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Tarifliche Ausschlussfrist – Fristbeginn bei Arbeitsvertragsende

LAG Schleswig-Holstein

Az.: 4 Sa 237/11

Urteil vom 27.10.2011


Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 03.05.2011 – 3 Ca 137/11 – teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.794,67 EUR brutto abzüglich erhaltener Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 3.729,60 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 927,50 EUR seit dem 31.05. 2010, aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR seit dem 30.06.2010, aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR seit dem 31.07.2010, aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR seit dem 31.08.2010, aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR seit dem 30.09.2010 sowie aus einem weiteren Betrag von 157,17 EUR seit dem 31.10.2010.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 7 %, der Beklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen, im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und insbesondere darum, ob diese aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen sind.

Der Beklagte suchte über die Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 2010 zwei Servicekräfte in Vollzeit für sein Bistro in S… . Als Rahmenkonditionen werden in der Stellenanzeige genannt eine Befristung bis zum 31. Oktober 2010, eine Vollzeittätigkeit und Vergütung nach Tarif.

Die Klägerin trat am 7. April 2010 als Servicekraft in die Dienste des Beklagten ein. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Stellenanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit der Einstellung der Klägerin steht. Als Vergütung vereinbarten die Parteien einen Stundenlohn in Höhe von 7,– EUR brutto. Ob sie einen schriftlichen Arbeitsvertrag abschlossen, ist zwischen ihnen streitig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Hotel-und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein Anwendung.

Am 1. Mai 2010 schickte der Beklagte die Klägerin mit dem Hinweis nach Hause:

„Du brauchst nicht wiederzukommen“. Die Klägerin erschien in der Folge auch nicht mehr im Betrieb des Beklagten. Dieser erteilte ihr unter dem 4. Mai 2010 eine Abrechnung über ihre Vergütung für den Monat April 2010 in Höhe von 927,50 EUR (132,5 Std. á 7,– EUR). Die Abrechnung (Bl. 9 d.A.) weist als Austrittsdatum den 30. April 2010 aus.

Am 16. August 2010 erhob die Klägerin in einem Vorprozess vor dem Arbeitsgericht Lübeck (5 Ca 1970/10) gegen den Beklagten Klage mit den Anträgen auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 1. Mai 2010 beendet wurde und weiterhin, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst wurde und über den 1. Mai 2010 hinaus ungekündigt fortbestand.

Im Gütetermin vom 1. September 2010 zu diesem Vorprozess erklärte der Beklagte, er habe eine schriftliche Kündigung gefertigt, könne sich aber nicht erinnern, wann er diese der Klägerin ausgehändigt habe. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärte der Beklagte im dortigen Gütetermin, er erkenne an, dass die mündliche Kündigung vom 1. Mai 2010 aufgrund der fehlenden Schriftform unwirksam sei. Auf Antrag der Klägerin hat das Arbeitsgericht daraufhin am 1. September 2010 ein Anerkenntnisurteil erlassen mit dem Inhalt der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 1. Mai 2010 beendet worden ist.

Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten teilten den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2010 mit, sie gingen davon aus, dass aufgrund der schriftlichen Kündigung des Beklagten, welche nach der unwirksamen mündlichen Kündigung erfolgt sei, das Arbeitsverhältnis bereits beendet worden sei. Sollte ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aber weiterhin bestehen, werde dies „hiermit unter Bezugnahme auf beiliegende Vollmacht im Original gemäß § 12 Ziffer 1 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein zum 5.10.2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt“ (Bl. 6, 7 d.A.).

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestätigten unter Bezug auf dieses Kündigungsschreiben mit Schreiben vom 22. September 2010 den Kündigungstermin zum 5.10.2010 (Bl. 18 d.A.).

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit, es sei immer noch der Arbeitslohn bis zur ausgesprochenen Kündigung zum 5. Oktober 2010 offen. Eine wirksame Kündigung liege erst zum 5. Oktober 2010 vor. Sie forderten mit diesem Schreiben den Beklagten auf, den fälligen Arbeitslohn für die Monate Mai, Juni, Juli, August, September und für die ersten fünf Tage des Monats Oktober 2010 in Höhe von EUR 4.794,67 zu zahlen. Der Beklagte lehnte dies ab.

Am 14. Januar 2011 ging beim Arbeitsgericht der Klagantrag der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 4.794,67 EUR brutto an Sie ein.

Am 10. Februar 2011 nahm die Klägerin wegen erhaltener Leistungen der Bundes-agentur für Arbeit die Klage in Höhe eines Betrages von 3.729,60 EUR zurück (offener Differenzbetrag 1.065,07 EUR).

Am 4. März 2011 ging beim Arbeitsgericht eine Klagerweiterung ein, mit der die Klägerin nunmehr Zahlung auch über den 5. Oktober 2010 hinaus bis zum 15. Oktober 2010 begehrte ( 5 x 927,50 EUR brutto für Mai bis September 2010 und einmal 463,75 EUR brutto für Oktober 2011. Davon zog die Klägerin die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 3.729,60 EUR ab und begehrte den Differenzbetrag in Höhe von 1.371,65 EUR.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihr zunächst einen schriftlichen Arbeitsvertrag zur Unterschrift ausgehändigt, diesen aber sogleich wieder an sich genommen mit dem Bemerken, der Vertrag müsse dem Steuerberater vorgelegt werden. Sie habe danach trotz mehrfacher Aufforderung ein Exemplar des Arbeitsvertrages nicht mehr erhalten. Sie hat gemeint, sie habe Anspruch auf Vergütung in Höhe des Betrages, den sie im April 2010 verdient habe. Ihre Ansprüche seien auch nicht verfallen. Der Beklagte könne sich auf die Ausschlussfristen des Manteltarifvertrages nicht berufen, denn er habe ihr keinen Nachweis mit Hinweis auf die Geltung dieser Ausschlussfristen erteilt. Auch habe sie die Ansprüche rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht, nämlich innerhalb von drei Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb. Ausscheiden im Sinne des Manteltarifvertrages sei die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies sei der 15. Oktober 2010 unter Beachtung der Kündigungsfrist des § 12 des Manteltarifvertrages gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 1.371,65 brutto (rückständige Vergütung Mai 2010, Juni 2010, Juli 2010, August 2010, September 2010, 01.-15. Oktober 2010 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 29.05.2010 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 30.06.2010 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 31.07.2010 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 31.08.2010 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 30.09.2010 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 927,50 brutto seit dem 15.10.2010 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Forderung der Höhe nach bestritten. Er hat behauptet, er habe mit der Klägerin nie einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Er habe sie als Aushilfe auf Stundenbasis eingestellt. Ein fester Monatslohn sei nie vereinbart worden. Das Arbeitsverhältnis habe unstreitig am 5. Oktober 2010 geendet, die Klage sei also außerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben worden. Etwaige Lohnansprüche für die Zeiträume Mai 2010 bis September 2010 seien gemäß § des 14 Manteltarifvertrages verfristet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Ansprüche der Klägerin seien unter jedem Gesichtspunkt verfallen. Denn das Arbeitsverhältnis habe nicht erst am 15. Oktober 2010 rechtlich geendet, sondern bereits am 5. Oktober 2010. Unerheblich sei, dass der Beklagte dabei die Kündigungsfrist des § 12 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages nicht beachtet habe. Denn die Klägerin habe weder innerhalb von drei Wochen noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren insoweit die Kündigung angefochten. Der Beklagte könne sich auch auf die Ausschlussfrist berufen. Wegen des fehlenden Nachweises sei auch ein Schadensersatzanspruch nicht begründet. Es fehle an der diesbezüglichen Kausalität. Auf die fehlenden Kenntnisse der Klägerin komme es nicht an, nachdem sich diese bereits im Vorprozess habe anwaltlich vertreten lassen. Anwälte müssten die Ausschlussfristen kennen und beachten. Wegen der weiteren Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 11. Mai 2011 zugestellte Urteil am 14. Juni 2011 mit Fax- und am 20. Juni 2011 mit Originalschriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis 25. Juli 2011 am 15. Juli 2011 begründet.

Die Klägerin meint, das Arbeitsverhältnis habe sogar erst zum 31. Oktober 2010 geendet. Denn sie sei ausweislich der Stellenanzeige befristet eingestellt worden bis 31. Oktober 2010. Unabhängig davon habe das Arbeitsverhältnis aber jedenfalls rechtlich erst am 15. Oktober 2010 geendet. Sie habe die Kündigung vom 17. September 2010 nicht gesondert anfechten müssen. Beide Parteien seien sich dahin einig gewesen, dass das Arbeitsverhältnis nicht weiter fortbestehen solle. Es sei ausschließlich um die Frage des Beendigungstermins gegangen, nicht jedoch um die Wirksamkeit der Kündigung. Welcher zeitliche Kündigungstermin nach dem Manteltarifvertrag der zutreffende gewesen war, darüber hätten sich beide Prozessvertreter geirrt. Im Nachhinein hätten ihre – der Klägerin – Prozessbevollmächtigten den Irrtum entdeckt und sich später auf den 15. Oktober 2010 als Kündigungstermin berufen. Dass sich der Beklagte nunmehr auf den Standpunkt stelle, als Beendigungsdatum gelte der 5. Oktober 2010, sei eine rechtsmissbräuchliche Rechtswahrnehmung. Der im Kündigungsschreiben genannte 5. Oktober stelle einen einfachen Schreibfehler dar. Diesen Irrtum halte der Beklagte bis zuletzt aufrecht und nutze ihn, um den Prozess zu gewinnen.

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Nachdem die Klägerin in ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz zunächst ihren erstinstanzlichen Antrag wiederholte, beantragt sie nunmehr nach Erteilung eines rechtlichen Hinweises, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 3. Mai 2011 – 3 Ca 137/11 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.101,25 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 3.729,60 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 927,50 EUR brutto seit dem 29.05.2010, weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR brutto seit dem 30.06.2010, weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR brutto seit dem 31.07.2010, weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 927,50 EUR brutto seit dem 31.08.2010, weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem weiteren Betrag in Höhe von 927,50 EUR brutto seit dem 30.09.2010 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem weiteren Betrag von 927,50 EUR seit dem 15.10.2010.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und meint, das Arbeitsverhältnis habe keineswegs erst am 31. Oktober 2010 geendet. Der Inhalt der Stellenanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit sei insoweit für den Inhalt des klägerischen Arbeitsverhältnisses nicht aussagekräftig, zumal diese Stellenanzeige auch in keinem Zusammenhang mit der Einstellung der Klägerin stehe. Es liege eine wirksame Kündigungserklärung zum 5. Oktober 2010 vor. Die Klägerin müsse sich den Irrtum ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Seine – des Beklagten – Prozessbevollmächtigten hätten sich im Kündigungsschreiben hinsichtlich des Kündigungstermins nicht geirrt. Er – Beklagter – habe sich möglichst rasch wirksam von der Klägerin trennen wollen. Aus diesem Grunde sei mit Schreiben vom 17. September 2010 die Kündigung mit einer aufgerundeten Zweiwochenfrist zum 5. Oktober 2010 erfolgt. Es sei dann die Obliegenheit der Klägerin gewesen, gegebenenfalls dagegen innerhalb der Dreiwochenfrist vorzugehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die Umstellung des Klagantrages in der Berufung ist auch zulässig. Es handelt sich dabei nicht um eine Veränderung des Streitgegenstandes, sondern lediglich um die Umformulierung auf den begehrten Bruttobetrag abzüglich der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Dies war jedenfalls sachdienlich, denn der ursprünglich von der Klägerin gestellte und vom Arbeitsgericht akzeptierte und auf den Differenzbetrag gerichtete Antrag berücksichtigte nicht, dass es sich bei der Bruttovergütung einerseits und den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit andererseits um Leistungsgegenstände handelt, die nicht miteinander verglichen und folglich auch nicht zur Bildung eines Differenzbetrages voneinander subtrahiert werden dürfen.

Die Berufung ist überwiegend begründet. Denn die Klägerin hat gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 4.794,67 EUR brutto abzüglich der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 3.729,60 EUR für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis zum 5. Oktober 2010. Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 14 des anzuwendenden Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein verfallen. Dies gilt lediglich für den weiteren Zahlungsanspruch bis zum 15. Oktober 2010. Dazu im Einzelnen:

1.

Der Zahlungsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 5. Oktober 2010 in Höhe von 4.794,67 EUR brutto abzüglich der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 3.729,60 EUR beruht auf § 615 Satz 1 BGB. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann die Arbeitnehmerin aufgrund dieser Vorschrift für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.

a. Der Beklagte befand sich in der Zeit vom 1. Mai bis 5. Oktober 2010 mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug. Zur Begründung des Annahmeverzuges bedurfte es weder eines tatsächlichen Angebots der Klägerin gemäß § 294 BGB noch eines wörtlichen Angebotes gemäß § 295 BGB. Vielmehr war ein Angebot der Arbeitsleistung überhaupt gemäß § 296 Satz 1 BGB entbehrlich. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es nach dieser Vorschrift des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt.

Bei Unterlassung einer kalendarisch bestimmten Mitwirkungshandlung durch den Arbeitgeber ist daher ein Angebot nicht erforderlich. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sieht eine solche Mitwirkungshandlung darin, der Arbeitnehmerin einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihr Arbeit zuzuweisen. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis verlangt das Bundesarbeitsgericht regelmäßig ein tatsächliches Angebot. Im gekündigten Arbeitsverhältnis erlangt die Vorschrift des § 296 Satz 1 BGB jedoch Bedeutung. Die kalendarisch bestimmte Handlung des Arbeitgebers (Bereitstellen eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und Zuweisung von Arbeit) steht zeitlich vor der Vorleistungspflicht der Arbeitnehmerin und vor der konkreten Arbeitszuweisung durch den Arbeitgeber (ErfK-Preis, § 615 BGB Rn. 40). Die Mitwirkungshandlung besteht darin, der Arbeitnehmerin überhaupt die Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen und den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und zu konkretisieren. Spricht daher der Arbeitgeber eine Kündigung aus, so bedarf es bei einer fristlosen Kündigung oder bei einer ordentlichen Kündigung nach Fristablauf nicht eines wörtlichen oder tatsächlichen Angebotes seitens der Arbeitnehmerin.

Der Beklagte kam seit 1. Mai 2010 dieser Mitwirkungshandlung gemäß § 296 Satz 1 BGB nicht mehr nach, nachdem er am 1. Mai 2010 die Klägerin nach Hause schickte mit dem Hinweis: „Du brauchst nicht wiederzukommen.“ Diese Erklärung war aus der Sicht der Klägerin zu verstehen als eine fristlose Kündigung, die sich wegen fehlender Schriftform jedoch als unwirksam erwies.

b. Für die Zeit vom 1. Mai bis 5. Oktober 2010 hat die Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 615 Satz 1 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Dabei handelt es sich um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Er richtet sich auf die Bruttovergütung und für seine Höhe gilt das Lohnausfallprinzip (ErfK-Preis, § 615 BGB Rn. 76). Die Rechtslage ist mit der bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vergleichbar. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte.

Auszugehen ist dabei zunächst von der vereinbarten Vergütung in Höhe von 7,– EUR brutto pro Stunde. Allerdings hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, eine bestimmte Stundenzahl pro Woche oder Monat mit dem Beklagten vereinbart zu haben. Der Beklagte behauptet insoweit, er habe die Klägerin als Aushilfe auf Stundenbasis eingestellt, und zwar je nach Bedarf. Von einer festen Monatsvergütung könne daher keine Rede sein.

Selbst wenn dies zutreffend wäre, so wäre der Anspruch der Klägerin auf Vergütung in Höhe von 927,50 EUR brutto ab Mai 2010 dennoch begründet. Gemäß § 615 Satz 1 BGB ist auch bei möglicherweise schwankender Vergütung der Annahmeverzugslohn danach zu bestimmen, was die Arbeitnehmerin verdient hätte, wenn sie beschäftigt worden wäre. Mangels bestimmter Vereinbarungen zum zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung im Bezugszeitraum ist daher zu fragen, welches Entgelt die Klägerin mutmaßlich erzielt hätte.

Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 11.8.1998 (9 AZR 410/97) ausgeführt, der dem Arbeitnehmer zustehende Verzugslohn umfasse auch entgangene Provisionen. Hätten die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, wie der Verdienstausfall zu berechnen sei, so sei dessen Höhe nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Mangelt es daher bei schwankender Vergütung an hinreichend konkreten Vereinbarungen oder festen Anhaltspunkten für die Frage des mutmaßlich erzielten Entgelts, so ist ausgehend von diesem Rechtsgedanken das Tatsachengericht zur Schätzung befugt. Dabei kann die von der Arbeitnehmerin bis zum Eintritt des Annahmeverzugs erzielte Vergütung einen Anhaltspunkt liefern (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 395 Rn. 67; BAG, Urteil vom 18.09.2001, 9 AZR 307/00, zitiert nach juris Rn. 44).

Die von der Klägerin im April 2010 erzielte Vergütung in Höhe von 927,50 EUR brutto ist daher im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung heranzuziehen. Wird weiterhin berücksichtigt, dass im April des Jahres 2010 ungeachtet der Osterfeiertage die Saison an der Ostsee erst begann, so spricht alles dafür, dass die Klägerin auch in den folgenden Sommermonaten und in der Nachsaison bis zum 5. Oktober 2010 in etwa den monatlichen Verdienst des April 2010 hätte erzielen können. Der Beklagte hat insoweit nicht substantiiert vorgetragen, dass und warum der Verdienst des April 2010 keine Grundlage für die Schätzung bezogen auf die nachfolgenden Monate sein darf. Er hat nicht dargelegt, dass sich die Verhältnisse in den Sommermonaten wesentlich anders dargestellt haben als im April 2010. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte im Vortrag des Beklagten dazu, dass und warum die Klägerin in den nachfolgenden Monaten nur in einem geringeren Umfang eingesetzt worden wäre.

Nach alledem hat die Klägerin für die Monate Mai bis September Anspruch auf Vergütung in Höhe von 927,50 EUR brutto monatlich und darüber hinaus für die Zeit vom 1. bis 5.10.2010 Anspruch auf weitere 157,17 EUR brutto.

Von diesem Gesamtbetrag in Höhe von 4.794,67 EUR brutto sind abzuziehen die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 3.729,60 EUR. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass sich dieser Leistungsbetrag bezog auf den Zeitraum bis zum 5. Oktober 2010. Die Klägerin hat in ihrer Klagschrift ursprünglich 4.794,67 EUR brutto für die Zeit bis zum 5.10.2010 geltend gemacht, denn der dortige Klagbetrag ist identisch mit jenem aus dem vorprozessualen Schreiben vom 28. Oktober 2010, mit dem Zahlung bis zum 5.10.2010 begehrt wird. Wenn die Klägerin dann in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2011 diesen Klagebetrag reduziert um einen Betrag in Höhe von 3.729,60 EUR wegen der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, so ist davon auszugehen, dass sich diese Leistungen auch nur auf den Zeitraum bis zum 5. Oktober 2010 beziehen.

2.

Dieser Zahlungsanspruch ist nicht gemäß § 14 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein verfallen.

§ 14 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig Holstein lautet zu den Ausschlussfristen:

㤠14

1. Forderungen aus angeblich falscher Tarifeinstufung, unzutreffender Entlohnung und auf Bezahlung von Überstunden und Zuschlägen erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Alle übrigen Ansprüche erlöschen 3 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb.

Die Geltendmachung muß während oben genannter Fristen gerichtlich erfolgen.

Mitglieder der Tarifvertragsparteien können ihre Ansprüche innerhalb der gleichen Fristen auch über die Tarifvertragsparteien oder deren Bevollmächtigte schriftlich geltend machen.“

Nach dieser Vorschrift sind die Ansprüche der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 5. Oktober 2010 nicht erloschen.

a. § 14 Satz 1, wonach auch Forderungen wegen unzutreffender Entlohnung erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden, ist hier nicht anwendbar. Denn es geht nicht um unzutreffende Entlohnung, sondern darum, dass der Beklagte der Klägerin überhaupt keinen Lohn zahlte. Dies wird von § 14 Satz 1 des Manteltarifvertrages nicht erfasst. Die Tarifvertragsparteien haben mit der dortigen Formulierung nicht erfassen wollen alle fällig gewordenen Lohnansprüche, sondern nur solche aus angeblich falscher Tarifeinstufung, unzutreffender Entlohnung und auf Bezahlung von Überstunden und Zuschlägen. Unzutreffende Entlohnung setzt allerdings voraus, dass zunächst überhaupt eine Entlohnung erfolgte, die sich dann nach Auffassung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin als unzutreffend erweist. Wenn etwas unzutreffend ist, dann setzt dieses einen Soll- und Ist-Vergleich der tatsächlichen Entlohnung mit der beanspruchten Entlohnung voraus. Erfolgt aber überhaupt keine Entlohnung, so kann nicht von unzutreffender Entlohnung gesprochen werden. Die Tarifvertragsparteien haben bewusst in Satz 1 des § 14 des Manteltarifvertrages nur bestimmte Tatbestände geregelt, nicht aber den Verfall jeglicher Vergütungsansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit.

b. Die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 5. Oktober 2010 sind auch nicht gemäß § 14 Satz 2 des Manteltarifvertrages erloschen. Denn die Klägerin ist aus dem Betrieb erst am 15. Oktober 2010 ausgeschieden, weshalb die Klagerhebung am 14. Januar 2011 noch fristgerecht erfolgte.

aa. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist unter Ausscheiden aus dem Betrieb die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen und nicht das bloße tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Tarifvertragsparteien vom Wortlaut her nicht ausdrücklich auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt haben, sondern auf einen eher tatsächlichen Vorgang, der beschrieben wird mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb. Sowohl die Wortwahl „Ausscheiden“ als auch der Bezug auf den „Betrieb“ könnten Anhaltspunkte dafür sein, dass die Tarifvertragsparteien für den Beginn der Verfallfristen nicht abstellen wollten auf einen rechtlichen Beendigungszeitpunkt, sondern auf einen tatsächlichen Vorgang. So hat auch die 3. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 17. Juli 2010 – 3 Sa 208/10 – entschieden, dass nach dem Wortlaut der Ausschlussfrist nicht auf die rechtliche Beendigung abzustellen sei, sondern auf das Ausscheiden aus dem Betrieb.

Dem vermag die hier erkennende Kammer nicht zu folgen. Zunächst ist der Wortlaut keineswegs derart zwingend, dass er nur auf den tatsächlichen Vorgang des Ausscheidens zu beziehen ist. Zum einen haben die Tarifvertragsparteien wörtlich nicht auf das tatsächliche Ausscheiden abgestellt, sondern lediglich auf das Ausscheiden aus dem Betrieb. Umgangssprachlich kann unter Ausscheiden aus dem Betrieb auch die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint sein. Es ist keinesfalls zwingend, mit der Formulierung „Ausscheiden aus dem Betrieb“ nur auf einen tatsächlichen Vorgang abzustellen. Ebenso kann vom Wortlaut her damit gemeint sein das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb im Sinne von rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ausscheiden aus dem Betrieb, Austritt aus dem Unternehmen und Beendigung des Arbeitsverhältnisses können einen identischen Bedeutungsgehalt haben.

Die Formulierung ist daher keinesfalls zwingend mit der Maßgabe, dass dabei nicht auf das rechtliche Ausscheiden abgestellt werden darf.

bb. Vielmehr spricht eine Gegenüberstellung der beiden Tatbestände aus Satz 1 und Satz 2 dafür, bei Satz 2 auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Satz 1 knüpft für das Erlöschen an eine rechtliche Kategorie an, nämlich an die Fälligkeit. Alle übrigen Ansprüche, die von Satz 1 nicht erfasst werden, sollen wiederum durch Satz 2 geregelt werden. Mit der Formulierung „alle übrigen Ansprüche“ haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie alle Ansprüche einer raschen Klärung zuführen wollen. Klarheit und Rechtssicherheit sollen also nach einem relativ kurzen Zeitraum eintreten. Würde man aber auf das bloße tatsächliche Ausscheiden abstellen, so könnte eine solche Rechtssicherheit nicht eintreten. Es könnte Streit darüber entstehen, ob ein tatsächlicher Vorgang bereits als „Ausscheiden aus dem Betrieb“ zu verstehen ist. Soll bereits durch eine Freistellung oder ein bloßes Nichterscheinen der Arbeitnehmerin am Arbeitsplatz die Ausschlussfrist in Gang gesetzt werden? Erst mit dem rechtlichen Beendigungsdatum steht der Umfang noch möglicher Ansprüche fest. Wenn die Tarifvertragsparteien alle übrigen Ansprüche von Satz 2 des § 14 des Manteltarifvertrages erfassen wollten, so spricht deshalb nach Auffassung des Berufungsgerichts alles dafür, dass sie insoweit für den Beginn der Verfallfrist anknüpfen wollten an die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies entspricht auch einer ausgewogenen Regelung. Denn die Arbeitnehmerin weiß erst mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welche Ansprüche möglicherweise noch bestehen könnten. Andererseits ist es auch sachgerecht, dass der Arbeitgeber erst mit feststehendem rechtlichen Beendigungsdatum darauf vertrauen darf, nunmehr innerhalb von drei Monaten Gewissheit darüber zu erlangen, ob die Arbeitnehmerin noch etwaige Ansprüche geltend machen will oder nicht.

c. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete rechtlich erst mit Ablauf des 15. Oktober 2010. Das vom Beklagten im Kündigungsschreiben vom 17. September 2010 genannte Beendigungsdatum „5.10.2010″ war fehlerhaft, denn die Kündigungsfrist gemäß § 12 des Manteltarifvertrages betrug für gewerbliche Arbeitnehmer im ersten Beschäftigungsjahr 14 Tage zum 15. oder Letzten des Monats. Die Klägerin ist auch berechtigt, sich in diesem Prozess auf das zutreffende Beendigungsdatum zum 15. Oktober 2010 zu berufen.

(aa) Die Klägerin war nicht gehalten, seinerzeit innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG die fehlerhafte Kündigungsfrist geltend zu machen.

Nach einer Entscheidung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 700/09 -, zitiert nach juris Rn. 20) hängt die Frage, ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit einer fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Dies ist nach der dortigen Entscheidung des 5. Senats nur der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedarf folglich die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, so gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht worden ist. Ist also der Kündigungstermin „integraler Bestandteil der Willenserklärung“, so muss die fehlerhafte Kündigungsfrist innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen werden. Ist allerdings durch Auslegung zu ermitteln, dass eine fristwahrende Kündigung ausgesprochen werden sollte, so bedarf es nicht der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG. Dabei soll nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigungserklärung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als eine solche zum richtigen Kündigungstermin der Regelfall sein. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein könnten, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen (BAG, Urteil v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05 -, zitiert nach juris, Rn. 25 ff.).

Die hier zu beurteilende Kündigung vom 17. September 2010 lässt sich ohne weiteres auslegen als eine gewollte fristgerechte Kündigung zum 15. Oktober 2010. Dazu bedarf es nicht der Umdeutung. Zum einen ist auszugehen vom Regelfall der Auslegbarkeit. Zum anderen wird im Kündigungsschreiben ausdrücklich Bezug genommen auf die Vorschrift des Manteltarifvertrages und es wird weiterhin betont, hilfsweise solle zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden. Es kann also keine Rede davon sein, dass das Datum 5.10.2010 integraler Bestandteil dieser Kündigung sein sollte.

Folglich musste die Klägerin auch nicht innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG wegen der fehlerhaften Kündigungsfrist Klage erheben. Sie musste auch überhaupt keinen Feststellungsantrag erheben, sondern konnte Ansprüche im Rahmen einer Klage auf Annahmeverzug geltend machen.

(bb) Das Arbeitsverhältnis endete auch nicht deshalb rechtlich mit Ablauf des 5. Oktober 2010, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dieses Datum mit Schreiben vom 22.09.2010 bestätigte und nochmals im Schreiben vom 28.10.2010 ausführte, eine wirksame Kündigung liege erst zum 5.10.2010 vor. Dies bedeutet keine einvernehmliche Verkürzung der Kündigungsfrist auf den 5. Oktober 2010, zumal es sich dabei um einen Aufhebungsvertrag handeln würde, der bereits am Schriftformerfordernis des § 623 BGB scheitern würde. Zum anderen lag hier erkennbar lediglich ein Irrtum auf beiden Seiten vor. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben irrtümlich die falsche Kündigungsfrist gewählt. Ihr Hinweis in der Berufung, man habe zu diesem Termin bewusst gekündigt, weil man mit einer „aufgerundeten“ Zweiwochenfrist habe kündigen wollen, ist nicht nachvollziehbar. Dagegen spricht zum einen der Hinweis auf die Vorschrift des Manteltarifvertrages, zum anderen ist überhaupt nicht plausibel, was mit „aufgerundet“ gemeint sein soll. Es dürfte sich folglich um einen Irrtum der Prozessbevollmächtigten des Beklagten handeln, möglicherweise sogar um einen bloßen Schreibfehler. Diesen Irrtum beziehungsweise Schreibfehler hat sodann der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bestätigt – möglicherweise ohne nähere Prüfung der Rechtslage –. Er wollte damit aber – wenn auch irrtümlich mit falschem Datum – nur eine ordentliche fristgerechte Kündigung bestätigen, hatte aber nicht einen eigenständigen Regelungswillen bezüglich einer vom ordentlichen Kündigungstermin abweichenden früheren Kündigung zum 5. Oktober 2010.

(cc) Die Klägerin handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich erst im Laufe dieses Rechtsstreits und hier erkennbar wohl erst mit Schriftsatz vom 4. März 2011 darauf beruft, das Arbeitsverhältnis habe erst zum 15. Oktober 2010 wirksam gekündigt werden können. Zwar geschah dies dann weit später als drei Monate nach dem 5.10. beziehungsweise 15.10.2010. Die Klägerin hat auch einen gewissen Vertrauenstatbestand bei dem Beklagten geweckt, weil sie durch ihre Prozessbevollmächtigten im September 2010 den Beendigungstermin 5.10.2010 bestätigen ließ. Andererseits fehlt es aber dennoch weiterhin an den Voraussetzungen des Rechtsmissbrauches, weil der Beklagte selbst durch die Wahl der zu kurzen Kündigungsfrist die Ursache für das – wenn auch fehlerhafte – Vorgehen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin setzte. Für den Beklagten musste erkennbar sein, dass es den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nur darum ging, eine ordentliche Kündigungsfrist zu bestätigen, nämlich jene vermeintlich ordentliche Kündigungsfrist, die er – Beklagter – in dem Kündigungsschreiben vom 17.9.2010 erwähnte. Er durfte nicht annehmen, die Klägerin sei mit einer Abkürzung der richtigen ordentlichen Kündigungsfrist einverstanden. Er hätte ohne weiteres erkennen können und müssen, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schlicht irrte über die ordentliche Kündigungsfrist, als er den 5.10.2010 bestätigte. Dieser Irrtum hat aber seine Ursache in der fehlerhaft vom Beklagten gewählten Kündigungsfrist. Schützenswertes Vertrauen konnte der Beklagte deshalb nicht mit der Maßgabe bilden, dass sich das späte Berufen der Klägerin auf den 15.10.2010 als rechtsmissbräuchlich darstellen würde.

Nach alledem endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien erst mit Ablauf des 15. Oktober 2010, worauf sich die Klägerin auch hier noch berufen kann.

d. Die Klägerin war daher nicht gehalten, die Vergütung aus den Monaten Mai 2010 bis 5. Oktober 2010 jeweils am Ende des Monatszeitraums innerhalb von drei Monaten geltend zu machen beziehungsweise innerhalb von drei Monaten nach dem 5.10.2010. Denn insoweit gilt für die vollständig unterbliebene Lohnzahlung nicht § 14 Satz 1 des Manteltarifvertrages, sondern § 14 Satz 2. Dieser knüpft aber nur an die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, weshalb die Klagerhebung am 14. Januar 2011 noch fristgerecht erfolgte.

3.

Soweit die Klägerin auch noch Vergütung über den 5. Oktober hinaus bis 15. Oktober 2010 geltend macht, ist dieser Anspruch allerdings gemäß § 14 Satz 2 des Manteltarifvertrages verfallen. Denn die Klägerin hat diesen weitergehenden Anspruch erst mit Schriftsatz vom 4. März 2011 gerichtlich geltend gemacht.

Nach alledem ist das Urteil des Arbeitsgerichts ganz überwiegend abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision besteht deshalb, weil die Auslegung des § 14 Satz 2 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Schleswig-Holstein von allgemeiner Bedeutung ist.

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