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Teilungsversteigerung – Verfahrenseinstellung gesundheitliche Einschränkung des Miteigentümers

LG Freiburg – Az.: 4 T 142/18 – Beschluss vom 11.02.2019

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 06.07.2018, Az. 2 K 22/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die gemäß 180 Abs. 2 Satz 2, 30b Abs. 3 ZVG statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig, weil der Antragsgegnerin auf ihren Antrag hin Wiedereinsetzung zu gewähren war. Die Beschwerde ist aber unbegründet.

1) Die sofortige Beschwerde ist zwar nicht innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 568 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Die Frist begann am 18.07.2018 und endete am 31.07.2018. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ging am 01.08.2018 und mithin verfristet beim Amtsgericht ein. Der Antragsgegnerin war aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowohl in die versäumte Beschwerdefrist als auch in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren.

a) Nach § 233 Abs. 1 ZPO ist einer Partei nur dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer Notfrist gehindert war. Da die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem angefochtenen Beschluss korrekt ist, muss die Antragsgegnerin das fehlende Verschulden glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 ZPO). Ob ein Verschulden der Partei oder ihres Vertreters vorliegt, ist nach dem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen; maßgeblich ist die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 233 Rn. 12). Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, wenn der Betroffene wegen einer krankheitsbedingten körperlichen oder geistigen Behinderung die Frist versäumt (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1985 – IVb ZB 55/84 –, Rn. 6, juris) oder krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seinen Rechtsanwalt sachgemäß zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 24. März 1994 – X ZB 24/93 –, Rn. 5, juris). Diese Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 ZPO.

b) Diese Voraussetzungen hat die Antragsgegnerin durch ergänzende Atteste glaubhaft gemacht. Die Atteste sind zwar relativ pauschal gehalten, attestieren jedoch ein dauerndes Unvermögen zur Beachtung von Fristen und Anfertigung von Schriftsätzen. Die Atteste sind auch vor dem Hintergrund eines im Jahr 2016, aber alsbald wieder aufgehobenen Betreuungsverfahrens für die Antragsgegnerin sowie dem fachärztlichen Gutachten von Prof. … aus dem familiengerichtlichen Verfahren plausibel.

2) Die Beschwerde ist in der Sache jedoch unbegründet.

a) Nach § 180 Abs. 2 ZVG ist die einstweilige Einstellung auf Antrag eines Miteigentümers längstens auf die Dauer von sechs Monaten anzuordnen, wenn dies bei Abwägung widerstreitender Interessen der mehreren Miteigentümer angemessen erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

aa) Gegenüber dem grundsätzlichen Auseinandersetzungsanspruch kann der Aufschub nur in besonderen Ausnahmefällen gewährt werden. Dabei ist der Zeithorizont des § 180 Abs. 2 ZVG (sechs Monate) zu beachten. Es muss sich daher um Hindernisse handeln, die einen befristeten Aufschub angemessen erscheinen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die sofortige oder alsbaldige Versteigerung zur Unzeit erfolgen würde, weil in der Einstellungszeit mit einer Veränderung wichtiger Umstände gerechnet werden kann (Stöber, ZVG, 21. Aufl. 2016, § 180 Rn. 11.12).

bb) Die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Gründe genügen für eine Einstellung nicht. Der Hinweis auf angeblich ausstehenden Zugewinn (wurde im familiengerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht) und Versorgungsausgleich (Beteiligte wurden auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen) stellt keinen ausreichenden Grund dar.

cc) Der Hinweis der Antragsgegnerin auf ihre Erkrankung genügt ebenfalls nicht. Ausweislich der Akten des Amtsgerichts Lörrach würde diese nach ihren eigenen Angaben seit 2007 bestehen. Die Antragsgegnerin befindet sich seit mindestens 2015 in therapeutischer Behandlung. Nach ihrem eigenen Vorbringen bestehen die Einschränkungen jedoch unvermindert fort. Dass diese Einschränkungen binnen sechs Monaten behoben wären, ist weder glaubhaft gemacht noch vor dem Hintergrund des Vorbringens der Antragsgegnerin und dem Akteninhalt plausibel. In einem solchen Fall dauerhafter gesundheitlicher Beeinträchtigung ist keine Einstellung möglich, weil das Hindernis nicht binnen sechs Monaten beseitigt wäre (Popp in: Depré, ZVG, 2. Aufl. 2018, § 180 Rn. 22; BGH, NJW 2004, 3635f.).

b) Der Antrag hat auch nicht nach § 180 Abs. 3 ZVG Erfolg.

Hierfür ist Voraussetzung, dass sich die Wohn- und Lebensverhältnisse eines gemeinschaftlichen Kindes nachhaltig verschlechtern, dem Kind muss drohen, durch die Zwangsversteigerung in seinen Lebensverhältnissen erheblich benachteiligt und in seiner Entwicklung erheblich beeinträchtigt zu werden (Popp in: Depré, ZVG, 2. Aufl. 2018, § 180 Rn. 26). Dies ist nur dann der Fall, wenn Beeinträchtigungen besonderer Art zu besorgen sind, die über jene Unzuträglichkeiten hinausgehen, die mit einem Umzug aus dem Familienheim stets verbunden sind. Nicht ausreichend sind aber ein notwendiger Schulwechsel, der Verlust der Spielgefährten oder einer vertraut gewordenen Betreuungsperson (Böttcher/Böttcher, ZVG, 6. Aufl. 2016, § 180 Rn. 73). Zwar gilt § 180 Abs. 3 ZVG auch bei volljährigen Kindern. Allerdings liegt eine erhebliche Gefährdung des Wohls eines erwachsenen Kindes bei einem Volljährigen nur in seltenen Ausnahmefällen vor (LG Berlin, Beschluss vom 06. Juli 1987 – 81 T 347/87 –, juris). Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, ist nicht ersichtlich.

…. nicht mehr zuzumuten, ist unabhängig davon, dass ein bloßer Umzug im Grundsatz ohnehin keine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse bewirken kann, zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin in den vergangenen Jahren mehrfach mit dem Sohn umgezogen ist, zuletzt wieder in das von den früheren Eheleuten seinerzeit gemeinsam bewohnte, im Übrigen offenbar weiter durch einen zurückliegenden Brand stark beschädigte Anwesen. Dass ein Verbleib in dem offenbar teilweise ja unbewohnbaren Anwesen besser ist als ein Umzug in eine auch äußerlich intakte Wohnung, ist nicht plausibel dargelegt.

Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, der Antragsteller habe durch sein behauptetes früheres Verhalten zu den Zuständen des Sohnes beigetragen, ist das rechtlich unerheblich, weil es um das Kindeswohl geht (Stöber, ZVG, 21. Aufl. 2016, § 180 Rn. 13.4 m. w. N.).

Jedenfalls sind die Behauptungen der Antragsgegnerin nicht hinreichend belegt. Soweit die Antragsgegnerin ihren gesamten Vortrag mit dem Attest vom 20.07.2018 der Hausarztpraxis … untermauern will, ergibt sich aus dem Attest schon nicht, auf welcher Grundlage die Hausärzte die dort aufgeführten Beobachtungen gemacht haben sollen. Das Attest betrifft ausweislich der Überschrift „Patient/in: Frau …“. Es heißt weiter, dass die Antragsgegnerin – nicht der gemeinsame Sohn der Beteiligten – in hausärztlicher Betreuung der das Attest ausstellenden Allgemeinmediziner steht. Es ist auch aus dem Attest nicht ersichtlich, dass die Hausärzte den Sohn untersucht haben. Soweit die Hausärzte Aussagen zu möglichen psychischen Beeinträchtigungen des Sohnes der Antragsgegnerin machen, ist bereits nicht erkennbar, auf Grund welcher fachlichen Qualifikation eine solche Aussage getroffen wurde. Die Behauptung einer Suizidalität des Sohnes durch die Antragsgegnerin, die im Attest aber auch nicht aufgegriffen wird, bezieht sich auf einen Zeitraum vor dem Brand des Hauses im Oktober 2014. Aktuell wird Suizidalität durch die Antragsgegnerin nur „befürchtet“, aber nicht weiter mit konkreten Tatsachen unterlegt.

Erhebliche Verschlechterungen der schulischen Leistungen sind nicht behauptet. Es wird lediglich mitgeteilt, dass die schulischen Leistungen „nicht so gut seien“, dass der Sohn der Betroffenen einen Umzug verkrafte. Es werden keine vergangenen und aktuellen Zeugnisse vorgelegt, aus denen sich eine negative Entwicklung der schulischen Leistungen von … ablesen ließen.

Daher ist der Antrag derzeit unbegründet. Verfügt die Antragsgegnerin über ausreichende Belege ihres Vortrages, insbesondere zu den schulischen Leistungen, kann sie den Antrag beim Amtsgericht jederzeit erneut stellen.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4) Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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