AG Lübeck, Az.: 31 C 3715/14
Beschluss vom 23.12.2014
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin in ihrer Wohnung im P. Weg in L. mit Strom zu versorgen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen:
Antragschrift vom 23.12.2014
Gründe
Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 23.12.2014 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind glaubhaft gemacht.
I. Verfügungsanspruch
1. Ein Anspruch auf Stromlieferung nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG gegen die gerichtsbekannt passiv legitimierte Antragsgegnerin als Grundversorgerin ist glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift haben Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, zu den allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Antragstellerin verfügt insbesondere über einen Netzanschluss, über den der Strom geliefert werden kann (zu diesem Erfordernis vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 31. März 2009 – Kart U 11/08 zit. nach juris). Dies geschah zuvor durch die St. S.
Eventuelle Gegenansprüche der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin wegen offener Zahlungen aus einem Wärmelieferungsvertrag stehen dem Anspruch aus § 36 Abs. 1 EnWG nicht entgegen. Es besteht nämlich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Recht der Antragsgegnerin, nach Maßgabe des 273 BGB von der Durchführung der Stromversorgung abzusehen. Nach dieser Vorschrift ist nämlich notwendig, dass die Verpflichtungen des Schuldners und sein Anspruch wegen dessen Nichterfüllung er die von ihm geschuldete Leistung zurückbehalten will, aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen. Dieser Begriff ist zwar weit auszulegen und erfordert nicht, dass die sich gegenüberstehenden Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis folgen. Es genügt, wenn ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt. Beide Ansprüche müssen also, falls sie eine vertragliche Grundlage haben, aus Rechtsgeschäften hervorgegangen sein, die in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den der anderen Seite zustehenden Anspruch geltend und durchgesetzt werden könnte (BGH NJW 1991, 2645).
Letzteres ist hier nicht gegeben. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass für einen natürlichen wirtschaftlichen Zusammenhang spricht, wenn die Stromversorgung einerseits und diejenige mit Wärme andererseits ein- und dieselbe Wohnung betreffen.
Die Versorgung mit Strom und diejenige mit Wärme aus einem Wärmelieferungsvertrag würden indes nicht nur mit unterschiedlichen Vertragskontennummern korrelieren, sondern vor allem auch inhaltlich unterschiedliche Vertragsgegenstände betreffen. Die Versorgung mit Strom lässt sich von derjenigen mit Wärme nicht nur vertraglich, sondern auch in realiter praktisch und konkret abschichten, ohne dass hierdurch ein einheitlicher Lebensvorgang auseinanderdividiert werden würde. Mangels eines hinreichenden natürlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Rechtsverhältnissen kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit des Unterlassens der nach § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG gebotenen Stromversorgung nicht darauf an, ob die Antragstellerin aus einem anderen Vertragsverhältnis gegenüber der Antragsgegnerin noch zahlungsfällig ist.
Aus dem Rechtsgedanken des § 19 StromGVV ergibt sich nichts anderes. Die durch diese Norm eingeräumte Befugnis, die Stromversorgung des Tarifkunden nach Androhung zu unterbrechen, sofern dieser Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung nicht erfüllt, ist lediglich eine besondere Ausgestaltung des Leistungsverweigerungsrecht gemäß der §§ 320, 273 BGB (BGH, NJW 1991, 2645).
3. Glaubhaft gemacht ist der Vortrag der Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung vom 23.12.2014 gemäß § 294 Abs. 1 ZPO.
II. Verfügungsgrund
Auch besteht wegen der unterlassenen Stromzufuhr eine Eilbedürftigkeit und damit ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO. Eine rechtszeitige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist nicht möglich. Es drohen für die Antragstellerin und ihr Kind nach ihrem Vortrag grundlegende Beeinträchtigungen in der gesamten Lebensführung. Verbliebe es dabei, dass kein Strom durch die Antragsgegnerin geliefert würde, so wäre es der Antragstellerin und ihrem minderjährigen Kind (noch dazu direkt an Weihnachten) unmöglich, z.B. zu kochen oder sich im bestehenden Winter mit warmem Wasser zu waschen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO.