im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach dem Leistungsvermögen mit Zwangsmitteln durchsetzbar (§ 328 AO), steht jedoch im Spannungsverhältnis zu dem strafverfahrensrechtlichen Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen ( nemo tenetur se ipsum accusare ). Das Gesetz löst diesen Konflikt, indem es in § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO den Einsatz von Zwangsmitteln untersagt, soweit der Steuerpflichtige dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten, insbesondere wenn insoweit bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Ergänzt wird dieser Schutz in § 393 Abs. 2 AO durch ein begrenztes strafrechtliches Verwendungsverbot der im Steuerverfahren erlangten Kenntnisse für andere Straftaten. Die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 1 AO untersagt – soweit es um die Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat geht – die Verwendung von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat. Dies gilt gem. § 393 Abs. 2 S. 2 AO allerdings nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO besteht. Ein derartiges Interesse ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO namentlich gegeben, wenn es um die Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen oder aber um die Verfolgung von gravierenden Wirtschaftsstraftaten geht.

Die Norm des § 393 Abs. 2 S. 2 AO verstößt gegen den aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen (dazu unter I.). Des Weiteren verstößt sie gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichheitssatz (dazu unter II.). Außerdem bedeutet die Verwendung der im Besteuerungsverfahren offenbarten Tatsachen für Zwecke der Verfolgung von Allgemeinstraftaten eine verfassungswidrige Zweckänderung (dazu unter III.). Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich (dazu unter IV.).

I.

Die in § 393 Abs. 2 S. 2 AO vorgesehene Verwendung seitens des Steuerpflichtigen offenbarter, den Verdacht einer Straftat i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO begründender Tatsachen stellt einen Verstoß gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs und damit einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG dar.

1. Ein gesetzlich verordneter Selbstbelastungszwang beinhaltet einen Eingriff in die Menschenwürde, die Handlungsfreiheit sowie das Persönlichkeitsrecht und verletzt daher Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Durch rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflichten kann die Auskunftsperson in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Wegen dieser Folgen ist die erzwingbare Auskunftspflicht als Eingriff in die Handlungsfreiheit sowie als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG zu beurteilen. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird (BVerfGE 56, 37). Das BVerfG hat hierzu wortgleich ausgeführt: „Unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar wäre ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen“ (BVerfGE 56, 37-54 und NJW 1999, 779).

Demgemäß gehört das Schweigerecht des Beschuldigten (§ 136 StPO) seit langem zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Es wird in der Rechtsprechung als selbstverständlicher Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung bezeichnet, die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde beruht (BVerfGE 38, 105, 113; BGHSt 14, 358, 364). So hat der BGH bereits 1954 ausgeführt: „Der Beschuldigte ist Beteiligter, nicht Gegenstand des Strafverfahrens“ . Die Entschließungsfreiheit des Beschuldigten hinsichtlich seiner Einlassung bleibe nach dem Gesetz in jeder Verfahrenslage unangetastet. Weder brauche er sich zur Anklage zu äußern noch an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Grundlage hierfür sah der BGH darin, dass „selbst der Tatverdächtige und Straffällige der Gesamtheit stets als selbstverantwortliche, sittliche Persönlichkeit gegenübersteht“ (BGH NJW 1954, 649). Die Selbstbelastungsfreiheit hat in der Strafprozessordnung in den §§ 55, 136 Abs. 1, 136a Abs. 1 und 3, 163a Abs. 3 sowie § 243 Abs. 4 S. 1 Niederschlag gefunden und ist in Art. 14 Abs. 3 lit. g des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) ausdrücklich gesetzlich verankert worden. Sie gehört ferner zum Kernbereich des von Art. 6 Abs. 3 EMRK garantierten Rechts auf ein faires Strafverfahren (EGMR StV 2003, 257, 259).

Der nemo-tenetur-Grundsatz beinhaltet nach seinen in der Rechtsprechung des BGH anerkannten Ausprägungen das Verbot von Zwang. Der BGH hat hierzu ausgeführt: „Gegenstand des Schutzes des Nemo-tenetur-Grundsatzes ist die Freiheit von Zwang zur Aussage oder zur Mitwirkung am Strafverfahren “ (BGHSt 42, 139,153).

Ein lückenloser Schutz vor Selbstbezichtigungen ist vom Gesetzgeber zwar nicht herzustellen, denn eine Begründung von erzwingbaren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten mit Selbstbezichtigungstendenz ist durchaus zulässig, wenn dafür gewichtige Gründe angeführt werden können (vgl. BVerfGE 56, 37, 49 f.). Das öffentliche und/oder private Interesse an wahrheitsgemäßer Auskunftserteilung rechtfertigt es jedoch nicht, dass der Auskunftspflichtige „zugleich zu seiner Verurteilung beitragen muss und dass die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weitergehende Möglichkeiten erlangen als in anderen Fällen der Strafverfolgung“ (BVerfGE a.a.O., 51). Soweit nämlich die unter Zwang erlangten Selbstbezichtigungen gegen den Willen des Auskunftspflichtigen zweckentfremdet und der Verwertung für eine Strafverfolgung zugeführt werden, läge hierin eine unverhältnismäßige und damit verfassungswidrige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfGE a.a.O., 51). Von Verfassungs wegen ist der Gesetzgeber daher verpflichtet, Schutzvorkehrungen zu treffen, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Bei dem durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, vollendet sich die Grundrechtsbeeinträchtigung erst in dem Moment, in welchem die Angaben des Betroffenen gegen ihn verwertet werden. Diese Grundrechtsbeeinträchtigung wird jedoch durch den Ausschluss einer Verwertung verhindert; dabei handelt es sich um den sog. Grundrechtsschutz durch Verfahren (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30, 65; 65, 76, 94; 73, 280, 296).

2. § 393 Abs. 2 S. 2, der eine Durchbrechung des – dem Grundrechtsschutz dienendem – Verwertungsverbots des § 393 Abs. 2. S. 1 AO darstellt, begründet einen Selbstbelastungszwang im oben genannten Sinne.

a) Aus dem im Steuerrecht herrschenden Grundsatz der Wertneutralität folgt, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot verstößt (vgl. § 40 AO). Daher haben die Finanzbehörden ihre Ermittlungen entsprechend dem für sie geltendenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. § 88 AO) gegebenenfalls auch auf steuerlich relevante Tatsachen zu richten, die zugleich den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen.

Die Beteiligten (§ 78 AO) sind im Besteuerungsverfahren auch insoweit gem. § 90 Abs. 1 S. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet und müssen insbesondere den für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt wahrheitsgemäß offen legen (§§ 90 Abs. 1 S. 2, 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 200 AO). Zu derartigen Umständen gehören auch steuerbare Einkünfte aus Straftaten (vgl. § 40 AO), die insbesondere auch Wirtschaftsstraftaten i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) darstellen können oder aber auch Unternehmensabläufe, die auf derartige Taten schließen lassen. Der Umfang der Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; dabei ist die Verantwortung des Steuerpflichtigen um so größer, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- oder Tätigkeitssphäre angehören (vgl. Klein/Orlopp , § 90 Anm. 2). Die Auskunftspflicht umfasst neben der Erteilung mündlicher oder schriftlicher Auskünfte auch die Vorlage von Urkunden (§ 97 AO). Im Falle einer Außenprüfung modifiziert und ergänzt § 200 AO die allgemeinen Vorschriften über die Mitwirkung der Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren. Da die Außenprüfung vorwiegend eine Buchprüfung ist, ist der Steuerpflichtige insbesondere verpflichtet, Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftsunterlagen etc. vorzulegen. Der Steuerpflichtige muss die vom Prüfer gewünschten Unterlagen heraussuchen und herbeischaffen, darüber hinaus hat er die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erklärungen zu geben ( Klein/Orlopp , § 200 Anm. 2 f.).

Im Zusammenhang mit den Auskunftspflichten kommt dem Steuerpflichtigen dabei ein Auskunftsverweigerungsrecht im Hinblick auf die Gefahr einer Verfolgung nach dem Strafgesetzbuch oder dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nicht zu.

b) Die Erfüllung dieser Auskunftspflicht ist auch erzwingbar.

aa) Erfüllt der Beteiligte die ihm nach den §§ 90, 93 ff., 200 AO obliegenden Mitwirkungspflichten nicht, so können die Finanzbehörden mit Zwangsmitteln gegen ihn vorgehen (vgl. §§ 328 ff. AO). Aus dem Zusammenspiel der gesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass der Beteiligte zur Offenbarung strafbaren Verhaltens im Besteuerungsverfahren verpflichtet ist und hierzu notfalls mit Zwangsmitteln wie beispielsweise Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft angehalten werden kann.

Die einzige Ausnahme der Erzwingbarkeit ergibt sich aus § 393 Abs. 1 S. 2 AO, was allerdings voraussetzt, dass sich der Steuerpflichtige durch Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit belasten würde. Hingegen kann die Auskunft auch im Hinblick auf Umstände erzwungen werden, die zu einer Selbstbelastung des Auskunftspflichtigen betreffend Straftaten i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO führen.

bb) Ferner stellt es einen Zwang i.S.d. Zwangsbelastungsverbots dar, dass der Steuerpflichtige im Fall der unvollständigen Auskunft eine strafrechtliche Verfolgung wegen Verstoßes gegen § 370 AO befürchten muss.

§ 370 AO sieht unter anderem für die Fälle, in denen jemand die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen im Unklaren lässt oder aber über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, und dadurch Steuern verkürzt oder aber Steuervorteile erlangt, Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor (Abs. 1 Nr. 1, 2). Die Regelung soll den Anspruch des Staates auf den vollen Ertrag jeder einzelnen Steuerart sichern (vgl. Klein/Orlopp , § 370 Anm. 1 m.w.N.). Gerade die uneingeschränkte Bezugnahme auf steuerliche Pflichten in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO lässt erkennen, dass sämtliche Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten nach der Abgabenordnung als Garantenpflichten anzusehen sind. Dies ist auch sachgerecht, da die Mitwirkung des Steuerpflichtigen für die Festsetzung und Erhebung der Steuern entscheidend ist. Strafbares Verhalten im Falle des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist somit die Verletzung der Erklärungspflichten (vgl. Klein/Orlopp , § 370 Anm. 6). Durch die empfindliche Strafandrohung soll auf die Steuerpflichtigen Druck ausgeübt werden, gegenüber den Finanzbehörden richtige und vollständige Angaben über relevante steuerliche Umstände zu machen. Das OLG Hamburg hat hierzu ausgeführt, die Androhung von Kriminalstrafe in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO führe – als im Vergleich zu den Zwangsmitteln des § 328 AO grundsätzlich schärferes Instrument – zur faktischen Erzwingung der schon vorher in strafbarer Weise unterlassenen Erklärung (OLG Hamburg wistra 1996, 239).

In einem Fall, in dem der Angeklagte von Januar bis Oktober 1997 jeweils inhaltlich unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte und dann, nachdem ihm schon bei seiner Verhaftung im Dezember 1997 die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens eröffnet worden war und Gegenstand des Haftbefehls im März 1998 die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 1997 waren, keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1997 abgab, hat der BGH die Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht für strafbar gehalten (BGH NJW 2001, 3638). Er hat dies mit dem Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO begründet, das dem Betroffenen im Fall der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens ersparen soll, mit Zwangsmitteln zur Abgabe von Erklärungen im Besteuerungsverfahren gezwungen zu werden, durch die er von ihm begangene Steuerstraftaten offenbaren müsste. Infolge der gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbewehrten Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung wäre der Betroffene jedoch gezwungen, bei wahrheitsgemäßer Darstellung die bei den Voranmeldungen begangenen Hinterziehungen aufzudecken. Er gerate dadurch in die Konfliktlage, entweder neues Unrecht durch die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung zu begehen oder bei wahrheitsgemäßen Angaben die zuvor begangenen Steuerhinterziehungen durch die falschen Umsatzsteuerjahreserklärungen aufzudecken und sich damit selbst zu belasten. Zur Lösung dieses Konflikts hat der BGH die Strafbewehrung der Verletzung der Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung suspendiert – jedenfalls solange das Steuerstrafverfahren andauere (vgl. auch BGH NJW 2002, 1134; NJW 2002, 1733). Zugleich hat der BGH aber betont, dass hier die Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung nur deshalb suspendiert ist, weil sie den gleichen Zeitraum und damit den gleichen Steuerschaden betrifft. Sind andere Steuerzeiträume und/oder Steuerarten betroffen, hält der BGH hingegen nicht die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren für suspendiert, sondern nimmt ein Verwertungsverbot für ein Strafverfahren an (BGH NJW 2005, 763). Erklärungen, die ein Beschuldigter in Erfüllung seiner weiterbestehenden steuerrechtlichen Pflichten für nicht strafbefangene Besteuerungszeiträume und Steuerarten gegenüber den Finanzbehörden macht, sollen allein im Besteuerungsverfahren verwendet werden und für das laufende Strafverfahren nicht herangezogen werden.

cc) Ob die Offenbarung bestimmter Umstände im Einzelfall lediglich erzwingbar war oder ob sie tatsächlich erzwungen wurde, ist unerheblich (so auch Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 181; Müller , DStR 1986, 699, 701; in diese Richtung auch OLG Stuttgart wistra 1986, 191, 192, das eine Unverwertbarkeit gem. § 393 Abs. 2 S. 1 AO in einem Fall angenommen hatte, in dem sich eine strafrechtliche Verurteilung wegen falscher Angaben gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG auf Erkenntnisse aus solchen Unterlagen stützte, die in Erfüllung steuerlicher Pflichten gem. § 200 AO der Finanzbehörde vorgelegt wurden).

Zwar hat das Dienstgericht des Bundes in einem Fall, in dem ein später wegen verschiedener Vorwürfe aus dem Dienst entfernter Richter vor Einleitung des steuerstrafrechtlichen Vorermittlungsverfahren dem Finanzamt im Besteuerungsverfahren mitgeteilt hatte, dass er im Kalenderjahr 1993 Provisionseinnahmen in Höhe von 280.000,00 DM und 1994 in Höhe von 480.000,00 DM hatte, angenommen, die (anschließende) Beschlagnahme der Unterlagen im Steuerstrafverfahren stelle sich nicht als Zwang zur Erfüllung der Auskunftspflicht dar, so dass Art. 1, 2 Abs. 1 GG nicht berührt seien (BGH NJW 2002, 834; die auf die Entscheidung des BGH ergangene Entscheidung des BVerfG – NJW 2005, 1344 – verhält sich zu dieser Frage wie auch zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 393 Abs. 2 S. 2 AO nicht; gegen das Entstehen einer Konfliktlage für den Steuerpflichtigen bei lediglich „erzwingbarer“ und noch nicht „erzwungener“ Mitwirkung auch Rüster , wistra 1988, 49, 52; ähnlich auch Meine , wistra 1985, 186, 187). Es kann rechtlich jedoch keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige erst aufgrund tatsächlich ausgeübten, konkret angedrohten oder bereits aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit des Zwanges seinen Mitwirkungspflichten nachkommt. Denn in all jenen Fallgestaltungen handelt er mit dem Ziel, einer Zwangseinwirkung zu entgehen. In diesem Sinne hält der 5. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung in NJW 2005, 763 fest, dass „Erklärungen eines Beschuldigten, die er in Erfüllung seiner weiterbestehenden steuerrechtlichen Pflichten für nicht strafbefangene Besteuerungszeiträume und Steuerarten gegenüber den Finanzbehörden macht, allein im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Für das laufende Strafverfahren dürfen diese Informationen soweit sie unmittelbar oder auch mittelbar zum Nachweis einer Steuerhinterziehung für die zurückliegenden Steuerjahre führen können, nicht herangezogen werden.“

Bei § 393 Abs. 2 S. 1 AO handelt es sich um ein „- unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich verankerten Verbot des Selbstbelastungszwangs – herzuleitendes Verwendungsverbot“ (vgl. BGH a.a.O).

Anders als in der Entscheidung BGH NJW 2002, 834, wo Erkenntnisse aus dem Steuerstraf verfahren in den Blick genommen wurden, hatte der BGH in NJW 2005, 763 nunmehr über Mitteilungen zu entscheiden, die – wie hier – im Besteuerungsverfahren gemacht worden sind. Der BGH bejahte in letztgenannter Konstellation ein Verwendungsverbot.

c) Im Gegensatz zur vom BGH angenommenen Unverwertbarkeit von im Besteuerungsverfahren offenbarten, im Hinblick auf eine Steuerstraftat belastenden Umständen (vgl. BGH NJW 2005, 763) ordnet § 393 Abs. 2 S. 2 AO für Allgemeinstraftaten die Verwertbarkeit uneingeschränkt an, wenn für deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO besteht.

aa) Damit berührt diese gesetzliche Regelung, die eine Ausnahme von dem in § 393 Abs. 2 S. 1 AO normierten, aus der Menschenwürde folgenden Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 1 AO darstellt, den Bereich des Art. 1 Abs. 1 GG. Indem bei Straftaten, bei denen sich ein zwingendes öffentliches Interesse bejahen lässt, eine Verwendung von im Steuerverfahren erzwungenen bzw. erzwingbaren Informationen auch im Strafverfahren für zulässig erklärt wird, wird dem Beschuldigten die Entschließungsfreiheit bezüglich seiner Einlassung im Strafverfahren genommen, er verliert also die einem Menschen zukommende und seine Würde mit ausmachende Bestimmung über sein eigenes Ich und wird nicht mehr als selbstverantwortliche sittliche Persönlichkeit wahrgenommen, sondern zum Gegenstand des Strafverfahrens und damit zum bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt.

bb) In die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde einzugreifen ist dem Gesetzgeber schlechthin verboten; insbesondere verbieten sich Verhältnismäßigkeitserwägungen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Selbstbelastungsfreiheit zugleich dem Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrechts unterfällt, das nicht schrankenlos gewährleistet ist. Denn auch dort erkennt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung an, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist (vgl. BVerfGE 6, 32, 41; 54, 143, 146) und begründet dies zum einen mit der Garantie des Wesensgehalts der Grundrechte des Art. 19 Abs. 2 GG und zum anderen mit dem Schutz des Kerns der Persönlichkeit durch die unantastbare Würde des Menschen (BVerfGE 80, 367, Rn. 15, zitiert nach Juris).

Es hat zwar in einem Fall, in dem der Beschwerdeführer wegen Mordes an einer Frau zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war und sich die Verurteilung unter anderem auch auf tagebuchähnliche Aufzeichnungen des Täters zu seiner Persönlichkeit stützte, die Verwertbarkeit dieser Aufzeichnungen bejaht, indem es sie nicht dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung zugerechnet hat und in der Folge Verhältnismäßigkeitserwägungen anstellen konnte (BVerfGE 80, 367). Begründet wurde die Entscheidung durch die vier sie tragenden Richter damit, dass Angaben über die Planung bevorstehender oder Berichte über begangene Straftaten in einem unmittelbaren Bezug zu konkreten strafbaren Handlungen stehen, sowie damit, dass die Gedanken schriftlich niedergelegt, sie damit aus dem beherrschbaren Innenbereich entlassen und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben wurden, so dass der Sachverhalt nicht dem absolut geschützten Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung zugeordnet werden konnte (vgl. insoweit auch BGH NJW 2005, 3295, 3296). Zudem wurde in die dann folgende Abwägung das Bedürfnis nach einer wirksamen Strafverfolgung wie auch eine wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten eingestellt. Demgegenüber waren die die Entscheidung nicht mittragenden Richter der Ansicht, dass die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen zu dem absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung gehören und ihre Verwertbarkeit den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG verletzte. In ihren Ausführungen dazu heißt es, dass “ die Gedanken frei sind – und deshalb frei bleiben müssen von staatlichem Zwang und Zugriff, wenn nicht der Mensch im Kernbereich seiner Persönlichkeit getroffen werden soll.“

Nach der dissentierenden Richtermeinung würde es demnach den (unantastbaren) Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffen, wollte man die mit staatlichem Zwang in Form der Zwangsmittel des § 328 AO (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) und der Strafbewehrung nach § 370 AO erwirkten Auskünfte zum Ausgangspunkt einer strafrechtlichen Verfolgung nehmen.

Aber auch nach den Maßstäben der die Entscheidung letztlich tragenden Richter lässt sich im vorliegenden Fall eine Zuordnung zum Kernbereich des Persönlichkeitsrechts vornehmen. Denn im Fall der tagebuchähnlichen Aufzeichnungen gelangten die Strafverfolgungsbehörden nicht wie im vorliegenden Fall durch Selbstbelastung an die Erkenntnisse, sondern diese Aufzeichnungen wurden bei einer Durchsuchung im Rahmen eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens aufgefunden (Sachverhalt nach BGHSt 34, 397 ff.). Zudem hat sich vorliegend der Auskunftspflichtige gerade nicht aufgrund eines freiwilligen Entschlusses in die Gefahr der Verwertung seiner Auskunft für Zwecke des Strafverfahrens begeben, sondern die Entäußerung erfolgte letztlich erst, als sich der Steuerpflichtige den schriftlichen Vermerk im Rahmen der Außenprüfung am 23.11.2004 unter dem Eindruck einer erzwingbaren und im Unterlassenfall strafbewehrten Pflicht zur Auskunftserteilung durch seine Unterschrift zu eigen machte und diesen durch die Bezugnahme auf die Rahmenwerkverträge und mündlichen Erläuterungen dazu konkretisierte.

Insofern steht die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgericht der Überzeugung der Kammer, die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 2 AO verstoße gegen die Menschenwürde und den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, nicht entgegen.

Grundrechtseingriffe dieser Art können auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden (ebenso Franzen/Gast/Joecks- Joecks , § 393 Rn. 74; Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 182). Für derartige Erwägungen ist weder bei Verstößen gegen die Menschenwürde noch bei Eingriffen in den Kernbereich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG Raum.

Auch angesichts der Regelungen der Strafprozessordnung, die auch bei Verdacht schwerster Straftaten keinerlei Zwangsbefugnisse gegenüber dem Beschuldigten zu dessen eigener Belastung kennt, kann es nicht darauf ankommen, wie groß das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Einzelfall ist.

Dass bei der grundrechtlich geschützten Selbstbelastungsfreiheit keine derartigen Abwägungen und insbesondere keine Abstufungen des Schutzniveaus entsprechend der Schwere der zwangsweise offenbarten Straftaten möglich sind – wie sie aber § 393 Abs. 2 S. 2 AO unter Verweis auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO vornimmt -,ergibt sich zudem aus einer neueren Entscheidung des BGH. Der BGH hat im Zusammenhang mit einer vernehmungsähnlichen Befragung eines Beschuldigten durch einen verdeckten Ermittler wie folgt zu Inhalt und Reichweite des nemo-tenetur-Grundsatzes ausgeführt: „Die Selbstbelastungsfreiheit entspricht der prozessualen Stellung des Beschuldigten im Strafprozess, der Beteiligter und nicht Objekt des Verfahrens ist, und hat Vorrang vor der ebenfalls im Verfassungsrang stehenden Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung (…) . Dabei gilt sie unabhängig von der Schwere des Tatvorwurfs“ (BGH NJW 2007, 139, 140). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum großen Lauschangriff betont, zwar werde es stets Formen von besonders gravierender Kriminalität und entsprechende Verdachtssituationen geben, die die Effektivität der Strafrechtspflege als Gemeinwohlinteresse manchem gewichtiger erscheinen lasse als die Wahrung der menschlichen Würde des Beschuldigten; eine solche Wertung sei dem Staat jedoch durch Art. 1 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG verwehrt (BVerfGE 109, 271, Rn.125, zitiert nach Juris). Auch der EGMR hat zu dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung keinesfalls als Rechtfertigung dafür dienen werden könne, eine unter Zwang in einem Verwaltungsverfahren herbeigeführte Aussage im Strafprozess gegen den Angeklagten zu verwenden (EGMR, Slg. 1996-VI, S. 2066 f. Nr. 74 (Saunders ./. Vereinigtes Königreich)).

Es gilt im übrigen zu bedenken, dass § 393 Abs. 2 S. 1 AO den Konflikt des Betroffenen auflösen soll, der einerseits eine Straftat begeht, indem er seine steuerlichen Erklärungspflichten verletzt, andererseits aber eine andere Straftat aufdeckt, indem er seine Pflicht erfüllt; diese Zwangslage verschärft sich dann noch weiter, wenn es um gravierende Straftaten im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO geht, weil dann der Druck, eine Steuerhinterziehung zur Vermeidung der Verfolgung wegen der zu offenbarenden Nichtsteuerstraftat zu begehen, um so größer ist, sofern es sich um schwere Straftaten mit einer hohen Straferwartung handelt (vgl. hierzu auch Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 181; kritisch insofern auch Günther , GA 1978, 193, 204 f.).

cc) Die Überzeugung der Kammer von der Verfassungswidrigkeit des § 393 Abs. 2 S. 2 AO wird durch die Entscheidung in BVerfGE 56, 37 gestützt. In diesem Fall war gegen einen Gemeinschuldner (unter der damals noch gültigen KO) das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Konkursgericht hatte Beugehaft angeordnet, weil der Gemeinschuldner in dem vom Konkursverwalter beantragten Vernehmungstermin Fragen zur Übereignung von Vermögensgegenständen unter Verweis auf das dazu gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren wegen Verdacht eines Konkursvergehens verweigerte. Das BVerfG hat hierzu entschieden, die Auskunftspflicht des Gemeinschuldners an sich und deren Durchsetzung mit Beugemitteln sei nicht zu beanstanden. Der Gemeinschuldner sei im Konkurs einer der wichtigsten Informationsträger, auf dessen Auskünfte die Gläubiger und die Verfahrensorgane zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Konkurses angewiesen seien. Mit Blick auf den durch die Grundrechte gewährleisteten Schutz gegen Selbstbezichtigungen sah das BVerfG jedoch die Notwendigkeit, die Auskunftspflicht durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot zu ergänzen. Begründet wurde das Verwendungsverbot zudem mit dem Argument, der bloße Umstand, dass dem Gemeinschuldner im Interesse seiner Gläubiger eine uneingeschränkte Auskunftspflicht zuzumuten sei, rechtfertige es nicht, dass er zugleich zu seiner Verurteilung beitragen müsse und die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weitergehende Möglichkeiten erlangten als in anderen Fällen der Strafverfolgung.

Hinweise auf eine sachliche Beschränkung des Verwertungsverbots lassen sich dieser Entscheidung in keiner Weise entnehmen. Deswegen sind inzwischen jene Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO in Form eines uneingeschränkten Verwendungsverbots umgesetzt. Entsprechend rechtfertigt die Auskunftspflicht im Steuererhebungsverfahren, die der Sicherung eines gleichmäßigen und möglichst lückenlosen Steueraufkommens dient, keine Verwendung der Auskünfte im Strafverfahren.

Die Entscheidung des BVerfG in wistra 1988, 302 steht der Auffassung der Kammer nicht entgegen. Dort ist lediglich festgehalten, dass die Verpflichtung des Steuerpflichtigen bzw. seines Vertreters zur wahrheitsgemäßen Auskunft im Steuerverfahren, auch wenn hierdurch Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, die bloße Auskunftspflicht der §§ 92 f. AO also nicht gegen den nemo-tenetur-Grundsatz verstoße. Mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Verwertungsverbots nach § 393 Abs. 2 S. 2 AO hatte sich das BVerfG in dieser Entscheidung nicht zu befassen und hat dementsprechend diese Frage ausdrücklich offen gelassen.

Das OLG Stuttgart ging in einem Beschluss, in dem es Erkenntnisse aus Unterlagen, die in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten gem. § 200 AO der Finanzbehörde vorgelegt worden waren, in einem anschließenden Strafverfahren wegen falscher Angaben gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG für unverwertbar gem. § 393 Abs. 2 S. 1 AO erklärte und sich sodann mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob in diesem Fall die Ausnahmeregelung des § 393 Abs. 2 S. 2 AO zum Tragen käme, sogar noch einen Schritt weiter und führte aus: „Die Abwägung der Erfordernisse einer wirksamen Rechtspflege und des öffentlichen Interesses an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess gegenüber allgemein anerkannten, in rechtsstaatlichen Grundsätzen wurzelnden und verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten des Einzeln zwingt hier zu einer engen Auslegung des in § 393 Abs. 2 S. 2 AO verwandten unbestimmten Rechtsbegriffes „zwingendes öffentliches Interesse“, falls sie nicht der Rechtsgültigkeit dieser Ausnahmeregelung überhaupt entgegensteht „.

dd) Dass § 393 Abs. 2 S. 2 AO mit dem nemo-tenetur-Grundsatz unvereinbar ist, steht nicht im Widerspruch zu einer Entscheidung des BGH, in der die Grenzen des Verwendungsverbots des § 393 Abs. 2 AO im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige des Steuerpflichtigen aufgezeigt wurden (BGH NJW 2005,2720). In diesem Fall hatte der Angeklagte unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt eingereicht, um unberechtigte Vorsteuererstattungen zu erhalten. Dabei hatte er Fotokopien fingierter Rechnungen, die er zuvor aus Werbeschreiben anderer Unternehmen zusammengebastelt hatte, den Voranmeldungen beigefügt. Nachdem die beantragten Vorsteuerbeträge nicht sogleich erstattet worden waren und er von einer beabsichtigten Umsatzsteuersonderprüfung erfahren hatte, erstattete der Angeklagte Selbstanzeige, in deren Rahmen er neben der begangenen Steuerhinterziehung zugleich die tateinheitlich begangene Urkundenfälschung offenbarte, wegen der er in der Folge auch verurteilt wurde. Der BGH hielt das Verwendungsverbot zu Recht nicht für einschlägig und begründete dies im wesentlichen mit der ratio legis des § 393 Abs. 2 AO. Die dort getroffene Regelung solle das Spannungsverhältnis zwischen der Erzwingbarkeit der Steuererklärung einerseits und dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen andererseits, sich in Erfüllung seiner steuerrechtlichen Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten nicht der Strafverfolgung wegen möglicherweise zu offenbarendem strafbaren Verhaltens auszusetzen, ausgleichen. Innerer Grund für die Normierung eines Verwendungsverbots sei demnach die Erzwingbarkeit der Pflichterfüllung. Da aber § 393 Abs. 1 AO verbiete, die Erfüllung der Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten mit den Zwangsmitteln des § 328 AO durchzusetzen, wenn der Steuerpflichtige genötigt wäre, sich wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat selbst zu belasten, könne der Täter einer Steuerhinterziehung auch nicht zur Abgabe einer Selbstanzeige gezwungen werden. Wenn also der Steuerpflichtige aufgrund seiner vorherigen Steuerstraftat nicht mehr mit Zwangsmitteln zur Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten angehalten werden könne (§ 393 Abs. 1 AO) und er als Beschuldigter in einem Strafverfahren keine Angaben machen müsse, benötige er nicht den Schutz des Beweisverwendungsverbots des § 393 Abs. 2 S. 1 AO (BGH a.a.O; ebenso BVerfG NJW 2005, 352).

Eine Ausweitung der Wirkung einer Selbstanzeige gem. § 371 AO auch auf die zugleich offenbarte Allgemeinstraftat lehnte der BGH ab, weil der Täter einer Steuerstraftat schon durch die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, die neben der allgemeinen Rücktrittsmöglichkeit des § 24 StGB bestehe und sogar im Falle vollendeter Steuerhinterziehung möglich sei, gegenüber dem Täter einer Allgemeinstraftat bessergestellt sei. Es sei kein Grund ersichtlich, den Steuerstraftäter nun noch weiter zu bevorzugen.

Liegt jedoch keine (freiwillige) Selbstanzeige vor, sondern macht der Steuerpflichtige die Angaben vor dem drohenden Hintergrund ihrer Erzwingbarkeit gem. § 328 AO, so ist der Anwendungsbereich des § 393 Abs. 2 AO nach wie vor eröffnet.

ee) Die Überzeugung der Kammer von der Verfassungswidrigkeit des § 393 Abs. 2 S. 2 AO aufgrund der bisherigen Ausführungen steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 55, 144. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt verweigerten die Beschwerdeführer (Geschäftsführer von Firmen, die gewerbliche Binnenschifffahrt betreiben) bei einer von der Überwachungsbehörde durchgeführten Frachtenprüfung die Vorlage der Geschäftsunterlagen des grenzüberschreitenden Verkehrs. Gegen sie wurde deshalb eine Geldbuße festgesetzt. Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, die Verhängung eines Bußgeldes wegen der Weigerung, die verlangten Geschäftspapiere vorzulegen, beinhalte einen Verstoß gegen das Verbot der Pflicht zur Selbstüberführung und damit gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Denn die Vorlagepflicht diene dazu, die Aufdeckung von Ordnungswidrigkeiten zu erleichtern. Das in § 31a Abs. 2 Nr. 2 Binnenschifffahrtsgesetz geregelte Auskunftsverweigerungsrecht berechtige auch dazu, die Vorlage von Unterlagen zu verweigern. Das BVerfG hielt dagegen die sich aus dem Binnenschifffahrtsgesetz ergebende Verpflichtung, Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu ermöglichen, mit der Verfassung für vereinbar, auch wenn sich aus diesen Unterlagen eine Ordnungswidrigkeit eines Beteiligten ergebe. Aus dem von dem durch die Achtung der menschlichen Würde geprägten rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen, welchem durch das in § 31a Abs. 2 Nr. 2 Binnenschifffahrtsgesetz normierte Auskunftsverweigerungsrecht grundsätzlich Rechnung getragen werde, folge nicht, dass auch andere Erkenntnismöglichkeiten, die den Bereich der Aussagefreiheit nicht berührten, von den Betroffenen unter Hinweis auf diese Freiheit eingeschränkt und behindert werden dürften. Ein über das Auskunftsverweigerungsrecht hinausgehendes Recht, zur Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit die Einsichtnahme in die Bücher und Geschäftsbücher zu versagen, lasse sich weder dem Grundgesetz noch § 31a Abs. 2 Nr. 2 Binnenschifffahrtsgesetz entnehmen.

Anders als im vorliegenden Fall befasste sich das BVerfG, dem Verfassungsbeschwerden allein zu der Frage vorlagen, ob die Beteiligten verpflichtet waren, auch die Bücher und Geschäftspapiere des grenzüberschreitenden Verkehrs der Überwachungsbehörde vorzulegen, nur mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der strafbewehrten Auskunftspflicht im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes, nicht jedoch wie hier mit der Frage eines Verwendungsverbots. Zudem ging es in dem entschiedenen Fall um die Beurteilung eines im Vorfeld möglicher Straftaten im grenzüberschreitenden Verkehr angesiedelten Gefährdungstatbestandes, um so die Strafverfolgung zu optimieren. Folge der unterbliebenen Vorlage der geforderten Unterlagen ist die Bestrafung, so dass diese letztlich auf die Gefährdungsebene vorverlagert wird. Im vorliegenden Fall und bei § 393 Abs. 2 S. 2 AO geht es aber nicht um Verfolgung desselben Unrechts einmal auf der Verletzungs- und einmal auf der Gefährdungsebene, sondern um davon unabhängige Fragen auf anderen Rechtsgebieten. Die Frage der Verwertbarkeit von aufgrund von Zwang preisgegebener Informationen zu solchermaßen thematisch fremden Komplexen ist anders zu bewerten als bei der Flankierung von Verletzungs- durch Gefährdungstatbestände mit dem Ziel der Optimierung der Verfolgung identischer Gesetzesverstöße. Vorliegend geht es nicht um die Verfolgung von Steuerstraftaten aus einem Steuerverfahren heraus, sondern um die Verfolgung von davon unabhängiger Allgemeinstraftaten. Ferner ist hier zu berücksichtigen, dass ausschlaggebend für die Einleitung eines Ermittlungsverfahren die im Besteuerungsverfahren auf Nachfrage der Betriebsprüferin abgegebenen mündlichen Erklärungen waren, durch welche sich der Angeschuldigte die schriftliche Anmerkung (BMO Bd. 1 Bl. 75) zu eigen machte. Insoweit bestünde auch nach dem Binnenschifffahrtsgesetz ein Aussageverweigerungsrecht.

ff) Die Entscheidung des BGH in seiner Eigenschaft als Dienstgerichtshof des Bundes (BGH NJW 2002, 834, zum Sachverhalt siehe Ziff. I. 2. b) cc); abweichend davon jetzt BGH NJW 2005, 763) ist nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschrift zu erschüttern. In jenem Fall wies der BGH verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 393 Abs. 2 S. 2 AO zurück. Die Durchbrechung des Verwertungsverbots des § 393 Abs. 2 S. 1 AO in den Fällen, in denen beim Unterbleiben der Verwertung der Tatsachen und Beweismittel die Gefahr bestehe, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten, sei verhältnismäßig. Diese (knappen) Ausführungen – getroffen überdies in einem Fall, indem der BGH lediglich Erkenntnisse aus dem Steuer straf verfahren in den Blick nahm – überzeugen jedoch nicht, denn es wird verkannt, dass der nemo-tenetur-Grundsatz immer dann verletzt wird, wenn das von dem Betroffenen unter Zwang preisgegebene Beweismaterial gegen ihn verwendet wird. Die Instrumentalisierung des Betroffenen zu seiner eigenen Überführung würdigt ihn auch im Falle der Verfolgung gravierender Straftaten zum Objekt staatlichen Handelns herab (vgl. auch Rogall , in: FS Kohlmann, S. 465, 497).

gg) Auch in der Literatur wird § 393 Abs. 2 S. 2 AO überwiegend als verfassungswidrig angesehen, weil die Norm gegen den verfassungsrechtlich geschützten nemo-tenetur-Grundsatz verstoße (vgl. Rogall , in: FS Kohlmann, S. 465, 495 ff.; Joecks , Der nemo-tenetur-Grundsatz und das Steuerrecht, in: Festschrift für Günter Kohlmann, S. 451, 455; Franzen/Gast/Joecks- Joecks , Steuerstrafrecht, § 393 Rn. 72 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , Kommentar zur AO und FGO, Lfg. 163, November 1999, § 393 Rn. 181; Reiß , Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 193, 233; ders. , NJW 1977, 1436, 1437; vgl. auch Koch/Scholz- Scheurmann-Kettner , Kommentar zur AO, 5. Aufl., 1996, § 393 Rn. 10, der Zwangsmittel in diesem Zusammenhang für unzulässig hält)

Die Kammer teilt diese Auffassung.

Das strafrechtliche Aussageverweigerungsrecht wird durch die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 2 AO in den Fällen illusorisch, in denen der Steuerpflichtige, der seinen zwangsmittelbewehrten steuerlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nachkommt, Tatsachen offenbart, die im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung stehen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und infolge der so gewonnenen Erkenntnisse aus dem Steuerverfahren dann ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet und geführt wird, also eine unter Zwang herbeigeführte selbstbelastende Aussage gegen den Willen des Pflichtigen zweckentfremdet und einer strafrechtlichen Verwertung zugeführt wird.

II.

Des weiteren verstößt § 393 Abs. 2 S. 2 AO gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, wonach Ungleichbehandlungen ohne sachlichen Grund verfassungswidrig sind.

1. Eine Ungleichbehandlung findet sich hinsichtlich der Behandlung von Selbstbelastungen im Besteuerungsverfahren nach § 393 Abs. 2 S. 2 AO einerseits und solchen im Insolvenzverfahren nach § 97 Abs. 1 S. 3 InsO andererseits. Während im Besteuerungsverfahren auf Allgemeinstraftaten i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO hindeutende, selbstbelastende Tatsachen oder Beweismittel nach dem Willen des Gesetzgebers uneingeschränkt verwendet werden dürfen, findet sich eine solche Einschränkung hinsichtlich der Unverwertbarkeit von Selbstbelastungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.

Ebenso wie § 97 Abs. 1 S. 3 InsO im Insolvenzrecht dient § 393 Abs. 2 S. 1 AO im Steuerrecht der Lösung eines Interessenkonflikts: Im Insolvenzrecht besteht der Interessenkonflikt darin, dass den Gemeinschuldner die mit Zwangsmitteln (Vorführung, Beugehaft, § 98 InsO) sanktionierte Verpflichtung trifft, um der Belange der Gläubiger willen bestimmte Auskünfte zu erteilen (§ 97 InsO), er aber dann – soweit das Auskunftsrecht auch die Offenbarung von Straftaten einschließt – in seiner Selbstbelastungsfreiheit bedroht ist, während andererseits die Zubilligung eines Auskunftsverweigerungsrechts die schutzwürdigen Interessen der Gläubiger beeinträchtigen würde. Im Steuerrecht liegt ein Interessenkonflikt insofern vor, als im Interesse der Steuergerechtigkeit und Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkommens für den Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben (vgl. hierzu BGH wistra 1988, 302) dem Steuerpflichtigen Auskunftspflichten obliegen (§§ 90 ff. AO), deren Erfüllung mit Zwangsmitteln wie z.B. Zwangsgeld, Ersatzzwangshaft (§§ 328 ff. AO) durchgesetzt werden kann, der Steuerpflichtige aber unter Umständen gezwungen ist, sich – soweit er dabei auch eine Straftatbegehung offenbaren muss – selbst zu belasten. Auch hier würde ein Auskunftsverweigerungsrecht die schutzwürdigen Interessen staatlicher Aufgabenerfüllung und gleichmäßiger Erfassung aller Steuerpflichtigen beeinträchtigen. Damit sind beide Sachlagen von der Interessenkonstellation her identisch.

Eine Ungleichbehandlung liegt insofern vor, als im Insolvenzrecht dieser Interessenkonflikt dadurch gelöst wird, dass der Schuldner zwar unbeschränkt Auskünfte zu geben hat, diese Auskünfte aber im Strafverfahren schlechthin nicht gegen ihn verwendet werden dürfen, § 97 Abs. 1 S. 3 InsO, und es keine Einschränkung dieses Verwendungsverbots für die Verfolgung gewichtiger Straftaten gibt. Demgegenüber erfolgt im Steuerrecht eine Konfliktlösung ebenfalls durch ein Verwendungsverbot im Strafverfahren (§ 393 Abs. 2 S. 1 AO); allerdings ist eine Verwertung der im Rahmen der Mitwirkungs- und Auskunftspflicht erteilten Informationen gem. § 393 Abs. 2 S. 2 AO in den Fällen möglich, in denen es um die Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben, schweren Wirtschaftsstraftaten oder um die Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern, geht (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Zu den Zwangsmitteln der §§ 328 ff. AO (insbesondere § 334 AO), die in ihrem Gewicht denen des § 98 Abs. 2 InsO nicht nachstehen, kommt im Besteuerungsverfahren noch die Strafbewehrung der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung und Angabe richtiger und vollständiger steuerlich erheblicher Tatsachen durch § 370 Abs. 1 AO hinzu. § 370 Abs. 1 AO hat hierbei keineswegs aufgrund der Mittelbarkeit seiner Wirkung eine nur unbeachtliche Zwangswirkung. Denn schließlich bezweckt die Strafbewehrung gerade die wahrheitsgemäße und vollständige Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten.

2. Eine weitere Ungleichbehandlung liegt darin, dass im Besteuerungsverfahren gegebene selbstbelastende Hinweise auf Steuerstraftaten unabhängig von der Schadenshöhe nicht verwendet werden dürfen, während dies hinsichtlich allgemeiner Wirtschaftsstraftaten mit erheblichen Schadensvolumina wegen der Regelung des § 393 Abs. 2 S. 2 AO anders liegt.

In einem bis zum BGH gelangten Fall hatte es die Angeklagte für die Jahre 1995 und 1996 pflichtwidrig unterlassen, Einkommenssteuererklärungen abzugeben. Dies hatte zu Steuerverkürzungen in Höhe von nahezu drei Millionen DM geführt. Deswegen wurde später ein Steuerstrafverfahren gegen sie geführt wurde es kam zu einer Verurteilung. Zuvor im Jahr 1995 (mithin vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Einkommenssteuererklärungen für 1995 und 1996) war gegen sie ein weiteres Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 1993 und 1994 und Einkommenssteuer 1993 eingeleitet worden. Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass zwar wegen dieses bereits im Hinblick auf 1993 und 1994 eingeleiteten Verfahrens die Pflicht zur Abgabe der Einkommenssteuererklärungen für 1995 und 1996 nicht wegen des nemo-tenetur-Grundsatzes suspendiert sei, jedoch ein strafrechtliches Verwendungsverbot bestehe (BGH NJW 2005, 763). Auch wenn ein Steuerstrafverfahren anhängig gewesen sei, habe es das Zwangsmittelverbot nicht gerechtfertigt, die Abgabe von Steuererklärungen zu unterlassen, denn das Zwangsmittelverbot finde inhaltlich dort seine Grenze, wo es nicht mehr um ein bereits begangenes steuerliches Fehlverhalten des Betroffenen gehe, für das das Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet sei. Eine Ausnahme sei nur anzuerkennen, wenn für die gleiche Steuerart und den gleichen Besteuerungszeitraum, für den schon ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, weitere Erklärungspflichten bestünden. Der BGH erkannte jedoch eine Konfliktsituation insofern, als der Steuerpflichtige durch Pflicht zur Auskunft für die nachfolgenden Besteuerungszeiträume Gefahr laufe, sich selbst mittelbar zu belasten. Denn es bestünde die Möglichkeit, dass seine Angaben Rückschlüsse auf die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen für die strafbefangenen Besteuerungszeiträume zulassen. Wegen des engen Zusammenhangs bei den Besteuerungsgrundlagen wäre er also gezwungen, durch seine Angaben mittelbar zum Nachweis der Steuerhinterziehung für die zurückliegenden Steuerjahre beizutragen. Wegen des Verbots des Selbstbelastungszwangs dürften derartige Erklärungen, die der Steuerpflichtige in Erfüllung seiner weiterbestehenden steuerrechtlichen Pflichten für nicht strafbefangene Besteuerungszeiträume und Steuerarten mache, im (Steuer)Strafverfahren nicht verwendet werden. Nach dieser Rechtsprechung des BGH können also selbstbelastende Hinweise auf Steuerstraftaten im Besteuerungsverfahren unabhängig von der Schadenshöhe (immerhin ging es um einen Steuerschaden von fast drei Millionen DM) nicht verwendet werden. Diese Judikatur des BGH ist möglich, weil § 393 Abs. 2 S. 2 AO nur auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO verweist und dort lediglich Allgemeinstraftaten, nicht jedoch Steuerstraftaten genannt sind. Soweit in § 393 Abs. 2 S. 1 AO eine allgemeine Verwertbarkeit von Selbstbelastungen für Steuerstraftaten vorgesehen ist, rechtfertigt sich die Rechtsprechung des BGH aus einer verfassungskonformen Auslegung. Diese ist deswegen möglich, weil eine derartige Auslegung nicht eindeutig dem Wortlaut widerspricht und weil der Gesetzgeber Fälle wie den vom BGH a.a.O. entschiedenen, in denen eine mittelbare Selbstbelastung durch die steuerrechtlichen Auskunftspflichten erfolgt, ersichtlich nicht vor Augen hatte, sondern meinte, die Verwertbarkeit für Steuerstraftaten nicht regeln zu müssen, da insofern wegen der Regelung des § 393 Abs. 1 S. 2 AO bereits Auskünfte nicht erzwingbar seien. Diese Norm gilt jedoch im wesentlichen nur für die Fälle, in denen wegen der Steuerstraftat, zu der Angaben wegen der §§ 90 ff. AO gemacht werden sollen, ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist, nicht aber soweit das eingeleitete Steuerstrafverfahren wegen zurückliegender Besteuerungszeiträume oder anderer Steuerarten eingeleitet wurde.

Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung zwischen Steuerstraftaten und Allgemeinstraftaten ist nicht ersichtlich.

III.

Die Verwendung der im Besteuerungsverfahren für Zwecke der Steuererhebung offenbarten Tatsachen für Zwecke der Strafverfolgung stellt eine Zweckänderung dar. Zweckänderungen erhobener Daten bedürfen jedoch für ihre Verfassungsmäßigkeit einer formell und materiell verfassungsmäßigen Grundlage (BVerfGE 109, 279, Rn. 345, zitiert nach Juris). Dem genügt § 393 Abs. 2 S. 2 AO nicht. Zum einen ist der Zweck der Strafverfolgung mit dem ursprünglichen Zweck der Datenerhebung im Besteuerungsverfahren unvereinbar (dazu unter 1.), zum anderen ist § 393 Abs. 2 S. 2 AO nicht hinreichend normenklar (dazu unter 2.).

1. Eine Datenverwendung zur Strafverfolgung ist mit dem Zweck, zu dem die Daten ursprünglich erhoben wurden, nämlich der Steuererhebung, unvereinbar.

Eine Unvereinbarkeit liegt immer dann vor, „wenn mit der Zweckänderung grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden umgangen würden, die Informationen also für den geänderten Zweck nicht oder nicht in dieser Art und Weise hätten erhoben werden dürfen“ (BVerfGE 109, 279, Rn. 349, zitiert nach Juris).

Im Hinblick auf die gleichmäßige Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, die Steuergerechtigkeit und im Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung (BGH wistra 1988, 302) ist es sachlich gerechtfertigt und damit zulässig, vom Steuerpflichtigen Auskünfte zu verlangen und notfalls mit den in § 328 AO genannten Zwangsmitteln zu erwirken, auch wenn er sich dadurch wegen einer allgemeinen Straftat belastet (vgl. hierzu BVerfG NJW 2005, 352). § 393 Abs. 2 S. 1 AO enthält jedoch zugleich eine Entscheidung des Gesetzgebers über den zulässigen Umfang einer Verwendung von Informationen außerhalb des ursprünglichen Zwecks der Informationserhebung – nämlich dahingehend, dass derart erlangte Informationen nur zu (steuerlichen) Zwecken der Steuergerechtigkeit und der staatlichen Aufgabenerfüllung verwendet werden dürfen. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es bereits, es entspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, „dass die im Besteuerungsverfahren erlangten Kenntnisse und Beweismittel nicht von anderen Behörden zu nichtsteuerlichen Zwecken verwendet werden dürfen“ (BT-Drs. 5/ 1812, S. 32). Wird die Verwendung der so erlangten Kenntnisse auch anderen Behörden beispielsweise zur Strafverfolgung ermöglicht, so liegt eine Zweckänderung vor. Die in § 393 Abs. 2 S. 1 AO zum Ausdruck kommende Zweckbindung kann zwar prinzipiell auf der Basis einer gesetzlichen Grundlage in zulässiger Weise durchbrochen werden. Das BVerfG hat jedoch ausgeführt, dass „ein überwiegendes Allgemeininteresse regelmäßig überhaupt nur an Daten mit Sozialbezug unter Ausschluss unzumutbarer intimer Angaben und von Selbstbezichtigungen bestehen“ wird (BVerfGE 65, 1, Rn. 154, zitiert nach Juris). Daraus ergibt sich, dass eine Durchbrechung der Zweckbindung vorliegend nicht möglich ist, weil es hier um Selbstbezichtigung geht. Dabei kann es keinen Unterschied machen, dass diese Äußerung im Zusammenhang mit dem Vorgang der Datenerhebung getroffen wurde.

Mit dieser Zweckänderung werden auch grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden umgangen. Denn diejenigen Informationen, die im Steuerverfahren vom Steuerpflichtigen zulässigerweise (zwangsmittelbewehrt) verlangt werden können, auch wenn er sich damit einer allgemeinen Straftat belastet, lassen sich im Ermittlungsverfahren nicht mit den gleichen Mitteln erwirken. Denn dort ist die Anwendung von Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft nicht vorgesehen (vgl. auch § 136a Abs. 1 S. 2 StPO). Wie unter Ziff. I. 2. b) bb) ausgeführt, stellen bereits die Erzwingbarkeit und die Strafbewehrung unvollständiger Auskünfte nach § 370 AO einen Zwang zur Selbstbelastung dar.

2. Zudem verstößt § 393 Abs. 2 S. 2 AO gegen das Gebot der Normenklarheit. Nach diesem Gebot müssen die Tatbestandsmerkmale des einfachen Gesetzes hinreichend klar sein. Dies ist beim Begriff des „zwingenden öffentlichen Interesses“ nicht beachtet (vgl. hierzu Franzen/Gast/Joecks- Joecks , § 393 Rn. 71, 78 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 183 ff.). Zwar erfährt dieser unbestimmte Rechtsbegriff eine Konkretisierung durch den Verweis auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, wo drei Fallgruppen beispielhaft, allerdings nicht abschließend, aufgezählt werden. Jedoch tragen auch diese „Konkretisierungen“ nicht wesentlich zur Klarheit bei. Denn bei den beispielsweise in § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO verwendeten Begrifflichkeiten wie „erhebliche Störung der wirtschaftlichen Ordnung“, „erhebliche Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit“, „Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs“ oder „ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen“ handelt es sich um weitere unbestimmte Rechtsbegriffe. Auch der Begriff der „Wirtschaftsstraftaten“ ist unpräzise (vgl. hierzu Tipke/Kruse- Drüen , § 30 Rn. 124). Zwar liefert § 74c GVG, der die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer regelt, einige Anhaltspunkte (vgl. Hellmann a.a.O.; Joecks a.a.O.), jedoch sollten nach der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Meinung des Finanzausschusses nicht alle dort genannten Straftaten zu einer Offenbarung berechtigen (vgl. BT-Drs. 7/4292, S. 7), so dass nicht hinreichend klar ist, welche Taten § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO unterfallen.

Damit besteht keine genügend klare Grundlage für Grundrechtsbeschränkungen, wie sie durch § 393 Abs. 2 S. 2 AO unter Verweis auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO vorgenommen werden.

IV.

Eine verfassungskonforme Auslegung von § 393 Abs. 2 S. 2 AO scheidet aus (ebenso Hübschmann/Hepp/Spitaler- Hellmann , § 393 Rn. 182; Reiß , NJW 1977, 1436, 1437).

Das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 1 AO kann auf diese Konstellation nicht angewendet werden, weil dies den ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen widerspräche.

Auch die Suspendierung der Erklärungspflicht (wie sie Stürner , NJW 1981, 1757, 1761 vorschlägt) erscheint nicht interessengerecht. Denn zum einen steht dem bereits § 40 AO entgegen, wonach es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Auch sind derartige Auskunftsverweigerungsrechte in § 103 AO explizit lediglich Personen, die nicht Beteiligte des Besteuerungsverfahren sind, zugewiesen; im übrigen räumt die Abgabenordnung den fiskalischen Interessen auch sonst einen Vorrang vor dem Strafverfolgungsinteresse ein ( Hellmann a.a.O.). Ein Schweigerecht im Falle der Gefahr der strafrechtlichen Selbstbelastung kann dem Steuerpflichtigen auch deswegen nicht zugestanden werden, weil der Fiskus auf die Steuerforderung nicht ganz oder zum Teil verzichten kann, nur weil der Steuerpflichtige angibt, sich bei Erfüllung der Mitwirkungspflicht strafrechtlich selbst zu belasten. Der unehrliche Steuerpflichtige würde so ungerechtfertigterweise bevorteilt und es würde gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit verstoßen werden.

Eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass allein die Strafbewehrung der Verletzung steuerlicher Mitwirkungspflichten suspendiert wird, soweit bei deren Erfüllung die Gefahr einer Offenbarung einer Wirtschaftsstraftat i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO bestünde, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dies würde gleichfalls auf eine ungerechtfertigte Besserstellung desjenigen hinauslaufen, der besonders gewichtige Wirtschaftsstraftaten begeht. Mit der Begründung einer zu vermeidenden ungerechtfertigten Besserstellung des Steuerstraftäters aus vorangegangenen Besteuerungszeiträumen hat schon der BGH mehrfach (u.a. in NJW 2005, 763) eine Ausnahme von der strafbewehrten Pflicht, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben im Besteuerungsverfahren zu machen, verneint.

Aber auch eine Lösung dahingehend, dass die Anforderungen für die Annahme einer Wirtschaftsstraftat i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO bzw. die Annahme eines „zwingenden öffentlichen Interesses“ i.S.d. § 393 Abs. 2 S. 2 AO besonders hoch angesetzt werden, führt nicht zu einer verfassungskonformen Auslegung. Nach den obigen Ausführen ist wegen der Berührung der Menschenwürde und der Betroffenheit des Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts für Verhältnismäßigkeitserwägungen kein Raum.

Gleiches gilt für die von Scheurmann-Kettner (in: Koch/Scholz, Kommentar zur AO, § 393 Rn. 10; zustimmend Kretzschmar , StBp 1983, 241, 242) vorgeschlagene Lösung, der der Ansatz zugrunde liegt, dass die Anwendung von Zwangsmitteln im pflichtgemäßen Ermessen steht. Da bei der Zwangsmittelanwendung die Gefahr bestehe, dass der strafverfahrensrechtliche Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit unterlaufen werde, soll es in entsprechenden Fällen ermessensmissbräuchlich sein, Zwangsmittel anzuwenden. Gegen diesen Lösungsansatz spricht jedoch, dass vorab nicht immer klar erkennbar sein wird, ob die Auskünfte, zu denen der Steuerpflichtige verpflichtet ist, relevante Erkenntnisse zu Straftatbegehungen enthalten. Es kann deshalb stets der Fall eintreten, dass der schweigende Steuerpflichtige, der durch die Anwendung von Zwangsmitteln doch zur Auskunft gezwungen wird, sich dabei auch selbst im Hinblick auf Nichtsteuerdelikte i.S.v. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO belastet. Im übrigen handelt es sich bei dem die Würde des Menschen berührendem nemo-tenetur-Grundsatz um ein absolut geschütztes Recht, bei dem für Verhältnismäßigkeitserwägungen wie sie auch im Rahmen einer Ermessensprüfung vorzunehmen sind, kein Raum ist.

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