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Sturz in automatischer Drehtür im Eingangsbereich eines Einkaufscenters – Schadensersatz

LG Potsdam – Az.: 10 O 451/10 – Urteil vom 27.05.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach einem Sturz im Einkaufszentrum … vom 14.01.2010 geltend.

Am Morgen des 14.01.2010 begab sich die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zeugen J G, in das Einkaufszentrum, …. Die an dem Krankheitsbild der multiplen Sklerose leidende Klägerin beabsichtigte, das Einkaufzentrum über die nördliche Drehtür des Centers zu betreten. Bei dieser Drehtür handelt es sich um eine 4-flügelige Drehtür (KTC 4). Im Bereich des rechtsseitig gelegenen Türrahmens befindet sich Druckknopf, der das Symbol eines behinderten Rollstuhlfahrers trägt. Durch Betätigung dieses Knopfes kann die Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Tür verlangsamt werden. Zur Veranschaulichung der Örtlichkeiten wird ergänzend auf die als Anlage B 1 eingereichten Lichtbilder (Bl. 26 d. A.) Bezug genommen.

Sturz in automatischer Drehtür im Eingangsbereich eines Einkaufscenters - Schadensersatz
Symbolfoto: Von Ollyy/Shutterstock.com

Der Ehemann der Klägerin parkte das im Rahmen der Anfahrt gemeinsam genutzte Auto auf dem Schwerbehindertenparkplatz vor dem Einkaufszentrum, während dessen sich die Klägerin bereits zur nördlichen Drehtür begab. Rechts und links neben der Drehtür befinden sich Schwingtüren, die nach der Darstellung der Klägerin am Unfalltage jedoch noch verschlossen waren. Die Klägerin betrat daher die nördliche Drehtür, ohne jedoch den Behindertenknopf zu betätigen. Beim Verlassen der Drehtür stürzte die Klägerin, aus Gründen über die die Parteien streiten.

Infolge des Sturzes auf ihre linke Hüfte erlitt die Klägerin eine mediale Schenkelhalsfraktur (links) sowie eine Radiusköpfchenfraktur am linken Ellenbogen. Sie befand sich in der Zeit vom 14.01.2010 bis zum 26.01.2010 in stationärer Behandlung des … Klinikums. Die ärztliche Versorgung der Schenkelhalsfraktur erfolgte mittels dreifacher Zugschraubenosteosynthese. Die Radiusköpfchenfraktur wurde durch Anlegen einer Schiene konservativ behandelt. Im Entlassungszeitpunkt war die Mobilität der Klägerin nur unter Zuhilfenahme eines Rollstuhls hergestellt; mit Gehstützen waren der Klägerin nur wenige Schritte möglich. In der Zeit vom 26.01. bis zum 17.02.2010 war die Klägerin zur weiteren Pflege und Wiederherstellung der Mobilität im Seniorenheim W. untergebracht.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000,– €. Darüber hinaus verlangt sie die Kostenerstattung des Eigenanteils im Rahmen der Unterbringung im Seniorenheim W in Höhe von 489,84 €. Ersatz der Aufwendungen für krankheitsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 52,80 € sowie die Zahlung eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von insgesamt 8.880,00 Euro. Hinsichtlich letzterer Aufschlüsselung wird die ergänzenden Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 4.02.2011, Seite 4, Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte nach den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflichtverletzung. Bei der Drehtür handele es sich um ein automatisches Türsystem, das insbesondere für Kinder und ältere Menschen gefährlich sei. Im Zeitpunkt des Unfalls sei die Drehgeschwindigkeit der Tür falsch eingestellt gewesen. Bei richtiger Einstellung hätte sich die Tür beim Verlassen nicht schneller gedreht, so dass sie, die Klägerin, von der Drehtür nicht an der rechten Ferse getroffen und gestürzt wäre.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 9.422,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen,

2. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 Euro, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen,

3. der Rechtsschutzversicherung der Klägerin, der A. Rechtsschutzversicherung Service GmbH, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf das Konto der A. Rechtsschutzversicherung, …, Kontonummer …, BLZ …, in Höhe von 1.034,11 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen und verteidigt sich wie folgt: Der bedauerliche Unfall der Klägerin sei nicht auf einen technischen Fehler, sondern letztlich auf die Unachtsamkeit der Klägerin zurückzuführen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Wie sich der Unfall genau ereignet habe, sei ihr, der Beklagten, zwar nicht bekannt; die Klägerin habe aber – selbst nach eigener Schilderung – verabsäumt, den an der Drehtür angebrachten Behindertenknopf zu betätigen. Allein hierdurch hätte die Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Tür erheblich verlangsamt werden können.

Dass die Klägerin durch den Anstoß der Drehtür an ihrer rechten Ferse zu Fall gekommen sei, werde zudem mit Nichtwissen bestritten. Technisch sei die Drehtür nämlich mit einem Abschaltmechanismus ausgerüstet. Stoße die Drehtür folglich auf ein Hindernis, schalte sich der Abschaltmechanismus ein, mit der Folge, dass die Tür stehen bleibe. Denkbar sei danach allenfalls, dass der Anstoß oder die Berührung derart geringfügig sei, dass der Abschaltmechanismus noch nicht aktiviert worden sei; in diesem Fall sei allerdings der Sturz insgesamt nicht erklärlich.

Überdies hätte auch die Möglichkeit bestanden, das Einkaufscenter über die seitlichen Schwingtüren zu betreten. Diese seien während der Öffnungszeiten nicht abgeschlossen; die innen angebrachte Verriegelung hätte vom Centerpersonal oder vom Ehemann der Klägerin geöffnet und der Sturz auch hierdurch vermieden werden können. Der Schmerzensgeldanspruch und der Haushaltsführungsschaden werde bestritten; der klägerseitige Vortrag sei nicht ausreichend einlassungsfähig.

Das Gericht hat nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 25.03.2011 die Zeugen … sowie … zum Unfallhergang vernommen, die Umlaufgeschwindigkeit der Drehtür im Ortstermin vom 19. Mai 2011 in Augenschein genommen und den präsenten Zeugen … als Haustechniker zur Frage etwaiger nachträglicher Umbaumaßnahmen im Bereich der Drehtür angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Mai 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfall vom 14.01.2010 zu.

Unter einer Verkehrssicherungspflicht versteht man die Pflicht dessen, der eine Gefahrenquelle eröffnet, sie unterhält oder auf sie einwirkt, alle nach Lage der Dinge erforderlichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen zu treffen, damit sich die potentiellen Gefahren nicht zum Schaden anderer auswirken können (vgl. BGH VersR 1985, 839, 840; OLG Hamm NZV 2002, 129, 130; Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 823 BGB Rdn 51). Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich nach der Widmung, den örtlichen Gegebenheiten sowie der Art und Intensität der Benutzung. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst in der Regel die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Zustandes. Geschuldet werden die Sicherungsvorkehrungen, die im Rahmen der berechtigten Sicherungserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs nach Maßgabe des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von einem Verkehrsteilnehmer oder Nutzer abzuwehren. Eine umfassende Sicherungsverantwortung, die jegliches Unfallrisiko auszuschließen vermag und absolute Gefahrlosigkeit gewährleistet, ist allerdings nicht erreichbar. Der Nutzer kann dementsprechend nicht erwarten, dass eine Weg, eine Straße oder eine Drehtür allen erdenklichen Gefahren begegnet und völlig gefahrlos nutzbar ist. Keineswegs muss daher für alle denkbaren, auch entfernteren Möglichkeiten eines Schadenseintrittes Vorsorge getroffen werden.

Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahren erforderlich und nach objektiven Maßstäben dem Pflichtigen zumutbar sind. Deshalb geht die Verkehrssicherungspflicht auch nicht weiter, als dass der Verpflichtete in geeigneter und zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen hat, die der Zustand einer Sache in sich birgt und die Nutzer bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrsweges nicht ohne weiteres zu erkennen und auf die sie sich nicht ohne weiteres einzustellen und einzurichten vermögen. Dritte treffen mithin keine weiteren Sicherungspflichten, wenn die Nutzer oder Verkehrsteilnehmer bei zweckentsprechender Benutzung und Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt selbst etwaige Schäden abwenden könnten (vgl. BGH NJW 1970, 1126; VersR 1979, 1055). Der Verkehrssicherungspflichtige muss insofern nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Vor offenkundigen Hindernissen, die ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer auch mit einem nur beiläufigen Blick erfasst, braucht nicht gewarnt werden. Es ist vielmehr nur vor unvermuteten Gefahren eine Warnung nötig (vgl. OLG Bamberg VersR 1979, 262).

Hieran gemessen vermochte das Gericht im Ergebnis der Inaugenscheinnahme vor Ort keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht feststellen. Denn die Klägerin hat bereits nach eigener Schilderung verabsäumt, den an der Drehtür angebrachten Behindertenknopf zu betätigen. Allein hierdurch hätte die Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Tür erheblich verlangsamt und die Tür selbst für einen gehbehinderten Benutzer gefahrlos genutzt werden können. Warum dies nicht geschehen ist, blieb letztlich unklar; allerdings tritt in diesen Fällen – und so auch hier – die Eigenvorsorge durch den Verkehrsteilnehmer, sich selbst vor Schaden zu bewahren, in den Vordergrund (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1994, 617; Sprau in Palandt, BGB, a. a. O., § 823 BGB Rdn. 223).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die ihr obliegenden Pflichten nicht verletzt. Denn die Installation eines Behindertenknopfes, durch den die Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Tür auf über 40 Sekunden verlangsamt wird, reicht in der Regel als Vorkehrung gegen die Gefährdung Dritter aus. Eine Verkehrssicherungspflicht kann zwar möglicherweise noch dadurch verletzt werden, wenn das Symbol nicht derart errichtet wäre, dass dies für einen Benutzer gut sichtbar ist. So liegen die Dinge hier indessen nicht. Ein Nutzer, der die erforderliche Sorgfalt obwalten lässt, wäre zur Überzeugung des Gerichts in der Lage gewesen, den gut oder jedenfalls ausreichend sichtbar angebrachten „Behindertenknopf“ zu erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass der Eingangsbereich der Klägerin unbekannt war, etwa deshalb, weil sie das Einkaufszentrum an diesem Tage das erste Mal besucht hätte und aus diesem Grund mit den Örtlichkeiten nicht vertraut war, bestehen nach der Aussage des Zeugen … gleichermaßen nicht.

Eine falsche oder unzureichende Einstellung der Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Tür vermochte die Kammer danach nicht festzustellen.

Die Einschätzung des Zeugen … dass ihm der Eingangsbereich heute verändert vorkomme und möglicherweise Veränderungen an der Drehtür vorgenommen worden seien, vermag den Vorwurf der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gleichfalls nicht zu rechtfertigen. Denn nach der glaubhaften und detailreichen Schilderung des Zeugen … wurden in jüngster Zeit lediglich Änderungen an den Außengestaltung (Einfassung der Bäume und Anordnung von Bänken und Sitzgruppen) vorgenommen; die Drehtür wurde jedoch nicht verändert. Darlegungs- und Beweisbelastet für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bleibt jedoch die Klägerin. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme musste das Gericht bereits feststellen, dass weder der Zeuge … noch der Ehemann der Klägerin beobachtet haben, dass die Drehtür der Klägerin beim Verlassen des Eingangsbereichs in die Ferse geschlagen ist, so dass die Klägerin hierdurch gestürzt ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Der Gebührenstreitwert wird 14.422,64 € festgesetzt. Hiervon entfallen auf den Klageantrag zu Ziffer 1) 9.422,64 € sowie auf den Schmerzensgeldantrag zu Ziffer 2) weitere 5.000,00 €. Zinsen und Nebenforderungen bleiben im Rahmen der Streitwertfestsetzung außer Betracht, § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

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