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strenge Wiederherstellungsklausel – Zweck


Brand

Zusammenfassung:

In Brandschutzversicherungsverträgen wird zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer häufig eine so genannte strenge Wiederherstellungsklausel vereinbart. Diese strenge Wiederherstellungsklausel betrifft die Höhe des Entschädigungsanspruches des Versicherungsnehmers, der regelmäßig bei einem Brand mit der Schwierigkeit konfrontiert ist, dass der Schaden (Zeitwert des Objektes unmittelbar vor dem Brand) niedriger ist als die Aufwendungen, welche der Versicherungsnehmer tätigen muss, um das Gebäude wiederherzustellen. Mit dem Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel setzte sich der Bundesgerichtshof in anliegenden Urteil näher auseinander.


Bundesgerichtshof

Az: IV ZR 415/14

Urteil vom 20.04.2016


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 2. Oktober 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


Tatbestand

Der Kläger, der bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert hält, fordert nach dem Brand seines Hauses am 14. Dezember 2010, den die Beklagte mit einer Zeitwertentschädigung in Höhe von 134.501,59 € reguliert hat, eine Entschädigung in Höhe von 47.268,74 € für den Neuwertanteil.

Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Wohngebäudeversicherung (VGB) der Beklagten in der Fassung des Jahres 2010 (im Folgenden VGB 2010) zugrunde. In deren § 28 heißt es auszugsweise:

„(7) Sie erwerben den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen …“

Da die Wohnfläche des versicherten Hauses ausweislich eines nach dem Brand eingeholten Obmanngutachtens mit 171,29 m2 die im Versicherungsvertrag angegebene Wohnfläche von 116 m2 überstieg, kürzte die Beklagte den vom Sachverständigen ermittelten Zeitwertschaden von 198.610,16 € nach § 28 Abs. 2 VGB 2010 entsprechend dem Flächenunterschied auf 134.501,59 € und zahlte diesen Betrag an den Kläger aus.

Dieser hat noch innerhalb von drei Jahren nach dem Brand auf seinem Grundstück mit dem Neubau eines Wohnhauses begonnen, welches infolge einer vergrößerten Wohnfläche und einer angebauten Garage eine um circa 37% größere Grundrissfläche aufweist als das abgebrannte Haus. Eine Baugenehmigung ist inzwischen erteilt, der Kläger hat auch einen Bauvertrag nach VOB mit einem Bauunternehmen abgeschlossen, dem das Leistungsverzeichnis aus dem Obmanngutachten zugrunde liegt.

Der Kläger meint, die Voraussetzungen für die Entschädigung des Neuwertanteils zu erfüllen. Unter Zugrundelegung des im Obmanngutachten ausgewiesenen Neuwerts von 268.408,98 € und Berücksichtigung der von der Beklagten ermittelten Kürzungsquote (268.408,98 x 116 m2 ./. 171,29 m2) errechnet der Kläger eine Neuwertentschädigung von insgesamt 181.770,33 €, von der er die vorgerichtlich geleisteten 134.501,59 € in Abzug bringt und mithin eine restliche Klagforderung von 47.268,74 € erhebt.

Die Beklagte meint, der Kläger habe die Sicherstellungsvoraussetzungen nach § 28 (7) VBG 2010 nicht erfüllt und verweist insbesondere darauf, dass das neu errichtete Gebäude wegen der Grundflächenvergrößerung um 37% in Art und Größe wesentlich vom früheren Gebäude abweiche und deshalb nicht von gleicher Art und Zweckbestimmung im Sinne von § 28 (7) VGB 2010 sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das vom Kläger angerufene Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.


Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat angenommen, die Anforderung an eine Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung eines Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall bereits dadurch erfüllt, dass der Kläger den geforderten Neuwertanteil auf der Grundlage des Obmanngutachtens abrechne, welches für die Entschädigungsberechnung nicht auf den Neubau, sondern das vom Brand zerstörte Haus abstelle, so dass sich die Flächenvergrößerung auf den Entschädigungsbetrag von vornherein nicht auswirken könne. Auch eine sonstige Bereicherung des Klägers durch Auszahlung des Neuwertanteils sei wegen dessen Anpassung nach Maßgabe des § 28 (2) VGB 2010 nicht zu befürchten. Im Übrigen begründe die Gesamtheit der Umstände die hinreichend sichere Annahme einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Entschädigung; ernsthafte Anhaltspunkte für eine nur vorgetäuschte Wiederherstellungsabsicht bestünden nicht.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht der Klage nicht stattgeben.

1. § 28 (7) VGB 2010 enthält eine so genannte strenge Wiederherstellungsklausel. Sie orientiert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats an dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck der Neuwertversicherung, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des Ersatzanspruchs allerdings beschränkt. Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers aus Anlass des Schadenfalles ist zu vermeiden, auch um das Interesse am Abbrennen des versicherten Gebäudes nicht zu fördern. Zweck der Wiederherstellungsklausel ist es deshalb zum einen, die Bereicherung durch die Neuwertentschädigung auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die ungeplanten, dem Versicherungsnehmer erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 – IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 16; vom 21. Februar 1990 – IV ZR 298/88, VersR 1990, 488 unter 2 m.w.N. zu § 7 Abs. 3a VGB 62; vom 8. Juni 1988 – IVa ZR 100/87, VersR 1988, 925 unter II 1; jeweils m.w.N.).

Für den Versicherungsnehmer ersichtlich zielt die Bestimmung zum anderen aber auch auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer – wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 – IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 16; vom 18. Februar 2004 – IV ZR 94/03, r+s 2004, 238 unter II 1 c [juris Rn. 15] m.w.N.). Solche unerwünschten Vermögensvorteile können auch darin bestehen, dass der Versicherungsnehmer zwar bereit ist, die durch eine Erweiterung oder wesentliche Veränderung des Neubaus gegenüber dem Vorgängergebäude entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen, im Übrigen aber auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Gebäude bei der Finanzierung des neuen Bauvorhabens zurückgreifen kann. Wollte man dem Versicherungsnehmer diesen Zugriff auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Haus ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes zur freien Verwendung gestatten, wäre auch dadurch das subjektive Risiko erhöht, weil Versicherungsnehmer dann ebenfalls versucht sein könnten, zur Teilfinanzierung eines Neubauvorhabens den Versicherungsfall vorsätzlich herbeizuführen.

2. Mit seiner Erwägung, dem Erfordernis der Wiederherstellung des Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall schon dadurch genügt, dass der Kläger nur die Neuwertspitze für das durch den Brand zerstörte Haus auf der Grundlage der Berechnungen des Obmanngutachtens und unter Berücksichtigung der festgestellten Unterversicherung verlange, konnte das Berufungsgericht allenfalls eine objektive Bereicherung des Klägers ausschließen. Darin erschöpft sich der Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel aber nicht, weshalb sich die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion des Erfordernisses der Wiederherstellung einer versicherten Sache gleicher Art und Zweckbestimmung verbietet. Stünde einem Versicherungsnehmer ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes die Neuwertentschädigung bis zur Höhe des Neuwerts des zerstörten Gebäudes in jedem Falle zu, würde dies das subjektive Risiko erhöhen, dem die Wiederherstellungsklausel entgegenwirken soll.

3. Die Sicherstellung im Sinne von § 28 (7) VGB 2010 nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist Sache des Tatrichters (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 – IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 13). Insofern hat sich das Berufungsgericht bisher den Blick dafür verstellt, dass es anhand der gesamten baulichen Gegebenheiten auch feststellen muss, ob das im Bau befindliche neue Gebäude des Klägers von gleicher Art und Zweckbestimmung ist wie das durch den Brand zerstörte Haus. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.


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