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Streitverkündung – Unstatthaft – keine Zustellung

In einem kürzlichen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wurde eine Streitverkündung im Bauprozess für unzulässig erklärt, da sie sich gegen eine bereits am Prozess beteiligte Partei richtete. Demnach ist eine Streitverkündung gemäß § 72 Abs. 1 ZPO nur gegenüber einem Dritten zulässig.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 W 13/24

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Streitverkündung eines Nebenintervenienten an den Beklagten als bereits Partei im Hauptprozess ist unstatthaft, da sich die Streitverkündung nur gegen Dritte richten kann.
  • Eine Ausnahme für Gesamtschuldner als Streitgenossen besteht nicht; diese gelten im Verhältnis zueinander als Dritte.
  • Der Nebenintervenient ist bereits durch seinen Beitritt auf Klägerseite am Prozess beteiligt und kann dessen Interessen verfolgen.
  • Das Risiko zweier verlorener Prozesse besteht für den Nebenintervenienten nicht, da er nicht Partei des Hauptprozesses ist.
  • Die Ablehnung der Streitverkündung stellt keine prozessuale Ungleichbehandlung dar, da unterschiedliche Konstellationen vorliegen.
  • Die Streitverkündung dient nicht dazu, eine Partei auf die andere Seite ziehen zu wollen.
  • Eine verjährungshemmende Wirkung ist für den Nebenintervenienten nicht erforderlich, da bereits sein Beitritt diese Wirkung entfaltet.
  • Das Gericht prüft die Zulässigkeit der Streitverkündung ausnahmsweise bereits im Hauptprozess, wenn diese offensichtlich unstatthaft ist.

Streitverkündung im Bauprozess: OLG Frankfurt entscheidet über Zulässigkeit

Streitverkündung im Bauwesen
(Symbolfoto: M. Schuppich /Shutterstock.com)

Eine Streitverkündung ist ein wichtiges Rechtsinstitut im deutschen Zivilprozessrecht. Sie ermöglicht es einer Partei eines Rechtsstreits, einen Dritten zur Beteiligung an dem Verfahren aufzufordern. Dadurch können potenzielle Haftungsrisiken und spätere Folgeprozesse vermieden werden. Allerdings gibt es bestimmte gesetzliche Voraussetzungen, die beachtet werden müssen, damit eine Streitverkündung zulässig ist.

So darf sich die Streitverkündung beispielsweise nicht gegen eine bereits am Prozess beteiligte Partei richten. Vielmehr muss es sich um einen Dritten handeln, der nicht bereits Partei des Verfahrens ist. Auch die Frage, ob ein Gesamtschuldverhältnis besteht, das eine Streitverkündung rechtfertigen könnte, ist dabei zu berücksichtigen.

Im Folgenden soll ein Gerichtsurteil vorgestellt werden, das sich mit der Frage der Zulässigkeit einer Streitverkündung in einem konkreten Fall auseinandersetzt. Dabei werden die wesentlichen Aspekte, die für die gerichtliche Entscheidung maßgeblich waren, erläutert.

Der Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Detail

Streitverkündung im Bauprozess für unzulässig erklärt

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ging es um die Frage der Zulässigkeit einer Streitverkündung im Zusammenhang mit einem Bauprozess. Im konkreten Fall hatte ein Kläger gegen einen Bauunternehmer Schadensersatz geltend gemacht, da es an seiner Immobilie zu Wasserschäden gekommen war. Hierbei ging es insbesondere um die Frage, ob die Anlage über einen längeren Zeitraum nicht in Betrieb genommen werden konnte und ob eine unzureichende Beratung des Bauunternehmers zu der Problematik mit Kupferrohrleitungen vorlag.

Der Kläger hatte dem Architekten, der das Bauvorhaben betreut hatte, den Streit verkündet. Im weiteren Verlauf verkündete auch der Beklagte dem Architekten den Streit mit der Begründung, dass dieser das Bauvorhaben geplant und überwacht hatte. Es könnten daher Gesamtschuldnerinnenausgleichsansprüche im Falle einer Verurteilung des Bauunternehmers in Betracht kommen. Der Architekt trat dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers bei und verkündete seinerseits dem Beklagten den Streit, mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit ebenfalls auf Seiten des Klägers beizutreten.

Streitverkündung nur gegenüber nicht am Prozess beteiligten Dritten

Das Landgericht wies die Streitverkündung des Architekten zurück, da diese sich gegen eine bereits am Prozess beteiligte Partei richtete. Der Architekt legte daraufhin Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Beschwerde zurück.

Das Gericht stellte fest, dass eine Streitverkündung gemäß § 72 Abs. 1 ZPO nur gegenüber einem Dritten zulässig ist. Dies gelte auch für die Möglichkeit der weiteren Streitverkündung durch den Dritten gemäß § 72 Abs. 3 ZPO. Demnach sei eine Streitverkündung gegenüber Nicht-Dritten, wie den Parteien selbst oder weiteren in § 72 Abs. 2 ZPO normierten Ausnahmen, unstatthaft.

Gesamtschuldner im Bauprozess als Dritte im Sinne der Zivilprozessordnung

Das Gericht führte aus, dass zwar zwei als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Beklagte sich mit Blick auf den im Folgeprozess in Betracht kommenden Gesamtschuldnerausgleich den Streit verkünden können, obwohl sie jeweils Parteien des Hauptprozesses sind. Die im Bauprozess häufig vorkommende einfache Streitgenossenschaft – z.B. bei Inanspruchnahme des ausführenden Bauunternehmers und des planenden bzw. objektüberwachenden Architekten – begründe aber für die Frage, wer „Dritter“ i.S.d. § 72 Abs. 2 ZPO ist, insoweit keine Ausnahme. Denn die einfachen Streitgenossen seien im Verhältnis zueinander Dritte in diesem Sinne.

Im vorliegenden Fall habe der Kläger den Architekten jedoch nicht als Gesamtschuldner mit dem Beklagten in Anspruch genommen, sodass die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits fehle. Der Zweck der Streitverkündung liege darin, den Streitverkünder vor dem Risiko zu bewahren, sowohl den Vorprozess als auch den Folgeprozess zu verlieren, obwohl er nach der materiell-rechtlichen Lage zumindest einen der Prozesse gewinnen müsste. Auch diene die Streitverkündung der Prozessökonomie sowie der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen. Hiervon ausgehend bestehe in der vorliegenden Konstellation kein Raum für eine Streitverkündung.

Keine prozessuale Ungleichbehandlung – Architekt kann durch Beitritt Prozess beeinflussen

Das Gericht stellte fest, dass der Architekt durch seinen Beitritt auf Klägerseite seine Rechte mit Blick auf sein Interesse, dass die Klage des Klägers gegen den Beklagten Erfolg hat, verfolgen kann. Es liege auch keine prozessuale Ungleichbehandlung vor, da der Architekt im Verhältnis zum Beklagten mit Blick auf dessen Streitverkündung nicht Partei des Rechtsstreits sei.

Der Nebenintervenient hatte indes bereits zum Zeitpunkt der Streitverkündung durch den Kläger die Wahl, auf welcher Seite er dem Rechtsstreit betreten möchte. Er ist nach seinem Beitritt an dem Rechtsstreit beteiligt und unterstützt die Klagepartei und kann auf den Prozessverlauf entsprechenden Einfluss nehmen, sodass auch insoweit keine prozessuale Ungleichbehandlung vorliegt.

✔ FAQ zum Thema: Zulässigkeit einer Streitverkündung im Bauprozess


Was ist eine Streitverkündung und wann wird sie angewendet?

Eine Streitverkündung ist ein Verfahren im Zivilprozessrecht, bei dem eine Partei eines laufenden Rechtsstreits einen Dritten über den Prozess informiert. Sie wird angewendet, wenn die Partei befürchtet, im Falle einer für sie ungünstigen Entscheidung Ansprüche gegen den Dritten geltend machen zu müssen.

Die Streitverkündung dient dazu, den Dritten in den Prozess einzubeziehen und ihm die Möglichkeit zu geben, dem Rechtsstreit beizutreten. Tritt der Dritte bei, erlangt er die Stellung eines Nebenintervenienten. Selbst wenn er nicht beitritt, bindet das Urteil den Dritten aufgrund der sogenannten Interventionswirkung nach § 68 ZPO. Der Dritte kann dann im späteren Regressprozess nicht mehr behaupten, der ursprüngliche Rechtsstreit sei falsch entschieden worden.

Eine Streitverkündung ist zulässig, wenn die Partei glaubt, im Falle einer für sie ungünstigen Entscheidung einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen den Dritten zu haben. Sie muss in Form eines Schriftsatzes erfolgen, der dem Dritten zugestellt und der Gegenseite bekannt gegeben wird.


Welche Rolle spielt der Dritte bei einer Streitverkündung?

Bei einer Streitverkündung hat der Dritte folgende Rolle und Möglichkeiten:

Der Dritte kann dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten, um eine der Parteien zu unterstützen (§ 74 Abs. 1 ZPO). Durch den Beitritt erlangt er die Stellung eines Nebenintervenienten mit den entsprechenden Rechten und Pflichten. Er kann dann Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, Beweisanträge stellen etc.

Tritt der Dritte nicht bei, wird der Prozess ohne seine Beteiligung fortgesetzt (§ 74 Abs. 2 ZPO). In beiden Fällen – Beitritt oder Nichtbeitritt – tritt jedoch die sogenannte Interventionswirkung nach § 68 ZPO ein.

Die Interventionswirkung bedeutet, dass der Dritte im Verhältnis zur streitverkündenden Partei an die tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen des Urteils im Vorprozess gebunden ist. Er kann im späteren Regressprozess nicht mehr behaupten, der ursprüngliche Rechtsstreit sei falsch entschieden worden.

Durch die Streitverkündung wird zudem die Verjährung von Ansprüchen zwischen Streitverkünder und Drittem gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB), solange der Vorprozess anhängig ist.

Der Dritte hat somit die Möglichkeit, sich aktiv am Prozess zu beteiligen, muss dies aber nicht. Die Interventionswirkung tritt unabhängig von einem Beitritt ein und bindet ihn an wesentliche Ergebnisse des Vorprozesses.


Was bedeutet es, wenn ein Architekt dem Rechtsstreit beitritt?

Wenn ein Architekt einem Rechtsstreit beitritt, hat das folgende Bedeutung:

Wenn der Architekt als Streitverkündeter dem Rechtsstreit beitritt, erlangt er die Stellung eines Nebenintervenienten (§ 74 Abs. 1 ZPO). Als Nebenintervenient kann er dann Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, Beweisanträge stellen etc., um seine Rechtsposition zu vertreten.

Selbst wenn der Architekt nicht aktiv beitritt, tritt die sogenannte Interventionswirkung nach § 68 ZPO ein. Das bedeutet, dass der Architekt im Verhältnis zur streitverkündenden Partei an die tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen des Urteils gebunden ist.

Er kann im späteren Regressprozess nicht mehr behaupten, der ursprüngliche Rechtsstreit sei falsch entschieden worden. Die Interventionswirkung bindet ihn also an wesentliche Ergebnisse des Vorprozesses.

Durch die Streitverkündung wird zudem die Verjährung von Ansprüchen zwischen der Partei und dem Architekten gehemmt, solange der Vorprozess anhängig ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).

Der Beitritt des Architekten ermöglicht es ihm also, seine Rechte aktiv zu vertreten. Selbst ohne Beitritt ist er aber an zentrale Ergebnisse gebunden. Die Streitverkündung dient der Rechtssicherheit für alle Beteiligten.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 72 ZPO (Zivilprozessordnung) – Streitverkündung: Regelung des Verfahrens der Streitverkündung im deutschen Zivilprozessrecht. Ein Hauptprozesspartei kann einem Dritten den Streit verkünden, um diesen für den Fall einer Inanspruchnahme im Hauptprozess in Regress nehmen zu können. Im vorliegenden Fall richtete sich die Streitverkündung von Seiten des Nebenintervenienten gegen den Beklagten, was laut Landgericht unzulässig ist, da gemäß § 72 ZPO ein Dritter eine von den Hauptparteien verschiedene Rechtspersönlichkeit sein muss.
  • § 67 ZPO – Nebenintervention: Erlaubt einer Person, die ein rechtliches Interesse am Ausgang eines Prozesses hat, diesem als Nebenintervenient beizutreten. Im beschriebenen Fall trat der Nebenintervenient dem Rechtsstreit bei, um seine Interessen in Verbindung mit möglichen Regressansprüchen zu wahren.
  • Gesamtschuldnerische Haftung: Rechtliches Konstrukt, bei dem mehrere Parteien gemeinsam für denselben Schaden haftbar gemacht werden können und der Geschädigte jeden der Schuldner für den gesamten Schaden in Anspruch nehmen kann. Dieses Konzept ist relevant, da sowohl der Kläger als auch der Beklagte potenzielle Ansprüche gegeneinander bzw. gegen den Nebenintervenienten prüfen, was die Durchführung von Dichtigkeitsprüfungen und die Überwachung der Baumaßnahmen betrifft.
  • Negative Feststellungsklage: Ermöglicht es dem Kläger, die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zu erreichen, hier im Kontext der Vermeidung der Verjährung von Ansprüchen im Rahmen eines Gesamtschuldnerverhältnisses. Der Nebenintervenient erwägt diese Option als Alternative zur Streitverkündung, um seine Rechte zu sichern, wenn die Streitverkündung als unzulässig bewertet wird.
  • Beschluss des Landgerichts und des Oberlandesgerichts: Hier wird die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit der Streitverkündung dargestellt und das Verfahrensrecht angewendet. Die Entscheidungen der Gerichte (Landgericht Hanau und OLG Frankfurt) zeigen die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die Einschätzung der Unzulässigkeit der Streitverkündung an eine bereits im Hauptprozess beteiligte Partei.


➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main

OLG Frankfurt – Az.: 21 W 13/24 – Beschluss vom 18.03.2024

In der Beschwerdesache hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 21. Zivilsenat – am 18.03.2024 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Landgerichts Hanau vom 16.01.2024 wird zurückgewiesen.

Der Nebenintervenient hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 19.250, – Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Nebenintervenient begehrt die Zustellung seiner Streitverkündungsschrift an den Beklagten.

Im Hauptprozess macht der Kläger gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit an seiner Immobilie ### entstandenen Wasserschäden geltend. Der Kläger hatte den Beklagten mit verschiedenen Arbeiten insbesondere im Zusammenhang mit der Be- und Entwässerung sowie der Installation von Sanitärobjekten beauftragt. Der Nebenintervenient hatte den Bau und die Ausstattung des Objektes für den Kläger als Architekt betreut. Nach Fertigstellung der Arbeiten kam es zu Leckagen an den von den Beklagten eingebrachten Kupferrohrleitungen. Als Ursache macht der Kläger geltend, dass die Anlage über einen Zeitraum von ca. einem Jahr nicht in Betrieb genommen werden konnte und kein regelmäßiger Wasseraustausch an den Entnahmestellen stattgefunden hätte. Auf die Notwendigkeit eines regelmäßigen Wasseraustausches im Zusammenhang mit Kupferrohren sei er von dem Beklagten nicht hingewiesen worden.

Der Kläger hat mit Einreichung der Klage mit weiterem Schriftsatz vom 12.06.2023 dem Nebenintervenienten den Streit verkündet mit der Begründung, dass dieser das Bauvorhaben betreut habe.

Der Beklagte hat seinerseits mit Schriftsatz vom 06.10.2023 dem Nebenintervenienten den Streit verkündet. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, der Nebenintervenient habe das Bauvorhaben geplant und die Ausführung durch ihn überwacht. So seien die Dichtigkeitsprüfungen nach Fertigstellung der Arbeiten in seinem Beisein vorgenommen worden. Es kämen daher für den Fall seiner Verurteilung Gesamtschuldnerinnenausgleichsansprüche in Betracht. Der Nebenintervenient hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2023 erklärt, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten.

Sodann hat der Nebenintervenient mit Schriftsatz vom 29.12.2023 dem Beklagten den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten.

Das Landgericht hat die Streitverkündungsschrift an den Beklagten nicht zugestellt, sondern mit Verfügung vom 04.01.2024 darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung der Streitverkündung wegen Unzulässigkeit beabsichtigt sei, da sich diese gegen eine Partei des Hauptprozesses richte. Der Nebenintervenient hat hierzu die Auffassung vertreten, bereits die Streitverkündung durch den Kläger an ihn sei mit Blick auf die allein in Betracht kommende potentielle gesamtschuldnerische Haftung unzulässig gewesen und gleichwohl zugestellt worden. Nach seinem Beitritt habe er das Recht auf eine weitere Streitverkündung gemäß § 72 Abs. 3 ZPO, welche insbesondere gegenüber einem potentiellen Gesamtschuldner zulässig sei. Nach der Auffassung des Landgerichts könne der Beklagte zwar ihm den Streit verkünden, nicht aber er diesem. Dies würde eine unzulässige Beschränkung seiner Möglichkeiten darstellen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.01.2024 die Streitverkündung des Nebenintervenienten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zulässigkeit der Streitverkündung sei ausnahmsweise bereits im Erstprozess zu prüfen, wenn diese schon unstatthaft sei. Es mangele vorliegend an einer Streitverkündung im Rechtssinne. Dritter i.S.d. § 72 ZPO könne nur eine von den Parteien des Rechtsstreits verschiedene Rechtspersönlichkeit sein. Die Streitverkündung des Nebenintervenienten richte sich gegen den Beklagten des Erstprozesses. Das Gesetz sehe eine Streitverkündung gegenüber der Partei gerade nicht vor. Dies leuchte ein, wenn man sich den Zweck der Streitverkündung – Benachrichtigung eines nicht beteiligten Dritten – vor Augen führe. Auf die Frage eines potentiellen Gesamtschuldnerverhältnisses zwischen hiesigem Nebenintervenienten und hiesigem Beklagten komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Gegen diesen Beschluss, der dem Nebenintervenienten am 17.01.2024 zugestellt worden ist, hat dieser am 31.01.2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Er beantragt, das Landgericht zu verpflichten, die Streitverkündungsschrift an den Beklagten zuzustellen.

Die Streitverkündung an einen potentiellen Gesamtschuldner sei zulässig. Er sei als Streitverkündungsempfänger zu einer weiteren Streitverkündung unabhängig von seinem Beitritt berechtigt. Die Entscheidung würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass der Beklagte ihm den Streit verkünden dürfe, er aber umgekehrt nicht. Wenn die Streitverkündung unzulässig wäre, müsse er eine verjährungshemmende – negative Feststellungsklage – mit Blick auf einen etwaigen Gesamtschuldnerinnenausgleich erheben. Das Institut der Streitverkündung solle aber gerade auch die Multiplikation von Klagen verhindern.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 02.02.2024 nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Nebenintervenient verkenne die Funktionsweise und Reichweite der Streitverkündung. Die beabsichtigte Streitverkündung gegenüber dem Beklagten mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten, laufe bereits sprachlich dem Sinn und Zweck der Streitverkündung zuwider. Der Beklagte sei an das Ergebnis des Prozesses bereits kraft seiner Parteistellung gebunden. Im Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Nebenintervenienten trete eine Bindung des Nebenintervenienten an das Ergebnis des Prozesses im Falle des Unterliegens des Beklagten aufgrund der diesem gegenüber erklärten Streitverkündung ein.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).

2. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Zustellung der Streitverkündungsschrift abgelehnt.

Zwar ist grundsätzlich die Frage der Zulässigkeit der Streitverkündung nicht im Hauptprozess, sondern erst im Folgeprozess zwischen dem Streitverkünder und dem Streitverkündungsempfänger zu prüfen. Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn die Streitverkündung bereits nicht statthaft ist. Dies ist der vorliegend der Fall, weil sich die Streitverkündung gegen den Beklagten als Partei richtet, ohne dass die Voraussetzungen für eine Streitverkündung zwischen Streitgenossen vorliegen.

Gemäß § 72 Abs. 1 ZPO kann die Streitverkündung nur einem Dritten gegenüber erklärt werden. Dies gilt auch für die nach § 72 Abs. 3 ZPO gegebene Möglichkeit der weiteren Streitverkündung durch den – streitverkündeten – Dritten. Entsprechend ist eine Streitverkündung gegenüber Nicht-Dritten schon nicht statthaft. Keine Dritten in diesem Sinne sind – insoweit bereits denklogisch – die Parteien selbst (BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – VI ZB 31/09) sowie die in § 72 Abs. 2 ZPO normierten Ausnahmen. Eine bereits unstatthafte Streitverkündung muss nicht zugestellt werden (BGH, NJW 2017, 3718; OLG Dresden, Beschluss vom 07.01.2021 – 6 W 832/20).

Die Streitverkündung des Nebenintervenienten an den Beklagten als Partei des Rechtsstreits ist daher bereits unstatthaft.

Zutreffend ist zwar, dass zwei als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Beklagten sich mit Blick auf den im Folgeprozess in Betracht kommenden Gesamtschuldnerausgleich den Streit verkünden können, obwohl sie jeweils Parteien des Hauptprozesses sind. Dies ist zudem erforderlich, weil die Rechtskraft des Hauptprozesses ohne die Streitverkündung zwischen den Streitgenossen keine Rechtskraftwirkung entfaltet (BGH, Urteil vom 20.11.2018 – VI ZR 294/17; Geiget/Bacher, Haftpflichtprozess, 2024, Kapitel 38, Rn. 170).

Die im Bauprozess häufig vorkommende einfache Streitgenossenschaft – z.B. bei Inanspruchnahme des ausführenden Bauunternehmers und des planenden bzw. objektüberwachenden Architekten – begründet aber für die Frage, wer „Dritter“ i.S.d. § 72 Abs. 2 ZPO insoweit keine Ausnahme. Denn die einfachen Streitgenossen sind im Verhältnis zueinander Dritte in diesem Sinne. Bei der einfachen Streitgenossenschaft handelt es sich nur um die Verbindung mehrere Einzelprozesse, welche aber insoweit selbständig bleiben, als jeder Streitgenosse seinen Prozess führt und eine Entscheidung nur im Verhältnis der jeweils am Einzelprozess beteiligten Parteien wirkt (vgl. § 61 ZPO; Sacher, „Die Streitverkündung – ausgewählte Rechtsprobleme“, BauR 2024, S.385,386). Betrachtet man die Prozessrechtsverhältnisse zweier gesamtschuldnerisch verklagter Streitgenossen gesondert, so ist der einzelne Streitgenosse Partei im Verhältnis zur klagenden Partei, der andere – als Gesamtschuldner in Anspruch genommene – Streitgenosse insoweit aber Dritter. Denn es handelt sich um zwei selbständige Prozessrechtsverhältnisse, die lediglich in einem Verfahren verbunden sind.

Eine solche Konstellation ist aber vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat den Nebenintervenienten im Hauptverfahren nicht als Gesamtschuldner mit dem Beklagten in Anspruch genommen. Insoweit fehlt bereits die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits i.S.d. § 72 Abs. 1 ZPO.

Der Zweck der Streitverkündung i.S.d. § 72 Abs. 1 ZPO ist darauf gerichtet, den Streitverkünder vor dem Risiko zu bewahren, sowohl den Vorprozess als auch den Folgeprozess zu verlieren, obgleich er nach der materiell-rechtlichen Lage zumindest einen der Prozesse gewinnen müsste (BGH, Urteil vom 07.05.2015 – VII ZR 104/14). Des Weiteren dient die Streitverkündung auch der Prozessökonomie sowie der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen (BGHZ 100, 257). Hiervon ausgehend besteht in der vorliegenden Konstellation kein Raum für eine Streitverkündung.

Der Nebenintervenient unterliegt schon nicht dem Risiko, zwei Prozesse zu verlieren, da er an dem Vor- (bzw. Haupt-) Prozess nicht als Partei beteiligt ist.

Letztlich ist auch nicht ersichtlich, welche Bindungswirkung die die Entscheidung tragenden Feststellungen im Hauptverfahren in Bezug auf einen etwaigen Gesamtschuldnerinnenausgleich haben könnten, da das Hauptverfahren sich nicht gegen Gesamtschuldner richtet. Hingegen kann der Nebenintervenient bereits durch seinen Beitritt auf Klägerseite seine Rechte mit Blick auf sein Interesse, dass die Klage des Klägers gegen den Beklagten Erfolg hat, verfolgen.

Es liegt auch keine prozessuale Ungleichbehandlung vor. Der Nebenintervenient ist im Verhältnis zum Beklagten mit Blick auf dessen Streitverkündung nicht Partei des Rechtsstreits. Für den Beklagten ergibt sich das rechtliche Interesse an der Streitverkündung gegenüber dem Nebenintervenienten mit Blick auf einen etwaigen Gesamtschuldnerausgleich bereits wegen der verjährungshemmenden Wirkung der Streitverkündung. Zur Abwehr des etwaigen von der Beklagten ihm gegenüber geltend gemachten Ausgleichsanspruchs ist eine Verjährungshemmung indes bereits nicht erforderlich.

Letztlich zeigt – wie das Landgericht in dem Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat – bereits der Umstand, dass der Nebenintervenient den Beklagten den Streit verkündet um diesen zum Beitritt auf der Klägerseite zu veranlassen, dass in dieser Konstellation die Regelungen des § 72 ZPO nicht greifen können.

Der Nebenintervenient hatte mit Blick auf die ihm gegenüber ausgesprochenen Streitverkündungen die Wahl, ob er dem Rechtsstreit beitritt und ggf. auf welcher Seite. Mit seinem Beitritt auf Klägerseite steht er nunmehr im Lager des Klägers. Der Beklagte als Streitverkündungsempfänger des Nebenintervenienten kann jedoch nicht auf Seiten des Klägers beitreten, da er sich nicht in Widerspruch zu dessen Handlungen setzen dürfte und damit eine Verteidigung nicht möglich wäre. Nichts Anderes würde sich für einen Beitritt auf Seiten des Nebenintervenienten geben, der dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten ist und insoweit ebenfalls nicht im Widerspruch zu dessen Vorbringen treten kann. In beiden Konstellationen ist eine Unterstützung der Hauptpartei nicht möglich, so dass auch ein rechtliches Interesse für den Beitritt i.S.d. § 66 ZPO fehlen würde. Der Beklagte könnte daher auf die Streitverkündung schon nicht mit einem Beitritt reagieren und wäre gleichwohl den Wirkungen des § 74 ZPO ausgesetzt. Der Nebenintervenient hatte indes bereits zum Zeitpunkt der Streitverkündung durch den Kläger die Wahl, auf welcher Seite er dem Rechtsstreit betreten möchte. Er ist nach seinem Beitritt an dem Rechtsstreit beteiligt und unterstützt die Klagepartei und kann auf den Prozessverlauf entsprechenden Einfluss nehmen, so dass auch insoweit keine prozessuale Ungleichbehandlung vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 47 GKG. Gegenstand des Hauptprozesses ist ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten in Höhe von ca. 77.000, – Euro. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage, ob die Streitverkündungsschrift zuzustellen ist mit Blick auf die Abwehr eines potentiellen Gesamtschuldnerausgleichs. Im Hinblick darauf bemisst der Senat das Interesse gemäß § 3 ZPO mit einem Bruchteil der Hauptforderung von 25 %, ausgehend von einer regelmäßig niedrigeren Haftungsquote des Architekten im Verhältnis zum bauausführenden Unternehmer, soweit – nur – ein Überwachungsverschulden vorliegen würde. Ein Planungsverschulden wäre bereits im Wege des Mitverschuldens auf Klägerseite zu berücksichtigen und insoweit schon nicht potentieller Gegenstand eines etwaigen anschließenden Gesamtschuldnerausgleichs (Werner/Pastor/Frechen, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 2488, 2493).

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