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Tagesmutterkosten und Übernahme von Tagespflegekosten

VG Frankfurt am Main

Az.: 10 G 4009/01

Beschluss vom 14.02.2002


In dem Verwaltungsstreitverfahren wegen Jugendwohlfahrts- und Jugendförderungsrechts („Tagesmutter“) hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main am 14.02.2002 beschlossen:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Antragstellerin Aufwendungs- bzw. Kostenersatz für die Betreuung ihres Kindes in Tagespflege ab September 2001 zu leisten.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat der Antragsgegner zu tragen.

G r ü n d e

I.
Die Antragstellerin beantragte im Dezember 2000 bei dem Antragsgegner die Übernahme der Tagespflegekosten für ihre 1998 geborene Tochter. Zur Begründung gab sie an, nach zweijähriger Babypause und finanzieller Unterstützung durch das Sozialamt am 16.1.2001 wieder in den Beruf einzusteigen. Die Betreuung des Kindes werde durch die Großmutter erfolgen (Blatt 1 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 9.1.2001 lehnte das Jugendamt des Antragsgegners den Antrag auf Übernahme der Tagespflegekosten ab. Zur Begründung verwies es auf den Beschluss des Kreisausschusses vom 26.8.1992. In dem Beschluss des Kreisausschusses heißt es zur Begründung Tagespflegegeld an Großeltern nicht zu gewähren:

Aufgrund vorliegender Anträge auf Gewährung von Tagespflegegeld an Großeltern, wurde das Rechtsamt um Stellungnahme gebeten. Hiernach kann Tagespflegegeld an Großeltern nicht gewährt werden. Einerseits knüpft § 23 Abs. 3 KJHG den Anspruch auf Übernahme der Kosten der Tagespflege an die Vermittlung einer geeigneten Pflegeperson. Die Vermittlung eines Kindes in Tagespflege bei Unterhaltspflichtigen wird deshalb in der Regel nicht in Betracht kommen, da Vermittlung vom Begriffsinhalt voraussetzt, dass ein Kontakt zwischen Personen hergestellt wird, zwischen denen bisher keine Beziehung bestand. Andererseits sind gem. § 1601 ff. BGB Eltern ihrem Kind bzw. Großeltern ihrem Enkelkind unterhaltsverpflichtet. Aufgrund dieser abstrakten Unterhaltsverpflichtung scheidet die Zahlung von Pflegegeld an Großeltern aus.

Außerdem wurde auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30.6.1999 verwiesen, wonach der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Ermessensentscheidung über die Bewilligung von Tagespflege die Großeltern eines Kindes als Tagespflegeperson ausdrücklich ausschließen könne (Blatt 2 der Behördenakte).

Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch. Sie argumentierte: Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.1996 ergebe sich, dass das Verwandtschaftsverhältnis allein nicht entscheidend dafür sein kann, einen geltend gemachten Anspruch auf Aufwendungsersatz i.S.d. § 23 SGB VIII abzulehnen. Entscheidend sei allein, ob die Mutter bei der Erziehung oder Betreuung Hilfe brauche oder ob sie ihren Erziehungsauftrag ohne Jugendhilfe erfüllen könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Sache leider nicht abschließend entschieden, sondern zur Klärung der tatsächlichen Frage, ob die betreuende Großmutter zur Betreuung ihres Enkelkindes nur gegen Entgelt bereit war, an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Dabei sei es davon ausgegangen, dass eine unentgeltliche Betreuung nach der Lebenserfahrung aufgrund der engen familiären Bindung zwischen Großeltern und Enkeln regelmäßig erwartet werden könne. Demgegenüber habe sich das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 5.7.1994 auf den Standpunkt gestellt, dass eine allumfassende Betreuung eines Kindes im Tagespflegeverhältnis nach Art und Dauer den Rahmen dessen sprengt, was – heute – üblicherweise im Rahmen der familiär geprägten Beziehung von Großeltern geleistet wird.

Die Großmutter der Antragstellerin sei bereits seit geraumer Zeit in das Hattersheimer Tagespflegeprojekt eingebunden und betreue in der Regel drei bis vier Kinder. Das eigene Enkelkind solle als viertes Tagespflegekind in die Betreuung aufgenommen werden. Sie wolle also ihre Betreuungstätigkeit nicht unentgeltlich im Rahmen eines bestehenden Verwandtschaftsverhältnis ausüben, sondern die Betreuung in ihren derzeitigen Beruf als Tagesmutter einbeziehen.

Der Beschluss des Kreisausschusses vom 26.08.1992, der die Ablehnung des Aufwendungsersatzes lediglich allgemein mit dem Bestehen eines Verwandtschaftsverhältnis begründet, könne nach der später ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Bestand mehr haben. Das Bundesverwaltungsgericht habe weitreichende Überlegungen dazu angestellt, wann ein Entgeltverlangen von Großeltern berechtigt sein könne und dies von etwaig bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen abhängig gemacht. Den Jugendämtern stehe zwar einerseits ein relativ großes Ermessen zu, andererseits sei das Ermessen beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 Satz 3 BSHG quasi gegen Null geschrumpft. Nach dieser Vorschrift solle nämlich Alleinerziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes (wozu auch die Tagespflege gehöre) angeboten werden, um zu ermöglichen, dass die Alleinerziehenden einerseits zum eigenen Unterhalt und dem des Kindes arbeiten und andererseits das Kind erziehen und betreuen können.

Eine derartige Verpflichtung mache aber nur dann Sinn, wenn ihr in solchen Fällen eine Soll-Verpflichtung des Jugendamtes entspreche, die Förderung des Kindes auf dem Platz zur Tagesbetreuung als Jugendhilfemaßnahme zu übernehmen. Wenn in diesem Zusammenhang die Tagespflege als geeignet und erforderlich anzusehen und die Großmutter für die Betreuung des Kindes als geeignet angesehen ist, sei nicht einzusehen, warum die Mutter das Kind bei einer anderen Pflegeperson unterbringen müsse, um einen Aufwendungsersatz durchsetzen zu können. Denn wenn die Großmutter nur gegen Entgelt bereit sei, die Betreuung des Kindes zu übernehmen, ihr das Entgelt aber allein im Hinblick auf das Verwandtschaftsverhältnis nicht gewährt werde, werde der Mutter nichts anderes übrig bleiben, als eine andere Tagesmutter für ihr Kind zu suchen. Dieser Tagesmutter müsste das Jugendamt dann einen Aufwendungsersatz zahlen.

Auch die Behauptung, dass die Verwaltungspraxis, Tagespflege durch Verwandte nicht zu fördern, dem Gesetz entspreche, sei nicht überzeugend. Einerseits lasse sich der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht entnehmen, dass Verwandte von Jugendhilfeleistungen ausgeschlossen werden sollen (OVG Schleswig Urteil v. 16.01.1995). Andererseits werde die vom Sparsamkeitsgrundsatz getragene Überlegung, Großeltern erst gar nicht als Pflegepersonen anzuerkennen, weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung und schon gar nicht dem jeweiligen Einzelfall gerecht.

Über den Widerspruch wurde bisher nicht entschieden.

Zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin am 26.9.2001 beantragt, durch einstweilige Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, Tagespflegeleistungen für ihre Tochter zu erbringen.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Tagespflegekosten gemäß § 23 SGB VIII, denn Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift vermittele keinen Rechtsanspruch auf die Förderung des Kindes durch Tagespflege. Es bestehe lediglich ein Verfahrens-Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag.

Der Main-Taunus-Kreis habe mit Kreisausschussbeschluss vom 26.8.1992 beschlossen, kein Tagespflegegeld an Großeltern zu gewähren. Dem entspreche auch die Praxis anderer Jugendhilfeträger. Die Stadt Hanau bezuschusse Tagespflege bei Verwandten nicht. Auch der Landkreis Fulda leiste keine Zahlung an Großeltern, weil entweder eine Unterhaltspflicht bestehe und damit eine unentgeltliche Betreuung erwartet werden könne oder aber ansonsten eine „moralische Verpflichtung“ zur unentgeltlichen Betreuung seitens der Großeltern bestehe.

Die Ablehnung der Übernahme der Tagespflegekosten bei einer Unterbringung bei den Großeltern sei auch von dem Gedanken getragen, dass von den Großeltern aufgrund des nahen Verwandtschaftsverhältnisses erwartet werden könne, dass sie ihr Enkelkind unentgeltlich betreuten. Soweit Tagespflegekosten auch bei Unterbringung bei den Großeltern zu übernehmen wäre, müssten die Jugendhilfeträger damit rechnen, dass sämtliche Großeltern nunmehr Tagespflegekosten beanspruchten. Dies würde die Haushalte der Jugendhilfeträger erheblich belasten.

Ergänzend wird auf die Stellungnahme des Ersten Kreisbeigeordneten an die Gleichstellungsstelle (= Amt 34) verwiesen (Blatt 4 der Behördenakte). Dort heißt es:

Bereits kurz nach in Kraft treten des Sozialgesetzbuches VIII (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) war die Frage zu klären, ob Großeltern Anspruch auf Tagespflegegeld aus Mitteln der Jugendhilfe haben, wenn sie ihr Enkelkind regelmäßig stundenweise betreuen. Nach Prüfung der Rechtslage beschloss der Kreisausschuss 1992, dass Großeltern Tagespflegegeld nicht gewährt wird (siehe Anlage Vorlage Nr. 294/92). Die vom Kreisausschuss vertretene Rechtsauffassung wird gestützt auf die Empfehlungen des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge“ vom 06.04.1992 sowie mehrere zwischenzeitlich ergangene Verwaltungsgerichtsurteile. Auch das von Ihnen beigefügte Urteil des Verwaltungsgerichts Harnburg vom 30.06.1999 kommt letztendlich zu keinem anderen Ergebnis. In der Begründung weist das VG Hamburg u.a. auf den Willen des Gesetzgebers hin, dass allgemein übliche Verwandten- und Nachbarschaftshilfen nicht kommerzialisiert werden sollen, dass Gefahren des Missbrauchs begegnet werden müsste und dass schließlich die Kostenbelastung in einem einschätzbaren Rahmen bleibt. Weiterhin wird hierzu im o.g. Urteil ausgeführt: +daher liegt es im Rahmen der gesetzgeberischen Absicht, wenn die Beklagte (hier das örtlich zuständige Jugendamt) bei ihrer Ermessensentscheidung darauf bedacht nimmt, dass die Förderungsangebote nach Möglichkeit kostengünstig bleiben. Eine Berücksichtigung von Großeltern als Pflegepersonen könnte indes eine Art Lawine dahingehend auslösen, dass die zahlreichen Betreuungsverhältnisse, die derzeit insoweit bestehen und von den Eltern und den Großeltern selbst organisiert sind, in jugendhilferechtliche Fördermaßnahmen umgewandelt werden. Ferner stützen sich zahlreiche ablehnende Urteile auf §§ 1601 ff. BGB, wonach Eltern ihrem Kind bzw. Großeltern ihrem Enkelkind unterhaltsverpflichtet sind. Aus vorgenannten Gründen sieht sich das Fachamt nicht in der Lage, den Antrag auf Zahlung von Tagespflegegeld an die Großmutter des Kindes positiv zu bescheiden.

Die Behördenakten haben vorgelegen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21.11.2001 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

II.

Der Antrag hat Erfolg. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist hier der Fall.

Die Antragstellerin hat dargelegt, dass eine Regelung vor der Entscheidung der Hauptsache nötig ist. Eine Geltendmachung ihres vermeintlichen Rechts im Hauptsacheverfahren durch eine Verpflichtungsklage ist ihr nicht zumutbar. Gerade bei unterhaltssichernden Geldleistungen kann ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren dem existenzsichernden Zweck zuwiderlaufen. So liegt der Fall aber hier.

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Die Antragstellerin hat auch ein Regelungsbedürfnis in der Sache, einem dauernden Rechtsverhältnis, glaubhaft gemacht. Der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII steht der Antragstellerin als Mutter und Personensorgeberechtigten zu, weil die Voraussetzungen der gesetzlichen Vorschrift vorliegen und – soweit das Gesetz der Behörde ein Ermessen einräumt – das Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert ist, so dass eine andere als die von der Antragstellerin erstrebte Entscheidung nicht rechtmäßig wäre.

Nach § 23 SGB VIII sollen die für eine Tagespflegeperson entstehenden Aufwendungen einschließlich der Kosten der Erziehung ersetzt werden, wenn das Jugendamt die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege für das Wohl des Kindes und die Eignung einer von den Personensorgeberechtigten nachgewiesenen Pflegeperson feststellt. Auf eine derartige Feststellung hat die Antragstellerin als Personensorgeberechtigte einen Anspruch, wenn zur Förderung der Entwicklung des Kindes, insbesondere in den ersten Lebensjahren, das Kind für einen Teil des Tages oder ganztags betreut werden muß. An der Eignung der Pflegeperson können keine Zweifel bestehen, da diese bereits als Tagesmutter für andere Kinder tätig ist und Eignungsmängel nicht ersichtlich sind, insbesondere sind Einwendungen seitens der Behörde nicht vorgebracht worden und auch nicht sonstwie ersichtlich.

An der Erforderlichkeit der Betreuung bestehen ebenfalls keine Zweifel. Die Erforderlichkeit einer Tagespflege richtet sich nach der gegebenen familiären Situation der sorgeberechtigten Antragstellerin. Diese ist nach § 18 Abs. 3 Satz 3 BSHG verpflichtet, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen (auch der Sozialhilfeträger hat darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet, ggf. ist der Hilfesuchende zur Annahme einer ihm angebotenen zumutbaren Arbeitsgelegenheit nach § 19 oder § 20 BSHG verpflichtet). Nur beim Vorhandensein besonderer Erfordernisse des Kindeswohls kann es geboten sein, dass das Jugendamt den/die Sorgeberechtigte/n veranlasst ihrer Pflicht zur Arbeit nicht nachzukommen (ggf. unter Mitteilung an die Sozialhilfebehörde, wenn der/die Sorgeberechtigte/n einwilligen). Die Antragstellerin ist dieser Verpflichtung – nach Aktenlage offenbar mit Billigung des Jugendamtes – aber nachgekommen. Die durch die Arbeitszeiten der Antragstellerin bedingte häusliche Abwesenheit führt dazu, dass ihr die Erziehung und Betreuung ihres Kindes während dieser Zeit nicht möglich ist. Dies allein begründet bereits die Erforderlichkeit einer Tagespflege, denn der Tagespflege-Bedarf kann auch nicht auf andere (zumutbare) Weise gedeckt werden. Weder die Sozialhilfebehörde noch das Jugendamt haben der Antragstellerin von einer Arbeitsaufnahme abgeraten, jedenfalls lassen sich aus den Behördenakten und aus dem Vortrag der Beteiligten entsprechende Hinweise nicht finden.

Dem mit dem Antrag letztlich geltend gemachten Anspruch auf Aufwendungs- bzw. Kostenersatz steht auch nicht der Beschluss des Kreisausschusses vom 26.8.1992 entgegen, keine Ersatzleistungen (Pflegegeld) zu gewähren, wenn die Tagesbetreuung durch Großeltern erfolgt. Eine derartige allgemeine Entscheidung wäre rechtswidrig, weil sie die konkreten Umstände des hier vorliegenden Falles nicht erfasst und die Rechtslage nicht hinreichend wiedergibt. Es kann dahinstehen, ob die in dem Beschluss geschilderten Erwägungen für die generelle Ablehnung des Aufwendungsersatzes bei Tages-Betreuung durch Großeltern schlüssig sind bzw. rechtlichen Bestand haben können, zumindest das offenbar ausschlaggebende in dem Beschluss zuletzt genannte rechtliche Argument der Unterhaltsverpflichtung der Großeltern gegenüber ihren Enkelkindern kann angesichts der 1996 ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts keinen Bestand haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nicht allgemein davon ausgegangen werden kann, Aufwendungsersatz für Großeltern entfalle, weil diese lediglich ihre Unterhaltspflicht erfüllten. Es hat vielmehr hervorgehoben, dass es auf die Leistungsfähigkeit der Eltern ankommt, ob die Großeltern eine Unterhaltspflicht haben. Sind die Eltern ganz (oder teilweise) leistungsfähig oder sind neben den betreuenden Großeltern weitere Großeltern anteilig unterhaltspflichtig, tritt insoweit eine Unterhaltspflicht der betreuenden Großeltern nicht ein. Eine durch sie geleistete Betreuung kann sich folglich insoweit auch nicht als naturale Erfüllung einer sie treffenden Unterhaltspflicht darstellen. Der Nachrang öffentlicher Jugendhilfe kann deshalb insoweit nicht durch Verweis auf die von den Großeltern erbrachten Betreuungsleistungen zum Tragen gebracht werden. Vielmehr ist Jugendhilfe auf Kosten des Jugendhilfeträgers zu leisten. Der Nachrang öffentlicher Jugendhilfe kann, soweit eine unterhaltsrechtliche Leistungspflicht der Eltern besteht, nur durch Festsetzung eines Kostenbeitrags nach Maßgabe des § 92 Abs. 3 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nr. 5, § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII aktualisiert werden.

Es kommt also maßgebend auf die Würdigung dieser und ggf. weiterer Einzelumstände an (vgl. die Urteilsbesprechungen BVerwG v. 12.9.1996 -5 C 31.95-, NJW 1997, 2831, NDV-RD 1997, 249 , BVerwG v. 12.09.1996 -5 C 37.95- und BVerwG 5.12.1996 -5 C 51.95- von Irmgard Diedrichs-Michel, Landesjugendamt Hessen, internet: http://www.ifis-consult.de/html/j31.html). Eine solche Würdigung der Einzelumstände hat aber die Behörde nicht vorgenommen. Dieses Ergebnis würde allerdings für die erfolgreiche Geltendmachung eines Anspruchs nicht ausreichen, wenn man bei diesem Zwischenergebnis stehen bliebe (in einem vergleichbaren Hauptsacheverfahren würde dies zur Neubescheidungsverpflichtung führen). Die Sache ist indessen – auch bereits im vorliegenden Eilverfahren – „spruchreif“, weil nicht erkennbar ist, wie die Behörde das ihr unter Beachtung der ermessenseinschränkenden Norm des § 18 Abs. 3 Satz 3 BSHG verbliebene Ermessen anders als durch die von der Antragstellerin erstrebte Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausüben will.

Ein Bedarf auf Förderung des Kindes in Tagespflege durch das Jugendamt nach § 23 SGB VIII setzt voraus, dass die Großmutter weder zur unentgeltlichen Betreuung bereit ist noch mit der Betreuung des Kindes eine diesem gegenüber bestehende Unterhaltspflicht erfüllt. Beide Voraussetzungen liegen vor. Sie beruhen nicht nur auf der Glaubhaftmachung der Antragstellerin, auch die Behördenakten und das Vorbringen des Antragsgegners im Verwaltungsstreitverfahren lässt Zweifel daran nicht aufkommen. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Großmutter ihre Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege ihres Enkelkindes verweigert hat, um in den Genuss wirtschaftlicher Jugendhilfe kommen zu wollen. Diese Annahme verbietet sich in aller Regel schon deshalb, weil mit der ernsthaften Aufgabe des Willens, ein Enkelkind unentgeltlich zu pflegen, der Pflegefall der fürsorgenden Verantwortung des Jugendamtes unterstellt wird, auf die die Personensorgeberechtigte zwar nach Maßgabe des § 5 SGB VIII einwirken, die sie aber dem Jugendamt nicht abnehmen kann. Das Jugendamt hat – dies werden Großeltern und Eltern in solchen Fällen in Betracht ziehen müssen – bei der Entscheidung über den Antrag auch zu prüfen, ob nicht eine anderweitige Betreuung als durch die Großmutter dem Wohl des Kindes besser entspräche und für seine Entwicklung besser geeignet wäre als die Gewährung der Hilfe in einer sog. Verwandtenpflegestelle. Die Kenntnis derartiger möglicher Konsequenzen durch die Antragstellerin als Mutter und die Großmutter als mit den Dingen vertraute und erfahrene Tagesmutter, stützt die Ernsthaftigkeit des antragsbegründenden Vorbringens zusätzlich.

Auch die von dem Antragsgegner weiter unter Berufung auf Gründe aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30.6.1999 vorgebrachten Argumente wie sie der Stellungnahme des Ersten Kreisbeigeordneten an die Gleichstellungsstelle zu entnehmen sind, sind eher politischer Art und können de lege ferenda fruchtbar sein oder fiskalischer Art und dem Grundsatz einer sparsamen Verwaltung verpflichtet, sie sind aber wenig hilfreich die Rechtslage zu erkennen und Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen.

Die Antragstellerin hat daher ein Recht auf die begehrte Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für den geltend gemachten Aufwendungs- bzw. Kostenersatz ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung.

Der Antragsgegner hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§§ 154 Abs. 1, 188 VwGO).

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