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Straßenabschnitt für Motorräder gesperrt – Rechtswidrigkeit


Straßenabschnitt gesperrt

Zusammenfassung:

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Straßenabschnitt für Motorräder und Krafträder aller Art gesperrt werden? Kann allein eine gewisse Anzahl an Verkehrsunfällen in der Vergangenheit als Rechtfertigung für eine Sperrung eines Straßenabschnitts für Motorräder herangezogen werden? Welche Maßnahmen müssen gegebenenfalls vor der Sperrung des Straßenabschnitts getroffen werden, um ein Sperrung für Motorräder als intensiven Eingriff in die Rechte der Motorradfahrer zu vermeiden? Mit diesen Fragen setzte sich das Verwaltungsgericht Osnabrück auseinander.


Verwaltungsgericht Osnabrück

Az: 6 B 20/15

Beschluss vom 22.04.2015


Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin angeordnete uneingeschränkte Sperrung eines Teilstücks der L 87 für Motorräder und andere Krafträder. Das von der Sperrung betroffene, 2 km lange Teilstück der L 87 mit der Straßenbezeichnung „D. Straße“ verläuft kurvenreich durch ein Waldgebiet zwischen den Ortsteilen E. und F. der Antragsgegnerin; es beginnt am Ortseingang E. bei km 0,2 und endet weiter östlich bei km 2,2 im Bereich der Einmündung der G. Straße in die H. Straße. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf diesem Teilstück ist auf 50 bzw. 70 km/h festgesetzt.

Die allgemeine Verkehrssituation auf dem o.g. Abschnitt der L 87 war im Jahr 2014 Gegenstand mehrerer Sitzungen der – mehrheitlich aus Vertretern der Antragsgegnerin, daneben aus jeweils einem Vertreter der Polizeiinspektion I. und der Straßenmeisterei J. bestehenden – Unfallkommission der Antragsgegnerin. In dem Protokoll über die Sitzungen am 13.05. und 16.06.2014 wurde u.a. ausgeführt, dass sich auf der fraglichen Strecke im Laufe des Jahres bislang 6 Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden, davon 5 mit Kradbeteiligung, ereignet hätten; insgesamt seien 17 Verkehrsunfälle, davon 8 mit Kradbeteiligung, zu verzeichnen gewesen. Vor diesem Hintergrund würden als Sofortmaßnahmen repressive Kontrollen durch die Polizei sowie das Aufstellen von Plakaten mit dem Hinweis an die Motorradfahrer „Lärm macht krank“ vorgeschlagen. Als längerfristige Maßnahme sei die Ausstattung des gesamten Straßenabschnitts mit passiven Fahrzeug-Rückhaltesystemen (Schutzplanken mit durchgehendem Unterfahrschutz) zu prüfen. – In der nachfolgenden Sitzung der Unfallkommission am 09.12.2014 wurde die Verkehrssituation ausweislich des insoweit gefertigten Protokolls wie folgt bewertet: Es seien zwar zwischenzeitlich Verkehrskontrollen durch die Polizei durchgeführt und entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die betroffenen Fahrzeugführer eingeleitet worden; ein wirksamer Erfolg dieser Maßnahmen habe jedoch bis heute nicht festgestellt werden können. Das Aufstellen von großflächigen Plakaten („Lärm macht krank“) habe nicht durchgeführt werden können; das Anbringen passiver Fahrzeug-Rückhaltesysteme sei aufgrund der an die Straße angrenzenden Entwässerungsgräben ebenfalls nicht möglich. Andererseits sei die Zahl der Verkehrsunfälle mit Kradbeteiligung von 0 im Jahr 2011 über jeweils 4 in den Jahren 2012 und 2013 auf nunmehr 10 im Jahr 2014 angestiegen, wobei 10 Personen schwer und 9 Personen leicht verletzt worden seien. Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass von einem bei km 1,7 gelegenen Parkplatz aus regelrechte Motorradrennen mit anschließendem Grillen auf dem Parkplatz veranstaltet würden. Aus diesen Gründen „beschließe“ die Unfallkommission mit sofortiger Wirkung ein absolutes Durchfahrtsverbot für motorisierte Zweiräder auf dem fraglichen 2 km langen Straßenabschnitt.

Diesen „Beschluss“ setzte die Antragsgegnerin am 10.12.2014 in eine auf § 45 Abs. 1 StVO gestützte verkehrsbehördliche Anordnung um, mit der auf dem Abschnitt der      L 87 zwischen km 0,2 und km 2,2 ein Befahren mit Krafträdern, Kleinkrafträdern und Mofas verboten wurde. Die entsprechenden Verkehrsschilder wurden anschließend an der L 87 sowie aufgrund einer ergänzenden Anordnung der Antragsgegnerin vom 11.03.2015 an weiteren Straßen im Gemeindegebiet aufgestellt.

Gegen diese verkehrsbehördliche Anordnung hat der Antragsteller am 16.03.2015 Klage erhoben (6 A 119/15) und gleichzeitig die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er macht geltend, dass er am 02.03.2015 gegen Mittag mit seinem Motorrad die L 87 von K. nach L. habe befahren wollen, sich durch die dort nunmehr aufgestellten Verkehrsschilder jedoch an einer Weiterfahrt gehindert gesehen habe; damit sei er zum Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts geworden. Dieser sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die angeordnete Streckensperrung, die einen massiven Eingriff in die Rechte der betroffenen Verkehrsteilnehmer darstelle, nicht gegeben seien. Dass der fragliche Straßenabschnitt einen Unfallschwerpunkt darstelle, müsse bestritten werden. Die bloße Auflistung einer bestimmten Anzahl von Verkehrsunfällen sage darüber noch nichts aus, zumal an der Mehrzahl dieser Unfälle Pkw beteiligt gewesen seien. Ebenso wenig gebiete der Straßenzustand oder der Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen ein entsprechendes verkehrsbehördliches Einschreiten. Darüber hinaus gebe es mildere Maßnahmen, mit denen das angebliche Problem der hohen Unfallzahlen von Motorrädern auf dem betreffenden Streckenabschnitt gelöst werden könne. So sei zum einen an Geschwindigkeitsbeschränkungen und entsprechende Überwachungen, zum anderen an das Aufbringen von sog. Rüttelstreifen auf die Fahrbahn zu denken, wie es beispielsweise im Gebiet der Gemeinde M. erfolgreich praktiziert worden sei. Allein der Umstand, dass Motorräder bzw. deren Fahrer nicht in allen Erholungs- und Ausflugsgebieten gern gesehene Gäste seien, rechtfertige die streitige Maßnahme jedenfalls nicht.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie bekräftigt unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse ihrer Unfallkommission anlässlich der im Jahr 2014 durchgeführten Besprechungen im Einzelnen ihren Standpunkt, dass aufgrund der in den letzten Jahren stark angestiegenen Zahl von Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Kraftradfahrern sowie des Umstandes, dass auf dem fraglichen Streckenabschnitt regelmäßig Motorradrennen mit riskanten Überholmanövern und unter Missachtung der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung durchgeführt würden, eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer bestehe, der nur durch die angeordnete Streckensperrung für Motorradfahrer habe begegnet werden können. Diese Maßnahme sei auch verhältnismäßig, weil weniger belastende Mittel nicht zur Verfügung stünden und außerdem auf begründeten Antrag Ausnahmegenehmigungen erteilt werden könnten. Geschwindigkeitsüberprüfungen durch die Polizei seien in der Vergangenheit bereits durchgeführt worden, hätten jedoch nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Auch das Aufbringen von sog. „Rüttelplatten“ führe aus ihrer Sicht nicht zu einer Herabsetzung der Unfallgefahr und stelle im Übrigen eine erhebliche Beeinträchtigung für andere Verkehrsteilnehmer dar.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig; insbesondere fehlt dem Antragsteller nicht die erforderliche Antragsbefugnis. Bei einem – wie hier – ein Verbot aussprechenden Verkehrszeichen, mit dem eine zuvor erlassene verkehrsbehördliche Anordnung der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO umgesetzt wird, handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um einen belastenden (Dauer-)Verwaltungsakt im Sinne einer Allgemeinverfügung, der in entsprechender Anwendung des § 80 Abs.2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar ist (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 41 StVO, Rn. 247 m.w.N.). Einen derartigen Verwaltungsakt kann gemäß § 42 Abs. 2 VwGO jeder anfechten, der geltend machen kann, hierdurch in seinen Rechten, etwa in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), verletzt zu sein. Für die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.08.2003 – 3 C 15/03 -, juris = NJW 2004, 698 m.w.N.) bereits aus, wenn ein Verkehrsteilnehmer anlässlich seiner Teilnahme am Straßenverkehr zumindest einmal mit dem fraglichen Verkehrszeichen konfrontiert worden ist, weil er schon hierdurch zum Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts werde und sich ein anschließend von ihm eingelegter Rechtsbehelf daher nicht als unzulässige Popularklage darstelle. Nach Maßgabe dessen ist auch der in I. wohnhafte Antragsteller als antragsbefugt anzusehen, weil er, ohne dass ihm dies zu widerlegen ist, geltend gemacht hat, dass er den gesperrten Straßenabschnitt am 02.03.2015 mit seinem Motorrad habe befahren wollen, sich durch die dort aufgestellten Verbotszeichen jedoch an einer Weiterfahrt gehindert gesehen habe.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Verwaltungsakt, die – wie dargelegt – kraft Gesetzes entfällt, ganz oder teilweise anordnen. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts andererseits, bei der insbesondere auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Diese Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus, weil bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür spricht, dass die von der Antragsgegnerin für den hier interessierenden Teilabschnitt der L87 angeordnete Streckensperrung für Krafträder aller Art rechtswidrig ist.

Allerdings dürfte die Antragsgegnerin entgegen der ursprünglichen Annahme der Kammer für die streitige Anordnung sachlich zuständig gewesen sein. Zuständig für den Erlass verkehrsbehördlicher Anordnungen sind gemäß §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1 StVO die – nach dem jeweiligen Landesrecht für zuständig erklärten – Straßenverkehrsbehörden. Dies sind im Land Niedersachsen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Verkehr (ZuStVO-Verkehr) in der Fassung vom 25.08.2014 zwar regelmäßig nur die Landkreise und kreisfreien Städte, nicht dagegen – vorbehaltlich einer etwaigen Übertragung der Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 ZuStVO-Verkehr – sonstige (kreisangehörige) Gemeinden. Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine selbständige Gemeinde i.S.d. § 14 Abs. 3 Satz 1 NKomVG handelt, die gemäß § 17 Satz 1 NKomVG in ihrem Gebiet neben ihren Aufgaben als kreisangehörige Gemeinde auch alle Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Landkreise – mithin grundsätzlich auch im Bereich des Straßenverkehrsrechts – erfüllt, soweit Rechtsvorschriften dies nicht ausdrücklich ausschließen. Letzteres dürfte hier nicht der Fall sein, weil § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZuStVO-Verkehr lediglich bestimmte Zuständigkeiten positiv normiert, ohne zugleich andere Zuständigkeiten ausdrücklich auszuschließen. Eine entsprechende Ausschlussregelung u.a. für die selbständigen Gemeinden enthält vielmehr allein § 20 ZuStVO-Verkehr; dieser erfasst verkehrsbehördliche Anordnungen auf der Grundlage des § 45 StVO – mit Ausnahme der Anordnung flächendeckender Fahrverbote nach     § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO – jedoch nicht. Um ein „flächendeckendes Fahrverbot“ i.S.d. letztgenannten Vorschrift dürfte es sich im vorliegenden Fall ebenfalls nicht handeln; darunter dürften vielmehr nur solche – für alle Fahrzeugarten geltende – Fahrverbote fallen, die in Katastrophenfällen oder bei extremen Witterungsverhältnissen zur Aufrechterhaltung des notwendigen Versorgungsverkehrs auf der Straße und zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor witterungsbedingten Gefahren (vgl. RdErl. d. MW v. 14.11.1979 [Nds. MBl. 1979, 1950] i.d.F. d. RdErl. v. 11.12.1981 [Nds. MBl. 1982, 24]) oder etwa bei polizeilichen Fahndungsmaßnahmen, für Zwecke des Objekt- oder Personenschutzes o.ä. (vgl. Hentschel/König/Dauer, aaO, § 45 StVO, Rn. 31) angeordnet werden.

In der Sache selbst wird sich die angefochtene Anordnung jedoch mutmaßlich als rechtswidrig erweisen. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dahingehend modifiziert, dass Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Ab Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinne können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 – 3 C 42/09 -, juris = NJW 2011, 1527 für die Pflicht zur Radwegbenutzung; Urt. v. 23.09.2010 – 3 C 37/09 -, NJW 2011, 246 für LKW-Überholverbote auf Autobahnen; Urt. v. 05.04.2001 – 3 C 23/00 -, juris = NJW 2001, 3139 für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen). Die in der Vorschrift darüber hinaus geforderte konkrete Gefahrenlage ist dann anzunehmen, wenn ohne ein verkehrsbehördliches Tätigwerden eine das allgemeine Verkehrsrisiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass alsbald vermehrt Schadensfälle, insbesondere Unfälle mit Personen- und Sachschäden, eintreten (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, aaO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aller Voraussicht nach nicht erfüllt.

Die Antragsgegnerin hat die streitige Anordnung, wie die uneingeschränkte Übernahme der im „Beschluss“ ihrer Unfallkommission vom 09.12.2014 enthaltenen Einschätzung zeigt, insbesondere mit der in den letzten Jahren stark angestiegenen Zahl von Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Kradfahrern und der Schwere der damit verbundenen Unfallfolgen begründet. Dies allein wird die Annahme, auf dem fraglichen Straßenabschnitt bestehe ein durch besondere örtliche Verhältnisse bedingtes, deutlich erhöhtes Schadensrisiko, nicht rechtfertigen, zumal an die Darlegung bzw. den Nachweis eines solchen erhöhten Risikos im vorliegenden Fall relativ hohe Anforderungen zu stellen sind, da es hier – anders als in den den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fällen – nicht lediglich um Beschränkungen des fließenden Verkehrs, sondern um den dauerhaften und uneingeschränkten Ausschluss einer ganzen Fahrzeugart vom Straßenverkehr geht. Ausweislich der im Protokoll der Unfallkommission vom 09.12.2014 enthaltenen tabellarischen Aufstellungen ist die Zahl der Verkehrsunfälle in diesem Bereich in den Jahren 2011 bis 2014 zwar insgesamt kontinuierlich und nicht unerheblich gestiegen (2 im Jahr 2011, 6 im Jahr 2012, 10 im Jahr 2013 und 20 im Jahr 2014 = insgesamt 38). Dies mag seine Ursache darin haben, dass sich, wie die Unfallkommission an anderer Stelle ausgeführt hat, der fragliche Straßenabschnitt in der Vergangenheit in einem sehr schlechten baulichen Zustand befand und die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort auf 30 km/h begrenzt war und ein Teil der motorisierten Verkehrsteilnehmer – unabhängig davon, ob er ein zweirädriges oder ein vierrädriges Kraftfahrzeug nutzt – sein Fahrverhalten nach der kompletten Sanierung der Fahrbahndecke im Frühjahr 2012 möglicherweise grundlegend geändert hat. Aus den genannten Aufstellungen ergibt sich jedoch zugleich, dass die Zahl der Unfälle mit Kradbeteiligung sowohl insgesamt (18) als auch in den einzelnen Jahren (0 im Jahr 2011, jeweils 4 in den Jahren 2012 und 2013 und 10 im Jahr 2014) stets und zum Teil deutlich unter der Zahl der Unfälle mit anderen Beteiligten und Ursachen lag. Darüber hinaus waren unter den insgesamt 18 Unfällen mit Kradbeteiligung lediglich 9, an denen Kradfahrer allein beteiligt waren; welche konkreten Ursachen die übrigen 9 Unfälle hatten, ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin und dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge dagegen nicht. Die bloße Auflistung der Anzahl an Verkehrsunfällen ist mithin nicht geeignet, ein gerade für die Benutzung mit Krafträdern aus besonderen örtlichen Verhältnissen abzuleitendes erhöhtes Schadensrisiko hinreichend plausibel zu belegen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass ausweislich dieser Auflistung der Anteil der bei den Unfällen schwer oder leicht verletzten Kradfahrer deutlich höher als der der übrigen Verkehrsteilnehmer war. Denn auch dies besagt letztlich noch nichts über die Ursachen der von der Antragsgegnerin angenommenen Gefahrenlage, sondern dürfte in erster Linie auf den allgemeinem Erfahrungswissen entsprechenden Umstand zurückzuführen sein, dass die Gefahr, bei einem Unfall (schwere) Verletzungen davonzutragen, bei Kradfahrern im Allgemeinen deutlich höher ist als bei Autofahrern. Eine vergleichende Betrachtung der Verkehrs- und Unfallsituation an anderen, ähnliche örtliche Gegebenheiten aufweisenden Straßen(abschnitten) im Gebiet der Antragsgegnerin bzw. des Landkreises N. hat die Antragsgegnerin dagegen nicht vorgenommen; auch aus den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Sitzungsprotokollen der Unfallkommission ergibt sich nicht, dass diese – insbesondere etwa der Vertreter der Polizeiinspektion N. – den fraglichen Abschnitt der L 87 im Vergleich zu anderen Straßen(abschnitten) als besonderen Unfallschwerpunkt bewertet hat. Dass sich eine besondere, im Vergleich zu anderen Straßen erhöhte Gefahrenlage allein daraus ergibt, dass der fragliche Straßenabschnitt relativ kurvenreich durch ein Waldstück führt, kann angesichts der in Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilddokumentation ebenfalls nicht angenommen werden.

Soweit die Antragsgegnerin darüber hinaus darauf hinweist, dass auf dem fraglichen Streckenabschnitt regelmäßig Motorradrennen mit riskanten Überholmanövern und unter Missachtung der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung durchgeführt würden, was zu erheblichen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer führe, rechtfertigt auch dies den Erlass der streitigen Anordnung nicht. Abgesehen davon, dass diese Erwägung auf Kleinkrafträder und Mofas, die von dem Durchfahrtsverbot ebenfalls betroffen, ohnehin nicht zutreffen dürfte, fehlt es insoweit schon an einem substantiierten, mit entsprechenden Fakten untermauerten Vortrag dahingehend, wie häufig es derartige Vorfälle in der Vergangenheit überhaupt gegeben hat. In dem Protokoll über die Sitzungen der Unfallkommission am 13.05. und 16.06.2014 war von Motorradrennen in diesem Bereich jedenfalls noch nicht die Rede. Ein entsprechender Hinweis findet sich vielmehr erstmals in dem nachfolgenden Protokoll vom 09.12.2014, wobei allerdings auch dort lediglich ein Vorfall (nämlich am 19.10.2014) konkret benannt wird. Auch die insoweit gefertigten Lichtbilder belegen lediglich, dass sich an diesem Tag auf dem Parkplatz bei km 1,7 eine Gruppe von Motorradfahrern versammelt hat, nicht aber die Veranstaltung eines Motorradrennens. Abgesehen davon wäre eine generelle Streckensperrung für Krafträder unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch dann rechtswidrig, wenn einzelne Motorradfahrer tatsächlich in der von der Antragsgegnerin beschriebenen Weise gegen Verkehrsvorschriften – etwa gegen §§ 3 Abs. 1 und 3, 29 Abs. 1 oder 30 Abs. 1 StVO – verstoßen haben sollten (vgl. VGH München, Urt. v. 31.07.1986 – 11 B 85 A.1928 -, juris = NuR 1987,183). Derartige Verkehrsverstöße sind ggf. im Rahmen entsprechender Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die betroffenen Fahrzeugführer zu ahnden; über Anzahl und Ausgang solcher Verfahren hat die Antragsgegnerin allerdings nichts Konkretes berichtet. Sie sind jedoch für sich genommen keine geeignete Grundlage für eine Streckensperrung nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 2 StVO, weil sie lediglich ein bestimmtes Verhalten der betreffenden Verkehrsteilnehmer belegen, nicht aber „besondere örtliche Verhältnisse“ im oben beschriebenen Sinne aufzeigen. Vielmehr stellen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, insbesondere etwa über die zulässige Höchstgeschwindigkeit, ein allgemeines, eine Vielzahl von Straßen und sämtliche Kraftfahrzeugarten betreffendes Phänomen dar, ohne dass dies bislang – soweit ersichtlich – eine Straßenverkehrsbehörde jemals veranlasst hätte, eine Straße beispielsweise für den Pkw-Verkehr zu sperren, weil dort erwiesenermaßen regelmäßig Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Pkw begangen werden.

Da die von der Antragsgegnerin getroffene Anordnung mithin mutmaßlich rechtswidrig ist, ist sie für den Antragsteller außer Vollzug zu setzen.


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