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Suchtmittelverbot: Suchtmittelkontrollen (verdachtsunabhängige) durch Arbeitgeber?

Arbeitsgericht Hamburg

Az.: 27 Ca 136/06

Urteil vom 01.09.2006


Leitsätze:

Verdachtsunabhängige Suchtmittelkontrollen zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit sind zulässig.


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.100 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit von verdachtsunabhängigen Suchtmittelkontrollen aufgrund einer Betriebsvereinbarung.

Der Kläger ist seit dem 1. April 2000 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt i.H.v. 5.100 EUR als Van Carrier-Fahrer beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, welches sich mit dem Containerumschlag im H. Hafen beschäftigt. Der Containerumschlag erfolgt anhand von Containerbrücken sowie durch Van Carrier. Alle Hafenarbeiter, also auch der Kläger, werden festen Teams zugeteilt.

Am Arbeitsplatz des Klägers herrscht ein absolutes Suchtmittelverbot. Dieses Verbot bezieht sich auf alkoholische Getränke, sowie auf Drogen jeglicher Art. Mitarbeiter, die unter einem Suchtmitteleinfluss stehen, dürfen nicht beschäftigt werden.

Im Februar des Jahres 2005 erhielten die Geschäftsführung und die Personalabteilung der Beklagten einen anonymen Brief, in welchem behauptet wurde, dass viele Mitarbeiter des Terminals während der Arbeitszeit unter Suchtmitteleinfluss stehen würden. Explizit wurde im Rahmen dieses Schreibens auf ein Team hingewiesen. Es wurde weiter behauptet, dass aus jenem Team Mitarbeiter auf dem Gelände Drogen konsumieren würden. Auf Grund dieser Verdachtsmomente wurde das gesamte genannte Team gebeten, beim Betriebsarzt eine Urinprobe abzugeben, welche auf Drogen untersucht werden sollte. Bei mehreren Mitarbeitern dieses Teams war das Ergebnis des Drogentests positiv.

Aufgrund jener Testergebnisse sahen sich die Geschäftsführung wie auch der Betriebsarzt der Beklagten dazu veranlasst ein Verfahren zu schaffen, welches sicherstellt, dass keine Mitarbeiter unter Suchtmitteleinfluss Großgeräte bei der Beklagten wie Containerbrücken oder Van Carrier bedienen.

Vor diesem Hintergrund schlossen die Betriebsparteien der Beklagten eine Betriebsvereinbarung vom 13. Juli 2005. Dort heißt es:

„4.

a) Bei begründeten Verdacht einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf Grund von Suchtmitteln hat der betroffene Mitarbeiter/die betroffene Mitarbeiterin die Pflicht, seinerseits/ihrerseits die Umstände der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit klären zu helfen.

b) Unter Verdacht stehende Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen können daher aufgefordert werden, sich eines Atem-, Blut- und/oder eines Urintests durch den Betriebsarzt zu unterziehen. Die zur Entscheidung erforderlichen Laborwerte können auch innerhalb einer von dem Betriebsarzt bestimmten Frist durch den behandelnden Arzt des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin beigebracht werden.

c) Auf Grund der generell bestehenden Gefahrengeneigtheit der Tätigkeiten auf dem Container Terminal bzw. in der Technik können Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen auch ohne bestehenden begründeten Verdacht und unabhängig von den durchzuführenden Routineuntersuchungen zur Überprüfung ihrer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit zu Atem- und/oder zu Urintests aufgefordert werden. Die Kontrollen erfolgen nach dem Zufallsprinzip teamgruppenbezogen oder – wo diese Organisationsform nicht besteht – einzelfallbezogen. Welches Team zur Durchführung der Tests aufgefordert wird, entscheidet sich wie folgt:“

In Umsetzung der Regelungen dieser Betriebsvereinbarung wurde am 29. September 2005 das Team des Klägers ausgelost. Das sodann durchgeführte Screening auf aktuellen Einfluss von Suchtmitteln ergab bei dem Kläger ein positives Ergebnis in Bezug auf THC. Daraufhin wurde der Kläger unter Anrechnung auf bestehende Urlaubs- sowie Freizeitausgleichsansprüche freigestellt. Gleichfalls wurde dem Kläger nahe gelegt, am 6. Oktober 2005 an einem erneuten Screening teilzunehmen. Auch dieses ergab für den Kläger ein positives Testergebnis im Hinblick auf THC. Auch ein weiterer Test am 27. Oktober 2005 ergab einen positiven THC-Wert.

Am 11. November 2005 legte der Kläger dem Betriebsarzt der Beklagten eine Bescheinigung des Universitätskrankenhaus E. vor, welche ein negatives Ergebnis im Hinblick auf Suchtmitteleinfluss bescheinigte. Sodann nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf.

Im Rahmen der weiteren Umsetzung der Betriebsvereinbarung wurde erneut das Team des Klägers ausgelost. Das entsprechende Screening sollte am 15. März 2006 zum Ende der ersten Schicht erfolgen. Der Kläger weigerte sich, den entsprechenden Test durchführen zu lassen. Nachfolgend wurde dem Kläger durch die Personalreferentin in Anwesenheit des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden erklärt, dass ihn niemand zur Abgabe einer Urinprobe zwingen könne. In Anbetracht seiner Verweigerungshaltung bestünde jedoch ein begründeter Verdacht, dass er derzeit unter Suchtmitteleinfluss stehen würde. Folglich könne er nicht weiter eingesetzt werden. Dem Kläger wurde gemäß der Betriebsvereinbarung angeboten, einen entsprechenden Test bei seinem Arzt durchführen zu lassen und dem Betriebsarzt sodann das Ergebnis vorzulegen. Der Kläger antwortete hierauf, den Test nicht beim Betriebsarzt durchführen lassen zu wollen, sagte aber zu, den Test im Universitätskrankenhaus E. durchführen zu lassen. Später meldete sich der Kläger telefonisch bei der Personalreferentin und teilte mit, dass der entsprechende Drogentest im Universitätskrankenhaus negativ verlaufen sei. Er habe jedoch noch keine schriftlichen Ergebnisse vorliegen. Nachdem am 16. März 2006 eine entsprechende Bescheinigung vorlag, wurde der Kläger am Folgetage wieder eingesetzt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Regelung der Betriebsvereinbarung, Routineuntersuchungen auch ohne Verdachtsmomente vornehmen zu können, gegen die Grundsätze des § 75 Abs. 2 BetrVG verstoße. Der Kläger sei bereit, an Untersuchungen aufgrund eines Verdachtes teilzunehmen, weil diese den Gesundheitszustand des Klägers unmittelbar am Arbeitsplatz beträfen. Untersuchungen ohne Verdachtsmomente mittels Urintests zielten aber nicht auf einen aktuellen Rauschzustand bzw. auf einen bestimmten Alkoholisierungsgrad ab, sondern dienten lediglich der allgemeinen Kontrolle des Alkohol- und Drogenkonsums über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten. Die Testergebnisse ergäben somit auch keine Rückschlüsse auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rauschmittelfreiheit während der Dienstausübung. Die Beklagte erhebe mit der Durchführung dieser Routinetests personenbezogene Daten, die Aufschluss über die allgemeine Gesundheit ihrer Arbeitnehmer und auch ihr privates Verhalten ergäben. Dadurch werde das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter verletzt.

Daher beantragt der Kläger, festzustellen, dass die Anweisung der Beklagten vom 15. März 2006 an den Kläger, an einem Urintest teilzunehmen, unwirksam gewesen ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung zur Überprüfung der Einhaltung des bestehenden Suchtmittelverbotes rechtswirksam seien. Sie verstießen insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht. Die Beklagte versuche nur die Verpflichtung, die zwingende gesetzliche Regelung des § 38 VBG 1 einzuhalten, wonach Mitarbeiter, die infolge des Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, nicht mehr beschäftigt werden dürfen, einzuhalten. Die Beklagte habe aber keine andere Möglichkeit, die Einhaltung jenes Gebotes zu überprüfen als durch Stichproben. Die Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts habe der Kläger auf Grund der Verhältnismäßigkeit der Betriebsvereinbarung hinzunehmen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig.

Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Rechtsverhältnis streitig. Unter einem Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Gegenstand der Feststellungsklage können dabei auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines Rechtsverhältnisses sein (Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., 2005 § 256 Rdnr. 3). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne stellt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien dar. Vorliegend geht es darum, ob der Kläger aufgrund der Betriebsvereinbarung verpflichtet ist, an Urintests teilzunehmen. Damit streiten die Parteien unmittelbar um den Inhalt arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Dieses ergibt sich daraus, dass dem Kläger nicht zugemutet werden kann, zunächst einen Pflichtenverstoß zu begehen, um dann im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung etwaiger Arbeitgebersanktionen den Inhalt des Arbeitsverhältnisses klären zu lassen.

II.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Weisung gegenüber dem Kläger, sich auch ohne konkreten Verdacht an einem Urintest zu beteiligen, war wirksam.

Dabei kann offen bleiben, ob sich eine solche Verpflichtung auch aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt. Jedenfalls statuiert Nr. 4 lit. c) der Betriebsvereinbarung eine solche Mitwirkungspflicht.

1.

Die Regelung verstößt auch nicht gegen § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Regelungen der Betriebsparteien oder der Einigungsstelle über eine Teilnahme an Urintests im Betrieb haben – wie jede Betriebsvereinbarung – höherrangiges Recht zu beachten. Die Betriebsparteien haben nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG insbesondere die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Diese Pflicht begrenzt ihre Regelungsbefugnis und den zulässigen Inhalt der von ihnen getroffenen Regelungen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I 2 der Gründe mwN). Die Betriebsparteien haben deshalb auch das nach Art. 2 Abs. 1 in Verb. mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter zu beachten.

2.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist betroffen, aber nicht verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht, anderen Personen körperbezogene Daten nicht mitzuteilen, wie sie durch einen Urintest gewonnen werden können.

a) Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. dazu BVerfG 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 – BVerfGE 109, 279, 311 ff.) wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings nur in den Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung garantiert. Diese besteht aus der Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 – BVerfGE 106, 28, 39 ff.). In das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb insbesondere durch verfassungsgemäße Gesetze eingegriffen werden. Auch Betriebsvereinbarungen, die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossen wurden, können Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 41 = NZA 2004, 1278, zVv., zu B I 2 c der Gründe mwN). Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen muss durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, etwa des Arbeitgebers, gerechtfertigt sein. Dafür ist eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. BAG 27. März 2003 – 2 AZR 51/02 – BAGE 105, 356, zu B I 3 b bb der Gründe mwN).

Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch die den Betriebsparteien nach § 75 Abs. 2 BetrVG auferlegte Verpflichtung konkretisiert (BAG 19. Januar 1999 – 1 AZR 499/98 – BAGE 90, 316, zu A II 3 der Gründe). Die von ihnen getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist die Regelung, wenn sie auch im engeren Sinne verhältnismäßig erscheint. Um dies festzustellen, bedarf es einer Gesamtabwägung der Intensität des Eingriffs gegen das Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe, bei der die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten werden darf (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I 2 d mwN).

Die erforderliche Abwägung kann nicht abstrakt vorgenommen werden. So geht etwa weder das Eigentum (Art. 14 GG) oder das Briefgeheimnis (Art. 10 GG) stets dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor noch genießt dieses jederzeit Vorrang. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Von Bedeutung ist dabei die Eingriffsintensität, also die Frage, wie viele Personen wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind, ohne dass sie hierfür einen Anlass gegeben hätten (BVerfG 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 – BVerfGE 109, 279, zu C II 3 b ee (3) (a) der Gründe).

b) Eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers mit daran anschließender Offenbarung personenbezogener Daten durch den Arzt an den Arbeitgeber führt regelmäßig zu einem Eingriff in die Intimsphäre des Arbeitnehmers. Diese ist jedoch durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers. Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen (BVerfGE 89, 69, 82 f., m.w.N.).

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c) Dieser Eingriff ist aber verhältnismäßig.

Die Teilnahme bzw. die Aufforderung zur Abgabe eines Urintests ist in geeignet, festzustellen, ob ein Arbeitnehmer uneingeschränkt arbeitsfähig ist, oder nicht.

Die Maßnahme ist auch erforderlich. Denn es ist kein milderes Mittel ersichtlich, welche es der Beklagten ermöglicht mit einem geringeren Eingriff in die Rechte des Klägers gleiche Gewissheit zu erhalten. Gerade im Falle von Drogenkonsum ist es regelmäßig von vornherein nicht möglich die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu erkennen, auch wenn diese vorliegt. Dabei ist im vorliegenden Fall insbesondere zu berücksichtigen, dass aufgrund der Größe der zu bewegenden Maschinen bereits kleinste Unachtsamkeiten oder fehlende Präzision zu erheblichen Schäden führen können.

Die Maßnahme ist auch angemessen. Dem Kläger obliegt es, mit deren Beklagten durch den Betriebsarzt oder aber durch einen frei zu wählenden Arzt mitzuteilen, ob er aufgrund von Suchtmitteln eingeschränkt arbeitsfähig ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Eingriffsintensität verhältnismäßig gering, nämlich nicht mit einer direkten Verletzung des Körpers wie beispielsweise bei Bluttests verbunden ist. Es handelt sich vielmehr um einen natürlichen Vorgang, bei welchem ohnehin abzusondernder Urin auf seine Zusammensetzung überprüft wird. Soweit der Kläger meint, dass auf Grund der durchzuführenden Tests die Beklagte auch länger zurückliegenden Konsum von Rauschmitteln nachweisen könne, mag dies dahinstehen. Der Kläger wurde am 15. März 2006 aufgefordert, an einem Urintest teilzunehmen. Dabei trägt der Kläger selbst vor, dass er nicht dazu verpflichtet war, den Urintest beim Betriebsarzt durchführen zu lassen, sondern sich auch bei seinem Hausarzt oder aber im Universitätskrankenhaus E. auf Drogenkonsum untersuchen lassen konnte. Sofern der Kläger die Auffassung vertritt, dass er verpflichtet gewesen wäre die Testergebnisse der Beklagten zu übermitteln, ergibt sich eine solche Verpflichtung aus der der Anordnung zu Grunde liegenden Betriebsvereinbarungen nicht. Dort regelt Ziff. 4 c) lediglich, dass ein Mitarbeiter ohne bestehenden begründeten Verdacht zur Überprüfung seiner uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit zu Urintests aufgefordert werden kann. Demgemäß ist der Kläger lediglich verpflichtet, an Urintests zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit teilzunehmen. Daraus resultiert eine Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber, diesen über eine Arbeitsfähigkeit zu unterrichten. Die detaillierten Untersuchungsergebnisse sind dem Arbeitgeber indessen nicht mitzuteilen. Ein Mitarbeiter trifft auf Grund der Betriebsvereinbarungen ohne begründeten Verdacht also lediglich die Pflicht, durch einen Arzt die uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit feststellen zu lassen. Diese Frage kann der Arzt, welchen sich jeder Mitarbeiter selbst aussuchen kann, mit einem einfachen „ja“ oder „nein“ beantworten, ohne dass hierzu die Weitergabe einzelner Ergebnisse notwendig wäre. Sollte demnach die Untersuchung ergeben, dass zwar ein Alkohol- oder Drogenkonsum vorlag, jener aber bereits die Arbeitsfähigkeit nicht mehr tangiert, so müsste der untersuchende Arzt trotz positivem Testergebnisses die Arbeitsfähigkeit feststellen.

Soweit der Kläger vorträgt, dass Routineuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis regelmäßig unzulässig sind, und dies auch durch das Bundesarbeitsgerichtes so gesehen wird, verkürzt er nach Auffassung der Kammer die Entscheidung des 2. Senats vom 12. August 1999 (2 AZR 55/99) um wesentliche Gesichtspunkte. Zum einen hielten das Bundesarbeitsgericht Routineuntersuchungen nur für den Fall für unzulässig, soweit sie vorbeugend klären sollten, ob ein Arbeitnehmer Alkohol- bzw. Drogen abhängig ist. Um eine Abhängigkeit geht es indessen bei der Regelung der vorliegenden Betriebsvereinbarung nicht. Nach dem Wortlaut soll lediglich die Arbeitsfähigkeit überprüft werden, also die körperliche Möglichkeit des Arbeitnehmers, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten sowie Neben- und Schutzpflichten nachkommen zu können. Die Erfassung von Daten jenseits derer zur Feststellung der täglichen Arbeitsfähigkeit soll gerade nicht ermöglicht werden. Dass eine Auswertung bestimmter Körperdaten dem Arbeitgeber zuzugestehen ist, sieht nach Auffassung der Kammer auch das Bundesarbeitsgericht nicht anders. So heißt es in der genannten Entscheidung:

„3. Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelung oder der ihm obliegenden Treuepflicht grundsätzlich verpflichtet, sich – wie hier der Kläger – in gewissen Abständen einer Gesundheitsuntersuchung zu unterziehen, so bedeutet dies noch nicht, dass der Arzt ohne jede Einschränkung alle Untersuchungen vornehmen darf, die er oder der Arbeitgeber für sachdienlich halten.“

Der Arbeitgeber darf demnach Daten erfassen, aber nur, soweit sein Interesse an ihnen gegenüber der Intimsphäre sowie der körperlichen Unversehrtheit des Arbeitnehmers überwiegt. Dies ist im Rahmen eines Urintests jedenfalls dann der Fall, wenn durch ihn nur die tägliche Arbeitsfähigkeit festgestellt werden soll.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Der gemäß § 61 ArbGG festzusetzende Streitwert beträgt nach dem im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 4 Abs. 1 ZPO) gestellten Antrag 5.100 EUR was einem Bruttomonatsgehalt entspricht (§ 3 ZPO).

Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG gesondert zuzulassen, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vorlag (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG). Mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird das Interesse der Allgemeinheit an der Entscheidung des Rechtsstreits gefordert. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAG, Beschluss vom 05. Dezember 1979, Az: 4 AZN 41/79).

Nicht nur im Hafenbereich sondern bei sämtlichen Arbeitsplätzen im Großmaschinenbereich werden häufig Kontrollmechanismen etabliert, um Einschränkungen aufgrund drogenbedingter Verzögerungen zu verhindern. Dabei steht den Parteien meist nur die Möglichkeit ärztlicher Untersuchungen und Screenings zur Verfügung. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang solche Untersuchungen zulässig sind, bedarf daher obergerichtlicher Klärung, da, abgesehen von der bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung vom 12. August 1999, und dort auch nur zu einem Spezialfall keine obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

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