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Sturmschaden durch abbrechende Äste – nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

Sturmschaden: Stadt haftet nicht für abbrechende Äste

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung des Klägers ab, der nach einem Sturmschaden durch abbrechende Äste Schadensersatz von der Kommune forderte. Es fand keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte statt, da keine Pflichtverletzung oder mangelnde Pflege der Bäume nachgewiesen wurde. Auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch wurde verneint, da der Schaden als unvorhersehbares Ereignis und nicht als Folge einer Pflichtverletzung angesehen wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-11 U 118/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung abgewiesen: Das OLG Hamm bestätigt das Urteil des Landgerichts Bochum, wonach die Berufung des Klägers zurückgewiesen wird.
  2. Kein Schadensersatzanspruch: Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu.
  3. Keine Pflichtverletzung der Kommune: Es konnte keine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der Kommune festgestellt werden.
  4. Baumpflege ausreichend: Die Pflegemaßnahmen der Bäume durch die Beklagte waren angemessen; keine Anzeichen von Krankheit oder mangelnder Pflege.
  5. Sturm als unbeherrschbares Naturereignis: Der Schaden durch den Sturm wurde als unvorhersehbar eingestuft und nicht als Folge einer Pflichtverletzung.
  6. Kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch: Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachbarrechtlichen Ausgleich, da keine übermäßige Beeinträchtigung durch die Bäume vorlag.
  7. Keine Störereigenschaft der Beklagten: Die Beklagte ist nicht als Störerin anzusehen, da der Schaden durch ein nicht zu beherrschendes Naturereignis entstand.
  8. Kosten des Verfahrens: Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtliche Auseinandersetzungen bei Sturmschäden und Nachbarrecht

Sturmschaden Baum
(Symbolfoto: WoodysPhotos /Shutterstock.com)

In der Welt des Zivilrechts sind Fälle von Sturmschäden durch abbrechende Äste häufig Anlass für juristische Auseinandersetzungen. Diese Situationen werfen Fragen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht und des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs auf. Gerichte, wie das OLG Hamm, sind oft mit der Aufgabe betraut, solche komplexen Fälle zu beurteilen und darüber zu entscheiden, ob und inwieweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Die Entscheidungen in diesen Fällen haben weitreichende Konsequenzen sowohl für die Eigentümer der betroffenen Grundstücke als auch für die Verantwortlichen der Baumpflege.

Die juristische Bewertung solcher Sachverhalte hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die spezifischen Umstände des Schadensereignisses und die Einhaltung der Pflichten zur Baumpflege und Sicherheit. Im Fokus steht dabei, ob eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt und inwieweit ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht. Lesen Sie weiter, um einen detaillierten Einblick in ein konkretes Urteil des OLG Hamm zu erhalten, das wichtige Aspekte in Bezug auf Sturmschäden, nachbarrechtliche Pflichten und Verantwortlichkeiten beleuchtet.

Sturmschaden und nachbarrechtliche Komplikationen: Ein Fall für das OLG Hamm

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt wurde, stand ein Sturmschaden durch abbrechende Äste im Mittelpunkt einer rechtlichen Auseinandersetzung. Ein Hausbesitzer hatte Klage erhoben, nachdem Äste von Bäumen, die auf kommunalem Grund standen, während eines Sturms abgebrochen waren und sein Haus beschädigt hatten. Der Kern des Falles drehte sich um die Frage, ob die Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte und ob dem Kläger ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zustand.

Der Vorfall: Beschädigungen durch einen Sturm

Am 31. August 2019 führte ein Sturm dazu, dass Äste von Straßenbäumen abbrachen und das Haus des Klägers beschädigten. Der Kläger behauptete, dass die Bäume aufgrund mangelnder Pflege und Kontrolle durch die Kommune krank und schadhaft waren, was zum Astbruch führte. Die Beklagte, eine Kommune, wies die Vorwürfe zurück und argumentierte, dass die Bäume regelmäßig überprüft und gepflegt wurden. Interessant ist, dass die Schäden am Haus des Klägers an zwei unterschiedlichen Stellen auftraten, was darauf hindeutet, dass mehrere Äste beteiligt waren.

Rechtliche Bewertung durch das OLG Hamm

Das OLG Hamm setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, ob die Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Dabei wurde festgestellt, dass keine Anzeichen von Krankheit oder mangelnder Pflege der Bäume vorlagen. Die Sachverständigen des Gerichts bestätigten, dass die Bäume gesund und die Pflegemaßnahmen angemessen waren. Zudem wurde klargestellt, dass selbst gesunde und gut gepflegte Bäume bei einem Sturm der Stärke von 8 Beaufort Äste verlieren können. Dieses Urteil des OLG Hamm stützt sich auf umfangreiche Beweisaufnahmen und Expertenaussagen.

Kein Anspruch auf Schadensersatz und nachbarrechtlichen Ausgleich

Entscheidend war, dass das Gericht keinen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch gegen die Kommune anerkannte. Es wurde argumentiert, dass ein solcher Anspruch nur in Betracht kommt, wenn rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen zu unzumutbaren Nachteilen führen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch festgestellt, dass der Schaden ein unglücklicher Zufall war und nicht auf eine Pflichtverletzung oder unzureichende Pflege der Bäume zurückzuführen ist. Folglich wurde die Klage abgewiesen, und der Kläger wurde dazu verurteilt, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Zusammenfassung und Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Hamm unterstreicht die Wichtigkeit der Verkehrssicherungspflicht und setzt Maßstäbe für die Bewertung von Schadensfällen bei Sturmschäden. Es zeigt auf, dass nicht jeder Schaden, der durch natürliche Ereignisse wie Stürme verursacht wird, automatisch zu einem Schadensersatzanspruch führt. Die Entscheidung des Gerichts bildet einen wichtigen Referenzpunkt für ähnliche Fälle und bestätigt die Bedeutung einer sorgfältigen und fundierten rechtlichen Bewertung in Fällen, die die Verkehrssicherungspflicht und nachbarrechtliche Ansprüche betreffen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch?

Der Begriff „verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch“ bezieht sich auf einen Anspruch, der unabhängig von einem Verschulden des Verursachers besteht. Im deutschen Recht findet sich ein solcher Anspruch im Bereich des Nachbarrechts, insbesondere in § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung, wenn von einem anderen Grundstück Immissionen (z.B. Lärm, Staub, Wasser) ausgehen, die eine wesentliche Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks verursachen und über das zumutbare Maß hinausgehen.

Ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Geschädigte keine Möglichkeit hat, die Beeinträchtigung abzuwehren oder zu unterbinden, und die Beeinträchtigung über das zumutbare Maß hinausgeht. Der Anspruch dient dazu, eine angemessene Entschädigung für die erlittenen Nachteile zu gewähren, ohne dass der Geschädigte ein Verschulden des Verursachers nachweisen muss.

Was ist die Verkehrssicherungspflicht?

Die Verkehrssicherungspflicht ist eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht in Deutschland, die dazu dient, Gefahrenquellen abzuwehren. Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Bei Nichterfüllung dieser Pflicht können Schadensersatzansprüche nach den §§ 823 BGB entstehen.

Die Verkehrssicherungspflicht kann in vielen verschiedenen Situationen zum Tragen kommen. Beispiele hierfür sind der Winterdienst, gefährliche Baustellen auf dem eigenen Grundstück, der Arbeitsplatz oder der öffentliche Verkehrsraum. Sowohl Privatpersonen als auch öffentliche Stellen sind dazu angehalten, ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.

Die Verkehrssicherungspflicht entsteht insbesondere durch ein vorangegangenes gefährdendes Tun, durch die Herrschaft über eine Gefahrensphäre und durch das Hervorrufen berechtigten Vertrauens in die Abwehr einer Gefahr.

Die Verkehrssicherungspflicht ist nicht direkt im BGB geregelt, sondern ergibt sich durch die Rechtsprechung aus § 823 BGB. Bei Nichtbeachtung der Verkehrssicherungspflichten kann es zu Schadenersatzansprüchen kommen.

Die Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der einen Gefahrenbereich schafft. Dieser muss die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Die Verkehrssicherungspflicht beschreibt die allgemeine Rechtspflicht im Verkehr, also im täglichen Umgang miteinander, Rücksicht auf andere zu nehmen, damit diese nicht gefährdet werden.

Die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers ist eine Rechtspflicht zur Abwendung von Gefahren, die für Dritte von einem Grundstück ausgehen können.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-11 U 118/22 – Urteil vom 21.06.2023

Die Berufung des Klägers gegen das am 15.07.2022 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

1.

Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG oder aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.

a) Dabei kann dahinstehen, ob das Rechtsverhältnis zwischen einer Kommune, welche die Sicherheit auf den öffentlichen Verkehrsflächen u.a. in Bezug auf die darauf stehenden Straßenbäume zu gewährleisten hat, und einem Grundstücksnachbarn dem öffentlichen Recht unterfällt oder privatrechtlich zu beurteilen ist. Denn in dem vorliegenden Fall lässt sich eine schuldhafte Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten, die den Schaden am Haus des Klägers verursacht haben könnte, nicht feststellen, was eine Haftung der Beklagten aus beiden insofern in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ausschließt.

b) Die Beklagte hat keine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Die Pflegemaßnahmen der Beklagten waren nicht aus dem Grunde unzureichend, dass bei den vorangegangenen Baumschauen an den Bäumen vor dem Haus des Klägers Schadens- oder Krankheitssymptome übersehen wurden oder ein erforderlicher Baumschnitt versäumt wurde. Weiterhin ist nicht feststellbar, dass die Schäden am Haus durch kranke oder sonst schadhafte Äste verursacht wurden.

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Insofern nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen und Feststellungen des Landgerichts, deren Richtigkeit durch die ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme des Senats bestätigt worden ist. Bereits die Befragung des Klägers durch den Senat hat ergeben, dass die Beschädigungen am Haus des Klägers, deren Ersatz er mit der vorliegenden Klage verlangt, an zwei unterschiedlichen Stellen des Dachs sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite des Hauses entstanden sind, was nahelegt, dass hierfür nicht nur ein Ast, sondern zwei unterschiedliche Äste verantwortlich waren. Diese Äste vermochte der Kläger nicht zu beschreiben und zu identifizieren, wobei er nicht einmal ausschließen konnte, dass sie von der vor dem Nachbarhaus stehenden Platane abgebrochen waren.

Aber auch im Übrigen fehlt es an jedem Anhaltspunkt für eine unzureichende Baumschau und Baumpflege seitens der Beklagten. Auch die Folgen des Sturms am 31.08.2019 lassen keinen Rückschluss hierauf zu. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung durch den Senat nochmals bekräftigt, dass im Sommer, wenn die Äste belaubt sind, ein Sturm der Stärke von 8 Beaufort zu einem Abbrechen von Ästen führen kann, wie es am Schadenstag vor dem Haus des Klägers geschehen ist, auch wenn die betreffenden Bäume gesund und ausreichend gepflegt waren. Er hat weiter bekräftigt, dass er bei seiner Besichtigung zwar von Pflegemaßnahmen herrührende Schnittstellen, jedoch keine Krankheitssymptome oder sonstige Auffälligkeiten bei den in Betracht kommenden Bäumen feststellen konnte. Auch das Erscheinungsbild der gesamten Allee in der A Straße war trotz des vereinzelten Fehlens bzw. Ersatzes einzelner Bäume unauffällig und nicht schadensträchtig und gebot nicht den Rückschnitt der vor dem Haus des Klägers bzw. dem Nachbarhaus stehenden Platanen.

Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, die in jeder Hinsicht schlüssig und gut nachvollziehbar waren. Soweit er sich vor Ort ein Bild vom Zustand der Bäume durch Besichtigung vom Boden aus verschaffte, begegnet dies keinen Bedenken, sondern deckt sich mit dem Vorgehen und der Einschätzung anderer Sachverständiger aus anderen Verfahren vor dem Senat, wonach eine Beurteilung des Baumzustands durch eine Sichtprüfung vom Boden aus dem üblichen Standard entspricht.

2.

Dem Kläger steht des Weiteren auch kein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs oder der Aufopferung bzw. – wenn man von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ausgehen würde – aufgrund eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu.

a) Ein Ausgleichsanspruch aus enteignendem Eingriff oder Aufopferung kommt in Betracht, wenn rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen zu Nachteilen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB besteht, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gem. § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Ein Anspruch kommt danach insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Beeinträchtigung in Betracht, die infolge faktischen Duldungszwangs nicht rechtzeitig verhindert werden konnte, etwa dann, wenn der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und dies auch nicht rechtzeitig erkennen konnte.

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

b.1) Der Kläger hat zwar durch die Beschädigung des Daches an seinem Haus eine Eigentumsbeeinträchtigung erlitten, die er aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen hinnehmen musste. Zunächst war es ihm nicht möglich, nach Einsetzen des Sturms Abwehrmaßnahmen gegen die Beschädigung seines Hauses zu ergreifen oder von der Beklagten zu verlangen. Aber auch vorbeugende Maßnahmen gegen mögliche Sturmschäden konnte er nicht verlangen.

Vielmehr war der Kläger verpflichtet, wie sich aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des AG Bochum im Rechtsstreit 67 C 163/21 = Landgericht Bochum, Aktenzeichen 9 S 135/21, ergibt, den Überwuchs des auf dem städtischen Grundstück stehenden Baumes auf sein Grundstück hinzunehmen, zumal seine auf Rückschnitt des Baumes entlang der Grundstücksgrenze gerichtete Klage abgewiesen wurde. Zwar bezieht sich die Feststellung des rechtskräftigen Urteils auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in diesem Rechtsstreit und nicht auf den Zeitpunkt des Sturms. Indes ist nicht erkennbar, dass zwischen diesen Zeitpunkten eine wesentliche Veränderung eingetreten ist, weshalb die Ausführungen des Amtsgerichts und des Landgerichts Bochum auf den Zeitraum bis zu dem schadensstiftenden Sturm übertragbar sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe und Beschlussgründe des Amtsgerichts und Landgerichts Bochum, welche der erkennende Senat teilt, verwiesen. Soweit das Landgericht dahinstehen ließ, ob ein Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestand, besteht ein solcher ausweislich der Rechtsprechung des OVG Münster (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2017 – 11 A 1701/16 -, Rdn. 10 m.w.Nachw., juris) nicht.

Denn die sich aus § 32 Abs. 2 S. 1 StrWG NW a. F. = § 32 Abs. 3 S. 1 StrWG NW n.F. ergebende Duldungspflicht des Anliegers für Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers endet erst, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret befürchten lässt oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt, weil das Recht aus Art. 14 GG auch im nachbarlichen Verhältnis von öffentlicher Straße und Anliegergrundstück übermäßige – unmittelbare und mittelbare – Einwirkungen verbietet und eine angemessene Rücksichtnahme des Eigentümers der Straße auf schutzwürdige Interessen des Anliegers verlangt. Derartige Beeinträchtigungen gingen von den Bäumen nicht aus. Die Schädigung des Hauses aufgrund des sturmbedingten Astabbruchs war nicht vorhersehbar, sondern ein für den Kläger unglücklicher Zufall, der eine vorbeugende Beschneidung des Baumes nicht gebot.

b.2) Es fehlt jedoch an den Anspruchsvoraussetzungen, dass die Beklagte als Störer anzusehen ist und dem Kläger die entschädigungslose Hinnahme des eingetretenen Schadens nicht zuzumuten ist bzw. ihm ein nicht zumutbares Sonderopfer abverlangt wird.

Denn aufgrund des Anpflanzens und Aufziehens der Straßenbäume vor dem Grundstück des Klägers ist die Beklagte weder nach öffentlich-rechtlichen noch nach privatrechtlichen Maßstäben als Störer anzusehen, wenn der eingetretene Schaden Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses war. Durch derartige Naturereignisse ausgelöste Beeinträchtigungen begründen nur dann die Störereigenschaft, wenn sie durch Handlungen ermöglicht oder durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind und der so geschaffene oder geduldete Zustand eine konkrete Gefahrenquelle für das Nachbargrundstück gebildet hat. Das bloße Anpflanzen und Aufziehen von widerstandsfähigen Bäumen begründet eine solche Gefahrenlage regelmäßig nicht, auch wenn bei Naturkatastrophen Schäden nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Denn derartige ungewöhnliche, von außen hinzutretende Ereignisse sind unter normalen Umständen nicht zu erwarten. Vor ihrem Eintritt geht von Bäumen, die gegenüber normalen Einwirkungen der Naturkräfte hinreichend widerstandsfähig sind, keine ernsthafte Gefahr für das Nachbargrundstück aus. Eine Verantwortlichkeit der Beklagte besteht daher nur dann, wenn die von ihr unterhaltenen Bäume infolge Krankheit oder Überalterung diese Widerstandskraft eingebüßt haben (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1993 – V ZR 250/92 -, Rdn. 9, BGHZ 122, S. 283; OLG Brandenburg, Urteil vom 22.10.2015 – 5 U 104/13 -, Rdn. 13, juris).

Wie bereits ausgeführt, vermochte der Kläger jedoch nicht den Nachweis zu führen, dass der vor seinem Haus stehende Baum oder auch der Nachbarbaum Krankheitszeichen oder andere Auffälligkeiten aufgewiesen hatte und diese zum Abbrechen der schadensstiftenden Äste geführt haben. Vielmehr hat der Sachverständige B bekräftigt, dass das Sturmereignis am 31.08.2019 geeignet war, bei gesunden und fachgerecht gepflegten Bäumen gesunde Äste abzubrechen. Anzeichen für Krankheit oder Überalterung der Bäume waren ebenso wenig feststellbar wie Defizite bei der Pflege der Bäume durch die Beklagte. Mit einem Alter von 70 bis 80 Jahren haben die Bäume in der A Straße ihre durchschnittliche Lebenserwartung von 120 bis 150 Jahren bei weitem nicht erreicht.

b.3) Auch aus anderen Erwägungen ergibt sich keine Unzumutbarkeit der entschädigungslosen Hinnahme des durch die Naturgewalt eingetretenen Schadens für den Kläger. So ist weder dargelegt worden noch anzunehmen, dass der zuletzt geltend gemachte Schadensbetrag von 2.646,11 Euro die wirtschaftliche Existenz des Klägers gefährdet. Überdies ist er gegen derartige Schäden versichert und hat erstmalig einen Sturmschaden erlitten. Nach seiner Darstellung in der Verhandlung vor dem Senat hat er eine Gebäudeversicherung abgeschlossen, die er jedoch für den streitgegenständlichen Schadensfall nicht in Anspruch genommen hat.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorlagen. Der Senat hatte über einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung zu entscheiden. Von Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder anderer Oberlandesgerichte ist er ebenso wenig abgewichen wie von Entscheidungen oberster Gerichte anderer Fachgerichtsbarkeiten.

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