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Tagesbrüche – geotechnische Bewertung – Einsichtsrecht

Verwaltungsgericht Arnsberg

Az.: 7 K 3982/06

Urteil vom 29.11.2007


Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. April 2006 und ihres Widerspruchbescheides vom 6. November 2006 verpflichtet, über den Antrag der Kläger, ihnen die geotechnischmarkscheiderische Bewertung Erzbergbau T1. der N. GmbH vom 1. Dezember 2004 sowie deren aktualisierte Fassung vom 25. April 2005 – über den gewährten Umfang hinsichtlich der Grundstücke H.—–straße in T1. hinaus – in Form einer Kopie zugänglich zu machen, unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte und die Kläger als Gesamtschuldner je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage – über den bereits gewährten Umfang hinaus – Zugang zu der geotechnisch-markscheiderischen Bewertung Erzbergbau T1. der N. GmbH (E. ) vom 1. Dezember 2004 und deren aktualisierte Fassung vom 25. April 2005.

Die Kläger sind alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter der Wohnungsverwaltung S. GbR, die Inhaberin des Erbbaurechts für die mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücke H.—–straße in T1. ist. Im Februar 2004 ereigneten sich zwischen den Mehrfamilienhäusern H.—–straße zwei größere Altbergbau-Tagesbrüche. Hierbei entstand erheblicher Sachschaden, unter anderem brach die südwestliche Ecke des Kellers des Gebäudes Nr. weg. Im April 2004 entstand westlich des Gebäudes Nr. einer weiterer Tagesbruch. Die Tagesbrüche entstanden in einem Bereich, in dem sich die im Jahr 1924 stillgelegte Erzgrube „Hohe Grethe“ befand. Wegen der entstandenen Schäden macht die Wohnungsverwaltung S. GbR gegen das Land Nordrhein-Westfalen Folgenbeseitigungs- und Schadensersatzansprüche geltend, die bei der 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg (13 K 220/06 und 13 K 124/07) sowie bei dem Landgericht Siegen (1 O 214/04) rechtshängig waren bzw. sind.

In dem Zeitraum von Februar 2004 bis Februar 2005 ließ die Beklagte im Hinblick auf die entstandenen Tagesbrüche und die Umgebungsbebauung Sicherungsmaßnahmen durchführen, unter anderem wurden die Tagesbrüche mit Blitzdämmer bzw. Fertigbeton verfüllt. Ferner beauftragte die Beklagte vor dem Hintergrund dieser Tagesbruchereignisse zur Gefahrenabschätzung die E. mit einer geotechnisch-markscheiderischen Bewertung hinsichtlich der Standsicherheit der Grundstücke im T1. Stadtteil S1. . Der Betrachtungsbereich umfasste insoweit den Stadtteil S1. nördlich und westlich bis zur Bundesstraße B 62 bzw. B 62n und zur Sieg, östlich bis zur Landesstraße L 562 und südlich bis zur Bildungsstätte für Behinderte in Richtung I2. . Die E. erstellte insoweit unter dem 1. Dezember 2004 eine theoretische Ersteinschätzung mit umfangreichem Kartenwerk, in dem unter anderen in Form einer parzellenscharfen Darstellung die einzelnen Grundstücke in dem Betrachtungsbereich in Ereignisklassen eingestuft und einer Risikoanalyse und -bewertung unterzogen wurden. Auf der Grundlage einer aktualisierten Datenlage nahm die E. unter dem 25. April 2005 eine ergänzende Bewertung und Ereigniseinstufung vor.

Mit Schreiben vom 9. März 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Übersendung dieser gutachterlichen Stellungnahmen der E. . Mit einem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 21. März 2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass in dem Gutachten personenbezogene Daten enthalten seien, deren Weitergabe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei.

Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 3. April 2006 nochmals die Übersendung der geotechnisch-markscheiderischen Bewertung der E. und baten, für den Fall, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Auffassung bleiben sollte, um den Erlass eines Verwaltungsaktes mit Rechtsbehelfsbelehrung. Zur Begründung beriefen sich die Kläger auf einen Umweltinformationsanspruch, der sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen ergäbe.

Mit Bescheid vom 11. April 2006 lehnte die Beklagte dieses Einsichtnahmebegehren ab und führte zur Begründung aus: Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) sei insoweit sinngemäß heranzuziehen. Danach dürften personenbezogene Daten nicht gegenüber Dritten offenbart werden. Im vorliegenden Fall könnten durch ein Bekanntwerden der gefährdeten Bereiche die Grundstückspreise zum Nachteil der jeweiligen Grundstückseigentümer sinken. Es gehe hier um Grundstücke, die einzelnen Eigentümern zugeordnet werden könnten, also um sachliche Verhältnisse einer größeren Zahl bestimmbarer Personen.

Den hiergegen mit Schreiben vom 12. Mai 2006 gerichteten Widerspruch der Kläger begründeten diese im Wesentlichen wie folgt: Es bestehe Einigkeit, dass die Umweltinformationsrichtlinie einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der gewünschten Informationen gewähre. Entsprechendes ergäbe sich auch aus dem Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Energie und Mittelstand des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2005. Die Beklagte selbst habe durch intensive Medienarbeit zu einem etwaigen Sinken der Grundstückspreise beigetragen. Auch hätten die Anwohner des S1. aufgrund der Tagesbrüche in den Jahren 1965, 1971, 1974 und ab 2001 eine Verringerung des Wertes ihrer Grundstücke annehmen müssen. Hinzu komme, dass weder die gefährdeten Bereiche noch die Grundstückspreise personenbezogene Daten darstellen würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück und führte aus: Es bestehe gerade keine Einigkeit darüber, dass sich auf der Grundlage der Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Union ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der von den Klägern gewünschten Informationen ergäbe.

Auch aus dem Runderlass ergäbe sich kein entsprechender Informationsanspruch.

Es bleibe dabei, dass die beantragten Unterlagen aus Gründen des Datenschutzes nicht herausgegeben werden könnten. Dass es sich bei Grundstückspreisen und Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person handele und damit um personenbezogene Daten, lasse sich nicht hinwegdiskutieren. Im Rahmen der Informationsveranstaltungen seien die Informationen so allgemein gewesen, dass ein konkreter Bezug auf bestimmte Grundstücke nicht möglich gewesen sei.

Am 6. Dezember 2006 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Ferner haben die Kläger im Hinblick auf die begehrten geotechnischmarkscheiderischen Bewertungen der E. am 27. Dezember 2006 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der unter dem Aktenzeichen 7 L 1220/06 bei der erkennenden Kammer rechtshängig war. Im Rahmen dieses Verfahrens haben die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte verpflichtete, den Klägern die begehrten Unterlagen hinsichtlich der Wohnhäuser H.—–straße in T1. zur Verfügung zu stellen. Ferner erklärten die Beteiligten dieses Eilverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Durch Beschluss der Kammer vom 6. Februar 2007 wurden den Beteiligten die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte auferlegt. Am 17. März 2007 stellten die Kläger im Hinblick auf den geschlossenen gerichtlichen Vergleich gegen die Beklagte einen Vollstreckungsantrag, der unter dem Aktenzeichen 7 M 6/07 bei der erkennenden Kammer bearbeitet wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens gab die Beklagte auch eine Kopie der geotechnischmarkscheiderischen Bewertung der E. vom 25. April 2005 hinsichtlich der Grundstücke H.—–straße an die Kläger heraus. Nachdem die Beteiligten das Vollstreckungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat die erkennende Kammer durch Beschluss vom 2. Mai 2007 der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Zur Begründung der Klage tragen die Kläger im Wesentlichen folgendes vor: Nach Art. 3 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Union hätten sie einen Anspruch auf die begehrten Unterlagen. Diese Richtlinie habe selfexecuting-Charakter und sei auf den vorliegenden Fall unmittelbar anzuwenden.

Bei den geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen handele es sich um Umweltinformationen. Da den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Umsetzung und der Bestimmung von Ausschlussgründen ein Ermessen eingeräumt sei, seien die Ausnahmevorschriften des Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie hingegen nicht unmittelbar anwendbar. Aber selbst wenn man von deren Anwendbarkeit ausgehen würde, wäre im vorliegenden Fall der geltend gemachte Informationsanspruch nicht ausgeschlossen, denn die Unterlagen enthielten keine personenbezogenen Daten. Insbesondere sei eine parzellenscharfe Darstellung von Grundstücken gesetzlich nicht als vertraulich anzusehen. So sei auch in Bebauungsplänen eine parzellenscharfe Darstellung der Grundstücke enthalten und Bebauungspläne seien für Jedermann zur Einsicht bereit zu halten. Auch eine Vertraulichkeit der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken sei gesetzlich nicht vorgesehen. Im Übrigen gehe es ihnen nicht darum, die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken Dritter in Erfahrung zu bringen. Sie seien ausschließlich an der bergbaulichen Situation im Umfeld ihrer Grundstücke H1. interessiert, da sie umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen zum Wärmeschutz und zur nachhaltigen Energieeinsparung planen würden. Die Behauptung der Beklagten, durch Bekanntwerden der gefährdeten Bereiche könnten die Grundstückspreise zum Nachteil der Eigentümer sinken, erfolge ins Blaue hinein und sei durch nichts belegt. Darüber hinaus würden die bergschadensgefährdeten Bereiche schon deshalb keine personenbezogenen Daten darstellen, da sie sich auf Grundstücke und nicht auf Personen beziehen. Die durch den Erzbergbau gefährdeten Bereiche ergäben sich zudem auch aus den öffentlich zugänglichen Grubenbildern.

Außerdem seien die Grundstückspreise aus der Kaufpreissammlung ersichtlich, so dass auch insoweit ein Geheimhaltungsbedürfnis nicht bestehe. Hinzu komme, dass die Beklagte durch eine intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit selbst auf die mit dem ehemaligen Erzbergbau in T1. verbundenen Probleme hingewiesen habe. Schließlich habe die Beklagte im Hinblick auf etwaige personenbezogene Daten nicht einmal eine Anhörung der betroffenen Grundstückseigentümer vorgenommen. Zudem könnten etwaige personenbezogene Daten Dritter auch durch Schwärzungen unkenntlich gemacht werden. Im Übrigen bestehe aber auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen, so dass diese auch aus diesem Grund zugänglich zu machen seien.

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In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Kläger mit der vorliegenden Klage ursprünglich auch Zugang zu den Unterlagen der E. hinsichtlich der Grundstücke H.—–straße in T1. begehrt haben. Diese Unterlagen hat die Beklagte den Klägern – während des Klageverfahrens – im Rahmen der Parallelverfahren 7 L 1220/06 und 7 M 6/07 zugänglich gemacht.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. April 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 6. November 2006 zu verpflichten, ihnen die geotechnisch-markscheiderische Bewertung Erzbergbau T1. -S1. der N. GmbH vom 1. Dezember 2004 sowie deren aktualisierte Fassung vom 25. April 2005 über den gewährten Umfang hinsichtlich der Grundstücke H.—–straße in T1. hinaus in Form einer Kopie

hilfsweise,

in einem Radius von 100 m zu der Grundstückgrenze der vorbezeichneten Grundstücke, zugänglich zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Es sei nicht nachvollziehbar, wozu die begehrten Unterlagen überhaupt dienlich sein könnten, denn nach dem in der Bergschadenskunde relevanten Radius von 12 m im Umfeld der Grundstücke der Kläger seien keine Hohlräume mehr vorhanden. Dies könne im Übrigen auch schon aus den übersandten Unterlagen der E. entnommen werden. Alle erkundeten und festgestellten Hohlräume im Bereich der Grundstücke der Kläger seien verfüllt worden, so dass insoweit auch keine Tagesbruchgefahr mehr bestehe. Eine Aushändigung weiterer Teile aus den geotechnischmarkscheiderischen Bewertungen sei aus Datenschutzgründen nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akten 7 L 1220/06, 7 M 6/07, 13 K 220/06, 13 K 124/07, 12 L 502/06 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren ist zur Klarstellung einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen ist die Klage als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, allerdings haben die Kläger mangels Spruchreife – über den bereits gewährten Umfang hinaus – keinen Anspruch auf den begehrten Zugang zu den geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen der E. vom 1. Dezember 2004 und 25. April 2005, sondern nur einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (I.). Auch soweit die Kläger mit dem Hilfsantrag die Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die streitbefangenen Unterlagen der E. im Hinblick auf einen Radius von 100 m zu der Grundstücksgrenze der Grundstücke H.—–straße zugänglich zu machen, besteht kein weitergehender Anspruch (II.).

I.

Anspruchsgrundlage für das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren der Kläger ist § 2 Satz 1 u. 3 des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen i.V.m. den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG).

Das Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen ist auf den vorliegenden Fall anwendbar (1.). Dem geltend gemachten Informationsanspruch der Kläger steht nicht die Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung vom 21. März 2006 entgegen (2.). Die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrten Umweltinformationen sind dem Grunde nach gegeben (3.) und der Schutz von personenbezogenen Daten kann dem von den Klägern geltend gemachten Informationsanspruch nicht pauschal entgegengehalten werden (4.). Die Kläger haben aber nur einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags, da die Beklagte noch eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung sowie eine darauf gestützte Abwägungsentscheidung vorzunehmen hat und die Sache deshalb noch nicht spruchreif ist (5.).

1.

Das am 18. April 2007 in Kraft getretene Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) vom 29. März 2007 (GV. NRW. 2007, 142) ist als landesrechtliche Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie RL 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 (Abl. L 41/26 vom 14. Februar 2003) im vorliegenden Verfahren als Anspruchsgrundlage der Kläger heranzuziehen.

Zwar bestimmt die Übergangsvorschrift in § 6 UIG NRW ausdrücklich nur, dass Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen, bei denen das behördliche Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, nach den Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen zu Ende zu führen sind. Jedoch ist im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2007 – 1 C 21.07 -, juris; vom 21. März 1986 – 7 C 71.83 -, BVerwGE 74, 115 (118); Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage, 2007, § 113 Rdnr. 217 m.w.N.

Vor diesem Hintergrund kommt es in materiellrechtlicher Hinsicht nicht darauf an, dass dieses Gesetz erst nach der Entscheidung der Beklagten und während des bereits rechtshängigen gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten ist. Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) findet nach dessen § 4 Abs. 2 Satz 1 aufgrund der Subsidiaritätsregelung daneben keine Anwendung.

2.

Dem von den Klägern geltend gemachten Informationsanspruch steht auch nicht von vornherein eine etwaige Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 21. März 2006 entgegen. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei dem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 21. März 2006 überhaupt um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) handelt, denn jedenfalls mit dem hier mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen streitbefangenen Bescheid vom 11. April 2006 hat die Beklagte eine neue – mithin anfechtbare – Sachentscheidung getroffen.

Vgl. zum sog. Zweitbescheid auch: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage, 2003, § 35 Rdnr. 55 m.w.N.; Henneke, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage, 2004, § 35 Rdnr. 70.

3.

Die Kläger haben nach Maßgabe des § 2 Satz 1 u. 3 UIG NRW i.V.m. den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 UIG grundsätzlich gegenüber der Beklagten einen Rechtsanspruch darauf, dass ihnen die begehrten Unterlagen zugänglich gemacht werden.

Nach § 2 Satz 1 UIG NRW hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber informationspflichtigen Stellen (§ 1 Abs. 2 UIG NRW) einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, ohne dass der jeweilige Antragsteller ein rechtliches Interesse darzulegen hat. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, wird dem gemäß Satz 2 dieser Bestimmung entsprochen, es sei denn, es ist für die informationspflichtige Stelle angemessen, die Informationen auf andere Art zu eröffnen.

a) Die Beklagte ist als Landesbehörde nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 UIG NRW eine solche informationspflichtige Stelle, die auch über die von den Klägern begehrten Unterlagen i.S.d. § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG verfügt. Die Beklagte hat die E. mit der Erstellung der streitbefangenen geotechnischmarkscheiderischen Bewertungen beauftragt und hält diese Gutachten in ihrem Aktenbestand vor.

b) Die hier in Rede stehenden geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen der E. vom 1. Dezember 2004 und 25. April 2005 enthalten auch Umweltinformationen, zu denen grundsätzlich der freie Zugang eröffnet ist.

Der Begriff der Umweltinformation ist in § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG abschließend gesetzlich definiert.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2007 – 8 B 920/07 -, UPR 2007, 398.

Danach handelt es sich bei Umweltinformationen unter anderem um Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen, z.B. Luft, Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft u.a., sowie auch die Wechselbeziehung zwischen den einzelnen Umweltbestandteilen. In Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) umfasst der Umweltbestandteil Boden die oberste Schicht der Erdkruste einschließlich ihrer flüssigen oder gasförmigen Bestandteile (vgl. hierzu auch: Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 2 UIG Rdnr. 34; Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Band I, § 2 UIG Rdnr. 285).

Im vorliegenden Fall umfasst die Zielstellung der geotechnischmarkscheiderischen Bewertungen – ausweislich der Ziff. 1 in dem Gutachten vom 1. Dezember 2004 – die Untersuchung zu den Einwirkungspotentialen auf die Standsicherheit der Tagesoberfläche im Betrachtungsgebiet. Feststellungen zu der Frage der Standsicherheit der Tagesoberfläche beinhalten insoweit Umweltinformationen über den Umweltbestandteil Boden.

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht der Informationsanspruch – wie sich nunmehr auch ausdrücklich aus § 2 Satz 1 UIG NRW ergibt – ohne Geltendmachung eines besonderen Interesses an der Erteilung der begehrten Umweltinformationen. Auch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 sieht den freien Zugang zu Umweltinformationen vor, ohne dass der jeweilige Antragsteller ein Interesse geltend zu machen braucht. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, wozu die geforderten Unterlagen den Klägern überhaupt dienlich sein könnten, nicht an.

d) Die Kläger haben grundsätzlich auch einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der begehrten Informationen in Form einer Kopie. Denn nach § 2 Satz 2 UIG NRW hat die informationspflichtige Stelle einer beantragten bestimmten Art des Informationszugangs zu entsprechen. Die Beklagte hat insoweit auch nicht dargelegt, dass es für sie – i.S.d. Ausnahmetatbestandes in § 2 Satz 2, Halbsatz 2 UIG NRW – angemessen wäre, die begehrten Informationen auf andere Art zu eröffnen.

4.

Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden pauschal darauf hingewiesen hat, dass durch das Bekanntwerden der gefährdeten Bereiche die Grundstückspreise zum Nachteil der einzelnen Grundstückseigentümer sinken könnten und damit personenbezogene Daten betroffen seien, reicht dies für die Ablehnung des Informationsanspruchs der Kläger allein nicht aus.

Nach Maßgabe des § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG besteht zwar ein Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen unter anderem dann nicht, wenn durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Dieser Ausschlussgrund greift aber nach dem Halbsatz 2 dieser Bestimmung nicht durch, wenn die Betroffenen der Weitergabe dieser Umweltinformationen zugestimmt haben oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

a) Zunächst ist festzustellen, dass die Angaben zur Standsicherheit und die Darstellung der Ereignisbereiche mit Zuordnung in Ereignisklassen in Zusammenhang mit einer parzellenscharfen Darstellung in den hier in Rede stehenden geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen dem Grunde nach personenbezogene Daten darstellen.

aa) Personenbezogene Daten sind nach der insoweit ergänzend heranzuziehenden Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 22. November 2000 – 22 ZE 002779 -, NVwZ 2001, 342 (343); VG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2004 – 7 K 1422/03 -, juris; Gassner, Umweltinformationsgesetz, § 9 Anm. 2.1; dieselbe Definition ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSG NRW)) Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Zu den sachlichen Verhältnissen zählen insbesondere Umweltdaten, die einem im Eigentum oder Besitz einer natürlichen Person stehenden Grundstück zugeordnet werden können (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 22. November 2000 – 22 ZE 002779 -, a.a.O.; Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 UIG Rdnr. 7).

§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 2 Satz 3 UIG NRW ist ebenfalls anwendbar, wenn im Zusammenhang mit den betreffenden Daten keine bestimmte Person genannt wird, diese aber aufgrund der bekannt gegebenen Daten ohne größeren Aufwand bestimmbar ist (z.B. durch konkrete Grundstücksangaben, die Angabe einer bestimmten Adresse etc.).

Vgl. Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 UIG Rdnr. 9.

In Anwendung dieser Grundsätze beinhalten die Informationen in den geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen vom 1. Dezember 2004 und 25. April 2005 auch personenbezogene Daten. Bei den Umweltdaten zur Standsicherheit des Bodens handelt es sich um die Darstellung der sachlichen Verhältnisse eines Grundstücks. Insbesondere stellt die fehlenden Standsicherheit eines Grundstücks einen maßgeblichen, den konkreten Wert eines Grundstücks bestimmenden Faktor dar.

Vgl. z.B. auch für Boden- und Gewässerverunreinigungen etc., Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 UIG Rdnr. 7 m.w.N.

Auch wenn die Grundstückseigentümer in den von den Klägern begehrten Unterlagen nicht konkret benannt werden, sind diese aufgrund der parzellenscharfen Darstellung ohne größeren Aufwand (z.B. durch Einsichtnahme in das Grundbuch etc.) hinreichend bestimmbar, so dass die von den Klägern begehrten Unterlagen neben den Umweltinformationen auch Angaben über die sachlichen Verhältnisse eines jeweils bestimmbaren Personenkreises enthalten.

bb) Der Einwand der Kläger, durch eine parzellenscharfe Darstellung von Grundstücken seien keine schutzwürdigen personenbezogenen Daten betroffen, da eine solche auch in einem Bebauungsplan enthalten sei und dieser nach § 10 Abs. 3 Satz 2 des Baugesetzbuchs (BauGB) für Jedermann zur Einsicht bereitzuhalten sei, greift nicht durch. Der Schutz personenbezogener Daten nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG bezieht sich nicht nur auf eine bestimmte natürliche Person oder eines – wie auch die parzellenscharfe Darstellung im Bebauungsplan -bestimmbaren Personenkreises, sondern beinhaltet darüber hinaus im Wesentlichen den Schutz sensibler Daten zu den persönlichen Verhältnissen der Betroffenen oder den sachlichen Verhältnissen eines Grundstücks. Nach § 8 BauGB besteht der Zweck eines Bebauungsplans darin, allgemein geltende rechtsverbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung zu treffen. Demgemäss enthält § 9 BauGB in seinen Absätzen 1, 1a, 2, 3 und 7 Rechtsgrundlagen, nach denen im Bebauungsplan bestimmte Festsetzungen (als rechtliche Rahmenvorgabe) getroffen werden können. Die streitbefangenen geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen beinhalten demgegenüber jedoch eine Darstellung der tatsächlichen Beschaffenheit der Grundstücke im Hinblick auf ihre Standsicherheit und damit individuell zuzuordnende sensible Angaben zu wertbestimmenden Faktoren eines jeweils konkreten Grundstücks eines jeweils bestimmten oder zumindest bestimmbaren Grundstückseigentümers. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bereits über Pressemitteilungen oder auf Bürgerversammlungen derart sensible Daten preisgegeben hat, bestehen nicht. Insbesondere hat die Beklagte – ausweislich der vorliegenden Pressemitteilungen und Niederschriften – insoweit keine konkreten Angaben über die Standsicherheit einzelner Grundstücke im Betrachtungsgebiet gemacht. Eine andere Bewertung hinsichtlich der grundsätzlichen Schutzwürdigkeit dieser personenbezogenen Daten ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus den §§ 16 Abs. 1 Satz 1 b) und 13 Abs. 2 f) DSG NRW wonach die Übermittlung personenbezogener Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zulässig ist, wenn diese Angaben aus allgemeinzugänglichen Quellen entnommen werden können oder die speichernde Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Speicherung oder einer Veröffentlichung der gespeicherten Daten offensichtlich überwiegt. Zum einen gehen die Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen als Spezialregelung dem Datenschutzgesetz Nordrhein- Westfalen nach dessen § 2 Abs. 3 vor. Zum anderen handelt es sich bei den geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen der E. gerade nicht um allgemein zugängliche Quellen. Auch im Übrigen zeigt die Regelung des § 13 Abs. 2 f) DSG NRW, dass eine Abwägung mit den Interessen der betroffenen Person stattzufinden hat, so dass diese Angaben nicht ohne Weiteres frei zugänglich sind. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich auch aus § 12 Abs. 1 der Grundbuchordnung keine andere Bewertung. Zum einen beinhaltet die Grundbucheinsicht nur die Information über das Eigentum an einem Grundstück und die im Grundbuch eingetragenen Belastungen. Das Grundbuch enthält indes keinerlei Angaben zu den natürlichen Beschaffenheiten eines Grundstücks. Zum anderen ist für die Einsichtnahme in das Grundbuch ein berechtigtes Interesse darzulegen, so dass auch insoweit kein einschränkungsloser Zugang zu den Informationen besteht. Entsprechendes gilt für die Einsichtnahmemöglichkeit in die Grubenbilder nach § 63 Abs. 4 Bundesberggesetz (BBergG). Danach ist zur Einsichtnahme nur berechtigt, wer gegenüber der Behörde glaubhaft macht, dass er von einem Bergschaden betroffen sein kann. Die Einsichtnahme erstreckt sich aber nur auf den entsprechenden Teil des bei der Behörde befindlichen Stückes des Grubenbildes und nicht auf einen allgemeinen Informationszugang. Überdies lässt sich aus den Grubenbildern weder eine parzellenscharfe Zuordnung zu den Grundstücken entnehmen noch enthalten diese Angaben zu Tagesbruchereignissen und zur Standsicherheit der Erdoberfläche. Ein freier Zugang zu den wertbildenden Faktoren eines speziellen Grundstücks ergibt sich auch nicht aus dem Auskunftsanspruch aus der Kaufpreissammlung nach Maßgabe der §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 5 Abs. 5 e) der Gutachterausschussverordnung NRW (GAVO NRW) i.V.m. §§ 195 Abs. 3, 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB, zumal diese Auskünfte gerade in anonymisierter Form vorzunehmen sind.

cc) Die Beklagte geht insoweit zwar zu Recht davon aus, dass die von den Klägern begehrte Einsicht in die geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen der E. dem Grunde nach auch personenbezogene Daten umfassen können. Allerdings hat die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass auch juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts Grundstückseigentümer sein können und dass sich diese auf den Schutz personenbezogener Daten nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht berufen können. Denn diese werden nicht vor dem Hintergrund der informationellen Selbstbestimmung, sondern aus primär ökonomischen, wettbewerbs-, steuer- oder statistikrechtlichen Gründen, insbesondere nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UIG geschützt.

Vgl. auch: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 2. Juni 2006 – 8 A 10267/06 -, GewArch 2006, 491; Bayer. VGH, Urteil vom 22. November 2000 – 22 ZE 002779 -, a.a.O.; Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 UIG Rdnr. 8.

Die Beklagte hat im vorliegenden Fall weder auf eine weitergehende Präzisierung des Umfangs der begehrten Einsichtnahme hingewirkt (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 u. 4 UIG und in Anlehnung an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RL 2003/4/EG) noch Ermittlungen dazu angestellt, welche Grundstückseigentümer überhaupt von einer Einsichtnahme in die geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen durch die Kläger betroffen sind. Mit Blick darauf konnte die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidung überhaupt nicht einschätzen, ob sich alle betroffenen Grundstückseigentümer auf den Schutz personenbezogener Daten berufen können.

Abgesehen davon reicht allein das Vorhandensein personenbezogener Daten nicht aus, um den Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG auszuschließen.

Vgl. auch: Gassner, a.a.O., § 9 Anm. 2.1.

Denn die Offenbarung personenbezogener Daten steht nach Maßgabe des informationellen Selbstbestimmungsrechts – und wie sich auch aus dem Wortlaut in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG ergibt – zur Disposition des jeweiligen Rechteinhabers.

Wenn nämlich der jeweilige Rechteinhaber einer solchen Einsichtnahme zustimmt – wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte oder die Kläger die Zustimmungserklärungen einholen müssen -, kommt dieser Ablehnungsgrund überhaupt nicht zum Tragen, da die Ablehnungsgründe nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 RL 2003/4/EG eng auszulegen sind, um einen möglichst weitreichendem Umweltinformationsanspruch Rechnung zu tragen.

Vgl. auch Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, in: LT-Drcks. 14/2913, S. 19 f.

Jedenfalls hätte die Beklagte eine Anhörung (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 UIG) – ggfs. durch öffentliche Bekanntgabe – durchführen müssen, was nicht geschehen ist.

Ferner ist das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe von personenbezogenen Daten abzuwägen (vgl. § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG und Art. 4 Abs. 2 Satz 2 RL 2003/4/EG). Insoweit bedarf es einer konkreten Ermittlung, Bewertung und Gewichtung der einem Informationsbegehren gegenüberstehenden Ablehnungsgründe.

Vgl. auch: VG Saarlouis, Urteil vom 18. Oktober 2001 – 7 K 1422/03 -, AbfallR 2003, 99; Gassner, a.a.O., § 9 Anm. 2.1.

Auch ist im Rahmen dieser Abwägung zu klären, ob und inwieweit die nur teilweise Ablehnung eines gestellten Antrags in Betracht kommt, ob durch Anonymisierungen (z.B. Streichung der parzellenscharfen Einteilung etc.) berechtigten Geheimhaltungsansprüchen Rechnung getragen werden kann.

Vgl. Reidt/Schiller, in Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 UIG Rdnr. 34.

Vor diesem Hintergrund tragen die im Bescheid vom 11. April 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 6. November 2006 dargelegten Gründe die Ablehnung des von den Klägern geltend gemachten Informationsanspruchs nicht. Allerdings ist auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenlage auch nicht erkennbar, dass keine andere Entscheidung als die Gewährung der begehrten Einsichtnahme in Betracht kommt.

5.

Bei dieser Ausgangslage ist die Sache noch nicht spruchreif i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Zwar hat das Gericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die erforderlichen Ermittlungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des hier geltend gemachten Umweltinformationsanspruchs anzustellen, um dann auch abschließend über die Streitsache entscheiden zu können.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 113 Rdnr. 193 m.w.N.

Dieser Grundsatz ist jedoch im Interesse einer sinnvollen und funktionsgerechten Abgrenzung der Aufgaben der Verwaltung als Exekutive von der Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die grundsätzlich in der nachträglichen Kontrolle des Verwaltungshandelns unter Ausschluss originärer Verwaltungstätigkeit besteht, sachgerecht einzuschränken. Vor diesem Hintergrund kann die Spruchreife nicht nur dann fehlen, wenn die Entscheidung von Fragen abhängt, bezüglich derer der Verwaltung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht, sondern auch bei Entscheidungen, bei denen die Beurteilung eines gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriffs inmitten steht, aber die Behörde noch weitere erhebliche Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht und eine darauf gestützte Abwägungsentscheidung vorzunehmen hat.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 2. Juni 2006 – 8 A 10267/06 -, a.a.O.; VG Neustadt/Weinstr., Urteil vom 7. Dezember 2001 – 7 K 3060/00.NW -; VG München, Urteil vom 26. September 1995 – M 16 K 93.4444 -, NVwZ 1996, 410 (412); Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 113 Rdnr. 198 m.w.N.; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage, 2006, § 113 Rdnr. 40.

Im vorliegenden Fall ist die fehlende Spruchreife gerade auf die noch ausstehenden Ermittlungen der Beklagten zu den vom Informationsbegehren der Kläger betroffenen Grundstückseigentümer zurückzuführen. Darüber hinaus sieht das Gesetz – im Übrigen auch Art. 4 Abs. 2 Satz 3 RL 2003/4/EG -, vgl. insoweit zur Frage der Anwendbarkeit der Umweltinformationsrichtlinie bis zum Inkrafttreten des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen: OVG NRW, Urteil vom 5. September 2006 – 8 A 2190/04 -, NWVBl. 2007, 184; sowie Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, in: LT-Drcks. 14/2913, S. 25, insoweit gerade eine Abwägungsentscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen einerseits und der individuellen Interessen der Betroffenen andererseits voraus, so dass im Sinne der durch den Gewaltenteilungsgrundsatz vorgegebenen Funktionsverteilung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung die weitere Sachverhaltsaufklärung und die darauf zu stützende Abwägungsentscheidung von der Beklagten und nicht von dem Gericht zu betreiben ist.

Vor diesem Hintergrund ist das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren der Kläger, nämlich die Verpflichtung der Beklagten, ihnen – über den gewährten Umfang hinaus – die geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen zugänglich zu machen, wegen fehlender Spruchreife unbegründet. Da jedoch der Verpflichtungsantrag als Minus auch den Antrag auf Bescheidung enthält (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 12 B 96.1870 -, juris; Kopp/Schenke, a.a.O. § 113 Rdnr. 201; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage, 2006, § 113 Rdnr. 451) war die Beklagte wegen der noch ausstehenden Ermittlungen und Abwägungsentscheidung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

II.

Soweit die Kläger mit dem Hilfsantrag die Zurverfügungstellung der geotechnisch-markscheiderischen Bewertungen der E. in einem Radius von 100 m zu den Grundstücken H.—–straße in T1. begehren, besteht aus den gleichen Gründen – wie unter I. dargestellt – kein weitergehender Verpflichtungsanspruch gegenüber der Beklagten. Auch insoweit hat die Beklagte weder die Grundstückseigentümer ermittelt, so dass zum maßgeblichen Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung nicht feststellbar ist, ob sich diese überhaupt auf den Schutz personenbezogener Daten berufen können oder mit der Offenbarung dieser Informationen einverstanden sind. Ferner hat die Beklagte auf dieser Tatsachenlage auch insoweit keine Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Offenbarung dieser Informationen und den individuellen Interessen der etwaig Betroffenen getroffen und treffen können, so dass auch das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren – ebenso wie bei dem Hauptantrag – noch nicht spruchreif ist und mit Blick auf den Bescheidungsanspruch in der Hauptsache als Teil dieses Begehrens mit umfasst ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2 VwGO. Bei der Kostenverteilung war von der Kammer zu berücksichtigen, dass die Beklagte den von den Klägern geltend gemachten Umweltinformationsanspruch im Hinblick auf die Grundstücke H.—–straße erfüllt hat und dass sich der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache teilweise erledigt hat. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Kläger im Übrigen mit ihrem – mit Haupt- und Hilfsantrag – verfolgten Verpflichtungsbegehren keinen Erfolg hatten, sondern gegenüber der Beklagten lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung haben. Entsprechend dem Verhältnis zwischen jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten waren die Kosten des Rechtsstreits den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben.

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