Mieterhöhung teilweise gerechtfertigt: Urteil berücksichtigt Berliner Mietspiegel und Wohnwert.
Ein Gerichtsurteil hat entschieden, dass eine Mieterhöhung in einem Berliner Fall nur teilweise gerechtfertigt ist. Die Klage richtete sich auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß dem Mieterhöhungsverlangen vom 14.06.2019. Die Klage ist zulässig und wahrt die materiellrechtliche Klagefrist des § 558b Abs. 2 S. 3 ZPO.
Die Klägerin hat gemäß § 558 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung um 9,37 EUR von ursprünglich 478,88 EUR auf 488,25 EUR (jeweils netto „kalt“) mit Wirkung ab dem 01.09.2019. Das Mieterhöhungsverlangen wahrt die formellen Anforderungen von § 558a Abs. 1, 2 und 3 BGB und die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB i.V.m. der Berliner KappungsgrenzenVO sind eingehalten.
Die ortsübliche Vergleichsmiete wurde unter Berücksichtigung des Berliner Mietspiegels 2019 und des Wohnwerts der Wohnung ermittelt. Dabei wurde festgestellt, dass die ortsübliche Vergleichsmiete bei 5,73 EUR/m² liegt, was bei der 85,21 m² großen Wohnung eine Nettokaltmiete von 488,25 EUR ausmacht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wurden nicht gefunden.
LG Berlin – Az.: 65 S 340/20 – Urteil vom 18.06.2021
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 05.11.2020, Az. 8 C 398/19, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die von ihnen innegehaltene Wohnung im Vorderhaus, zweites OG links des Anwesens ### Straße ###, ### B., von bisher 478,88 EUR monatlich zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen um 9,37 EUR auf monatlich 488,25 EUR zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen mit Wirkung ab dem 1. September 2019 zuzustimmen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 85% und die Beklagten 15% zu tragen.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 73% und die Beklagten 27% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Auf die Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verzichtet.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung rechtfertigt zum Teil eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
1. Ohne Erfolg richtet sich die Berufung zunächst gegen die Zulässigkeit der Klage. Die Klage ist zulässig.
Die Einreichung und Zustellung ordnungsgemäß beglaubigter Abschriften der Klageschrift zur Zustellung an die Beklagten ist zunächst keine Zulässigkeitsfrage. Die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß dem Mieterhöhungsverlangen vom 14.06.2019 gerichtete Klage wahrt die materiellrechtliche Klagefrist des § 558b Abs. 2 S. 3 ZPO. Nach dieser Regelung muss sie innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Überlegungsfrist für den Mieter erhoben werden. Die Klage ist innerhalb dieser dreimonatigen Klagefrist nach Ablauf der Überlegungsfrist am 11.11.2019 beim Gericht eingegangen und im Sinne von § 167 ZPO demnächst am 12.12.2019 zugestellt worden (was die Klageerhebung grundsätzlich erst bewirkt), sodass nach § 167 ZPO für die Wahrung der Klagefrist auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage (Anhängigkeit) abzustellen ist.
Dem stehen die von den Beklagten gerügten Mängel an den beglaubigten Abschriften der Klageschrift nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Beglaubigungsvermerke auf den zugestellten Klageabschriften zu beanstanden sind. Denn bei diesen Zustellungsmängeln handelte es sich um solche nach § 189 ZPO zu behebende Mängel, sofern die zugestellte Abschrift mit der Urschrift – wie hier – übereinstimmt (vgl. BGH, Urt. V. 13.09.2017 – IV ZR 26/16, Rn. 16 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 13.10.2016 – V ZB 174/15, Rn. 22, Teilversäumnisurteil vom 22.12.205 – VI ZR 79/15 Rn. 14ff., 20 mwN). Da § 189 ZPO den Sinn hat, die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird, greift das auch für die Zustellung einer nicht ordnungsgemäß beglaubigten Abschrift, weil der Zweck der Zustellung damit nicht in Frage gestellt wird. Dieser liegt in der Verschaffung angemessener Gelegenheit von der Klage Kenntnis zu nehmen und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. Das ist hier gewährleistet gewesen. Die Beklagten haben nicht geltend gemacht, dass die ihnen zugestellten Abschriften mit Beglaubigungsvermerk und die einfachen Abschriften die Klageschrift nicht vollständig und richtig wiedergeben.
Auch die unvollständige Bezeichnung der Klägerin als ### GmbH in der Klageschrift steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Bereits aus der Klageschrift ergab sich im Übrigen, dass es sich tatsächlich um die Klage der unvollständig bezeichneten ### GmbH handelte. Die mit der Klage eingereichten Kopien des Mieterhöhungsverlangens und des Grundbuchauszugs wiesen jeweils die ### GmbH als Vermieterin bzw. als Eigentümerin aus.
Der Klage steht schließlich der Wechsel der Eigentümerin und damit gemäß § 566 BGB auch der Vermieterin mit Wirkung ab dem 07.04.2020 nicht entgegen, § 265 Abs. 1 und 2 ZPO. Im Zeitpunkt der Klageeinreichung und -erhebung war die Klägerin Eigentümerin und Vermieterin. Die Rechtshängigkeit der Klage ist durch Zustellung jeweils am 12.12.2019 erheblich vor dem 07.04.2020 erhoben worden.
2. Die Berufung ist aber insoweit erfolgreich als die Klage aber nur zu einem geringen Teil und in geringerer Höhe begründet ist, als dies im angefochtenen Urteil erkannt worden war. Die Klägerin hat gemäß § 558 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung um 9,37 EUR von ursprünglich 478,88 EUR auf 488,25 EUR (jeweils netto „kalt“) mit Wirkung ab dem 01.09.2019.
Das Mieterhöhungsverlangen wahrt die formellen Anforderungen von § 558a Abs. 1, 2 und 3 BGB. Die Wartefrist gemäß § 558 Abs. 1 BGB und die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB i.V.m. der Berliner KappungsgrenzenVO sind eingehalten. Das Mieterhöhungsverlangen ist namens der seinerzeitigen Vermieterin, der Klägerin, abgegeben worden. Dem Mieterhöhungsverlangen steht § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlins nicht entgegen, da dieses Berliner Landesgesetz nichtig ist, weil dem Land Berlin die nötige Gesetzeskompetenz für diese Regelung fehlte, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 25.03.2021 (2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20) inzwischen befunden hat.
Der Zustimmungsanspruch der Klägerin reicht nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, welche für die Wohnung 488,25 EUR beträgt.
Die Ermittlung dieser ortsüblichen Vergleichsmiete mit Hilfe des Berliner Mietspiegels 2019, dort dem einschlägigen Mietspiegelfeld G 1 ergibt keinen höheren Wert: Die für die Wohnung maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete liegt 40% des Spannenwerts zwischen Mittelwert (6,33 EUR/m²) und dem Unterwert (4,83 EUR/m²) unter dem Mittelwert und beträgt nur 5,73 EUR/m², was bei der 85,21 m² großen Wohnung eine Nettokaltmiete von 488,25 EUR ausmacht.
Dem liegt zugrunde, dass neben der Merkmalgruppe 4 (Gebäude) auch die Merkmalgruppe 2 (Küche), wie die Berufung zutreffend geltend macht, im Ergebnis negativ zu bewerten sind, während die anderen Merkmalgruppen, wie bereits vom Amtsgericht erkannt, ausgeglichen bzw. neutral zu bewerten sind, sodass sie keine weitere Abweichung vom Mittelwert bewirken. Aufgrund der vertragsgemäß von den Beklagten gestellten und von ihnen auch instand zu haltenden Einbauküche ist die Küche nicht (mehr) vom Vermieter mit Spüle und Herd ausgestattet. Wie sich das auf die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete und auf die Frage auswirkt, ob die Spüle und der Herd als (nicht) vom Vermieter mit vermietet angesehen werden, hat der BGH bereits in dem von den Beklagten zitierten Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 52/18 -, entschieden. Danach verfügt die Küche bei einer wie hier übereinstimmend gefundenen Lösung zwischen Vermieter und Mieter in der Folge weder über eine Spüle noch über einen Herd, welche der Vermieter zur Verfügung zu stellen oder instand zu halten hätte. Es spielt keine Rolle, dass vor dieser Einigung sowohl Herd als auch Spüle mit vermietet waren, maßgeblich ist die im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vertragsgemäße Beschaffenheit der Wohnung.
Die Merkmalgruppe 5 ist allerdings anhand der im angefochtenen Urteil dargelegten Abwägungskriterien zu Recht noch nicht als stark vernachlässigt und damit wohnwertmindernd bewertet worden. Das Wohnumfeld wird sowohl von der gegebenen Bebauung als auch der übrigen Infrastruktur geprägt, wie auch – wie die Beklagten völlig zutreffend geltend machen – auch von der Art und Weise der Nutzung und insbesondere solchen Gesichtspunkten wie Sauberkeit bzw. Müllablagerungen. Aus der Gesamtwertung hat das Amtsgericht im Vergleich mit dem Bezirk Neukölln insgesamt den Schluss gezogen, dass die Wohnlage der Beklagten noch nicht als stark vernachlässigt anzusehen ist. Das begegnet keinen Bedenken und auch die Berufung zeigt solche nicht auf. Die Problematik der sich verlagernden Drogenszene allein ist kein auf eine starke Vernachlässigung des Wohnumfelds hindeutender Umstand. Soweit in vergangenen Jahren Probleme in Bezug auf die Sauberkeit der Müllstandsflächen gerügt worden waren, war nicht erkennbar geworden, dass dieses ein andauerndes, die Mietsache noch im Zeitpunkt der Mieterhöhung prägender Umstand gewesen wäre. Gegen die Bewertung der Verkehrslärmbelastung erinnert die Berufung nichts. Dauernde erhebliche Geruchsbelästigungen durch im Gebäude ansässige Gewerbebetriebe, die den Wohn- und Nutzwert der Wohnung dauernd negativ beeinflussen und damit Einfluss auf die ortsübliche Miete hätten, ergeben sich nicht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Gründe, welche gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision erforderlich machten, ergeben sich nicht.