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Straßenbauarbeiter der Markierungsarbeiten verrichtet ist kein Fußgänger

OLG Celle – Az.: 14 U 87/22 – Urteil vom 16.11.2022

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. Juni 2022 verkündete Teilgrund- und Teilendurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg <5 O 19/21> teilweise abgeändert und die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als das Landgericht die Feststellung ausgesprochen hat, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 25 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 21. Oktober 2019 in L. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind (LGU-Tenor zu Ziff. 3.).

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 35.000,– Euro (Berufung des Klägers: bis 25.000,– Euro, Berufung der Beklagten: bis 8.000,– Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt nach einem Verkehrsunfall am 21. Oktober 2019 in L., bei dem er im Bereich einer Straßenbaustelle, auf der er als Fahrbahnmarkierer tätig war, vom Pkw der Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 1 versichert war, angefahren wurde, materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu jedenfalls 75 % steht außer Streit. Insoweit hat die Beklagte zu 1 die Haftung vorprozessual mit Schreiben vom 25. Mai 2020 (Anlage B 3, Bl. 89f. d.A.) sowie nach Rechtshängigkeit mit Schreiben vom 11. Februar 2021 (Anlage B 4, Bl. 91 d.A.) anerkannt; wegen des Inhalts der Schreiben im Einzelnen wird auf diese verwiesen.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Feststellungsantrags und in der Sache zum Grund darüber, ob die Beklagten vollumfänglich haften oder ob den Kläger ein Mitverschulden am Unfall trifft und er sich dies mit 25 % anrechnen lassen muss.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Straßenbauarbeiter der Markierungsarbeiten verrichtet ist kein Fußgänger
(Symbolfoto: Mark Agnor/Shutterstock.com)

Mit am 03. Juni 2022 verkündeten Urteil, Tenor und Tatbestand berichtigt durch Beschluss vom 11. August 2022, hat das Landgericht nach Anhörung der Parteien und Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege eines Teilgrund- und Teilendurteils die Klage hinsichtlich des Verdienstausfallschadens und des Schmerzensgeldes dem Grunde nach zu 75 % für begründet erklärt und im selben Umfang die Feststellung der Haftung für künftige Schäden ausgesprochen. Zudem ist unter Ziff. 4 tenoriert: „Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“ Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Klage sei „weitgehend“ zulässig. Denn der Kläger begehre die Feststellung einer weitergehenden als die von der Beklagten zu 2 [gemeint: zu 1] anerkannte Haftung, daher bestehe sein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Klage sei hinsichtlich der Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach entscheidungsreif, insoweit ergehe ein Grundurteil. Die Feststellungsklage sei insgesamt entscheidungsreif, insoweit ergehe Teilendurteil.

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 75 % dem Grunde nach zu. Den Kläger treffe eine Mithaftung an dem Unfall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger gegen die erforderliche Sorgfalt gemäß § 1 StVO verstoßen habe. Er habe auf der Fahrbahn, vornübergebeugt und mit dem Rücken zum fließenden Verkehr, gearbeitet und dem fließenden Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Als Fußgänger auf der nicht abgesperrten Fahrbahn habe ihn eine gesteigerte Sorgfaltspflicht getroffen; ihm falle daher ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO zur Last. Weitere Verursachungsbeiträge der Beklagten zu 1 [gemeint: zu 2] habe der Kläger nicht bewiesen. Eine überhöhte Geschwindigkeit und dass die Beklagte zu 2 den Kläger aufgrund mangelnder Sehkraft oder aus sorgfaltswidrigem Verhalten nicht gesehen habe, sei nicht bewiesen. Ein fehlendes Blinken sei ebenfalls nicht bewiesen, auch sei eine Unfallursächlichkeit nicht ersichtlich. Gleichwohl könne der Beklagten zu 2 vorgeworfen werden, den Kläger aufgrund eines fahrlässigen Verstoßes gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht gesehen zu haben. Wegen der Erwägungen des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter Ziffer II der Entscheidungsgründe, LGU S. 7 bis 13, verwiesen.

Eine Haftungsquote von 75 % zu Lasten der Beklagten sei sachgerecht. Auf Beklagtenseite seien die Betriebsgefahr und ein Sorgfaltspflichtverstoß einzustellen; das Mitverschulden des Klägers sei als erheblich zu bewerten.

Die Feststellungsklage sei „zulässig [und] begründet“.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Der Kläger erstrebt die Alleinhaftung der Beklagten, die Beklagten wenden sich gegen den Feststellungsausspruch (LGU-Tenor zu Ziff. 3).

Der Kläger wendet sich gegen die Annahme eines Mitverschuldens. Er meint, keine der vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des OLG Celle ‚passt‘, um eine 25%-ige Mithaftung zu begründen. Auf die Entscheidung zu VI ZR 280/64 habe das Landgericht auch nicht hingewiesen. § 25 Abs. 3 StVO hält der Kläger – sinngemäß – nicht für einschlägig, weil er kein Fußgänger gewesen sei, sondern auf der Fahrbahn gearbeitet habe. Das Landgericht hätte sich auch nicht auf das Sachverständigengutachten stützen dürfen, sondern hätte ein Obergutachten einholen müssen. Das Landgericht habe zu Unrecht die „Wurfweite des Klägers“ [gemeint: wie weit der Kläger durch den Anstoß geschleudert wurde] nicht berücksichtigt; die Ausführungen des Sachverständigen dazu seien jedenfalls nicht nachvollziehbar. Der äußerst schwere Verschuldensvorwurf gegen die Beklagte zu 2 lasse ein etwaiges Mitverschulden des Klägers vollständig in den Hintergrund treten.

Der Kläger beantragt, den Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstausfallschäden, den Schmerzensgeldanspruch und den Feststellungsanspruch unter Abänderung des Teilgrund- und Teilendurteils des Landgerichts Lüneburg vom 03.06.2022 jeweils zu 100 % für begründet zu erklären.

Die Beklagten beantragen insofern, die Berufung des Klägers und Berufungsklägers vom 30.06.2022 kostenpflichtig zurückzuweisen

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil, soweit es der Kläger angreift. Sie meinen, das Landgericht habe zutreffend einen Mitverschuldensanteil des Klägers angenommen, weil sich der Kläger bei Durchführung der Markierungsarbeiten hätte vergewissern müssen, dass er gefahrlos die für den Verkehr freigegebene Fahrbahn hätte betreten können, und er hätte sich zudem auch nicht mit dem Rücken zum fließenden Verkehr stellen dürfen. Diesen tragenden Grund greife die Berufungsbegründung nicht an. Die Beklagten halten zudem die Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs und einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch den Kläger für nicht durchgreifend.

Die Beklagten begehren mit ihrer eigenen Berufung die Teilabänderung des landgerichtlichen Urteils, soweit das Landgericht die Feststellung der Haftung für künftige Schäden ausgesprochen hat. Unter Verweis auf ihre Schreiben vom 25. Mai 2020 und vom 11. Februar 2021 meinen sie – wie bereits erstinstanzlich geltend gemacht –, die Feststellungsklage sei unzulässig, weil ihr das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.

Die Beklagten beantragen, das am 03.06.2022 verkündete Teilgrund- und Teilendurteil des Landgerichts Lüneburg (Geschäfts-Nr.: 5 O 19/21) teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten zu 1 und 2 im Tenor zu 3 verurteilt wurden, festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 2 verpflichtet sind, dem Kläger unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 25 % sämtliche materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 21.10.2019 in L. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten und Berufungskläger vom 05.07.2022 zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit die Beklagten es angreifen. Er meint, das als Anlage B 4 eingereichte Schreiben sei erst nach Rechtshängigkeit verfasst und umfasse lediglich eine Quote von 75 %. Demnach habe er nach wie vor ein „erhebliches Feststellungsinteresse“ an der begehrten Entscheidung, dass die Beklagten zu 100 % einstandspflichtig sind.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Verkehrsunfallakten zum Aktenzeichen 1201 Js 39551/19 (Staatsanwaltschaft Lüneburg) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Einwände des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und die rechtliche Würdigung greifen jedenfalls im Ergebnis nicht durch. Das Landgericht hat zu Recht ein Mitverschulden des Klägers angenommen, auch die Haftungsquote von 75 zu 25 zu Lasten der Beklagten erscheint sachgerecht. Im Einzelnen:

1. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche folgen dem Grunde nach aus §§ 7 Abs. 1, 9 StVG, 253, 254, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG. Mit dem Landgericht hält der Senat eine Quote von 25 : 75 zu Lasten der Beklagten für angemessen. Dem Kläger steht – ausgehend von dieser Quote – aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 9 StVG, 253, 254 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG ein Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz dem Grunde nach im Umfang von 75 % zu; im Übrigen haftet der Kläger für das Unfallgeschehen selbst. Im Einzelnen gilt zum Grunde Folgendes:

a) Die Haftung der Beklagten ergibt sich zunächst aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Unstreitig kam es bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten und von der Beklagten zu 2 gehaltenen und gefahrenen Pkw im Straßenverkehr zu einer Kollision mit dem Kläger, wodurch dieser verletzt worden ist. Ein Fall des § 7 Abs. 2 StVG (Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt) liegt ersichtlich nicht vor.

b) Da der Kläger selbst nicht aus § 7 Abs. 1 StVG haftet, kommt die Anrechnung eines etwaigen Mitverschuldens des Klägers nicht über § 17 Abs. 1 und 2 StVG, sondern nur nach § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB in Betracht. Auf einen Haftungsausschluss wegen Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG kann sich damit ebenfalls keiner der Unfallbeteiligten berufen.

Im Rahmen von §§ 9 StVG, 254 BGB ist in erster Linie das ursächliche Verhalten der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und dabei die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges zu berücksichtigen, wobei nur erwiesene Verursachungsfaktoren in die Abwägung einbezogen werden dürfen (vgl. und näher König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 9 StVG Rn. 7 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Abwägung setzt die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben. Die Beweislast für einen unfallursächlichen Mitverschuldensanteil der Geschädigten, hier also des Klägers, trägt dabei nach allgemeinen Beweisgrundsätzen der Schädiger, mithin hier die Beklagten (vgl. BGH Urteil vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12, Rn. 7, juris). Der Kläger wiederum ist beweispflichtig für etwaige Verkehrsverstöße der Fahrerin des Beklagten-Pkw, d.h. der Beklagten zu 2.

aa) Der Kläger muss sich einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorwerfen lassen.

(1) Allerdings erscheint durchaus diskutabel, ob der Kläger überhaupt als Verkehrsteilnehmer i.S.v. § 1 StVO anzusehen ist. Denn in der Rechtsprechung ist in ähnlichen Fällen eine Verkehrsteilnahme jedenfalls zum Teil verneint worden (vgl. die Beispiele bei König in: Hentschel/König/Dauer, aaO, § 1 StVO, Rn. 18 mit Rechtsprechungsnachweisen, z.B. Beschilderung einer Arbeitsstelle durch Arbeiter, Bauarbeiter als solche, Müllwerker, Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Straße befinden). Allerdings ist Verkehrsteilnehmer grundsätzlich jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, das heißt körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. März 2022 – VI ZR 1308/20, Rn. 12 mwN, juris; König in: Hentschel/König/Dauer, aaO, § 1 StVO, Rn. 17). Nach dem eigenen Bekunden des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Befragung durch das Landgericht hat er sich bei seinen Arbeiten am Unfalltag dergestalt verhalten, dass er während der Rotphasen für Pkw die Fahrbahn betreten und dort Markierungen gesetzt hat, vor der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug habe er sich ein Stück neben den Baken auf dem Fahrbahnbereich befunden (vgl. Bl. 238 d.A.). Der Kläger ist daher jedenfalls immer dann, wenn er sich außerhalb des durch Baken abgetrennten Baustellenbereichs auf der – freigegebenen – Fahrbahn aufhielt, als Verkehrsteilnehmer i.S.v. § 1 StVO anzusehen, mithin hier unmittelbar vor und im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls.

(2) Der Kläger hat nach eigenem Bekunden zwar Warnkleidung getragen, aber seine Arbeit unmittelbar vor dem Unfall in vornübergebeugter Haltung verrichtet, d.h. Markierungen gesetzt und dabei den Oberkörper nach vorne und nach unten gebeugt. Er hat nicht auf den Verkehr geachtet. Nach dem Vortrag in der Klagschrift („rücklings“, vgl. Bl. 4 d.A.) und den entsprechenden, unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts im Tatbestand des Urteils (LGU S. 3) arbeitete der Kläger zudem mit dem Rücken zu dem aus der Straße Am G. kommenden Verkehr. Die Beklagte zu 2 hatte unstreitig „Grün“, als sie von der Straße Am G. in die Unfallörtlichkeit einbog. Angesichts dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Kläger ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten vorgeworfen hat. Es wäre zwingend geboten gewesen, für eine Absicherung zu sorgen und nicht ohne eine solche Absicherung auf der für den Fahrzeugverkehr freigegebenen Fahrbahn Markierungsarbeiten vorzunehmen und dabei nicht einmal auf den Verkehr zu achten (vgl. insofern auch die Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen, RSA, die umfangreiche Sicherungsmaßnahmen bei Arbeiten auf Straßen vorgeben und die dem Kläger bekannt sein müssen). Durch das Vornüberbeugen und das Arbeiten mit dem Rücken zum fließenden Verkehr hatte der Kläger keine Chance, auf den Verkehr zu achten. Die Art und Weise der Arbeitsausführung durch den Kläger, wie geschehen, erscheint übermäßig und unangemessen gefahrenträchtig. Es waren im Übrigen andere Arbeiter auf der Baustelle anwesend, so dass auch die Möglichkeit bestand, zumindest mit deren Hilfe für eine Absicherung zu sorgen.

(3) Angesichts der genannten Umstände kommt es nicht weiter darauf an, ob der Kläger als „Profi“ mit einer gesteigerten Sorgfaltspflicht anzusehen ist, wie das Landgericht meint. Denn es ist für jedermann offensichtlich, dass das Verhalten des Klägers unangebracht gefahrenträchtig war und eine Absicherung geboten gewesen wäre. Demnach kommt es auch nicht weiter auf die vom Landgericht herangezogenen Gerichtsentscheidungen und die Einwände des Klägers hiergegen an. Denn maßgeblich für die vorstehende Wertung sind die konkreten Umstände des vorliegenden Falls.

bb) Demgegenüber muss sich der Kläger aus Rechtsgründen nicht (auch) einen Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO vorwerfen lassen, wie das Landgericht meint. Denn zu Recht macht der Kläger geltend, dass er kein Fußgänger i.S.v. § 25 StVO war. Fußgänger sind solche Verkehrsteilnehmer, die sich zu Fuß von einem Ort an einen anderen bewegen (König in: Hentschel/König/Dauer, aaO, § 25 StVO, Rn. 12). Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Fahrbahn aufhalten, sind dagegen keine Fußgänger im Sinne des § 25 StVO, was sich aus dem Wortsinn und mittelbar auch aus der Sonderregelung des § 35 Abs. 6 Satz 1 und 4 StVO, wonach Personen, die unter anderem bei der Reinigung von Straßen eingesetzt sind, bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung zu tragen haben, ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 9 B 3/15 –, Rn. 7, juris). Für einen Bauarbeiter, wie hier, der auf einer Straße Markierungsarbeiten verrichtet, kann nichts Anderes gelten.

cc) Wenn die Eigenschaft des Klägers als Verkehrsteilnehmer i.S.v. § 1 StVO entgegen der Ansicht des Senats zu verneinen wäre, würde das Verhalten des Klägers gleichwohl ein vorwerfbares Verhalten i.S.v. §§ 254 Abs. 1, 276 Abs. 2 BGB darstellen, weil er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, indem er ohne Absicherung und Beachtung des fließenden Verkehrs auf der für den fließenden Verkehr freigegebenen Fahrbahn Arbeiten verrichtet hat.

dd) Der Beklagten zu 2 und Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 kann ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorgeworfen werden, wie dies das Landgericht angenommen hat (vgl. LGU S. 12f.). Die Beklagten haben diese Wertung nicht angegriffen, durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der zugrundeliegenden Feststellungen und der rechtlichen Würdigung sind auch nicht ersichtlich.

ee) Weitere Verkehrsverstöße auf Beklagtenseite sind nicht bewiesen, wie dies das Landgericht zutreffend angenommen hat. Der Sachverständige hat nämlich mehrfach betont, dass sich insbesondere die Sichtmöglichkeiten nicht genau rekonstruieren lassen, auch weil der Standort der Baken nachträglich verändert worden war. Danach verfangen die Einwände des Klägers in der Berufungsbegründung und in der Berufungsverhandlung nicht. Er legt auch nicht dar und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass bzw. inwiefern der Unfallhergang noch weiter aufklärbar wäre. Soweit der Kläger auf die „Wurfweite“ verweist, ist festzustellen, dass sich der Sachverständige damit im Rahmen seiner mündlichen Befragung eingehend befasst hat und insbesondere mit Verweis auf die Schäden am Beklagtenfahrzeug dabei blieb, dass die Kollisionsgeschwindigkeit bei maximal 20 km/h gelegen haben kann (vgl. Bl. 379 d.A.). Danach verbleibt es mangels konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen, bei der Bindung an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

ff) Eine Abwägung der jeweiligen Haftungsgründe der Parteien lässt eine Haftungsquote von 75 zu 25 zu Lasten der Beklagten als sachgerecht erscheinen. Sie belastet den Kläger, der allein Berufungsführer ist, jedenfalls nicht unangemessen. Die Beklagte zu 2 hat selbst bekundet, gesehen zu haben, dass sie in einen Baustellenbereich abbiegt und dass Baubetrieb herrschte (vgl. Bl. 240 d.A.). Nach den Feststellungen des Landgerichts hätte sie den Kläger auch sehen können und müssen. Andererseits hat sich auch der Kläger sorgfaltswidrig verhalten, wie dargelegt. Unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des Beklagten-Pkw erscheint es danach sachgerecht, den Beklagten den überwiegenden Haftungsanteil zuzuweisen. Ein durchgreifender Grund, von der vom Landgericht ausgeurteilten Haftungsquote zu Gunsten des Klägers abzuweichen, liegt nicht vor. Insbesondere stellt sich kein Fehlverhalten als so gravierend oder überragend dar, dass eine andere Haftungsquote geboten wäre.

2. Vor diesem Hintergrund bleibt das auf eine Alleinhaftung der Beklagten gerichtete Begehren des Klägers ohne Erfolg. Seine Berufung war daher zurückzuweisen.

III.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Zu Recht machen die Beklagten geltend, dass der Feststellungsantrag des Klägers, soweit es die Ersatzpflicht im Umfang von 75 % anbelangt, unzulässig ist.

a) Nach der Rechtsprechung unter anderem des Senats fehlt es am Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO, wenn eine Kfz-Haftpflichtversicherung ihre Einstandspflicht für Zukunftsschäden eines Unfallverletzten anerkannt hat, wobei die Erklärung der Versicherung aus ihrer Sicht eindeutig dazu dienen soll, ein rechtskräftiges Feststellungsurteil zu ersetzen (vgl. Senat, Urteil vom 18. September 2013 – 14 U 167/12 mwN, juris). Die Beklagte zu 1 hat – auch mit Wirkung für die Beklagte zu 2 – mit ihrem Schreiben vom 25. Mai 2020 die Haftung dem Grunde nach im Umfang von 75 % anerkannt und dies mit dem Schreiben vom 11. Februar 2021 wiederholt und darin zudem ausdrücklich erklärt, dass das Anerkenntnis mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils erfolge und in diesem Sinne auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Erklärung eindeutig und ausreichend ist. Auch im vorliegenden Rechtsstreit haben die Beklagten im Übrigen ihre Einstandspflicht dem Grunde nach im Umfang von 75 % nicht in Abrede genommen.

b) Der Streit der Parteien um die Haftung für die restlichen 25 % ändert nichts daran, dass es hinsichtlich der anerkannten 75 % am Feststellungsinteresse fehlt. Hiergegen ist kein durchgreifender Grund ersichtlich. Es wäre für den Kläger ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, Klage lediglich hinsichtlich der Haftung für die noch im Streit stehenden 25 % Haftungsanteil zu erheben. Dadurch wären auch die Verfahrenskosten erheblich niedriger ausgefallen. Einer gerichtlichen Feststellung der Haftung der Beklagten für die bereits anerkannten 75 % bedurfte und bedarf es dagegen nicht.

c) Ebenfalls im Ergebnis ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Schreiben vom 11. Februar 2021 sei erst nach Rechtshängigkeit erfolgt. Das ist zwar für sich genommen richtig. Allerdings hatte die Beklagte zu 1. bereits im Schreiben vom 25. Mai 2020 ihre Haftung im Umfang von 75 % ausdrücklich anerkannt und dazu erklärt, mit dieser Quote „alle, auch zukünftigen unfallbedingten Schadensersatzansprüche [zu] ersetzen“. Das könnte möglicherweise bereits ausgereicht haben; dagegen könnte aber sprechen, dass das Schreiben keinen Verjährungseinredeverzicht enthält und nicht ausdrücklich erklärt wurde, dass das Anerkenntnis mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils erfolge. Jedenfalls aber ist ein etwaig zunächst bestehendes Feststellungsinteresse mit dem Schreiben vom 11.02.2021 entfallen, und für die Entscheidung sind die Umstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich. Der Kläger hat allerdings sein Begehren auch nach dem Schreiben vom 11.02.2021 aufrechterhalten und hat insbesondere keine Teilerledigung erklärt. Das Landgericht hat daher zu Unrecht die Feststellung ausgesprochen, es hätte den Feststellungsantrag im Umfang von 75% als unzulässig abweisen müssen.

2. Danach ist das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Beklagten teilweise abzuändern: Die Klage ist, soweit es den Feststellungsantrag anbelangt, als unzulässig abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

VII.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.

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