Meterhoher Bambus sorgt für Zoff zwischen Nachbarn und beschäftigt die höchsten deutschen Zivilrichter. Darf eine Hecke unbegrenzt in den Himmel wachsen? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs bringt Klarheit – zumindest für Hessen – und hat weitreichende Folgen für Gartenbesitzer im ganzen Land.

Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der ewige Zwist am Gartenzaun
- Der Fall: Wenn Bambus zum Zankapfel wird
- Durch die Instanzen: Ein juristisches Tauziehen
- Das BGH-Urteil: Grundsatzentscheidung mit weitreichenden Folgen (V ZR 185/23)
- Zurück nach Frankfurt: Warum der Streit noch nicht vorbei ist
- Praktische Bedeutung für Gartenbesitzer und Nachbarn
- Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Urteil: BGH-Entscheidung vom 28. März 2025 (Az. V ZR 185/23) zu einem Nachbarstreit über eine Bambushecke in Hessen
- Kernaussagen des BGH:
- Es gibt keine allgemeine Höhenbegrenzung für Hecken, die über die Regelungen der Landesgesetze hinausgeht
- Ob Höhenlimits gelten, bestimmt allein das jeweilige Landesnachbarrecht (in Hessen: keine konkrete Begrenzung)
- Bambus kann rechtlich als Hecke gelten, wenn er ein geschlossenes Erscheinungsbild hat
- Die Heckenhöhe wird vom Bodenniveau des Grundstücks gemessen, auf dem die Hecke steht (nicht vom Nachbargrundstück)
- Der gesetzliche Grenzabstand ist entscheidend (in Hessen für Hecken über 2m: mindestens 75cm)
- Praktische Bedeutung:
- In Bundesländern ohne Höhenbegrenzung im Gesetz (wie Hessen, NRW, Saarland) können Hecken beliebig hoch wachsen
- Andere Bundesländer (z.B. Bayern, Baden-Württemberg) haben Höhenlimits im Gesetz festgelegt
- Bei Nichteinhaltung des Grenzabstands: Beseitigungs- bzw. Rückschnittanspruch nach § 1004 BGB
- Nur in extremen Härtefällen kann über das „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“ ein Anspruch bestehen, auch wenn alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden
- Aktueller Stand des Falls (28.03.2025): Der BGH hat die Sache zur erneuten Prüfung an das OLG Frankfurt zurückverwiesen, da nicht geklärt ist, ob der vorgeschriebene Grenzabstand eingehalten wurde.
Der ewige Zwist am Gartenzaun
Nachbarschaftsstreitigkeiten gehören zu Deutschland wie Kleingärten und präzise Mülltrennung. Besonders häufig entzündet sich der Zorn am lieben Grünzeug: überhängende Äste, wuchernde Wurzeln oder eben – wie in einem aktuellen Fall – eine schier endlos wachsende Hecke. Wenn der freundliche Plausch über den Zaun in verhärtete Fronten umschlägt, landen solche Konflikte nicht selten vor Gericht. Ein besonders lehrreicher Fall hat es nun bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) geschafft und wirft ein Schlaglicht auf die Tücken des Nachbarrechts, speziell wenn es um die Höhe von Hecken geht.
Am 28. März 2025 fällte der BGH ein Urteil (Az. V ZR 185/23), das für viele Gartenbesitzer von großer Bedeutung ist. Im Kern ging es um die Frage: Gibt es eine allgemeingültige Obergrenze für die Höhe einer Hecke, auch wenn das jeweilige Landesgesetz keine explizite Regelung trifft? Die Antwort aus Karlsruhe ist klar: Nein, eine solche generelle Grenze lässt sich nicht aus dem Begriff „Hecke“ ableiten. Was das konkret bedeutet, welche Rolle die spezifischen Gesetze der Bundesländer spielen und was Sie als Grundstückseigentümer beachten sollten, erklären wir in diesem Artikel.

Der Fall: Wenn Bambus zum Zankapfel wird
Um die Entscheidung des BGH zu verstehen, lohnt ein Blick auf den konkreten Fall, der dem Urteil zugrunde liegt. Er spielt in Hessen und zeigt exemplarisch, wie komplex Nachbarschaftskonflikte werden können.
Die Ausgangslage in Hessen: Ein Grundstück, eine Aufschüttung, viel Bambus
Stellen Sie sich zwei benachbarte Grundstücke vor. Auf einem davon existiert seit den 1960er Jahren entlang der gemeinsamen Grenze eine Aufschüttung – also eine künstliche Erhöhung des Geländes. Diese wird durch eine etwa einen Meter hohe Mauer aus Betonprofilen gestützt. So weit, so unproblematisch über Jahrzehnte.
Im Jahr 2018 entschied sich die Eigentümerin des höher gelegenen Grundstücks, auf dieser Aufschüttung Bambus zu pflanzen. Bambus ist bekannt für sein schnelles Wachstum und seine manchmal invasive Ausbreitung durch unterirdische Wurzelausläufer (Rhizome). Um Ärger mit dem Nachbarn zu vermeiden, installierte die Frau eine sogenannte Rhizomsperre. Das ist eine Barriere im Boden, die verhindern soll, dass die Wurzeln auf das Nachbargrundstück hinüberwachsen. Das funktionierte auch: Der Bambus blieb auf ihrem Grundstück. Allerdings schoss er über die Jahre ordentlich in die Höhe und erreichte stattliche sechs bis sieben Meter.
Ein zusätzlicher Faktor, der den Konflikt anheizte: Das Grundstück des klagenden Nachbarn liegt tiefer als das der Bambus-Besitzerin. Die Hecke wirkte von seiner Perspektive aus also noch imposanter und potenziell beeinträchtigender.
Der Streit eskaliert: vom Garten vor Gericht
Der Nachbar fühlte sich durch die immer höher wachsende Bambuswand zunehmend gestört. Er verlangte von seiner Nachbarin, den Bambus auf eine maximale Höhe von drei Metern zurückzuschneiden. Sein Clou dabei: Er bestand darauf, dass diese drei Meter vom Bodenniveau seines tiefer gelegenen Grundstücks aus gemessen werden sollten. Da die Nachbarin dem nicht nachkam, zog der Mann vor Gericht.
Durch die Instanzen: Ein juristisches Tauziehen
Der Weg durch die deutschen Gerichte kann lang sein, wie dieser Fall eindrücklich beweist. Von der ersten Klage bis zur Entscheidung des BGH vergingen mehrere Jahre.
Erste Runde: Das Landgericht gibt dem Kläger Recht
Zunächst hatte der klagende Nachbar Erfolg. Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main (Urteil vom 19. Mai 2022, Az. 2-32 O 8/22) gab seiner Klage statt und verurteilte die Nachbarin dazu, den Bambus wie gefordert zurückzuschneiden. Für den Kläger schien die Sache damit klar.
Wendung am Oberlandesgericht: Ist Bambus eine Hecke?
Doch die Beklagte wollte das Urteil nicht akzeptieren und legte Berufung ein. Das ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eine Überprüfung des Urteils durch die nächsthöhere Instanz beantragen kann. In diesem Fall war das das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.
Und siehe da: Das OLG kippte die Entscheidung des Landgerichts (Urteil vom 16. August 2023, Az. 17 U 132/22) und wies die Klage des Nachbarn ab. Die Begründung der OLG-Richter war für den weiteren Verlauf entscheidend:
- Bambus als „Hecke“: Das Gericht stufte die Bambuspflanzung als „Hecke“ im Sinne des hessischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG HE) ein. Was genau eine Hecke im juristischen Sinne ist, ist oft Gegenstand von Streitigkeiten. Das OLG betonte, dass es dabei auf das äußere Erscheinungsbild ankommt: Wirkt die Anpflanzung wie eine geschlossene Einheit? Bildet sie eine Art Wand? Wenn ja, kann sie als Hecke gelten – unabhängig davon, ob es sich botanisch um Gräser (wie Bambus) oder Gehölze handelt.
- Kein allgemeines Höhenlimit: Die Richter stellten fest, dass dem Begriff „Hecke“ selbst keine automatische Höhenbegrenzung innewohnt. Wenn das Gesetz keine vorschreibt, gibt es auch keine.
- Grenzabstand eingehalten? Entscheidend für das OLG war zudem, dass die Hecke – ihrer Ansicht nach – den im hessischen Gesetz vorgeschriebenen Grenzabstand einhielt. Laut § 39 Abs. 1 Nr. 1 NachbG HE müssen Hecken über 2 Meter Höhe einen Abstand von mindestens 0,75 Metern zur Grundstücksgrenze haben. Das OLG ging davon aus, dass dieser Abstand hier gegeben war.
Die Einstufung als „Hecke“ ist im Nachbarrecht oft ein Vorteil. In vielen Bundesländern gelten für Hecken geringere Grenzabstände als beispielsweise für Bäume oder stark wachsende Sträucher. Eine „Hecke“ zu sein, ist also nicht nur eine Beschreibung, sondern hat konkrete rechtliche Konsequenzen.
Der unterlegene Nachbar wollte sich jedoch auch damit nicht zufriedengeben und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Die Revision ist ein weiteres Rechtsmittel, bei dem das höchste deutsche Zivilgericht prüft, ob das Berufungsgericht (hier das OLG) das Recht korrekt angewendet hat. Der BGH prüft also keine neuen Tatsachen, sondern nur Rechtsfragen.
Das BGH-Urteil: Grundsatzentscheidung mit weitreichenden Folgen (V ZR 185/23)
Am 28. März 2025 verkündete der V. Zivilsenat des BGH, der unter anderem für das Nachbarrecht zuständig ist, seine Entscheidung. Sie enthält mehrere wichtige Klarstellungen:
Kernfrage 1: Gibt es ein allgemeines Höhenlimit für Hecken?
Die zentrale Frage war: Kann man aus dem Begriff „Hecke“ selbst ableiten, dass sie eine bestimmte Höhe (etwa die vom Kläger geforderten drei Meter) nicht überschreiten darf, auch wenn das Landesgesetz dazu schweigt? Der Anwalt des Klägers argumentierte mit Verweis auf frühere Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen, dass dies der Fall sei.
Der BGH erteilte dieser Ansicht eine klare Absage. Es gibt keine allgemeine, vom jeweiligen Landesgesetz unabhängige Höhenbegrenzung für Hecken. Die Richter begründeten dies ausführlich:
Allgemeiner Sprachgebrauch: Im normalen Sprachverständnis wird eine Hecke eher durch ihre Funktion definiert – sie soll abgrenzen, schützen oder Sichtschutz bieten. Eine bestimmte Höhe ist damit nicht zwingend verbunden.
Logik: Es wäre widersinnig anzunehmen, dass eine Pflanzung ihren Charakter als „Hecke“ verliert, nur weil sie über eine fiktive Grenze hinauswächst, um dann nach einem Rückschnitt wieder zur „Hecke“ zu werden.
Aufgabe des Gesetzgebers: Der BGH betonte die Gewaltenteilung. Es ist die Aufgabe der Landesgesetzgeber, die Regeln des Nachbarrechts festzulegen. Wenn ein Landesparlament bewusst keine Höhenbegrenzung für Hecken ins Gesetz schreibt (wie in Hessen, aber auch z.B. in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland), dann dürfen die Gerichte nicht einfach eine solche Grenze „erfinden“ oder in den Begriff hineininterpretieren. Andere Bundesländer haben hingegen explizite Höhenlimits in ihren Nachbarrechtsgesetzen verankert.
Diese Klarstellung ist von grundsätzlicher Bedeutung: Gerichte müssen die Gesetze anwenden, wie sie sind, und können nicht nach eigenem Ermessen Lücken füllen, die der Gesetzgeber möglicherweise bewusst gelassen hat.
Kernfrage 2: Ist Bambus eine „Hecke“ im Rechtssinne?
Der BGH bestätigte die Auffassung des OLG: Ja, auch eine Bambusanpflanzung kann eine „Hecke“ sein. Entscheidend ist nicht die botanische Klassifizierung (Gräser vs. Gehölze), sondern das äußere Erscheinungsbild. Wirkt die Anpflanzung bei natürlicher Betrachtung wie eine geschlossene Einheit mit einem gewissen „Dichtschluss“ sowie einer Höhen- und Seitenbegrenzung? Wenn ja, handelt es sich um eine Hecke im Sinne des Nachbarrechtsgesetzes.
Kernfrage 3: Wo wird die Heckenhöhe gemessen?
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage des Messpunkts, insbesondere bei Grundstücken mit unterschiedlichem Höhenniveau. Der Kläger wollte ja vom Niveau seines tieferliegenden Grundstücks messen lassen.
Auch hier stellte der BGH klar: Die Höhe einer Hecke ist grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der die Pflanzen aus dem Boden austreten – also vom Bodenniveau des Grundstücks, auf dem die Hecke wächst. Im konkreten Fall bedeutet das: Gemessen wird vom (höheren) Niveau der Aufschüttung auf dem Grundstück der Beklagten.
Eine Ausnahme gäbe es nur, wenn ein Grundstückseigentümer das Bodenniveau an der Grenze gezielt und im zeitlichen Zusammenhang mit der Pflanzung künstlich erhöht, um die Abstandsvorschriften zu umgehen. Dann wäre das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich. Da die Aufschüttung im vorliegenden Fall aber schon seit Jahrzehnten bestand, also lange vor der Bambuspflanzung, greift diese Ausnahme hier nicht.
[themifybox]Wichtig: Der BGH hat entschieden: Es gibt keine allgemeine gesetzliche Höhenbegrenzung für Hecken, die über die Regelungen der einzelnen Bundesländer hinausgeht. In Hessen existiert derzeit keine solche Begrenzung. Die Heckenhöhe wird immer vom Bodenniveau des Grundstücks gemessen, auf dem die Hecke steht, nicht vom Nachbargrundstück aus.[/themifybox]
Zurück nach Frankfurt: Warum der Streit noch nicht vorbei ist
Obwohl der BGH die wesentlichen Rechtsfragen geklärt und die Argumentation des OLG in vielen Punkten gestützt hat, ist der Nachbarschaftsstreit aus Hessen damit noch nicht endgültig entschieden. Der BGH hat das Urteil des OLG nämlich aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Frankfurt zurückverwiesen.
Der Knackpunkt: Fehlender Beweis zum Grenzabstand
Der Grund für die Zurückverweisung liegt in einem Verfahrensfehler des OLG. Die Frankfurter Richter waren fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der klagende Nachbar im Prozess zugestanden (also nicht bestritten) hätte, dass die Bambushecke den vorgeschriebenen Mindestabstand von 0,75 Metern zur Grenze einhält. Dies war aber laut BGH nicht der Fall.
Das OLG muss nun also doch noch einmal genau prüfen (ggf. durch eine amtliche Vermessung), ob die Bambuspflanzung tatsächlich den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 NachbG HE geforderten Grenzabstand von 75 Zentimetern einhält. Deutsche Präzisionsarbeit ist also weiterhin gefragt.
Was passiert, wenn der Abstand nicht stimmt?
Sollte sich bei der erneuten Prüfung herausstellen, dass der Bambus doch zu nah an der Grundstücksgrenze steht, hätte der klagende Nachbar einen Anspruch auf Beseitigung dieser Eigentumsbeeinträchtigung. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1004 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das BGB ist das zentrale Gesetzbuch des deutschen Privatrechts. § 1004 BGB gibt einem Eigentümer das Recht, die Beseitigung einer Störung seines Eigentums zu verlangen.
Im Falle einer zu nah gepflanzten Hecke wird dieser Beseitigungsanspruch in der Regel durch einen Rückschnitt erfüllt. Aber Achtung: Selbst wenn der Nachbar nun einen Anspruch auf Rückschnitt hätte, würde die zulässige Höhe weiterhin vom Bodenniveau des Grundstücks der Nachbarin (also der Aufschüttung) gemessen werden, nicht von seinem tieferen Grundstück aus.
Praktische Bedeutung für Gartenbesitzer und Nachbarn
Das BGH-Urteil hat über den konkreten Fall hinaus Bedeutung für viele Grundstückseigentümer und Nachbarn in Deutschland. Was können Sie daraus lernen?
Was bedeutet das Urteil für mein Bundesland?
Das Wichtigste zuerst: Nachbarrecht ist Ländersache! Die Gesetze, die Grenzabstände, erlaubte Heckenhöhen und andere Details regeln, sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Das BGH-Urteil bestätigt dies ausdrücklich.
Kein generelles Höhenlimit: Wenn Ihr Bundesland – wie Hessen, NRW oder das Saarland – keine explizite Höhenbegrenzung für Hecken im Nachbarrechtsgesetz vorsieht, dann gibt es auch keine allgemeine Grenze (wie z.B. 3 Meter), auf die Sie sich berufen können.
Prüfen Sie Ihr Landesgesetz: Bevor Sie eine Hecke pflanzen oder sich über die Hecke des Nachbarn beschweren, sollten Sie unbedingt einen Blick in das Nachbarrechtsgesetz (NachbG) Ihres Bundeslandes werfen. Dort finden Sie die spezifischen Vorschriften zu Grenzabständen und eventuellen Höhenbegrenzungen. Diese Gesetze sind meist online verfügbar.
Bundesländer mit Höhenlimits: Viele andere Bundesländer (z.B. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz) haben durchaus konkrete Höhenlimits für Hecken im Gesetz verankert, oft gestaffelt nach dem Grenzabstand.
Der Grenzabstand: Das A und O im Nachbarrecht
Unabhängig von der Höhe ist der korrekte Grenzabstand fast immer der entscheidende Punkt im Nachbarrecht. Das BGH-Urteil unterstreicht dies, indem es den Fall genau wegen dieser Frage an das OLG zurückverweist.
Messen vor dem Pflanzen: Messen Sie den Abstand zur Grundstücksgrenze genau aus, bevor Sie pflanzen. Orientieren Sie sich dabei an den Vorschriften Ihres Landesnachbarrechtsgesetzes. Der Abstand wird in der Regel von der Mitte des Stammes bzw. des Pflanzlochs bis zur Grenze gemessen.
Unterschiedliche Abstände: Beachten Sie, dass für unterschiedliche Pflanzenarten (Hecken, Bäume, Sträucher) und oft auch für unterschiedliche Wuchshöhen verschiedene Mindestabstände gelten können.
Konsequenzen bei Verstößen: Halten Sie den vorgeschriebenen Abstand nicht ein, kann Ihr Nachbar in der Regel die Beseitigung bzw. den Rückschnitt der Pflanze verlangen (§ 1004 BGB in Verbindung mit dem jeweiligen Landesnachbarrecht). Dieser Anspruch unterliegt jedoch oft einer Verjährungsfrist (häufig 5 Jahre ab Pflanzung oder ab dem Zeitpunkt, an dem die unzulässige Höhe/Nähe erreicht wird).
Wenn die Hecke trotzdem stört: das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis
Was aber, wenn die Hecke zwar alle gesetzlichen Vorschriften (Abstand, ggf. Höhe) einhält, aber den Nachbarn trotzdem unzumutbar beeinträchtigt – zum Beispiel durch extremen Schattenwurf oder weil sie erdrückend wirkt?
Hier kommt das sogenannte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ins Spiel. Das ist ein Rechtsprinzip, das aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitet wird und die Nachbarn zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. In ganz besonderen Ausnahmefällen kann dieses Prinzip dazu führen, dass ein Nachbar auch dann Maßnahmen (z.B. einen Rückschnitt) verlangen kann, wenn die Hecke eigentlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Allerdings betonte der BGH auch in diesem Urteil: Die Hürden dafür liegen sehr hoch. Es muss sich um ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigungen handeln. Eine normale Verschattung oder das Gefühl, die Hecke sei „zu hoch“, reicht dafür in der Regel nicht aus, wenn die landesrechtlichen Vorschriften eingehalten werden.
Typische Fallbeispiele für Nachbarschaftsstreitigkeiten rund um Pflanzen
Der Fall der hessischen Bambushecke ist nur ein Beispiel. Hier einige andere typische Konflikte:
Überhang: Äste eines Baumes oder Strauches wachsen über die Grundstücksgrenze. Der Nachbar darf sie in der Regel selbst abschneiden (Selbsthilferecht nach § 910 BGB), muss dem Eigentümer aber meist vorher eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen.
Wurzeln: Wurzeln dringen ins Nachbargrundstück ein und beschädigen z.B. Wege oder Leitungen. Auch hier gibt es unter bestimmten Voraussetzungen ein Beseitigungsrecht (§ 910 BGB).
Schattenwurf: Ein hoher Baum oder eine Hecke wirft übermäßigen Schatten auf das Nachbargrundstück (z.B. Terrasse, Solarpanel). Ansprüche sind hier oft schwer durchzusetzen, wenn die Pflanze die Abstandsregeln einhält, außer in extremen Fällen über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis.
Laub- und Fruchtabfall: Herabfallendes Laub, Nadeln oder Früchte vom Nachbarbaum müssen in der Regel hingenommen werden (gilt als ortsübliche Beeinträchtigung), es sei denn, das Ausmaß ist extrem und unzumutbar.
Was tun bei Ärger mit der Nachbarshecke?
Wenn Sie Probleme mit der Hecke Ihres Nachbarn haben oder Ihr Nachbar sich über Ihre Hecke beschwert, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- Das Gespräch suchen: Der erste und wichtigste Schritt sollte immer ein ruhiges, sachliches Gespräch mit dem Nachbarn sein. Oft lassen sich Missverständnisse ausräumen und Kompromisse finden.
- Landesnachbarrecht prüfen: Informieren Sie sich über die geltenden Regeln in Ihrem Bundesland (Grenzabstand, ggf. Höhenlimit, Verjährungsfristen).
- Schlichtung versuchen: Bevor Sie vor Gericht ziehen, ist in vielen Bundesländern bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ein Schlichtungsverfahren vorgeschrieben oder zumindest empfehlenswert. Eine neutrale Schlichtungsperson versucht, eine außergerichtliche Einigung zu vermitteln. Informationen dazu gibt es oft bei den Amtsgerichten oder den Kommunen.
- Rechtliche Beratung einholen: Wenn alle anderen Versuche scheitern, können Sie einen auf Nachbarrecht spezialisierten Rechtsanwalt konsultieren. Dieser kann Ihre rechtlichen Optionen prüfen und Sie gegebenenfalls vor Gericht vertreten.
Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
Das BGH-Urteil zum hessischen Bambusstreit liefert wichtige Erkenntnisse für alle Gartenbesitzer und Nachbarn:
Kein allgemeines Höhenlimit: Der BGH stellt klar, dass es keine deutschlandweit gültige, aus dem Begriff „Hecke“ abgeleitete Höhenbegrenzung gibt.
Landesrecht entscheidet: Ob und welche Höhenlimits für Hecken gelten, hängt allein vom Nachbarrechtsgesetz des jeweiligen Bundeslandes ab. Hessen hat derzeit keine explizite Begrenzung.
Bambus kann eine Hecke sein: Auch Bambus kann rechtlich als Hecke gelten, wenn er ein entsprechend geschlossenes Erscheinungsbild hat.
Messpunkt ist entscheidend: Die Höhe wird immer vom Boden des Grundstücks gemessen, auf dem die Pflanze steht.
Grenzabstand ist zentral: Die Einhaltung der gesetzlichen Grenzabstände ist entscheidend. Verstöße können zu einem Beseitigungs- bzw. Rückschnittanspruch führen (§ 1004 BGB).
Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis als Ausnahme: Nur in extremen Härtefällen kann über das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ein Anspruch bestehen, auch wenn die gesetzlichen Regeln eingehalten werden.
Kommunikation ist der Schlüssel: Bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Nachbarn.
Abschließender Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Er kann eine individuelle rechtliche Prüfung und Beratung durch einen Rechtsanwalt im Einzelfall nicht ersetzen. Die Gesetze und Rechtsprechung können sich zudem ändern. Gerne Beraten wir Sie im Nachbarrecht.