Übersicht:
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 17.05.2024
- Aktenzeichen: 6 O 14/24
- Verfahrensart: Streitwertbeschwerdeverfahren im selbständigen Beweisverfahren
- Rechtsbereiche: Verfahrensrecht, Verwaltungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Die Antragstellerin: Sie verfolgt einen vertraglichen Gewährleistungsanspruch aus einem städtebaulichen Vertrag bezüglich Mängeln an Erschließungsanlagen.
- Die Antragsgegnerin: Übertragen mit der Errichtung der Erschließungsanlagen, bestreitet die behaupteten Mängel und die daraus resultierenden Kosten für die Mängelbeseitigung.
- Beigeladene zu 1: Unterstützt die Antragstellerin in der Argumentation zur Streitwertfestsetzung.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Antragstellerin beantragte eine Feststellung der Mängel an Erschließungsanlagen durch ein Selbständiges Beweisverfahren. Das Verwaltungsgericht hatte den Streitwert zunächst mit einem Auffangwert festgesetzt, was die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1 angefochten haben. Sie argumentierten, dass der Streitwert die Mängelbeseitigungskosten abbilden sollte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Bestimmung des korrekten Streitwertes für das selbständige Beweisverfahren. Es war umstritten, ob der Streitwert den mit dem Mängelbeseitigungsaufwand verbundenen potenziellen Hauptsachewert widerspiegeln sollte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Streitwert für das Beweisverfahren wurde auf 668.592,26 Euro erhöht.
- Begründung: Der Streitwert sei gemessen an dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin zu bestimmen, welches sich aus den Kosten für die Mängelbeseitigung ergibt. Die früher festgesetzte Summe hätte das wirtschaftliche Risiko nicht angemessen widergespiegelt. Der ursprüngliche Ansatz des Verwaltungsgerichts führte zu einem falsch bemessenen Streitwert, da es auf den Auffangwert zurückgegriffen hatte, obwohl die Anhaltspunkte für eine konkrete Streitwertfestsetzung vorlagen.
- Folgen: Der Beschluss ist unanfechtbar. Die Antragstellerin und die Beigeladene erhalten nun keinen Kostenersatz, profitieren jedoch indirekt durch eine höhere Bemessung ihrer Anwaltsgebühren aufgrund des erhöhenden Streitwerts. Die Entscheidung verdeutlicht die Prämisse, dass der Streitwert den potenziellen Anspruch und das objektive Interesse der Antragstellenden spiegeln sollte.
Streitwertfestsetzung im selbständigen Beweisverfahren: Ein wegweisendes Urteil
Das selbständige Beweisverfahren ist ein wichtiges rechtliches Instrument in Zivilprozessen, das Parteien die Möglichkeit gibt, Beweise vor einem eigentlichen Rechtsstreit zu sichern. Die Streitwertfestsetzung spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie nicht nur die Kosten beeinflusst, sondern auch die Bedeutung des Verfahrens und möglicher Ansprüche rechtlich definiert.
Für Rechtsuchende ist das Verständnis der Streitwertberechnung im Beweisverfahren entscheidend, da sie Aufschluss über potenzielle finanzielle Belastungen und die Erfolgsaussichten eines möglichen Rechtsstreits gibt. Die gerichtliche Streitwertfestsetzung berücksichtigt dabei verschiedene Faktoren wie Schadenshöhe, wirtschaftliche Bedeutung und individuelle Umstände des Falles.
Der folgende Beitrag widmet sich einem konkreten Gerichtsurteil, das grundlegende Fragen zur Streitwertfestsetzung im selbständigen Beweisverfahren beleuchtet und wichtige Orientierung für Rechtsanwälte und Mandanten bietet.
Der Fall vor Gericht
Streitwertfestsetzung bei selbstständigem Beweisverfahren für Erschließungsanlagen

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat in einem Beschluss vom 17. Mai 2024 den Streitwert für ein selbstständiges Beweisverfahren auf 668.592,26 Euro festgesetzt. Die Entscheidung erfolgte nach Beschwerden der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und des Beigeladenen, die sich gegen einen zuvor vom Verwaltungsgericht festgesetzten niedrigeren Streitwert von 5.000 Euro richteten.
Grundlagen der Streitwertermittlung bei Baumängeln
Der Fall basiert auf einem städtebaulichen Erschließungsvertrag vom 10. Juli 2000. Die Antragstellerin machte Mängel bei der Herstellung von Erschließungsanlagen geltend und leitete ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Das Gericht stützte seine Streitwertfestsetzung auf zwei eingeholte Gutachten, die die Kosten für die Mängelbeseitigung ermittelten. 558.000 Euro wurden für den Rückbau und die Neuerstellung der Straßenbauarbeiten veranschlagt, weitere 110.592,26 Euro für den Umbau der straßenbegleitenden Grünflächen.
Rechtliche Bewertung des Streitwerts
Das Oberverwaltungsgericht folgte bei seiner Entscheidung dem Grundsatz, dass sich der Streitwert eines selbstständigen Beweisverfahrens nach dem Hauptsachewert oder dem Teil des Hauptsachewertes richtet, auf den sich die Beweiserhebung bezieht. Bei Baumängeln orientiert sich dieser Wert am erforderlichen Aufwand für die Mängelbeseitigung. Das Gericht betonte, dass für die Streitwertbemessung die Kosten zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn alle behaupteten Mängel festgestellt worden wären.
Maßgebliche Faktoren der gerichtlichen Entscheidung
Die Richter berücksichtigten bei ihrer Entscheidung auch die sogenannten „Sowieso-Kosten“ für eine von Anfang an fehlende Drainage. Diese Kosten wurden in die Wertermittlung einbezogen, da der Antrag nicht entsprechend beschränkt worden war. Beide Gutachter gingen davon aus, dass nach der Mangelbeseitigung kein Minderwert der Erschließungsanlage verbleiben würde. Die spätere vergleichsweise Einigung der Parteien hatte keinen Einfluss auf die Streitwertfestsetzung, da für diese das objektive Interesse der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung maßgeblich war.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt die Bestimmung des Streitwerts bei selbständigen Beweisverfahren im Verwaltungsrecht. Der Streitwert orientiert sich am Hauptsachewert bzw. den erwarteten Kosten für die Mängelbeseitigung – auch wenn nicht alle behaupteten Mängel später bestätigt werden. Dies gilt insbesondere bei Streitigkeiten über Mängel bei Erschließungsanlagen. Das Gericht muss den Streitwert dabei anhand objektiver Kriterien zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ermitteln.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie ein selbständiges Beweisverfahren anstreben, etwa wegen Baumängeln, richtet sich der Streitwert nach den geschätzten Kosten für die Mängelbeseitigung. Dies ist wichtig für die Berechnung Ihrer Anwaltskosten, da diese vom Streitwert abhängen. Sie müssen nicht fürchten, dass der Streitwert automatisch niedrig angesetzt wird – auch wenn sich später herausstellt, dass einige der vermuteten Mängel nicht bestehen. Für die Festsetzung ist entscheidend, welche Kosten zum Zeitpunkt der Antragstellung realistisch erschienen. Bei Streitigkeiten über Erschließungsanlagen können Sie sich darauf verlassen, dass der tatsächliche wirtschaftliche Wert Ihrer Ansprüche berücksichtigt wird.
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Der Ausgang von Bauprojekten ist oft ungewiss und Streitigkeiten über Baumängel keine Seltenheit. Gerade bei komplexen Projekten wie Erschließungsanlagen ist die Durchsetzung Ihrer Rechte eine Herausforderung. Wir unterstützen Sie bei der Sicherung von Beweisen und setzen Ihre Ansprüche effektiv durch. Dabei behalten wir stets Ihre individuellen Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Aspekte im Blick. Sprechen Sie uns an, um Ihre Situation zu besprechen und gemeinsam die optimale Strategie zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bestimmt die Höhe des Streitwerts bei Baumängeln?
Grundprinzip der Streitwertbestimmung
Der Streitwert bei Baumängeln orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers und richtet sich grundsätzlich nach dem Wert des zu sichernden Hauptanspruchs. Wenn Sie ein selbständiges Beweisverfahren einleiten, wird der Streitwert nach dem vollen mutmaßlichen Hauptsachewert bemessen.
Maßgebliche Faktoren für die Berechnung
Die Streitwertberechnung basiert auf mehreren wichtigen Elementen:
- Die vom Sachverständigen ermittelten Mängelbeseitigungskosten bilden die primäre Grundlage
- Bruttokosten einschließlich Mehrwertsteuer werden berücksichtigt, unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung
- Bei langen Verfahrensdauern erfolgt eine Anpassung der ursprünglichen Kosten an die aktuelle Marktentwicklung mittels Baupreisindex
Zeitpunkt der Festsetzung
Der endgültige Streitwert wird erst nach Abschluss der Beweiserhebung festgesetzt. Ihre anfängliche Schätzung bei der Verfahrenseinleitung ist dabei weder bindend noch maßgeblich. Das Gericht setzt nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert fest, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung.
Besonderheiten der Wertermittlung
Wenn Sie Baumängel geltend machen, ist zu beachten:
Der Streitwert erhöht sich um die Kosten für Mängel, die nicht bestätigt wurden, aber deren Beseitigung notwendig gewesen wäre. Bei der Bewertung werden auch zusätzliche geringfügige Schäden, Preissteigerungen seit der Gutachtenerstellung und Pauschalen für Kleinmaterial und Unvorhergesehenes berücksichtigt.
Welche Kosten werden bei der Streitwertberechnung berücksichtigt?
Grundlage der Streitwertberechnung
Der Streitwert im selbständigen Beweisverfahren orientiert sich am vollen mutmaßlichen Hauptsachewert. Bei Baumängeln sind die Bruttokosten der Mangelbeseitigung einschließlich Mehrwertsteuer maßgeblich.
Berücksichtigte Kostenarten
Bei der Streitwertberechnung fließen folgende Kosten ein:
- Die geschätzten Mangelbeseitigungskosten zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung
- Der Jahreswert einer angemessenen Minderung bei Mietstreitigkeiten
- Der 3,5-fache Jahresbetrag einer angemessenen Minderung bei Klagen zur Feststellung der geminderten Miethöhe
Nicht berücksichtigte Kosten
Folgende Kosten bleiben bei der Streitwertberechnung außen vor:
- Sowiesokosten für ohnehin erforderliche Arbeiten
- Strittige Leistungsumfänge, die erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden
- Hypothetische Kosten für behauptete, aber nicht festgestellte Mängel
Besonderheiten der Kostenfestsetzung
Die erste Streitwertfestsetzung erfolgt auf Basis der Behauptungen des Antragstellers. Nach Einholung des Gutachtens setzt das Gericht den endgültigen Streitwert fest. Dabei ist die ursprüngliche Wertschätzung des Antragstellers nicht bindend. Das Gericht muss den „richtigen“ Hauptsachewert bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ermitteln.
Die Gerichtskosten richten sich nach dem Kostenverzeichnis des GKG mit einer 1,0 Gebühr für das gesamte Verfahren. Die Anwaltsgebühren werden ebenfalls nach dem festgesetzten Streitwert berechnet.
Wann kann der Streitwert im Verfahren angepasst werden?
Der Streitwert im selbständigen Beweisverfahren kann innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Beendigung des Verfahrens angepasst werden. Diese Frist beginnt mit der Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens und nicht erst mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
Anpassung nach Sachverständigengutachten
Eine besonders wichtige Anpassungsmöglichkeit ergibt sich nach Einholung des Sachverständigengutachtens. Wenn Sie ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet haben, ist Ihre anfängliche Wertschätzung weder bindend noch maßgeblich. Das Gericht wird nach Eingang des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert festsetzen, der sich am Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und Ihrem Interesse orientiert.
Besondere Anpassungssituationen
Wenn Sie bei der Antragstellung keine konkreten Angaben zur Schadenshöhe gemacht haben und diese Ermittlung dem Sachverständigen überlassen wurde, richtet sich Ihr Interesse nach dem vom Sachverständigen ermittelten Wert. In diesem Fall muss ein zunächst zu niedrig festgesetzter Verfahrenswert entsprechend nach oben korrigiert werden.
Grenzen der Anpassung
Die Möglichkeit zur Streitwertanpassung unterliegt wichtigen Einschränkungen:
- Der neue Streitwert muss sich am tatsächlichen wirtschaftlichen Interesse orientieren.
- Nachträgliche Änderungen sind nach Ablauf der sechsmonatigen Frist nicht mehr möglich, auch wenn sich im späteren Hauptsacheverfahren ein höherer Streitwert herausstellen sollte.
- Werden nicht alle behaupteten Mängel bestätigt, werden für die Streitwertfestsetzung auch die hypothetischen Kosten berücksichtigt, die entstanden wären, wenn die nicht bestätigten Mängel vorgelegen hätten.
Wie wirkt sich der Streitwert auf die Verfahrenskosten aus?
Der Streitwert ist der finanzielle Gegenwert des Rechtsstreits und bildet die zentrale Berechnungsgrundlage für sämtliche Verfahrenskosten.
Gerichtskosten
Die Gerichtskosten steigen mit der Höhe des Streitwerts, wobei die Steigerung degressiv verläuft. Bei einem Verfahren in erster Instanz fallen folgende Gerichtsgebühren an:
- Streitwert bis 500 € = 35 € Gebühr
- Streitwert bis 5.000 € = 146 € Gebühr
- Streitwert bis 10.000 € = 266 € Gebühr
Diese Grundgebühr wird dann mit einem Gebührensatz multipliziert, der von der Verfahrensart abhängt:
- Erstinstanzliches Verfahren: 3,0-fache Gebühr
- Berufungsverfahren: 4,0-fache Gebühr
- Revisionsverfahren: 5,0-fache Gebühr
Anwaltskosten
Die Anwaltsgebühren richten sich ebenfalls nach dem Streitwert und sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Bei einem Streitwert von 200.000 € ergeben sich beispielsweise folgende Gebühren:
Verfahrensgebühr = 1,3 × Grundgebühr Terminsgebühr = 1,2 × Grundgebühr Einigungsgebühr = 1,0 × Grundgebühr
Besonderheiten
Bei sehr geringen Streitwerten sind die Anwalts- und Gerichtskosten im Verhältnis zum Streitwert besonders hoch. Ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro erhöhen sich die gesetzlichen Gebühren nicht mehr weiter.
Der Streitwert bestimmt auch die gerichtliche Zuständigkeit: Bei Streitwerten bis 5.000 € ist das Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht.
Ab dem 1. Januar 2025 werden die Wertgebühren um 6 Prozent erhöht. Bei einem Streitwert von 10.000 € steigt die einfache Gebühr dann von 614 € auf 652 €.
Welche Rechtsmittel gibt es gegen die Streitwertfestsetzung?
Gegen die Festsetzung des Streitwerts steht Ihnen als wichtigstes Rechtsmittel die Streitwertbeschwerde zur Verfügung. Diese können Sie einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.
Fristen und Voraussetzungen
Die Streitwertbeschwerde müssen Sie innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung oder anderweitiger Verfahrenserledigung einreichen. Wenn die Streitwertfestsetzung erst einen Monat vor Ablauf dieser Frist erfolgt, haben Sie noch einen Monat Zeit nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses.
Besonderheiten im Beweisverfahren
Im selbständigen Beweisverfahren beginnt die Beschwerdefrist mit dem Abschluss des Beweisverfahrens selbst, nicht erst mit einem möglichen Hauptsacheverfahren. Der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert ist dabei weder bindend noch maßgeblich – das Gericht setzt nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert fest.
Verfahrensablauf
Die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei und außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Bei einer erfolgreichen Beschwerde können Sie einen Antrag auf Änderung der Kostenfestsetzung stellen. Wenn Sie die Frist unverschuldet versäumt haben, können Sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen.
Der Streitwert bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Entscheidung. Bei Geldforderungen entspricht er meist der Forderungshöhe, bei nicht bezifferbaren Ansprüchen schätzt das Gericht den Wert. Eine Streitwertbeschwerde ist auch bei vorheriger Zustimmung zur Streitwertfestsetzung zulässig.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Streitwertfestsetzung
Die Streitwertfestsetzung ist die gerichtliche Bestimmung des Geldwertes eines Rechtsstreits. Sie basiert auf § 63 GKG (Gerichtskostengesetz) und bestimmt die Höhe der Gerichtskosten sowie der Anwaltsgebühren. Der Streitwert orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse des Klägers und wird vom Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegt. Bei Baustreitigkeiten sind dies häufig die geschätzten Mängelbeseitigungskosten. Beispiel: Bei einem Rechtsstreit über mangelhafte Bauarbeiten mit Reparaturkosten von 50.000 Euro wird dieser Betrag typischerweise als Streitwert festgesetzt.
Selbständiges Beweisverfahren
Ein gerichtliches Verfahren nach §§ 485-494a ZPO zur vorsorglichen Beweissicherung vor einem möglichen Hauptprozess. Es dient dazu, Beweise (z.B. Gutachten über Baumängel) zu einem Zeitpunkt zu sichern, an dem sie noch verfügbar sind. Anders als im Hauptverfahren wird hier nur Beweis erhoben, aber keine rechtliche Entscheidung getroffen. Beispiel: Ein Bauherr lässt vor einer Klage durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen Feuchtigkeitsschäden dokumentieren, bevor diese durch Reparaturarbeiten nicht mehr nachweisbar wären.
Erschließungsanlagen
Bauliche Anlagen und Einrichtungen, die ein Grundstück für seine bauliche Nutzung erschließen, geregelt im Baugesetzbuch (§§ 123 ff. BauGB). Dazu gehören insbesondere Straßen, Wege, Plätze sowie Anlagen zur Wasserversorgung, Entwässerung und Energieversorgung. Die Erschließung ist Voraussetzung für die Bebaubarkeit eines Grundstücks. Beispiel: Eine neue Wohnsiedlung benötigt Zufahrtsstraßen, Gehwege, Kanäle und Stromleitungen als Erschließungsanlagen.
Baumängel
Abweichungen der tatsächlichen Beschaffenheit eines Bauwerks von der vereinbarten oder üblichen Qualität nach § 633 BGB. Dies umfasst sowohl optische als auch funktionale Mängel, die den Wert oder die Tauglichkeit der Bauleistung mindern. Die Mangelhaftigkeit wird nach den anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme beurteilt. Beispiel: Eine nicht fachgerecht ausgeführte Drainage, die zu Wasserschäden führt, oder Risse in der Fassade aufgrund falscher Materialverwendung.
Sowieso-Kosten
Kosten, die auch bei einer von Anfang an mangelfreien Ausführung der Arbeiten entstanden wären. Diese werden bei der Berechnung von Schadenersatzansprüchen berücksichtigt und können von den Mängelbeseitigungskosten abgezogen werden (§ 249 BGB). Beispiel: Wird eine ohnehin erforderliche Drainage zunächst vergessen und muss nachträglich eingebaut werden, sind die Kosten der Drainage selbst „Sowieso-Kosten“, nur der Mehraufwand des nachträglichen Einbaus ist erstattungsfähig.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 68 Abs. 1 Satz 5 Gerichtskostengesetz (GKG): Dieser Paragraph regelt, dass Streitwertbeschwerden von der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Berichterstatterin als Einzelrichterin entschieden werden, wenn der ursprüngliche Beschluss von einem Einzelrichter der Vorinstanz ergangen ist. Im vorliegenden Fall bestimmte dies die Zuständigkeit der Berichterstatterin für die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung.
- § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG: Bestimmt, dass Streitwertbeschwerden zulässig sind, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Hier führte die signifikante Differenz zwischen dem ursprünglich festgesetzten Streitwert von 5.000 Euro und dem beantragten Streitwert von 668.592,26 Euro zur Zulässigkeit der Beschwerde.
- § 32 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): Erlaubt Prozessbevollmächtigten, Streitwertbeschwerden im eigenen Namen einzulegen. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1 nutzten diese Regelung, um eine höhere Streitwertfestsetzung zu erreichen, was wiederum höhere Anwaltsgebühren zur Folge haben kann.
- § 485 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO): Definiert die Bemessung des Streitwerts für selbständige Beweisverfahren anhand des Hauptsachewerts oder eines Teils davon. Das Gericht folgte dieser Vorschrift, indem es den Streitwert des Beweisverfahrens entsprechend der Bedeutung der Sache und der geltend gemachten Ansprüche erhöhte.
- § 98 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 485 Abs. 2 ZPO: Diese Kombination stellt sicher, dass zivilrechtliche Regelungen zur Streitwertbemessung auch im Verwaltungsprozess angewendet werden. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass der ursprüngliche Streitwert gemäß diesen Vorschriften fehlerhaft bemessen war, was die Grundlage für die Erhöhung des Streitwerts bildete.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 6 O 14/24 – Beschluss vom 17.05.2024
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