Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Mietrecht im Fokus: Schutz psychisch gefährdeter Mieter vor Zwangsräumung
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche rechtlichen Möglichkeiten haben psychisch kranke Mieter bei einer Räumungsklage?
- Ab wann muss eine psychische Erkrankung dem Vermieter gemeldet werden?
- Welche Rolle spielt eine Gesetzliche Betreuung bei Mietstreitigkeiten?
- Was sind die Voraussetzungen für einen Räumungsaufschub bei Suizidgefahr?
- Welche Unterstützungsangebote gibt es für von Räumung bedrohte psychisch kranke Mieter?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Frankenthal
- Datum: 01.03.2024
- Aktenzeichen: 2 S 118/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren in einem Räumungsrechtsstreit
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Beklagte (Mieterin): Die Mieterin, seit Januar 2002 wohnhaft, widersetzt sich der Kündigung und beruft sich auf das Fehlen von Mietschulden nachdem ihr Bruder die Rückstände beglich. Sie leidet an psychischen Problemen, was zu Störungen führte, und steht unter gesetzlicher Betreuung.
- Kläger (Vermieter): Die Vermieter, die die Beklagte wegen Zahlungsrückständen und Störung des Hausfriedens fristlos gekündigt haben. Sie bestreiten die Angaben der Beklagten zu ihrer Erkrankung und befürworten die Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund unzumutbarer Zustände.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Kläger hatten der Beklagten aufgrund fehlender Mietzahlungen und Störung des Hausfriedens gekündigt. Trotz nachgeholter Zahlungen wurde eine Störung des Hausfriedens weiterhin geltend gemacht. Die Beklagte, an einer psychischen Erkrankung leidend, steht unter Betreuung und argumentiert gegen die Wirksamkeit der Kündigung.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die fristgemäße Kündigung wegen Zahlungsverzugs und nicht schuldhaftem Verhalten der Beklagten gerechtfertigt war und ob die Interessenabwägung aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Kündigung unwirksam macht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten gegen das Räumungsurteil wurde zurückgewiesen, und die Beklagte muss die Wohnung räumen. Eine Räumungsfrist bis 31.05.2024 wurde gewährt.
- Begründung: Die Kündigung war formgerecht und wirksam. Die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückständen war trotz nachträglicher Zahlungen wirksam, weil andere schwerwiegende Gründe für die Kündigung gegeben waren, insbesondere die Störung des Hausfriedens. Die behauptete Suizidgefahr im Falle eines Auszugs wurde nicht ausreichend belegt.
- Folgen: Die Beklagte muss die Räumung vornehmen und trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Gewährung der Räumungsfrist lässt der Beklagten Zeit für die Suche nach neuem Wohnraum. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, es wurde jedoch keine Revision zugelassen.
Mietrecht im Fokus: Schutz psychisch gefährdeter Mieter vor Zwangsräumung
Das Mietrecht steht vor einer komplexen Herausforderung, wenn psychische Gesundheit und Wohnungsschutz aufeinandertreffen. Besonders bei Mietern mit akuter Suizidgefahr müssen Vermieter und Rechtsprechung besonders sensibel und verantwortungsvoll agieren, um schutzwürdige Interessen zu berücksichtigen.
Die rechtlichen Aspekte einer möglichen Zwangsräumung werden durch psychiatrische Gutachten und individuelle Kriseninterventionen zunehmend differenzierter betrachtet. Gerichte müssen dabei eine schwierige Balance zwischen mietrechtlichen Anforderungen und dem Schutz von Mietern in psychischen Ausnahmesituationen finden. Der folgende Fall zeigt exemplarisch, wie Rechtsprechung und Sozialverträglichkeit in solchen Konfliktkonstellationen zusammenwirken können.
Der Fall vor Gericht
Mieterin muss trotz psychischer Erkrankung Wohnung räumen

Das Landgericht Frankenthal hat eine langjährige Mieterin zur Räumung ihrer Wohnung verurteilt, in der sie seit Januar 2002 lebt. Die Vermieterkündigung wegen zwei aufeinanderfolgender unbezahlter Monatsmieten wurde als rechtmäßig bestätigt, obwohl die Mieterin unter einer psychischen Erkrankung leidet und unter gesetzlicher Betreuung steht.
Fehlende Mietzahlungen führten zur Kündigung
Die Vermieter kündigten der Mieterin im April 2023 fristlos und hilfsweise ordentlich, nachdem diese die Mieten für März und April 2023 nicht gezahlt hatte. Zwar beglich der Bruder der Mieterin im Juni 2023 sämtliche Rückstände in Höhe von 3.100 Euro, doch dies konnte die ordentliche Kündigung nicht mehr unwirksam machen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die gesetzliche Schonfrist nur für fristlose, nicht aber für ordentliche Kündigungen.
Psychische Erkrankung schützt nicht vor Räumung
Die Mieterin befand sich von Mai bis Juni 2023 wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung. Seit April 2023 steht sie unter gesetzlicher Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge. Ein ärztliches Attest bestätigte später das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie. Das Gericht sah dennoch keine ausreichenden Gründe für ein fehlendes Verschulden bei den Mietzahlungen, da die Mieterin nicht nachweisen konnte, dass sie bereits zum Zeitpunkt der versäumten Mietzahlungen krankheitsbedingt schuldunfähig war.
Störung des Hausfriedens verstärkt Räumungsgrund
Neben den Mietrückständen warfen die Vermieter der Mieterin auch vor, regelmäßig den Hausfrieden zu stören. Die Mieterin bestritt zwar körperliche Übergriffe auf Mitbewohner, räumte aber ein, dass es zu beleidigenden Äußerungen kam, die sie als krankheitsbedingt bezeichnete. Das Gericht wertete die andauernden Störungen des Hausfriedens und die dokumentierten Beschwerden der Mitbewohner als legitimen Grund für das Festhalten der Vermieter an der Kündigung.
Räumungsfrist bis Ende Mai 2024
Das Gericht gewährte der Mieterin eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2024. Bei dieser Entscheidung berücksichtigte das Gericht die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt sowie die chronische psychische Erkrankung der Mieterin. Da die Vermieter keinen dringenden Eigenbedarf geltend machten, erschien dem Gericht eine dreimonatige Räumungsfrist angemessen, um der Mieterin die Suche nach einer neuen Wohnung zu ermöglichen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass auch bei nachträglicher Zahlung von Mietrückständen eine Kündigung wirksam bleiben kann, wenn weitere Kündigungsgründe wie massive Störungen des Hausfriedens vorliegen. Selbst wenn gesundheitliche Probleme oder eine Betreuungssituation vorliegen, können diese eine Kündigung nicht automatisch unwirksam machen. Das Gericht wägt dabei die Interessen aller Beteiligten ab, wobei auch die Belange der Mitmieter eine wichtige Rolle spielen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Mieter müssen Sie beachten, dass die nachträgliche Zahlung von Mietrückständen allein nicht ausreicht, um eine Kündigung unwirksam zu machen, wenn weitere schwerwiegende Vertragsverletzungen vorliegen. Auch wenn Sie sich in einer schwierigen persönlichen Situation befinden, etwa aufgrund gesundheitlicher Probleme, müssen Sie die Rechte anderer Hausbewohner respektieren. Bei drohenden Zahlungsschwierigkeiten sollten Sie frühzeitig das Gespräch mit dem Vermieter suchen und sich bei Bedarf professionelle Unterstützung holen, um eine Kündigung zu vermeiden.
Mietrückstände und Kündigung? Schützen Sie Ihre Rechte.
Dieses Urteil verdeutlicht, wie komplex Mietstreitigkeiten sein können. Auch bei persönlichen Schwierigkeiten ist es wichtig, die Rechte aller Beteiligten zu wahren. Gerade wenn es um Ihre Wohnung geht, sollten Sie nichts dem Zufall überlassen. Wir helfen Ihnen, Ihre Interessen zu verstehen und zu vertreten, damit Sie in jeder Situation die richtige Entscheidung treffen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben psychisch kranke Mieter bei einer Räumungsklage?
Bei einer Räumungsklage stehen psychisch kranken Mietern besondere Schutzrechte zu. Eine psychische Erkrankung kann als Härtegrund anerkannt werden, wenn durch einen Umzug eine erhebliche Gesundheitsgefährdung droht.
Härtefallregelung nach § 574 BGB
Ein psychisch kranker Mieter kann der Kündigung widersprechen, wenn der Auszug eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine ernsthafte Gefahr der gesundheitlichen Verschlechterung durch den Umzug besteht. Der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses schriftlich erfolgen.
Nachweis der gesundheitlichen Beeinträchtigung
Die psychische Erkrankung muss durch fachärztliche Atteste nachgewiesen werden. Ein Gutachten sollte die konkrete Diagnose, den Schweregrad der Erkrankung und die zu erwartenden gesundheitlichen Folgen eines Umzugs detailliert darlegen.
Räumungsunfähigkeit
Eine Räumungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Mieter aufgrund seines psychischen Zustands:
- nicht in der Lage ist, eine Ersatzwohnung zu finden
- ein Umzug zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen würde
- die ernsthafte Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung besteht
Suizidgefahr als besonderer Schutzgrund
Bei einer konkret drohenden Suizidgefahr kann das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden. Die bloße Ankündigung einer Selbsttötung reicht jedoch nicht aus – die Gefährdung muss durch psychiatrische Gutachten bestätigt werden.
Interessenabwägung
Das Gericht wägt die Interessen von Vermieter und Mieter sorgfältig ab. Dabei werden berücksichtigt:
- Die Schwere der psychischen Erkrankung
- Die Dauer des Mietverhältnisses
- Die Verfügbarkeit therapeutischer Hilfe
- Die Unterstützung durch das soziale Umfeld
Eine psychische Erkrankung allein schützt nicht automatisch vor einer Kündigung. Entscheidend ist die konkrete Gefährdung durch einen erzwungenen Umzug.
Ab wann muss eine psychische Erkrankung dem Vermieter gemeldet werden?
Eine psychische Erkrankung müssen Sie dem Vermieter nicht automatisch oder präventiv mitteilen. Eine Mitteilungspflicht entsteht erst dann, wenn die Erkrankung konkrete Auswirkungen auf das Mietverhältnis hat.
Mitteilungspflicht bei konkreten Auswirkungen
Sie sollten Ihre psychische Erkrankung dem Vermieter mitteilen, wenn:
- Sie aufgrund der Erkrankung die Miete nicht mehr zahlen können
- Ihr Verhalten durch die Erkrankung den Hausfrieden stört
- Eine Eigenbedarfskündigung droht und die Erkrankung einen Härtegrund darstellt
Nachweis der Erkrankung
Wenn Sie sich auf Ihre psychische Erkrankung berufen, müssen Sie diese durch ein ärztliches Attest oder ein psychiatrisches Gutachten nachweisen. Der Nachweis ist besonders wichtig bei:
- Drohender Kündigung
- Räumungsklage
- Geltendmachung von Härtegründen
Rechtliche Folgen der Mitteilung
Eine nachgewiesene psychische Erkrankung kann weitreichende Schutzwirkungen entfalten. Der Vermieter muss dann eine erhöhte Toleranzbereitschaft zeigen. Bei Eigenbedarfskündigungen kann die Erkrankung als unzumutbare Härte gelten, wenn ein Umzug die Gesundheit gefährden würde.
Selbst bei Mietrückständen kann eine psychische Erkrankung die Kündigung unwirksam machen, wenn Sie nachweisen können, dass die Erkrankung Sie daran gehindert hat, rechtzeitig Hilfe bei den zuständigen Ämtern zu suchen.
Welche Rolle spielt eine Gesetzliche Betreuung bei Mietstreitigkeiten?
Eine gesetzliche Betreuung verändert die rechtliche Situation im Mietverhältnis grundlegend. Etwa 90 Prozent aller Betreuten bleiben geschäftsfähig und können selbstständig Rechtsgeschäfte wie Mieterhöhungen oder Kündigungen vornehmen.
Zustellung von Mitteilungen
Bei der Kommunikation zwischen Vermieter und betreutem Mieter gilt: Eine wirksame Zustellung von Abmahnungen oder Kündigungen erfolgt nur bei geschäftsfähigen Betreuten direkt. Bei geschäftsunfähigen Mietern muss der Vermieter seine Schreiben an den Betreuer richten.
Kündigungsrechte und -pflichten
Für Kündigungen gelten besondere Regelungen:
- Der geschäftsfähige Betreute kann seine Wohnung selbst kündigen, benötigt aber die Zustimmung des Betreuungsgerichts.
- Der Betreuer braucht für eine Kündigung der Mietwohnung die vorherige Genehmigung des Betreuungsgerichts.
- Eine nachträgliche Genehmigung des Gerichts macht eine zunächst unwirksame Kündigung nicht wirksam.
Besondere Schutzrechte bei Räumungsklagen
Bei drohenden Räumungsklagen wegen Suizidgefahr des betreuten Mieters prüfen Gerichte besonders sorgfältig. Das Gericht muss sich bei schwerwiegenden Gesundheitsgefahren ein genaues Bild verschaffen, meist durch Einholung von Sachverständigengutachten.
Der Betreuer hat wichtige Mitteilungspflichten: Er muss dem Betreuungsgericht unverzüglich melden, wenn dem Betreuten ein Wohnungsverlust droht. Dies gilt bei Mietschulden, fristloser Kündigung oder Eigenbedarfskündigung.
Mieterhöhungen und Vertragsänderungen
Bei Mieterhöhungen muss der Betreuer besonders wachsam sein. Deutliche Mieterhöhungen sind dem Gericht mitzuteilen, wenn der Betreute die erhöhte Miete möglicherweise nicht mehr zahlen kann. Bei geschäftsfähigen Betreuten können Mieterhöhungen direkt mit dem Mieter vereinbart werden, sofern kein Einwilligungsvorbehalt besteht.
Was sind die Voraussetzungen für einen Räumungsaufschub bei Suizidgefahr?
Ein Räumungsaufschub bei Suizidgefahr kann nach § 765a ZPO gewährt werden, wenn eine konkrete und akute Suizidgefahr durch ein fachärztliches Gutachten nachgewiesen wird.
Grundlegende Voraussetzungen
Die Suizidgefahr muss in direktem Zusammenhang mit der Zwangsräumung stehen. Ein bloßes Vorbringen oder eine einfache Androhung des Suizids reicht nicht aus. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine besonders sorgfältige Prüfung durch das Vollstreckungsgericht, wenn dem Schuldner räumungsfolgenbedingt schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen bis hin zum Suizid drohen.
Nachweis der Suizidgefahr
Der Nachweis erfordert:
- Ein qualifiziertes fachärztliches Gutachten zur Beurteilung der Suizidgefahr
- Die Gerichte dürfen die ärztlichen Atteste nicht aus eigener Sachkunde beurteilen, sondern müssen einen Sachverständigen beauftragen
- Eine nachvollziehbare Dokumentation der psychischen Ausnahmesituation
Pflichten des Mieters
Der Mieter muss nachweislich alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Suizidgefahr abzuwenden. Dazu gehören:
- Die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe
- Die Bereitschaft zu einem stationären Klinikaufenthalt wenn nötig
- Aktive Bemühungen um eine alternative Wohnmöglichkeit
Zeitliche Beschränkung
Der Räumungsaufschub wird in der Regel nur befristet gewährt. Eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Der Aufschub gilt nur so lange, wie der Räumungsschuldner trotz aller zumutbaren Bemühungen akut suizidgefährdet bleibt.
Behördliche Maßnahmen
Bei der Durchführung der Räumung können folgende Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden:
- Einschaltung des Gesundheitsamtes
- Hinzuziehung des Ordnungsamtes
- Polizeiliche Unterstützung
- Bereitstellung eines Arztes und Rettungswagens vor Ort
Welche Unterstützungsangebote gibt es für von Räumung bedrohte psychisch kranke Mieter?
Sozialpsychiatrischer Dienst als erste Anlaufstelle
Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet kostenlose Beratung und Unterstützung für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Fachkräfte helfen bei Konflikten mit dem Vermieter, begleiten bei Behördengängen und vermitteln weitere Hilfsangebote.
Betreutes Wohnen als präventive Maßnahme
Für Menschen mit psychischen Erkrankungen steht das Betreute Wohnen zur Verfügung. Professionelle Betreuer unterstützen regelmäßig bei der Haushaltsorganisation und dem Umgang mit Behörden. Diese Betreuung kann präventiv einer Räumung vorbeugen, da Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden können.
Rechtliche Schutzmechanismen
Bei drohender Zwangsräumung können psychisch kranke Mieter verschiedene rechtliche Instrumente nutzen:
Härtefallregelung nach § 574 BGB: Eine psychische Erkrankung kann als Härtegrund anerkannt werden, besonders wenn eine Suizidgefährdung besteht.
Vollstreckungsschutz: Bei nachgewiesener Suizidgefahr kann das Gericht die Zwangsvollstreckung befristet einstellen. Dabei können Auflagen erteilt werden, etwa zur Sicherstellung der Mietzahlungen durch Sozialbehörden.
Praktische Unterstützungsangebote
Der Sozialpsychiatrische Wohnverbund bietet dezentrale Wohnmöglichkeiten mit psychosozialer Begleitung durch Fachkräfte. Die Kosten können bei Bedarf vom Sozialamt übernommen werden.
Die Caritas und andere Wohlfahrtsverbände unterstützen mit:
- Intensiv Betreutem Wohnen
- Wohngemeinschaften mit sozialpädagogischer Begleitung
- Vermittlung von Ersatzwohnraum
Bei finanziellen Schwierigkeiten können Anträge auf Übernahme von Mietschulden beim zuständigen Sozialamt gestellt werden. Die Fachkräfte des Sozialpsychiatrischen Dienstes helfen bei der Antragstellung.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Vermieterkündigung
Eine Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter, die entweder fristlos (bei schwerwiegenden Gründen) oder ordentlich (mit gesetzlicher Kündigungsfrist) erfolgen kann. Basiert auf §§ 543, 573 BGB. Eine fristlose Kündigung ist bei Zahlungsrückständen von mehr als zwei Monatsmieten möglich. Bei der ordentlichen Kündigung muss ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegen. Beispiel: Mietrückstände von zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten berechtigen zur fristlosen Kündigung, während Eigenbedarf eine ordentliche Kündigung rechtfertigt.
Gesetzliche Betreuung
Eine vom Betreuungsgericht angeordnete rechtliche Vertretung für Menschen, die ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln können (§ 1896 BGB). Der Betreuer wird für bestimmte Aufgabenbereiche bestellt, wie z.B. Vermögenssorge oder Gesundheitsfürsorge. Die betreute Person behält grundsätzlich ihre Geschäftsfähigkeit. Bei einem Einwilligungsvorbehalt muss der Betreuer bestimmten Rechtsgeschäften zustimmen. Beispiel: Ein Betreuer verwaltet die Finanzen einer Person mit psychischer Erkrankung.
Einwilligungsvorbehalt
Eine gerichtlich angeordnete Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit einer betreuten Person nach § 1903 BGB. Die Person benötigt für bestimmte Rechtsgeschäfte die Zustimmung des Betreuers. Schützt die betreute Person vor finanziellen Nachteilen durch unüberlegte Entscheidungen. Kann für einzelne Bereiche wie Vermögensangelegenheiten angeordnet werden. Beispiel: Eine Person unter Betreuung kann ohne Zustimmung des Betreuers keine größeren Verträge abschließen.
Hausfrieden
Der störungsfreie Zustand des Zusammenlebens in einem Mehrparteienhaus, geschützt durch § 1004 BGB und das Mietrecht. Umfasst das Recht aller Hausbewohner auf ungestörte Nutzung der Wohnung und Gemeinschaftseinrichtungen. Störungen können Kündigungsgründe darstellen. Beispiel: Wiederholte Beleidigungen oder aggressive Verhaltensweisen gegenüber Nachbarn stellen eine Störung des Hausfriedens dar.
Räumungsfrist
Ein vom Gericht festgelegter Zeitraum nach § 721 ZPO, der dem Mieter nach einem Räumungsurteil gewährt wird, um eine neue Unterkunft zu finden. Die Frist berücksichtigt soziale Härten und die persönlichen Umstände des Mieters. Maximal sechs Monate, in Ausnahmefällen bis zu einem Jahr möglich. Beispiel: Ein Gericht gewährt einer alleinerziehenden Mutter drei Monate Zeit, eine neue Wohnung zu finden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 573 BGB): Dieser Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt die ordentliche Kündigung von Mietverhältnissen durch den Vermieter. Ein Vermieter kann das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, beispielsweise bei ausbleibenden Mietzahlungen oder anhaltender Störung des Hausfriedens. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und die gesetzlichen Kündigungsfristen einhalten.
- § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB): Hier werden spezifische Gründe aufgeführt, die eine Kündigung durch den Vermieter rechtfertigen, insbesondere die erhebliche Pflichtverletzung des Mieters. Im vorliegenden Fall stützen sich die Kläger auf regelmäßige Randalieraktionen und die Belästigung der Mitmieter, was einen wichtigen Kündigungsgrund gemäß dieser Bestimmung darstellt.
- § 242 BGB): Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet Parteien, rechtmäßig und fair zu handeln. Eine Kündigung kann als missbräuchlich beurteilt werden, wenn sie gegen diesen Grundsatz verstößt. Die Beklagte argumentiert, dass unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Probleme und der daraus resultierenden Zahlungsunfähigkeit die Kündigung unrechtmäßig sei.
- Gesetzliche Betreuung gemäß BtG): Die Beklagte steht unter gesetzlicher Betreuung, was besondere Schutzmaßnahmen für ihre Vermögensangelegenheiten vorsieht. Dies beeinflusst den rechtlichen Umgang mit ihrer Mietschuld und könnte die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß den bestehenden Betreuungsregelungen modifizieren.
- § 574 BGB): Dieser Paragraph gewährt dem Mieter das Recht, der Kündigung zu widersprechen und im Wiederholungsfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Im vorliegenden Fall könnte dies relevant sein, da die Beklagte die Kündigung als rechtsmissbräuchlich anfechtet und auf die außergewöhnlichen Umstände ihrer Situation verweist.
Das vorliegende Urteil
LG Frankenthal – Az.: 2 S 118/23 – Urteil vom 01.03.2024
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