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Testament (notarielles) – Irrtum über Ehe

Oberlandesgericht München

Az: 31 Wx 12/08

Beschluss vom 07.05.2008


Gründe:
I.
Der Erblasser ist am 17.12.2006 im Alter von 78 verstorben. Er war seit 1961 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet, wobei die Ehegatten in getrennten Wohnungen im selben Gebäude lebten. Der gemeinsame einzige Sohn ist 2002 vorverstorben.

Es liegt ein notarielles Testament vom 29.11.2006 vor, in dem der Erblasser die Beteiligte zu 2 als Alleinerbin einsetzte mit der Auflage, ein Viertel des Nachlasses an eine angegebene gemeinnützige Organisation auszukehren und die Grabpflege zu übernehmen. Bei den Personalien des Erblassers ist festgehalten „nach Angabe nicht verheiratet“.

Die Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 7.2.2007 das Testament angefochten mit der Begründung, der Erblasser habe sich im Irrtum befunden, da ihm offenkundig die eheliche Beziehung nicht mehr bewusst gewesen sei. Sie hat beantragt, ihr einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Die Beteiligte zu 2 hat die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund des notariellen Testaments vom 29.11.2006 beantragt. Dem Erblasser sei klar gewesen, dass seine Ehe nicht durch eine rechtskräftige Scheidung beendet gewesen sei. Das ergebe sich aus dem Schriftverkehr der Ehegatten in steuerlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten sowie Äußerungen des Erblassers gegenüber Dritten. Nach Einholung von schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte Dr. H., Dr. B. und Dr. L., der Wohnbereichsleiterin B., des Notars Dr. Sch. und des Freundes des Erblassers M. hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.7.2007 angekündigt, den von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbschein zu erteilen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 14.11.2007 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie auch die Einziehung des zwischenzeitlich erteilten Erbscheins begehrt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Maßgeblich für die Erbfolge sei das notarielle Testament vom 29.11.2006. Es sei nicht nachgewiesen, dass dem Erblasser die Existenz der pflichtteilsberechtigten Ehefrau nicht bekannt gewesen sei. Die Erklärung in der Urkunde belege noch nicht eine unbewusste Unkenntnis. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der auch von der Beteiligten zu 1 geschilderten ehelichen Verhältnisse könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Erblasser dem Notar wider besseres Wissen mitgeteilt habe, nicht verheiratet zu sein; die unzutreffende Angabe könne auch Ausdruck der Distanzierung von der Ehefrau sein.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 27 FGG, § 546 ZPO) nicht zu beanstanden.

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Anfechtung (§ 2078 Abs. 1, § 2079 BGB) gegeben sind, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die damit verbundene Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Die Nachprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob das Beschwerdegericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht hat (§ 12 FGG), ob Vorschriften über die Beweisaufnahme (§ 15 FGG) oder sonstige Verfahrensvorschriften verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Die Beweiswürdigung kann nur daraufhin überprüft werden, ob das Beschwerdegericht bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (BayObLG FamRZ 2001, 1254/1255). Solche Fehler liegen nicht vor.

b) Die Feststellungslast für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes trifft die Beteiligte zu 1 als diejenige, die sich auf die Wirksamkeit der Anfechtung beruft (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 772/773). Davon ist das Landgericht ausgegangen und aufgrund der im gebotenen Umfang durchgeführten Ermittlungen zu der Auffassung gelangt, ein Irrtum des Erblassers darüber, dass seine Ehe nach wie vor bestand und seine Ehefrau noch lebte, sei nicht nachgewiesen. Die Würdigung des Landgerichts, die unzutreffende Angabe des Familienstandes gegenüber dem Notar beweise nicht die Unkenntnis von der Existenz der Ehefrau, sondern könne Ausdruck der Distanzierung des Erblassers von ihr sein, ist nicht zu beanstanden und angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse sogar naheliegend. Auch bei der Anmeldung im Wohnheim und bei der Aufnahme im Krankenhaus bezeichnete sich der Erblasser als alleinstehend bzw. verwitwet, obgleich er noch im Juli 2005 eine gemeinsame Steuererklärung mit der Beteiligten zu 1 abgegeben hatte. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde erscheint es durchaus plausibel und mit der allgemeinen Lebenserfahrung zu vereinbaren, dass der Erblasser bewusst gegenüber Dritten die formal bestehende eheliche Bindung leugnete, nachdem eine tatsächliche Lebensgemeinschaft nicht geführt wurde.

c) Zu Unrecht rügt die weitere Beschwerde, das Landgericht habe der notariellen Urkunde keine hinreichende Beweiskraft beigemessen. Die Vorschriften über die Beweiskraft von Urkunden (§ 415 ff. ZPO) sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 530). Gemäß § 415 Abs. 1 ZPO begründet eine öffentliche Urkunde vollen Beweis dafür, dass alle Erklärungen, die Rechtswirkungen erzeugen, vollständig und richtig nach Inhalt und Begleitumständen wiedergegeben sind. Sie erbringt hingegen keinen Beweis dafür, dass die Erklärung inhaltlich richtig ist; dies unterliegt der freien Würdigung des Gerichts (vgl. Thomas/Putzo/Reichold ZPO 28. Aufl. § 415 Rn. 5). Erst recht erbringt die Urkunde keinen Beweis hinsichtlich der Frage, ob eine in ihr enthaltene objektiv unrichtige Erklärung vom Erklärenden im Bewusstsein der Unrichtigkeit oder irrtümlich abgegeben wurde. Die objektiv unrichtige Angabe „nicht verheiratet“ in dem notariellen Testament lässt deshalb auch den vom Landgericht gezogenen Schluss zu, der Erblasser habe diese Erklärung abgegeben, wohl wissend, dass sie unrichtig sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme des Notars gegenüber dem Nachlassgericht. Danach hat der Erblasser hierzu keine näheren Angaben gemacht; nach Einschätzung des Urkundsnotars „fühlte (der Erblasser) sich wohl als nicht mehr verheiratet, da er wohl schon länger getrennt lebte“. Das steht im Einklang mit der Annahme des Landgerichts, der Erblasser habe sich bewusst von der Ehefrau distanziert.

d) Das Landgericht war auch nicht gehalten, den Zeugen M. förmlich zu vernehmen. Von weiteren Ermittlungen, die ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht erwarten lassen, kann das Gericht absehen. Die Aufklärungspflicht besteht nur insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung hierzu Anlass geben. Der Zeuge M. hat in seiner knappen schriftlichen Stellungnahme bereits ausgeführt, der Erblasser sei sich „bewusst gewesen“, verheiratet zu sein, „obwohl sie seit Jahren getrennt gelebt haben“. Worauf er diese Feststellung stützt, vermag keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse beizutragen zu dem von der Beteiligten zu 1 zu erbringenden Nachweis, dass sich der Erblasser im Irrtum über das Fortbestehen der Ehe war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 30 Abs. 1 KostO.

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