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Telefonsex OLG Stuttgart

OLG Stuttgart

Az.: 9 U 252/98

Urteil vom: 21.04.1999

Vorinstanz: LG Stuttgart 19 O 680/97


Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 1999 für Recht erkannt:

 

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 19. Zivilkammer des

Landgerichts Stuttgart vom 29.10.1998

geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.406,60 DM nebst 4 Zinsen hieraus seit 16.05.1997 sowie vorgerichtliche Mahnkosten i.H.v. 2,‑‑ DM zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

_. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 26.826, 99 DM.

Beschwer der Klägerin: 25.578, 03 DM.

 

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist form‑ und fristgerecht eingelegt und innerhalb der bis 25.01.1999 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg.

II. 1.

Die von der Klägerin in Rechnung gestellten und in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Telefongespräche beruhen nicht auf technischen Fehlern oder technischen Manipulationen des Telefonanschlusses des Beklagten.

Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob es einen Anscheinsbeweis für die Richtigkeit technischer Aufzeichnungen gibt, die den Telefonrechnungen zugrundeliegen. Die wohl überwiegende Auffassung bejaht einen Beweis des ersten Anscheins für die richtige Erfassung automatisch aufgezeichneter Tarifeinheiten (OLG Köln NJW‑RR 1998, 1363; OLG Celle OLG‑Report Celle/Braunschweig/ Oldenburg 1997, 35). Diese Rechtsfrage kann hier ungeprüft bleiben. Das Landgericht kommt aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, daß für Manipulationen oder Unregelmäßigkeiten der technischen Einrichtung keine Anhaltspunkte bestehen. Der Senat folgt der vom Landgericht vertretenen Auffassung. Deshalb ist davon auszugehen, daß die in der von der Klägerin vorgelegten Liste der angewählten Verbindungen aufgeführten Nummern vom Telefonapparat des Beklagten aus angewählt wurden.

Ob der Beklagte selbst oder ein (unberechtigter) Dritter diese Gespräche geführt hat, ist unerheblich. Der Beklagte hat nach den insoweit nicht zu beanstanden den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen Telefondienst“ der Klägerin (Anl. K 2) auch die Gespräche zu zahlen, die durch befugte oder unbefugte Benutzung seines Anschlusses durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit er diese Nutzung zu vertreten hat. Der Beklagte hat den ihm obliegenden Beweis für das Nichtvertretenmüssen nicht geführt.

z.

Unbegründet ist die Gebührenforderung der Klägerin allerdings für den Zeitraum von 06.02.1997 bis 27.02.1997. Insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Sie hat für diesen Zeitraum nicht ‑wie für den übrigen ‑ die Einzelverbindungsnachweise mit den auf das jeweilige Gespräch entfallenden Tarifeinheiten und den darauf entfallenden Beträgen vorgelegt, sondern nur den Ausdruck eines internen Prüfprotokolls. Letzteres enthält keine substantiierte Darstellung der auf die einzelnen Gespräche entfallenden Gebühren. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus diesem Protokoll die jeweils pro Gespräch angefallenen Gebühren zu berechnen.

3.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Telefongebühren, soweit es sich bei der angewählten Verbindung um ein sogenanntes TelefonsexGespräch handelt. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998; XI ZR 192/97; NJW 1998, 2895 = MDR 98, 1151) ist ein Telefonsexvertrag sittenwidrig. Dies ergibt sich daraus, daß mit einer solchen Vereinbarung ein bestimmtes Sexualverhalten potentieller Kunden in verwerflicher Weise kommerziell ausgenutzt werden soll. Das sittenwidrige Geschäft ist abzugrenzen von untergeordneten Hilfsgeschäften, die nicht sittenwidrig sind. Der Bundesgerichtshof hat untergeordnete Hilfsgeschäfte zum Beispiel angenommen bei einem Bierlieferungsvertrag für ein Bordell (BGH NJW‑RR 1987, 999), beim Mietvertrag mit einer Prostituierten, soweit das Gewähren von Wohnung nach § 180 Abs. 3 StGB nicht strafbar war (BGH NJW 1970, 1179) und bei einer BGB‑Gesellschaft über den Betrieb eines Bordells (BGH NJW‑RR 1988, 1379). Eine Nichtigkeit hat er jedoch bejaht, wenn es sich nicht nur um ein bloßes untergeordnetes Hilfsgeschäft handelte, das nur einen entfernten Zusammenhang mit dem verbotenen Unrecht aufweist (BGH NJW‑RR 1990, 750 zur Finanzierung eines „schwimmenden Bordells“). Bei der Bewertung ‚von Gebühren, die für ein Telefonsex‑Gespräch anfallen, ist zu berücksichtigen, daß der Kunde mit dem Anbieter des Gesprächs nicht unmittelbar in Kontakt tritt. Die Kontaktaufnahme geschieht vielmehr dadurch, daß der Kunde die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Service‑Nummer anwählt. Auch zahlt der Kunde den von ihm in Anspruch genommenen Service nicht unmittelbar an den Anbieter. Die Vergütung entrichtet er dadurch, daß er verhältnismäßig hohe Telefongebühren zu entrichten hat. Die Klägerin teilt sich mit dem Anbieter das Gebührenaufkommen für die Service‑Nummer. Bei den 0190‑Servicenummern entfällt auf die Klägerin ein Betrag von rund 50 bis 60 Pfennig pro Minute. Den restlichen und weit überwiegenden Teil des Gebührenaufkommens enthält der Anbieter. Die Klägerin stellt also nicht nur für das Zustandekommen des Gesprächs die technischen Möglichkeiten zur Verfügung; sie wird vielmehr aufgrund eines Vertrages mit dem Anbieter als dessen Inkassostelle tätig. Wegen dieser für die Herstellung des Kontakts zum Anbieter sowie die Durchführung und Abrechnung des Gesprächs notwendigen Verknüpfung zwischen dem Beklagten, der Klägerin und dem Anbieter handelt es sich nicht mehr um ein wertneutrales, untergeordnetes Hilfsgeschäft. Vielmehr beteiligt sich die Klägerin in vorwerfbarer Weise an der kommerziellen Ausnutzung eines sittenwidrigen Geschäfts. Es ist auch nicht gerechtfertigt, die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien aufzuspalten in eine sittlich indifferente Leistung ‑ die bei jedem telefonischen Kontakt anfallenden üblichen Gebühren und die im Tarif der Service‑Nummer enthaltene Vergütung für den Service des Anbieters.

Da sich der Sittenverstoß nicht gegen eine der Parteien als Vertragspartner, sondern gegen das Interesse der Allgemeinheit richtet, greift die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur dann ein, wenn alle Beteiligten des Rechtsgeschäfts subjektiv sittenwidrig handeln.

 

Nicht erforderlich ist dabei, daß die Vertragspartner selbst das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit haben. Vielmehr genügt es, daß sie Tatumstände kennen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt oder daß sie sich der Kenntnis dieser Umstände grob fahrlässig verschließen (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 138 Rn. 40 m.w.N.). Der Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin seien die Inhalte der angebotenen Gesprächsdienstleistung der Art nach bekannt. Sowohl in der Presse wie auch in den privaten Fernsehprogrammen würden diese Nummern „in kaum erträglicher Weise aggressiv beworben.“ Er hat weiter vorgetragen, die Klägerin weise Interessenten an einer Service‑Nummer auf das „Schmuddel“‑Image der 0190‑Servicenummern hin. Der Verhaltenscodex der Klägerin für diesen Service sehe zwar u.a. ausdrücklich vor, daß Informationsangebote sittenwidrigen Inhalts, die geeignet seien, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden oder in ihrem Wohl zu beeinträchtigen oder die i.S.v. § 184 StGB pornografisch anstößig seien, ausgeschlossen bleiben. Die Klägerin wisse allerdings, daß dieser Verhaltenscodex von den Anbietern nicht eingehalten werde. Die Klägerin hat diesen Vortrag nicht substantiiert bestritten. In ihrer Berufungserwiderung hat sie lediglich pauschal vorgetragen, ihr seien die Inhalte der von den Anbietern angebotenen Dienstleistungen nicht bekannt. In der mündlichen Verhandlung hat sie ebenso pauschal bestritten, daß es sich bei den vom Beklagten genannten Telefonnummern um sogenannte Telefonsexangebote handle. Dieses Bestreiten ist unzureichend. Da es sich bei den Anbietern der Telefonsexgespräche um Vertragspartner der Klägerin handelt, könnte sie ohne Schwierigkeiten die unter den entsprechenden Servicenummern angebotenen Leistungen identifizieren und dazu im einzelnen vortragen.

Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, sie könne bei dieser Betrachtungsweise für jede telefonische Abrede einer Straftat verantwortlich gemacht werden. In diesen Fällen wird es nämlich in aller Regel an der notwendigen Verknüpfung des Hilfsgeschäfts mit der Straftat und der Kenntnis der Klägerin von dieser Straftat fehlen.

4.

Nach alldem schuldet der Beklagte die Gebühren, die nicht auf den Zeitraum vom

06.02.1997 bis 27.02.1997 entfallen sowie diejenigen, die nicht auf der Anwahl

einer der in der Berufungsbegründung aufgeführten 0190‑Servicenummern bzw.

der Nummern 0 und 0 beruhen. Für die übrigen

Telefonnummern hat der Beklagte nicht vorgetragen, daß ihnen sittenwidrige

Telefonsexangebote zugrundeliegen. Da ‑ wie ausgeführt ‑ von einer technisch

einwandfreien Funktion des Telefonanschlusses des Beklagten auszugehen ist, schuldet er insoweit die von der Klägerin geltend gemachten Gebühren. Es handelt sich dabei für die Zeit von 20.12.1996 bis 25.03.1997 um einen Betrag von 1.223,1281 DM. Hieraus ergibt sich mit Rücksicht auf die Mehrwertsteuer von (damals) 15 % eine Gebührenforderung der Klägerin von (gerundet) 1.406,60 DM. Wegen der Mehrforderung ist die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

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