Anlieger forderten, dass ihr Straßenausbaubeitrag für Anlieger neu berechnet wird, da eine viel befahrene Querstraße die Einheit ihres Abrechnungsgebiets trennt. Das Gericht musste klären, ob die Beitragspflicht wirklich das gesamte im Grundbuch eingetragene Grundstück umfasst, selbst wenn es nur teilweise anliegt.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wann gelten zwei Straßen rechtlich als eine einzige Anlage?
- Warum sahen die Eigentümer hier zwei getrennte Welten?
- Welche Logik verfolgte die Stadt bei der Abrechnung?
- Mussten die Eigentümer für ihre gesamten Buchgrundstücke bezahlen?
- Wieso lehnte das Gericht eine Aufteilung der Grundstücke ab?
- Warum war der Weg in die nächste Instanz endgültig versperrt?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich Straßenausbaubeiträge bezahlen, wenn die Baustelle nicht vor meinem Grundstück war?
- Wie wird meine gesamte Grundstücksfläche bei den Straßenausbaubeiträgen berechnet?
- Welche Argumente helfen mir, einen Bescheid für Straßenausbaubeiträge anzufechten?
- Was kann ich tun, wenn das Gericht meine Argumente im Streit um die Beiträge ablehnt?
- Wann kann ich die Berechnung des Beitrags auf einen Teil meines großen Grundstücks beschränken?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 LA 128/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig‑Holstein
- Datum: 29.08.2025
- Aktenzeichen: 6 LA 128/24
- Verfahren: Ablehnung der Zulassung der Berufung
- Rechtsbereiche: Straßenbaubeiträge, Kommunalabgabenrecht
- Das Problem: Anwohner wehrten sich gegen die Zahlung von Straßenbaubeiträgen für den Ausbau eines Gehwegs. Sie klagten gegen die Festsetzung durch die Stadt und verloren in erster Instanz.
- Die Rechtsfrage: Hatte das Verwaltungsgericht Fehler gemacht, als es die Beiträge bestätigte? Mussten die Grundstückseigentümer die hohen Forderungen bezahlen?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht lehnte die Zulassung der Berufung ab. Es sah keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des vorherigen Urteils.
- Die Bedeutung: Das erstinstanzliche Urteil ist damit rechtskräftig geworden. Die Anwohner müssen die geforderten Straßenbaubeiträge bezahlen.
Der Fall vor Gericht
Wann gelten zwei Straßen rechtlich als eine einzige Anlage?
Eine Stadt saniert einen Gehweg in der E-Straße. Einige Zeit später erhalten Eigentümer von Grundstücken an der benachbarten C-Straße hohe Beitragsbescheide. Ihr sofortiger Einwand: Die Baustelle lag nicht vor ihrer Haustür, wieso sollen sie zahlen?

Die Stadt konterte mit einer bestechenden Logik: Die E-Straße und die C-Straße seien, obwohl sie verschiedene Namen tragen, im rechtlichen Sinne ein und dieselbe Anlage. Dieser Streit um die Definition einer Straße landete vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein. Die Richter mussten eine klare Linie ziehen, wo eine öffentliche Einrichtung beginnt – und wo die Beitragspflicht der Anlieger endet.
Warum sahen die Eigentümer hier zwei getrennte Welten?
Die Grundstückseigentümer sahen handfeste Gründe für ihre Weigerung. Die E-Straße und die C-Straße fühlten sich für sie nicht wie eine Einheit an. Sie argumentierten mit dem sichtbaren Straßenbild: In der E-Straße stünden vor allem Einzel- und Reihenhäuser, während die C-Straße von Geschosswohnungsbauten geprägt sei. Auch die Ausstattung weiche ab, etwa bei den Radwegen. Den entscheidenden Bruch sahen sie aber in der querenden B-Straße. Diese breite Verkehrsader mit Busverkehr, anderen Tempolimits und einer Ampel wirke wie eine Zäsur. Sie trenne die beiden Straßenzüge so deutlich, dass man sie unmöglich als eine zusammenhängende Abrechnungseinheit behandeln könne.
Welche Logik verfolgte die Stadt bei der Abrechnung?
Die Stadtverwaltung blickte aus einer anderen Perspektive auf den Stadtplan. Für sie zählte der Gesamteindruck. Aus ihrer Sicht bildeten die E-Straße und die C-Straße einen fast schnurgeraden, durchgehenden Straßenzug mit übereinstimmender Breite und identischer Verkehrsfunktion als Haupterschließungsstraße. Kleinere Unterschiede in der Bebauung oder bei der Ausstattung eines Radwegs änderten nichts an diesem einheitlichen Charakter. Die querende B-Straße zerschneide diesen Zug nicht. Die Verkehrsregelung dort – ein Stoppschild und eine Bedarfsampel – sorge gerade für einen fließenden Übergang, anstatt eine Barriere zu schaffen. Die Abrechnung der Sanierungskosten auf alle Anlieger dieses langen Straßenzugs sei die einzig logische Konsequenz nach der geltenden Straßenbaubeitragssatzung (SBS) und dem Kommunalabgabengesetz des Landes (§ 8 Abs. 1 KAG SH).
Mussten die Eigentümer für ihre gesamten Buchgrundstücke bezahlen?
Ein zweiter, ebenso harter Konfliktpunkt entzündete sich an der Größe der Grundstücke. Die Kläger besaßen teils riesige, L-förmige oder sogar durch andere Straßen geteilte Parzellen. Sie forderten, dass nur die Grundstücksteile zur Beitragsberechnung herangezogen werden dürften, die auch einen direkten Vorteil von der sanierten Straße haben. Alles andere sei ungerecht. Eine Eigentümerin verwies auf eine spezielle Konstellation der Mehrfacherschließung ihres Grundstücks und zitierte Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die in Ausnahmefällen eine solche Aufteilung erlauben. Ihr Ziel: die beitragspflichtige Fläche und damit die Rechnung drastisch zu reduzieren.
Wieso lehnte das Gericht eine Aufteilung der Grundstücke ab?
Das Gericht erteilte diesem Ansinnen eine klare Absage. Im Beitragsrecht gilt ein strenger Grundsatz: Maßgeblich ist das Grundstück, wie es im Grundbuch steht – das sogenannte „Buchgrundstück„. Eine Aufteilung in bevorteilte und nicht bevorteilte Zonen ist nur in ganz engen Ausnahmefällen denkbar. Diese Ausnahmen lagen hier nicht vor. Das Gericht prüfte die von den Klägern angeführten Urteile und stellte fest: Die Situationen waren nicht vergleichbar. Es fehlte zum Beispiel an einer spiegelbildlich identischen Bebauung, die den Eindruck zweier selbstständiger Grundstücke erwecken könnte. Auch der Verweis auf einen juristischen „letzten Korrekturansatz“ aus dem Erschließungsrecht half nicht. Dieser Mechanismus, so die Richter, dient dem Schutz anderer Beitragszahler und ist nicht dafür gedacht, die eigene Beitragslast zu verkleinern. Da alle Grundstücke der Kläger einen Zugang zur ausgebauten Straße hatten, waren sie in Gänze vorteilsberechtigt und damit voll beitragspflichtig.
Warum war der Weg in die nächste Instanz endgültig versperrt?
Die Eigentümer hatten bereits vor dem Verwaltungsgericht verloren. Ihre letzte Chance war ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht. Ein solcher Antrag ist aber kein automatisches Ticket für eine neue Verhandlung. Die Kläger mussten dem Gericht überzeugend darlegen, dass das erste Urteil „ernstliche Zweifel“ an seiner Richtigkeit aufwirft (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht sah solche Zweifel nicht. Es stellte fest, dass die Kläger im Wesentlichen nur ihre schon bekannten Argumente wiederholten. Sie lieferten keine neuen Fakten oder juristischen Analysen, die die sorgfältige Begründung des ersten Gerichts erschüttern konnten. Die Richter sahen die Einheit des Straßenzuges als plausibel und die Heranziehung der gesamten Buchgrundstücke als rechtlich korrekt an. Die bloße Wiederholung der eigenen Meinung genügt nicht, um die hohe Hürde für eine Berufungszulassung zu nehmen. Der Beschluss war damit unanfechtbar und das erste Urteil rechtskräftig.
Die Urteilslogik
Das Beitragsrecht definiert strenge Kriterien, um festzulegen, welche Anlieger für den Ausbau einer Straße zur Kasse gebeten werden und welche Flächen als Berechnungsgrundlage dienen.
- Die funktionale Einheit des Abrechnungsgebiets: Die rechtliche Definition einer öffentlichen Einrichtung hängt primär von ihrer durchgehenden Verkehrsfunktion und ihrem übereinstimmenden Erscheinungsbild ab. Selbst unterschiedliche Straßennamen oder kreuzende, verkehrsregelnde Straßen zerbrechen die Einheit eines Straßenzuges nicht, solange dieser seinen grundlegenden Erschließungszweck beibehält.
- Grundsatz des Buchgrundstücks: Die Beitragsbemessung bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte im Grundbuch verzeichnete Grundstück, sofern dieses einen Anschluss an die ausgebaute Straße besitzt. Eine Aufteilung des Buchgrundstücks in bevorteilte und nicht bevorteilte Zonen, um die Beitragslast zu mindern, erfolgt nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen des geltenden Beitragsrechts.
- Anforderungen an die Berufungszulassung: Wer ein verwaltungsgerichtliches Urteil anfechten will, muss dem Gericht überzeugend darlegen, dass die ursprüngliche Entscheidung ernsthaften Zweifeln unterliegt. Die bloße Wiederholung bereits vorgebrachter Argumente oder die Berufung auf allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen genügt nicht, um eine neue Hauptverhandlung zu erzwingen.
Diese Prinzipien sichern die Gleichbehandlung aller Beitragspflichtigen und unterstreichen die hohe Hürde, die das Gesetz für eine erfolgreiche Anfechtung von Beitragsbescheiden vorsieht.
Benötigen Sie Hilfe?
Müssen Sie hohe Straßenausbaubeiträge bezahlen oder suchen Sie eine Möglichkeit zur Anfechtung? Fordern Sie eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Beitragsbescheids an.
Experten Kommentar
Wer glaubt, er könne die Rechnung durch eine clevere Aufteilung seines großen Grundstücks halbieren, sollte dieses Urteil genau studieren. Das Gericht zieht eine klare rote Linie: Für die Berechnung der Straßenbaubeiträge zählt fast immer das gesamte Buchgrundstück, so wie es im Grundbuch eingetragen ist. Man muss sich bewusst machen, dass die Gerichte diese strenge Einheit nur in absoluten Ausnahmefällen aufweichen – der Versuch, lediglich die eigene Last zu mindern, reicht dafür nicht aus. Das ist die knallharte Konsequenz für Anlieger: Wenn die Straße das Grundstück irgendwo erschließt, dann zahlt man in der Regel für die volle Fläche.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich Straßenausbaubeiträge bezahlen, wenn die Baustelle nicht vor meinem Grundstück war?
Ja, das ist möglich. Die physische Entfernung der Baustelle von Ihrem Grundstück ist irrelevant, wenn Ihre Straße und die sanierte Straße rechtlich als eine einzige, zusammenhängende Erschließungsanlage gelten. Kommunen dürfen mehrere Straßenzüge zu einer Abrechnungseinheit zusammenfassen, solange ein einheitlicher Funktionszusammenhang besteht. Dies kann zu dem Gefühl der Ungerechtigkeit führen, da Sie für eine optisch weit entfernte Sanierung zahlen müssen, obwohl Sie die Baustelle nie direkt gesehen haben.
Ausschlaggebend für die Beitragspflicht ist nicht der Straßenname oder die lokale Bebauung, sondern der Gesamteindruck der Verkehrsfunktion. Gerichte prüfen primär, ob die beiden Straßenzüge einen schnurgeraden, durchgehenden Zug als Haupterschließungsstraße bilden. Kleinere optische Abweichungen, wie etwa unterschiedliche Radwege, abweichende Bebauungsformen oder variierende Hausnummern, entkräften diese Einheit juristisch nicht. Die Stadt muss lediglich nachweisen, dass die grundlegende Erschließungsfunktion identisch bleibt.
Häufig sehen Eigentümer eine querende Hauptstraße als klare Trennung, die den einheitlichen Charakter auflöst. Die Kommune kann jedoch argumentieren, dass diese Unterbrechung durch Verkehrsregelungen wie Bedarfsampeln oder Stoppschilder gerade einen fließenden Übergang sicherstellt. Die juristische Hürde für einen funktionalen Bruch ist hoch, da die Hauptfunktion der Anlage – die verkehrstechnische Anbindung der Grundstücke – durch die Kreuzung nicht zwingend aufgehoben wird.
Fordern Sie sofort die vollständige Straßenbaubeitragssatzung (SBS) Ihrer Kommune und den zugehörigen Lageplan an, um die offizielle Definition der Abrechnungseinheit zu prüfen.
Wie wird meine gesamte Grundstücksfläche bei den Straßenausbaubeiträgen berechnet?
Wenn Sie einen Beitragsbescheid erhalten, zieht die Kommune fast immer die gesamte Fläche heran, die für Ihr Grundstück im Grundbuch eingetragen ist. Dieses strenge Prinzip ist als Buchgrundstück bekannt. Es besagt, dass die grundbuchamtliche Einheit als maßgeblich für den Vorteil gilt, sobald das Grundstück einen Zugang zur sanierten Straße hat. Die individuelle Größe oder eine tiefe, ungenutzte Form des Grundstücks ändert an dieser Gesamtbetrachtung zunächst nichts.
Eine willkürliche Aufteilung in bevorteilte und nicht bevorteilte Zonen lehnen Gerichte regelmäßig ab. Die Regel ist klar: Das Recht betrachtet das Grundstück als eine Einheit, solange es an die ausgebaute Erschließungsanlage angrenzt. Es spielt keine Rolle, ob nur ein kleiner Teil Ihres L-förmigen Grundstücks den direkten Nutzen zieht. Selbst ungenutzte oder tiefe Grundstücksteile gehören zum abrechnungsrelevanten Buchgrundstück und sind voll beitragspflichtig.
Der juristische Spielraum für eine Reduzierung der Fläche ist extrem eng. Eine Aufteilung der Fläche (die sogenannte Mehrfacherschließung) gelingt nur, wenn das Grundstück objektiv den Eindruck von zwei faktisch selbstständigen, nicht integrierten Grundstücken erweckt. Ein Beispiel dafür wäre eine spiegelbildlich identische Bebauung an zwei unterschiedlichen Straßen. Normale, tiefe oder L-förmige Grundstücke erfüllen diese hohen Anforderungen in der Regel nicht.
Ziehen Sie umgehend Ihren Grundbuchauszug heran und vergleichen Sie die dort eingetragene Fläche mit der im Beitragsbescheid genannten.
Welche Argumente helfen mir, einen Bescheid für Straßenausbaubeiträge anzufechten?
Um einen Bescheid erfolgreich anzufechten, müssen Sie überzeugende juristische Argumente vorbringen, die über ein reines Gefühl der Ungerechtigkeit hinausgehen. Konzentrieren Sie sich darauf, die Einheitlichkeit der von der Kommune abgerechneten Erschließungsanlage in Frage zu stellen. Das stärkste Argument ist der Nachweis eines gravierenden funktionalen Bruchs innerhalb des Straßenzugs, den die Stadt als Abrechnungseinheit zusammenfasst.
Gerichte prüfen, ob mehrere Straßenteile trotz unterschiedlicher Namen eine funktionale Einheit bilden. Ein Widerspruch hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn Sie belegen, dass die zusammengefasste Anlage ihre Eigenschaft als durchgängige Haupterschließungsstraße verliert. Hierbei zählen Fakten zur Verkehrsfunktion und zur offiziellen Straßenklassifizierung. Unterschiede in der Bebauung (Reihenhäuser vs. Geschosswohnungen) oder bei untergeordneten Ausstattungen (wie vorhandenen Radwegen) sind dagegen meist irrelevant für die juristische Beurteilung der Hauptfunktion.
Suchen Sie konkret nach einer unüberwindbaren Zäsur, die den fließenden Verkehrscharakter auflöst. Dies kann beispielsweise eine kreuzende Straße höherer Ordnung sein, die faktisch eine Barriere errichtet und nicht nur einen „fließenden Übergang“ ermöglicht. Eine querende Hauptstraße mit lediglich einem Stoppschild oder einer Bedarfsampel gilt oft nicht als trennendes Element. Argumentieren Sie daher nicht mit oberflächlichen Unterschieden, sondern fokussieren Sie sich auf die tatsächliche Verkehrstechnik und die Widmung der querenden Verkehrsader.
Beschaffen Sie amtliche Dokumente wie den Bebauungsplan und die Widmung der Straße, um die Einstufung der querenden Verkehrsader rechtlich zu prüfen.
Was kann ich tun, wenn das Gericht meine Argumente im Streit um die Beiträge ablehnt?
Wenn das Verwaltungsgericht Ihren Einspruch gegen die Beitragsbescheide abweist, ist der Weg in die nächste Instanz, die Berufung, nicht automatisch geöffnet. Sie müssen aktiv beweisen, dass das Urteil fehlerhaft ist. Der entscheidende Schritt ist der Antrag auf Zulassung der Berufung. Dafür müssen Sie dem Oberverwaltungsgericht (OVG) substanziell darlegen, dass das erstinstanzliche Urteil „ernstliche Zweifel“ an seiner Richtigkeit aufwirft (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Diese hohe Hürde existiert, weil die Obergerichte in Deutschland entlastet werden sollen. Eine einfache Unzufriedenheit mit der Gerichtsentscheidung genügt daher nicht. Stattdessen müssen Sie dezidiert die Begründung des erstinstanzlichen Gerichts angreifen. Sie benötigen neue, juristische Analysen oder substantielle Fakten, die zeigen, dass das Gericht die Sach- oder Rechtslage fundamental falsch bewertet hat. Die OVG prüfen rigoros, ob tatsächlich eine realistische Chance auf eine Abänderung des Urteils besteht.
Die bloße Wiederholung der bereits in der ersten Instanz bekannten Argumente führt fast immer zur Ablehnung des Zulassungsantrags. Die Kläger im Fall der Straßenausbaubeiträge scheiterten, weil sie keine neuen Argumente liefern konnten, welche die sorgfältige Begründung des ersten Gerichts erschütterten. Nehmen Sie den Antrag auf Berufungszulassung daher niemals als formalen Akt wahr. Das OVG erwartet, dass Sie präzise Schwachstellen in der Urteilsbegründung identifizieren, anstatt lediglich die vermeintliche Ungerechtigkeit erneut zu schildern.
Beziehen Sie unmittelbar nach Erhalt des ablehnenden Urteils einen auf Verwaltungsrecht spezialisierten Anwalt ein, um strategisch die Schwachstellen des Urteils zu identifizieren.
Wann kann ich die Berechnung des Beitrags auf einen Teil meines großen Grundstücks beschränken?
Der Regelfall sieht vor, dass die gesamte im Grundbuch eingetragene Fläche für die Berechnung der Straßenausbaubeiträge herangezogen wird. Eine Beschränkung der Beitragspflicht auf einen Teil Ihres großen Grundstücks ist nur in extrem engen Ausnahmefällen möglich. Diese Ausnahmen dienen dazu, besondere Härtefälle abzufedern, deren Situation nicht mit normalen Grundstückskonfigurationen vergleichbar ist.
Das Bundesverwaltungsgericht legt den Grundsatz des Buchgrundstücks streng aus. Entscheidend für die Beitragspflicht ist die juristische Einheit des Grundbuchs, nicht die tatsächliche Nutzung des hinteren Gartenteils. Eine Aufteilung der Fläche kommt nur in Betracht, wenn die konkrete Beschaffenheit des Grundstücks objektiv den Eindruck von zwei faktisch selbstständigen, nicht integrierten Nutzungseinheiten erweckt. Eine einfache L-Form oder ein fehlender Nutzen des hinteren Bereichs reichen dafür explizit nicht aus.
Nur wenn extreme bauliche Konstellationen vorliegen, wird die Ausnahme gewährt. Ein solches Kriterium ist beispielsweise die spiegelbildlich identische Bebauung auf dem sehr großen Grundstück, die das Vorliegen von zwei unabhängigen Nutzungseinheiten nahelegt. Fehlt diese offensichtliche, unabhängige Struktur, bleibt das gesamte Flurstück beitragspflichtig. Die Ausnahmen korrigieren Verhältnisse, die klar von den üblichen Fällen der Mehrfacherschließung abweichen.
Um Ihre Situation realistisch einzuschätzen, erstellen Sie einen detaillierten Lageplan, der alle Zugänge und die tatsächliche, unabhängige interne Nutzung dokumentiert.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Buchgrundstück
Ein Buchgrundstück ist im Beitragsrecht die rechtliche Einheit eines Grundstücks, wie es exakt im Grundbuch eingetragen ist, und bildet die alleinige Grundlage für die Berechnung der Straßenausbaubeiträge. Das Gesetz wendet diesen strengen Grundsatz an, um einfache und klare Verhältnisse bei der Festsetzung von Abgaben zu schaffen; es verhindert damit willkürliche Unterteilungen nach tatsächlicher Nutzung.
Beispiel: Die Richter stellten klar, dass für die gesamte beitragspflichtige Fläche das im Grundbuch verzeichnete Buchgrundstück maßgeblich ist, selbst wenn nur ein kleiner Teil des Grundstücks direkt an die sanierte E-Straße angrenzt.
Ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
Ernstliche Zweifel meint den hohen juristischen Maßstab, den Kläger erfüllen müssen, um beim Oberverwaltungsgericht eine Zulassung der Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil zu erreichen. Dieses Kriterium dient der Entlastung der Obergerichte; es verlangt, dass die Kläger substanziell darlegen, dass die erstinstanzliche Begründung höchstwahrscheinlich falsch oder rechtlich fehlerhaft ist.
Beispiel: Weil die Eigentümer im Antrag auf Zulassung der Berufung keine neuen juristischen Analysen vorlegten, sah das OVG Schleswig-Holstein keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des ersten Urteils gegeben.
Erschließungsanlage
Als Erschließungsanlage bezeichnen Juristen eine zusammenhängende öffentliche Einrichtung – typischerweise eine Straße oder ein Straßenzug – die mehrere Grundstücke verkehrstechnisch anbindet und für deren Herstellung oder Sanierung Beiträge erhoben werden können. Kommunen fassen mehrere Straßenteile zu dieser Einheit zusammen, um Sanierungskosten gerecht auf alle Anlieger umzulegen, die von der funktionellen Einheit der Anlage profitieren.
Beispiel: Die Stadt argumentierte, dass die E-Straße und die C-Straße trotz verschiedener Namen eine einzige, durchgehende Erschließungsanlage darstellen, da sie die gleiche Verkehrsfunktion als Haupterschließungsstraße erfüllen.
Funktionaler Bruch
Juristen sprechen von einem Funktionalen Bruch, wenn die kontinuierliche Verkehrsfunktion innerhalb eines langen Straßenzuges durch ein Hindernis – etwa eine kreuzende Hauptverkehrsader – derart unterbrochen wird, dass die Straßenteile nicht mehr als eine zusammenhängende Abrechnungseinheit gelten dürfen. Dieser Nachweis ist das schärfste Argument der Anlieger, um die Beitragspflicht zu entkräften, denn das Gesetz erlaubt die Zusammenfassung nur, solange der einheitliche Funktionszusammenhang besteht.
Beispiel: Die Eigentümer sahen in der querenden B-Straße mit Ampeln und Busverkehr einen klaren funktionalen Bruch, der ihrer Meinung nach die Zusammenfassung der E- und C-Straße als eine Abrechnungseinheit verhinderte.
Mehrfacherschließung
Eine Mehrfacherschließung liegt vor, wenn ein einzelnes Grundstück rechtlich durch mehrere verschiedene öffentliche Erschließungsanlagen erschlossen ist und damit grundsätzlich mehrere Vorteile zieht. Obwohl dies selten zum Tragen kommt, kann eine Mehrfacherschließung in extremen Ausnahmefällen dazu führen, dass große Grundstücke in beitragspflichtige und nicht beitragspflichtige Zonen aufgeteilt werden.
Beispiel: Die klagende Eigentümerin zitierte Urteile zur Mehrfacherschließung, um zu erreichen, dass nur der unmittelbar bevorteilte Teil ihres L-förmigen Flurstücks zur Berechnung der Straßenausbaubeiträge herangezogen wird.
Das vorliegende Urteil
OVG Schleswig-Holstein – Az.: 6 LA 128/24 – Beschluss vom 29.08.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





