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Telefonanschlusskündigung: 0190 – Zahlungsverzug – Einzelnachweis mit Fehlern

Amtsgericht Starnberg

Az.: 2 C 1479/01

Verkündet am 11.08.2002


In dem Rechtsstreit erläßt das Amtsgericht Starnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.7.2002 folgendes Endurteil:

I. Die Beklagte hat den Klägern unter der Adresse XX den Telefonanschluss mit der Telefonnummer XXXX zu den vereinbarten Tarifbedingungen der Beklagten uneingeschränkt wieder zur Verfügung zu stellen.

II. Die Kläger haben samtverbindlich an die Beklagte 6,76 Euro nebst 5,5 % Zinsen hieraus seit dem 19.10.2001 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250,– Euro und wegen der Ziffer III durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Kläger wollen, dass die Beklagte einen gesperrten Telefonanschluss wiederherstellt. Die Beklagte fordert nicht bezahlte Telefonrechnungen.

Aufgrund des Vertrages aus dem Jahr 1993 mit der Beklagten unterhielten die Kläger in ihrer Wohnung einen Telefon-Festnetzanschluss, der nur privat genutzt wurde und Dritten nicht zugänglich war.

Die Beklagte kündigte diesen Vertrag am 12.6.2001, weil die Kläger die Telefonrechnungen vom 27.2., 28.3, 27.4. und 28.5.2001 über insgesamt DM 9.627,77 nur mit DM 320,– bezahlten.

In diesen Rechnungen sind hauptsächlich Entgelte für Verbindungen wegen der Service-Nummer mit der Vorwahl 0190 enthalten.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Beklagte zur Kündigung und Stilllegung nicht berechtigt gewesen sei. Zur Begründung führen sie an, es gehöre nicht zu ihren Gewohnheiten, die berechneten Service-Nummern in Anspruch zu nehmen, wie sich aus der Höhe der zuvor von der Beklagten gestellten Rechnungen ergebe. Der Grund liege in. einer fehlerhaften technischen Erfassung der tatsächlich von ihrem Anschluss aus geführten Telefongespräche.

Die Kläger stellten deshalb folgenden Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern unter der Adresse XXX den Telefonanschluss mit der Telefon-Nr. XXX zu den vereinbarten Tarifbedingungen der Beklagten uneingeschränkt wieder zur Verfügung zu stellen.

Hilfsweise beantragten sie:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern zu den Tarifbedingungen der Beklagten einen Festnetzanschluss unter der Adresse XXX zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte stellte den Antrag, die Klagen abzuweisen. Sie trägt vor, die Einzelverbindungsdaten belegen deutlich, dass die Nummern 0190 vom Anschluss der Kläger aus angewählt worden seien, zumal sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu Inlandsverbindungen stünden. Überprüfungen von ihr hätten ergeben, dass eine Manipulation durch Dritte nicht vorgelegen hätte. Auch sei ein Plausibilitätstest durchgeführt worden.

Im Wege der Widerklage stellte die Beklagte folgenden Antrag:

Die Kläger und Widerbeklagten werden verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin DM 854,88 nebst 5,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie DM 104,88 vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Kläger und Widerbeklagten beantragen insoweit Klageabweisung.

Nach der Darstellung der Beklagten handelt es sich hierbei um nicht bezahlte Forderungen aus den oben genannten Rechnungen sowie aus der Rechnung vom 22.6.2001.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Es wurde Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, während die Widerklage weitgehend abzuweisen war.

l. Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern den Telefonanschluss wieder zur Verfügung zu stellen, da die fristlose Kündigung unwirksam war und die Kläger einen Anspruch auf Vertragserfüllung haben. Dass die ursprüngliche Telefonnummer nicht mehr zur Verfügung gestellt werden kann, wird von der Beklagten nicht behauptet. Auch wurde nicht vorgetragen, dass der Vertrag mit den Klägern durch eine ordentliche Kündigung aufgelöst wurde.

a) Der Beklagten stand das Recht, den Vertrag gemäß der Ziffer 7.2 a der allgemeinen Geschäftsbedingungen fristlos zu kündigen, nicht zu.

Die Beklagte hätte dartun und auch beweisen müssen, dass die Kläger mit der Bezahlung von zumindest 2 der 4 Rechnungen bzw. eines nicht unerheblichen Teils davon in Verzug waren. Dieser Beweis ist nicht zweifelsfrei erbracht worden.

Der Verzug setzt voraus, dass sie die Rechnungen einfordern durfte, weil die Kläger entweder die Gespräche selbst führten oder gemäß der Ziffer 4 der allgemeinen Geschäftsbedingungen durch eine befugte oder unbefugte Benutzung des Anschlusses durch Dritte entstanden sind. Soweit die Entgelte wegen der 0190-Nummern berechnet wurden, ist der Beweis nicht erbracht worden. Insoweit ist das Gericht sogar überzeugt, dass die Angaben der Kläger richtig sind.

Aus den vorgelegten Rechnungen für das Jahr 2000 ergibt sich lediglich, dass sie in den Monaten April und Juli wegen der 0190-Nummern nur wenige Einheiten und für März 204 Einheiten verbrauchten. Es gehörte deshalb nicht zu ihren Telefongewohnheiten, diese Nummern pro Monat in dem Umfang anzurufen, wie dies tatsächlich ab dem Jahr 2001 berechnet wurde. Da unstreitig Dritte zu dem Telefonanschluss keinen Zugang hatten, hätte eine ungewöhnliche Änderung des Telefonverhaltens der Kläger eintreten müssen. Dies widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Hinzu kommt, dass die Kläger mit Schreiben vom 2.4.2001 die Rechnungen vom 27.2. und 28.3.2001 über DM 1.790,74 und DM 4.475,74 beanstandeten und auf einen „Computerfehler“ hinwiesen. Auch widerriefen sie die Einzugsermächtigung am 17.4.2001. Gleichwohl sollen sie danach, wie sich vor allem aus der Rechnung vom 27.4.2001 und aus den vorgelegten Einzelverbindungsnachweisen für April ergibt fast täglich und an einzelnen Tagen sogar zahlreiche Anrufe mit den genannten Nummern getätigt haben und dafür ein Entgelt von über DM 2.000,– ausgelöst haben. Dies wäre nicht nur widersprüchlich zu ihrem gezeigten Verhalten, sondern auch kriminell, was den Klägern nicht zuzutrauen ist.

Dieser Beweiswürdigung steht nicht entgegen, da der Sachverständige bei der Überprüfung, und hier in Übereinstimmung mit der Einlassung der Beklagten, eine Manipulation Dritter nicht feststellen konnte, vor allem nicht einen „Dialer“ (Wählapparat), der selbstständig Telefonnummer anwählen kann.

Es verbleibt jedoch die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Telefonbetrugs in der Weise, dass Leitungen nicht „angezapft“ zu werden brauchen, um die genannten Nummern auf einer Telefonrechnung erscheinen zu lassen. Dies kann dadurch geschehen, dass im Abrechnungssystem Verbindungen softwaremaßig simuliert werden können, also nicht getätigte Verbindungen abgerechnet werden. Schon deshalb darf wegen der offenbar neuen oder neu bekannten Betrugsmöglichkeit der Beweis des ersten Anscheins dann nicht mehr angewandt werden, wenn wie hier Hardware-Manipulationen Dritter auszuschließen sind. Die insoweit ergangene Rechtsprechung ist deshalb überholt. Wenn Verbindungen softwaremäßig simuliert werden können, dann spricht der Anscheinsbeweis nicht mehr für die Richtigkeit einer plötzlich gegenüber früheren Rechnungen weit überholten Telefonrechnung. Es besteht kein Sachverhalt mehr, der dann nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist, also darauf, dass die Gespräche von dem Anschluss aus geführt worden sein mussten.

Wegen dieser bei der Beklagten verbliebenen Beweislast wurde ein Zeuge angeboten, der aussagen soll, dass die vom Sachverständigen genannten Tests zur Überprüfung dieser strafbaren Handlung zumindest in einer Richtung durchgeführt wurden. Dieser Zeuge war nicht zu vernehmen.

Ob dadurch aus Gründen des Anscheinsbeweises die Beweislast zu Lasten des Kunden der Beklagten überhaupt umgekehrt werden kann, steht nicht fest. Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch diese Plausibilitätstests in jedem Fall der oben genannte Betrug aufgedeckt werden kann. Durch die Vernehmung eines Zeugen wird dies nicht zu klären sein.

Dagegen spricht, was nicht plausibel ist, beispielhaft die Abrechnung für den 15.2. gemäß Anlage B 1. Gemäß den Einzelnachweisen in den Ziffern 76 und 77 sollen bei denselben Zugangskennzahlen einmal für ein Gespräch von 8 Minuten und 20 Sekunden 28,0888 DM und für ein Gespräch von 4 Minuten und 9 Sekunden nur 1,753 DM angefallen sein. Wegen der Gespräche in den Ziffern 79-82 sollen jeweils Gespräche im Wert von DM 51,7241 geführt worden sein, obgleich bei derselben Zugangskennzahl die Gesprächsdauer von 4 Minuten und 22 Sekunden, 14 Minuten und 35 Sekunden, 5 Minuten und 2 Sekunden und 9 Minuten und 7 Sekunden genannt sind. Plausibel ist jedoch nur, dass dann bei demselben Endbetrag auch dieselben Zeiten aufgezeichnet worden wären. Auch ist nicht plausibel, wenn z.B. für ein Gespräch von 4 Minuten und 22 Sekunden zu dem von der Beklagten genannten Tarif eine Gebühr von DM 51,7241 entstanden sein soll. Die Zugangskennzahl 01901 wird mit 0,1042 DM je angefallener 6 Sekunden berechnet. Der Preis läßt sich daher nicht nachvollziehen.

b) Die fristlose Kündigung laßt sich auch nicht nach der Ziffer 7.2 b der allgemeinen Geschäftsbedingungen begründen, da die Kläger nicht in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Monate erstreckte, mit der Bezahlung der Preise in Höhe eines Betrages, der den monatlichen Grundpreis für 2 Monate erreicht, in Verzug waren.

Selbst wenn die Kläger nach Abzug der geleisteten DM 320,– und nach Abzug der Entgelte für die 0190-Nummern mit einem Betrag in Höhe von 2 Grundpreisen in Rückstand sein sollten, wäre ein Verzug schon deshalb nicht eingetreten, weil die Beklagte aus den oben genannten Gründen einen weit übersetzten Betrag geltend machte und die Kläger den wirklich geschuldeten Betrag nicht zuverlässig feststellen konnten {vgl. BGH HJW 91, 1288).

Die Widerklage ist lediglich in Höhe von 6,76 Euro nebst den zugesprochenen Zinsen begründet.

a) Der geltend gemachte Betrag aus der Rechnung vom 22.6.2001 über DM 13,22 ist unstreitig. Dieser wurde auch nicht bezahlt. Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

b) Im Übrigen ist die Widerklage nicht gerechtfertigt.

aa) Die Forderung von DM 841,66 wird nach Abzug der geleisteten DM 320,– für die 4 Rechnungen vom 27.2. -28.5.2001 verlangt. Dass der Beklagten eine Forderung über DM 320,– hinaus und dann in Höhe von DM 841,66 zusteht, hätte substantiiert begründet werden müssen. Die Vorlage von Rechnungen und dazu von überhöhten Rechnungen in Verbindung mit der von der Beklagten vorgenommenen Aufteilung laut Anlage B 6 genügt nicht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, eigene Entgelte der Beklagten aus den Rechnungen auszusortieren, um dann in Verbindung mit den vorgelegten Preislisten zu berechnen, ob und welche Ansprüche noch bestehen.

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bb) Auch die vorgerichtlichen Kosten von DM 104,88 sind weder ganz, noch teilweise begründet.

Aus den oben genannten Gründen war die Sperre des Telekommunikations-Anschlusses nicht berechtigt, sodass die Kläger die dafür berechneten Kosten von DM 15,– nicht zu bezahlen haben. Gleiches gilt für die Kosten von je DM 14,98 für die Rücklastschriften und für die 6 Abbuchungsversuche.

II.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit und Abwendungsbefugnis §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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