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Telekommunikationsunternehmen – Beweislast für die Richtigkeit des in Rechnung gestellten Verbindungsaufkommens

AG Bremen, Az.: 2 C 174/12, Urteil vom 07.03.2013

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 30.03.2012, Az.: 11-4823710-0-0, wird aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 44 % und der Beklagte zu 56 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen. Keine Partei ist in Höhe von mehr als 600 € beschwert, weshalb eine Berufungsmöglichkeit nicht besteht (§ 511 ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Vergütungsanspruch wegen Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 395,63 € ist nicht erwiesen (§ 612 BGB). Dass die Klägerin wegen Zahlungsverzugs vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer zur fristlosen Kündigung berechtigt war und der Beklagte insofern Schadensersatz schuldet, ist gleichfalls nicht erwiesen (§§ 286, 280, 314, 628 BGB).

Telekommunikationsunternehmen - Beweislast für die Richtigkeit des in Rechnung gestellten Verbindungsaufkommens
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin bleibt für ihre Behauptung beweisfällig, dass sie dem Beklagten am 14.10.2009 einen Festnetzanschluss nebst Mediareceiver-Anschluss zum Tarif Entertain Comfort (4) zur Verfügung gestellt und frei geschaltet habe. Zu den Konditionen des vom Beklagten zuvor genutzten Call Star (4) Tarifs trug die Klägerin nicht vor. Schriftsätzlich hat die Klägerin auch zu den Vertragskonditionen des geltend gemachten Tarifs nicht dezidiert vorgetragen.

Die Klägerin räumt ein, dass es bei der Umstellung des Anschlusses des Beklagten, die bereits am 06.08.2009 hätte erfolgen sollen, zu Verzögerungen gekommen sei. Der weitere klägerische Vortrag ist nicht schlüssig: Tituliert wurden im Mahnverfahren 395,63 € gemäß Rechnung „vom 12.08.11“. In der Anspruchsbegründung wird dagegen ausgeführt, dass entsprechend den 7 Abrechnungen vom 11.02.2011, 15.03.2011, 13.04.2011, 16.05.2011, 15.06.2011, 14.07.2011, 12.08.2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 404,43 € geschuldet sei. Die Rechnung vom 12.08.2011 beziffert einen Guthabenbetrag in Höhe von „- € 77,91“ (!). Unklar bleibt auch, weshalb die Beklagte erst ab dem 11.02.2011 vertragsgemäße Zahlung fordert, obgleich sie vorträgt, dass der Anschluss bereits am 14.10.2009 bereit gestellt worden sei; Auch die nachträglich zur Akte gereichten Abrechnungen für November 2011 (17,60 € inklusive Verrechnung – 100,84 € !), Dezember 2011 (52,40 €) und Januar 2011 (51,86 €) sind aus sich heraus nicht ohne Weiteres verständlich. Unklar bleibt auch die Position „Sonstige Leistungen“ in Höhe von 166,00 € in der Rechnung vom 15.06.2011. Ob dies eine Schadensersatzposition nach Kündigung sein soll, ist fraglich, da in der anschließenden Juliabrechnung weiterhin die monatliche Grundgebühr (inkl. Mwst) berechnet wird, was auch aus Sicht der Klägerin gegen eine vorangegangene Kündigung spräche. Sofern es sich bei dieser Position nicht um Schadensersatz wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung handelt, sondern – wie zuletzt vorgetragen – um Schadensersatz bezogen auf den überlassenen Media Receiver 300, fehlt Vortrag zur vergeblichen Rückforderung des Receivers, zu den Konditionen der Überlassung und zum ursprünglichen Wert bei Überlassung bzw. zum Einkaufspreis.

Jedenfalls ist nicht erwiesen, dass die Klägerin zur fristlosen Kündigung berechtigt war beziehungsweise im Hinblick auf den Tarif Entertain Comfort Zahlungsverzug bestand (s.u.). Hinsichtlich der streitigen Freischaltung des neuen Leistungsangebots hat die Klägerin auch nach richterlichem Hinweis innerhalb der nachgelassenen Frist kein Beweisangebot unterbreitet. Der angebotene Sachverständigenbeweis bezog sich lediglich auf den Zeitwert des Receivers. Aus diesem Grunde ist auch die Schadensersatzposition in Höhe von 18,89 € wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht zuzusprechen.

Dass Vergütungsansprüche hinsichtlich des abgerechneten Comfort-Tarifs bestehen, ist nicht erwiesen. Die Klägerin ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungserbringung bzw. der Freischaltung des vertraglich geschuldeten Anschlusses vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig; der Telekommunikationsanbieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit des in Rechnung gestellten Verbindungsaufkommens (OLG Bremen MMR 2012, 93).

Es besteht nach § 45i Abs. 2 TKG (a.F. bis zum 09.05.2012) keine Beweislastumkehr zugunsten des Klägerin, obgleich bereits in der Abrechnung für November 2009 der Tarif „Entertain Comfort (4)“ angegeben wurde. Das Schweigen eines Verbrauchers nach Erhalt von (ggf. fehlerhaften) Abrechnungen hat grundsätzlich keinerlei rechtlichen Erklärungswert. § 45i Abs. 2 TKG ist lediglich einschlägig, wenn zwischen den Parteien Streit besteht, ob einzelne Telefongespräche oder Interneteinwahlen in bestimmte Rufnummergassen vom Kunden geführt wurden oder nicht bzw. wie lange diese Einzeleinwahlen dauerten. In diesem Fall ist der Telekommunikationsanbieter nämlich spätestens nach 6 Monaten zur Datenlöschung verpflichtet (vgl. §§ 97 Abs. 3 S. 2; 96 Abs. 1 S. 2 TKG). Auf die Löschung stellt § 45i Abs. 2 TKG (a.F.) insofern auch explizit ab. Die Nichtrüge binnen der achtwöchigen Beanstandungsfrist soll also nach Sinn und Zweck der Norm eine Beweiswirkung zulasten des Kunden entfalten, weil der Anbieter im späteren Zahlungsrechtsstreit den Nachweis des Umfangs der Leistungserbringung mangels Datenspeicherung nicht mehr führen könnte. Eine entsprechende Schutzbedürftigkeit des Telekommunikationsanbieters ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn die Frage der Freischaltung zu einem bestimmten Tarif ließe sich beispielsweise durch das Zeugnis der beteiligten Mitarbeiter, die den Anschluss seinerzeit geschaltet haben sollen, führen. Schließlich stellt § 45i Abs. 1 TKG dem Wortlaut nach lediglich auf das „Verbindungsaufkommen“, nicht aber auf die Verbindung an sich bzw. den gewählten Verbindungstarif, ab. Dass aus den Abrechnungen auch die einzelnen Verbindungen und Verbindungsentgelte hervorgehen, ist unerheblich. Denn die Entgelte wurden offenbar auf Basis eines nicht bewiesenen Leistungspakets berechnet. Streitig ist wegen der erfolgten Tarifumstellung nicht die Anwahl bestimmter Rufnummergassen, die gemäß § 45i Abs. 2 TKG bewiesen wäre, sondern die diesbezüglich berechneten Zahlungsbeträge, bezüglich derer § 45i Abs. 2 TKG keine Beweiswirkung entfaltet.

Ohnehin ist die Hauptposition der Abrechnungen die (streitige) Grundgebühr, die von § 45i TKG nicht erfasst wird. Etwaige Zusatzleistungen wurden gegebenenfalls auf Basis des vormals vereinbarten Tarifs erbracht. Diesbezüglich hat der Beklagte offenbar auch weiterhin Zahlungen geleistet. Mangels näheren Vortrags kann zu einer etwaigen Restforderung der Klägerin keine Stellung genommen werden.

Mangels Hauptforderung bestehen keine Nebenforderungen.

II. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte bleibt gleichfalls beweisfällig, dass er für den Zeitraum April 2010 bis Januar 2011 Zahlungen in Höhe von insgesamt 496,93 € ohne rechtlichen Grund geleistet habe (§ 812 BGB). Auch der Beklagte unterbreitete hinsichtlich der streitigen Leistungserbringung keine Beweisangebote.

Selbst wenn der Beklagte den Vertrag am 09.12.2009 rechtswirksam gekündigt hätte, wären etwaige Rückzahlungsansprüche verwirkt bzw. gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Schließlich hätte es der Beklagte jeden Monat – quasi sehenden Auges – trotz erklärter Kündigung zugelassen, dass die Rechnungsbeträge weiterhin von seinem Konto abgebucht werden. Dem Beklagten wäre es aber unschwer möglich gewesen, die Einzugsermächtigung – zumindest zeitweise bis zur vorgeblich geforderten Leistungserbringung – zu widerrufen, bzw. seine Bank fristgerecht zur Rückbuchung der eingezogenen Beträge aufzufordern. Dass der Beklagte dies über einen monatelangen Zeitraum wiederholt unterließ, kann nur als Genehmigung der Zahlungsvorgänge verstanden werden. Im Übrigen trug der Beklagte zuletzt vor, dass er am 23.04.2010 seinen Wohnsitz gewechselt habe. In diesem Fall hätte sich der Beklagte jedoch um Leistungsbereitstellung an der neuen Anschlussstelle aktiv kümmern müssen. Offenbar wurden ihm gegenüber jedenfalls vor dem Umzug Leistungen erbracht, weil der Beklagte, trotz fristloser Kündigung zum Dezember 2009, Rückerstattung erst ab April 2010 fordert.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 713 ZPO.

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