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Stromleitungen – Beschädigung durch LKW-Fahrer

LG Karlsruhe

Az: 9 S 67/09

Urteil vom 05.02.2010


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Bretten vom 29.01.2009 – 1 C 197/08 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 675,00 EUR zuzüglich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Beklagte Ziffer 1 seit 15.05.2008 und der Beklagte Ziffer 2 seit 04.01.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Fernsehers und eines DVD-Players. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Tatsachenfeststellungen im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§§ 540, 313 a ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei beweisfällig dafür geblieben, dass der streitgegenständliche Schaden durch fahrlässiges Verhalten der Beklagten widerrechtlich verursacht worden sei. Nach den Angaben des Beklagten Ziffer 2 stehe zwar fest, dass er beim Abkippen von Recycling-Material mit der Planenstange an die Oberleitung gekommen sei. Beim Abkippen von Ladung mit seinem Lkw sei er aber noch nie an einer Oberleitung hängen geblieben. Es hätten für ihn daher keinerlei Anhaltspunkte bestanden, dass er eine Oberleitung berühren und es in der Folge zu einem Kurzschluss mit Überspannungsschäden an Geräten im Versorgungsgebiet kommen könne. Das Amtsgericht hat daher die Auffassung vertreten, dass das Verhalten des Beklagten Ziffer 2 noch nicht als fahrlässig zu bewerten sei. In der vorliegenden Situation wäre es überzogen, vom Beklagten Ziffer 2 zu verlangen, dass er sich vorab zu erkundigen habe, in welcher Höhe sich auf der Baustelle Oberleitungen befinden. Ein Lkw-Fahrer dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass er mit seinem Lkw auch beim Abkippen von Ladung keine Oberleitungen berühren könne. Da es somit an einem Verschulden seines Verrichtungsgehilfen fehle, scheide auch eine Haftung des Beklagten Ziffer 1 aus.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter verfolgt. Das Amtsgericht habe ein Verschulden der Beklagten zu Unrecht verneint. Indem dem Beklagten Ziffer 2 die Klageerweiterung kurz vor der mündlichen Verhandlung zugestellt worden sei, ohne ihm eine Frist zur – schriftlichen – Erwiderung zu setzen, sei das rechtliche Gehör sämtlicher Beteiligter verletzt worden. Es hätte daher zunächst nur bezüglich des Beklagten Ziffer 1 mündlich verhandelt werden dürfen. Der Sachverständige habe im Übrigen bestätigt, dass der Stromausfall/Kurzschluss zu Spannungsschwankungen und der Beschädigung der streitgegenständlichen Elektrogeräte des Klägers geführt habe. Beiden Beklagten sei der Vorwurf zu machen, dass sie sich nicht im Vorfeld über die Verhältnisse der stromführenden Leitungen an der im Neubaugebiet befindlichen Baustelle erkundigt haben. Den Beklagten Ziffer 2 treffe jedenfalls eine Kontroll- und Überwachungspflicht. Wie er dieser nachgekommen sei, habe er nicht dargelegt.

Die Beklagten sind der Berufung entgegen getreten. Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung und teilweiser Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Dem Beklagten Ziffer 2 sei in der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht umfassend rechtliches Gehör gewährt worden. Dabei habe er auf den Vortrag des Beklagten Ziffer 1 verwiesen. Eine Schadensverursachung durch die Beklagten sei nicht nachgewiesen. Der Sachverständige spreche lediglich von einer Wahrscheinlichkeit. Auch eine Fahrlässigkeit der Beklagten sei nicht feststellbar. Der Beklagte Ziffer 1, der jedenfalls selbst den Schaden nicht verursacht habe, hafte auch nicht gemäß § 831 BGB. Bei der Auswahl der Personen und der Leitung der Arbeiten habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Er instruiere seine Mitarbeiter stets im Hinblick auf die einzelnen Baustellen und mache auf mögliche, für ihn erkennbare Gefahren aufmerksam. Der Beklagte Ziffer 1 sei im Übrigen eine Fachkraft, die bereits seit über 10 Jahren beanstandungsfrei bei ihm beschäftigt sei. Davon abgesehen hätte der Netzbetreiber … darauf hinweisen müssen, dass in diesem Baugebiet „Sondergrößen“ gelten. Vorrangig sei hier daher von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der … auszugehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagten haften dem Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB auf Ersatz der zur Beseitigung des Schadens an dem Fernsehgerät sowie dem DVD-Player in Höhe von insgesamt 675,00 EUR erforderlichen Kosten.

Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass das Fernsehgerät sowie der DVD-Player des Klägers infolge des durch die Berührung der Oberleitung mit der Planstange des Lkw des Beklagten Ziffer 1 verursachten Stromausfalles beschädigt worden sind. Im Bereich der Netzsicherung des DVD-Players hat der gerichtliche Sachverständige, Herr …, massive Schmauchablagerungen festgestellt. Er kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass ganz offensichtlich eine Überspannung am Netzteil angelegen habe, die zu einer Zerstörung der Sicherung und mit großer Sicherheit auch zu einer Zerstörung in diesem Bereich geführt habe. Den Schaden am Fernseher konnte der Sachverständige selbst zwar nicht mehr in Augenschein nehmen. Die insbesondere im Bereich des Netzteils durchgeführte Reparatur deutete darauf hin, dass der Schaden durch eine Überspannung im Versorgungsnetz verursacht worden sei. Das Schadensbild entspreche genau den Feststellungen des Sachverständigen am DVD-Player und deute bei einem zeitgleichen Ausfall der Geräte auf eine Spannungsspitze im Versorgungsnetz hin. Solche Phänomene mit Netzspannungsspitzen im Zusammenhang mit einem Ausfall von Versorgungsnetzen seien bekannt. Ein Stromausfall am 14.02.2008 könne daher mit großer Wahrscheinlichkeit die Geräteausfälle verursacht haben.

Auch wenn der Sachverständige in diesem Zusammenhang lediglich von einer „großen Wahrscheinlichkeit“ spricht, ist das Gericht im Hinblick auf den unstreitigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem durch den Beklagten Ziffer 1 verursachten Stromausfall davon überzeugt, dass der Geräteausfall auf diesen Stromausfall zurückzuführen ist (§ 286 ZPO).

Der Stromausfall und damit die Schäden an den Geräten des Klägers wurde dadurch verursacht, dass der Beklagte Ziffer 2 mit dem von ihm gesteuerten Lkw beim Abkippen der Ladung die Oberleitung berührt hat. Unabhängig davon, ob möglicherweise auch das Versorgungsunternehmen auf das Vorhandensein dieser Oberleitung hätte hinweisen müssen, lag es zunächst und vor allen Dingen in der Verantwortung des Lkw-Fahrers selbst, nicht nur mit diesem Lkw nirgendwo dagegen zu stoßen, sondern selbstverständlich mit diesem auch keine Stromleitungen zu berühren. Davon dass die Oberleitung von dem Beklagten Ziffer 2 hätte gesehen werden können, ist auszugehen. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung selbst bei zunächst nicht zu sehenden, in der Erde verlegten Versorgungsleitungen dennoch den Bauunternehmer und den Baggerführer die Pflicht trifft, sich vor Beginn der Arbeiten über das Vorhandensein und die Lage eventueller unterirdischer Versorgungsleitungen zu erkundigen.

Den ihm gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis hat der Beklagte Ziffer 1 vorliegend nicht geführt. Dabei wäre neben der sorgfältigen Auswahl der mit der Verrichtung betrauten Person die fortgesetzte Prüfung erforderlich, ob der Angestellte zu den Verrichtungen befähigt ist. Art und Ausmaß der Überwachung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Gefährlichkeit der Tätigkeit, der Persönlichkeit des Gehilfen und seiner bisherigen Bewährung (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27.03.2007 – 4 U 437/06 –, NJW-RR 2007, 1322). Der Geschäftsherr darf Verrichtungsgehilfen nur solche Tätigkeiten übertragen, deren gefahrlose Durchführung er von ihnen erwarten kann und die hierfür die gesetzlichen Anforderungen erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.2002 – VI ZR 182/01 –, NJW 2003, 288). Auch wenn der Beklagte Ziffer 2 tatsächlich bereits seit über 10 Jahren als Fachkraft bei dem Beklagten Ziffer 1 angestellt sein sollte, hat der Beklagte Ziffer 1 nicht vorgetragen, dass und ggf. wie er den Beklagten Ziffer 2 im Hinblick auf die von Versorgungsleitungen ausgehenden Gefahren konkret aufmerksam gemacht hätte. Ebenfalls nicht ersichtlich ist, inwiefern der Beklagte Ziffer 1 den Beklagten Ziffer 2 im Hinblick auf die Einhaltung eines Sicherheitsabstands von Versorgungsleitungen, insbesondere von Strom führenden Leitungen instruiert hätte. Die nur ganz allgemein gehaltenen Ausführungen des Beklagten Ziffer 1 genügen insoweit nicht.

Der seitens des Klägers gerügte Verstoß des Amtsgerichts gegen § 274 Abs. 3 ZPO, wonach zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen zu liegen hat, ist gemäß § 295 ZPO dadurch geheilt worden, dass sich der Beklagte Ziffer 2 in der mündlichen Verhandlung zur Sache eingelassen und einen Antrag auf Klagabweisung gestellt hat (vgl. Zöller-Greger, 28. Aufl., § 274 Rn. 6).

Die gemäß §§ 823, 831 Abs. 1 BGB ebenfalls zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnen sich aus einer 1,3 Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 675,00 EUR (mithin 1,3 x 65,00 EUR) zuzüglich 20,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungspauschale zuzüglich 19 % Umsatzsteuer. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

 

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