Landgericht Berlin
Az.:103 O 102/02
Verkündet am 17.09.2002
In dem Rechtsstreit hat die Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin in 10589 Berlin (Charlottenburg), Tegeler Weg 17-21, auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2002 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr über die bei der X, Frankfurt am Main, auf den Beklagten zu 2) registrierte Internet-Domain www.XXXXX.de selbst oder durch andere Druckerpatronen für Büromaschinen gewerbsmäßig anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne den Namen des Diensteanbieters zu nennen.
2. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt ist.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten je zur Hälfte.
4. Das Urteil ist zu Ziffer 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die in Berlin ansässige Klägerin vertreibt über das Internet an Gewerbetreibende und Endverbraucher bundesweit Tinten- und Tonerpatronen für Drucker-, Kopier- und Telefaxgeräte sowie Papiere und Folien für druckende und kopierende Büromaschinen.
Über die Domain www.XXXXX.de werden ebenfalls über das Internet Druckerpatronen für Büromaschinen vertrieben. Die Website wurde von dem Beklagten zu 2) registriert und dem Beklagten zu 1) kostenlos zur Verfügung gestellt.
Am 05.05.2002 gelangte dem Geschäftsführer der Klägerin bei einem Besuch der Website www.XXXX.de zur Kenntnis, dass darauf keine den Diensteanbieter vollständig identifizierende Anbieterkennzeichnung im Sinne von § 6 Nr. 1 des Teledienstgesetzes (TDG) angebracht war.
Auf der Startseite der Domain www.XXXX.de war lediglich die Firmenbezeichnung und die Firmenanschrift angegeben sowie dazwischen der Nachname des Beklagten zu 1), nicht hingegen dessen Vorname. Der komplette Name des Beklagten zu 1) und die Bezeichnung als „Inhaber“ war lediglich zu Anfang der AGB angegeben.
Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 13.05.2002 ab und forderte sie zum Ausschluss der Wiederholungsgefahr auf, eine hinreichend vertragsstrafenbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.
In dem Schreiben vom 21.05.2002 wurde das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs von den Beklagten zurückgewiesen; eine Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben. Am 28. Juni 2002 erhob die Klägerin die Klage.
Mit Anwaltsschreiben vom 12. August 2002 verpflichtete sich der Beklagte zu 1) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht der Klägerin gegenüber, in Zukunft für jeden Fall des Verstoßes gegen die Vorschriften des § 6 TDG, in der jetzigen Fassung und unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin erklärte deshalb am 26. August 2002 die Klage gegenüber dem Beklagten zu 1) für erledigt und beantragte, dem Beklagten zu 1) insoweit die Kosten aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt,
1. dem Beklagten zu 2) aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr über die bei der X, Frankfurt am Main, auf den Beklagten zu 2) registrierte Internet-Domain www.xxxxx.de selbst oder durch andere Druckerpatronen für Büromaschinen gewerbsmäßig anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne den Namen des Diensteanbieters zu nennen.
2. festzustellen, dass der Rechstreit hinsichtlich des Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt ist.
3. hilfsweise, den Beklagten zu 1) entsprechend dem Klageantrag zu 1) zu verurteilen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass die Namensangabe des Beklagten zu 1) eingangs der AGB den Anforderungen von § 6 TDG genüge. Ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehe nicht, da er nicht im Wettbewerb mit der Klägerin stehe.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf Unterlassung gegen den Beklagten zu 2) sowie auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt hat, sind zulässig und begründet.
Der Feststellungsantrag des Klägers, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt hat, ist begründet, weil der Klageantrag bei Zustellung am 3. Juli 2002 zulässig und begründet war und durch die Abgabe der Unterlassungserklärung des Beklagten zu 1) vom 12. August 2002 hinsichtlich des Beklagten zu 1) nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden ist.
Die Beklagten haben gegen die Anbieterkennzeichnungspflicht nach § 6 TDG verstoßen und dadurch einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG begangen.
Gemäß § 6 Nr. 1 TDG haben Diensteanbieter für geschäftsmäßige Teledienste den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten.
Indem auf der Startseite der Homepage des Beklagten zu 1) lediglich dessen Nachname, zwischen dem Firmennamen und der Anschrift der Firma abgebildet war, sind die Anforderungen des § 6 Nr. 1 TDG nicht erfüllt worden. Anhand dieser Darstellung war für (potentielle) Kunden nicht leicht erkennbar, dass es sich bei X um den Diensteanbieter handelte. Zunächst konnte bei einem Betrachter der Irrtum entstehen, dass die Bezeichnung X Teil des Straßennamens ist. Zudem war für potentielle Kunden nicht bereits anhand der Startseite ohne weiteres erkennbar, dass das Wort x den Diensteanbieter bezeichnen soll, denn durch die bloße Nennung des Nachnamens wurde der Dienstanbieter hier nicht hinreichend individualisiert.
Der Name X kommt häufig vor und war auch nicht mit einem Hinweis versehen, wie z. B. „Inhaber“, um zu verdeutlichen, dass es sich dabei um den Dienstanbieter handelt.
Dem steht nicht entgegen, dass der vollständige Name des Beklagten zu 1) im oberen Teil der auf der Homepage einsehbaren AGB abgebildet war. Denn unter dieser Rubrik waren die Informationen nicht unmittelbar erreichbar im Sinne des § 6 TDG.
Es muss angenommen werden, dass sich potentielle Kunden im Internet in erster Linie am Warenangebot und der Werbung auf einer Website orientieren und der Kaufentschluss von diesen Kriterien beeinflusst wird.
Wenn der Kunde wissen will, mit wem er den Vertrag abschließt, wird er nicht ohne weiteres darauf kommen, dass sich die Informationen über den Diensteanbieter auf der Seite mit den AGB befinden. Üblicherweise befinden sich solche Angaben eher in. einer anderen Rubrik, wie zum Beispiel dem „Impressum“.
Zudem werden viele Kunden die AGB-Seite gar nicht anklicken, weil bei Geschäften des täglichen Lebens über geringpreisige Gegenstände die AGB regelmäßig nicht von Interesse sind.
Ein Verstoß gegen § 6 TDG begründet auch einen Verstoß gegen § 1 DWG, da § 6 TDG verbraucherschützenden Charakter hat und für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen will. Der Wettbewerbsschutz des TDG ergibt sich daraus, dass neben dem Schutz des Verbrauchers – dem ohne weitere Recherchen die Kenntnis seines Vertragspartners sowie Reklamationen und Klagezustellungen unproblematisch ermöglicht werden sollen – auch die Mitbewerber durch die Einhaltung etwa, der Anforderungen des § 6 TDG insofern geschützt werden sollen, als der Internetauftritt von Diensteanbietern bei allen Mitbewerbern den gleichen Voraussetzungen und Regeln unterliegen soll. Ein Mitbewerber, der die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung nach § 6 TDG nicht hinreichend beachtet, erzielt dadurch einen Vorsprung im Wettbewerb, weil es für die Verbraucher schwieriger ist, dem normverstoßenden Anbieter gegenüber Ansprüche durchzusetzen.
Dass das Teledienstgesetz die Funktion hat, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes festzulegen und gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen, ergibt sich auch ausdrücklich aus § 1 TDG, wonach der Zweck des TDG darin besteht, einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Internet zu schaffen. Der Beklagte zu 1) hat damit eine Wettbewerbsverletzung begangen.
Der Unterlassungsanspruch gegen den Beklagte zu 2) ist begründet, weil dieser als Mitstörer anzusehen ist.
Mitstörer ist jeder, von dem ernstlich zu befürchten ist, dass er an der wettbewerbswidrigen Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten willentlich und adäquat kausal mitwirkt, vorausgesetzt, dass der als Mitstörer in Anspruch genommene die rechtlichen Möglichkeiten hat, die Handlung zu verhindern; eine Wettbewerbsförderungsabsicht ist nicht erforderlich.
Wenn der Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) seine Domain zu Verfügung stellt, muss er auch darauf achten, dass Vorschriften eingehalten werden, zumal er selbst Dienstanbieter i. S. v. § 3 TDG ist.
Es ist auch kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin gegeben, weil die Klägerin selbst auf ihrer Website Angaben unterlassen hat, die für eine ordnungsgemäße Anbieterkennzeichnung im Sinne von § 6 TDG erforderlich gewesen wären. Denn dies ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Das von den Beklagten eingewandte Argument der „unclean hands“, mit anderen Worten, nur der Wettbewerber könne sich auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln berufen und Verstöße hiergegen geltend machen, der selber wettbewerbsgemäß handle, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern (vgl. zu Begriff und Reichweite Baumbach/Hefermehl, DWG, 22. Auflage 2001, DWG Einl., Rdnr. 448). Anders als im privatautonom geregelten Vertragsrecht, wo der Grundsatz „tu quoque“ – also der eigenen Vertragstreue – über § 242 BGB und insbesondere § 326 BGBeine allgemeine Ausprägung gefunden hat, gibt es einen solchen Grundsatz im Wettbewerbsrecht nicht. Zwar ist auch im Wettbewerbsrecht der Einwand des Rechtsmissbrauchs zulässig, jedoch ist zu berücksichtigen, dass das Wettbewerbsrecht – anders als das Vertragsrecht – nicht nur die Individualinteressen der Konkurrenten schützt, sondern Schutzobjekte des Wettbewerbsrechts ebenso Allgemeininteressen, Verbraucherinteressen und der lautere Wettbewerb als Institution sind (Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Auflage 2001, UWG Einl. Rdnr. 41 f.). Das Recht des unlauteren Wettbewerbs hat also nicht rein obligatorischen Charakter. Deshalb wird das Klagerecht der Mitbewerber gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 2 UWG regelmäßig nicht durch den Einwand der „unclean hands“ ausgeschlossen: Unlauteres Wettbewerbsverhalten der Klägerin berechtigt die Beklagten nicht ebenfalls zu unlauterem Wettbewerb (zum Ganzen Baumbach/ Hefermehl, UWG Einl., Rdnr. 448 f.).
Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die Beklagten schon jeweils mit Klageschrift vom 28. Mai 2002 beim Landgericht Münster negative Feststellungsklage erhoben haben.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, einen vollstreckbaren Titel zu erlangen, aus dem sie bei Erfolg gegen weitere Verstöße vorgehen kann. Diesen hat die Klägerin selbst dann nicht, wenn die Feststellungsklage abgewiesen werden würde.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Nr. 1 ZPO.