AG Bingen, Az.: 32 C 388/14, Urteil vom 17.12.2015
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.
Der Streitwert wird auf 588,75 € festgesetzt.
Gründe
Das Urteil bedarf keines Tatbestandes (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten nicht zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist, weil sie im Impressum des Bestellportals als „Veranstalter der Reise- und Ticketangebote“ angegeben war. Einer Beweisaufnahme über die Behauptung der Klägerin, der Hinweis im Impressum sei bereits zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Bestellung durch den Beklagten am 25.12.2013 vorhanden gewesen, bedarf es daher nicht.

Das Gericht geht nämlich mit dem Beklagten davon aus, dass zwischen den Parteien eine Vorleistungspflicht des Beklagten nicht vereinbart wurde. In diesem Fall bedarf es auch keiner Beweisaufnahme über die Behauptung der Klägerin, die als Anlage K6 vorgelegten Geschäftsbedingungen der Klägerin entsprächen denjenigen, deren Akzeptanz der Beklagte durch „Haken setzen“ bestätigen musste, bevor er die streitgegenständliche Bestellung vom 25.12.2013 absenden konnte.
Wie der Beklagte sowohl in der Klageerwiderung vom 23.12.2014 als auch im Schriftsatz vom 17.02.2015 vorgetragen hat, wird in § 3 der AGB die Fälligkeit des „Reisepreises“ geregelt. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Tickets für eine Veranstaltung. Während in § 2 der AGB unterschieden wird zwischen Reisen („Kurzreisen“) und Ticketbestellungen sowie zwischen „Buchung“ und „Bestellung“ sowie zwischen „Reiseunterlagen“ und „Tickets“, bezieht sich § 3 auf die Bezahlung des „Reisepreises“. Die Fälligkeit von Ticketbestellungen ist nicht erwähnt. Dass in § 3 eine Reiseleistung Gegenstand des Vertrages ist, ergibt sich auch aus dem Satz in § 3, dass „im Übrigen die Regelungen des § 651 k Abs. 3 BGB gelten“.
Dessen ungeachtet regelt § 3 lediglich die Fälligkeit.Dass das Ticket zeitlich nach der Rechnung geliefert wird, ergibt sich daraus nicht.In dem Fall, der der Entscheidung des BGH vom 24.9.2002 (NJW-RR 2003,834) zugrunde lag, hieß es : „Der Rechnungsbetrag ist v o r Erscheinen innerhalb 30 Tagen nach Rechnungserhalt … fällig. …“.
Aber auch dann, wenn zwischen den Parteien durch den Satz in § 3 „der Reisepreis ist 10 Kalendertage nach Rechnungsstellung fällig“ eine Vorleistungspflicht des Beklagten vereinbart worden wäre, geht das Gericht bei der vorliegenden Fallgestaltung davon aus, dass diese Bestimmung gemäß § 307 BGB unwirksam wäre. Vorleistungsklauseln sind zulässig, wenn für sie ein sachlich berechtigter Grund gegeben ist und keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen (Palandt, BGB, 74. Auflage, Rdnr. 13 zu § 309). Nach Palandt, aaO, ist dies der Fall bei Eintrittskarten. Dem ist beizupflichten, wenn, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 22.01.2015 Seite 2 ausführt, an dem Schalter einer Kino-oder Theaterkasse eine Eintrittskarte erworben wird. In diesem Fall wird das Geld in zeitlich engem Zusammenhang mit dem Erhalt der Karte hingegeben. Vorliegend sollte der Beklagte aber durch die Klausel zur Vorfinanzierung veranlasst werden: die Bestellung der Eintrittskarten vom 25.12.2013 betraf eine Veranstaltung am 20.07.2014. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich, dass sie zum Zeitpunkt der Bestellung noch nicht im Besitz der Karten war. Vielmehr hatte sie sich zur Abnahme eines Kontingents verpflichtet, wie im Schriftsatz vom 09.03.2015 vorgetragen wird. Aus der Kontingentabrechnung vom 13.03.2014 ergibt sich als Bestelldatum der 13.03.2014 und als Lieferdatum der 01.07.2014 (K8, Blatt 50 ff).
Zurecht weist daher der Beklagte im Schriftsatz vom 17.02.2015 Seite 3 darauf hin, dass der Verbraucher nach dieser Regelung den gesamten Kaufpreis vorfinanzieren müsste, ohne entsprechende Sicherheit zu erhalten und das Insolvenzrisiko der Klägerin über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg trage. Wie sich aus dem Urteil des BGH vom 04.03.2010 III ZR 79/09 ergibt, gehört der Grundsatz der Leistung Zug um Zug zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien gewährleistet. „Durch die ihm auferlegte Vorleistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einrede des nichterfüllten Vertrags für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung genommen und das Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners, des Verwenders, aufgebürdet“.
Nach den weiteren Ausführungen des BGH weicht die Vorleistungspflicht des Kunden vom Leitbild der gesetzlichen Regelung ab und wurde in dem genannten Urteil für wirksam befunden, weil der dortige Verwender den Schwerpunkt seiner Tätigkeit und den ganz überwiegenden Teil der von ihm geschuldeten Leistung am Beginn der Vertragslaufzeit erbrachte und der Kunde nur etwa ein Drittel der von ihm zu zahlenden Gesamtvergütung im Voraus zu entrichten hatte. Dementsprechend hat auch der BGH im Urteil vom 20.06.2006 X ZR 59/05 entschieden, dass mit Erhalt der schriftlichen Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheines das Fällig werden von 20 % des Reisepreises als Anzahlung wirksam sei, dem gegenüber Vorleistungsklauseln in allgemeinen Reisebedingungen, die das Vergütungsrisiko vollen Umfangs oder jedenfalls zu wesentlichen Teilen dem Reisenden auferlegen, wegen mit § 320 BGB unvereinbarer Gesetzesabweichung unwirksam seien, auch wenn ein Sicherungsschein ausgehändigt wird. Auch dort spielte eine Rolle, dass der Reisende erhebliche Zeit vor Reisebeginn zur Leistung des Reisepreises verpflichtet werden sollte. Schließlich weist der Beklagte im Schriftsatz vom 13.08.2015 Seite 2 darauf hin, dass auch nach Palandt, aaO, die Unangemessenheit sich auch aus dem Zeitpunkt der Vorleistungspflicht ergeben kann, so wenn bei einem Vertrag über eine Eintragung im Telefonbuch das Entgelt bis zu 8 Monate vor dem Erscheinen des Buches zu zahlen ist. Eine nach vorn geschobene Fälligkeitsregelung kann grundsätzlich auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass der Kunde ja entsprechend lange zuwarten könne (BGH, Urteil vom 24.9.2002).
Gemäß § 433 Abs. 1 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben. Nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom 22.01.2015 Seite 4 ausgeführt hat, zum Weiterverkauf der Tickets weder verpflichtet noch in der Lage gewesen zu sein, hat sie mit Schriftsatz vom 09.03.2015 eingeräumt, kurz vor Durchführung der Veranstaltung die Eintrittskarten veräußert zu haben. Dann aber ist der Beklagte nicht verpflichtet, gemäß § 433 Abs. 2 BGB den Kaufpreis zu zahlen.
Wie die Klägerin im Schriftsatz vom 22.01.2015 Seite 4 Ziffer 4.) ausführt, werden mit ihrer Klage weder ein Schadensersatzanspruch noch ein Anspruch auf Zahlung von Stornokosten geltend gemacht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 708 Nr. 11, 713 ZPO.