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Verkehrssicherungspflicht – Beschädigung eines tiefer gelegten Autos

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 12 U 820/03

Urteil vom 19.07.2004

Vorinstanz: LG Koblenz, Az.: 1 O 483/02


In dem Rechtsstreit wegen eines Schadensersatzanspruches aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2004 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Einzelrichters der I. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Juni 2003, soweit es sie betrifft, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Schadensersatzansprüche der Klägerin aufgrund eines Unfallereignisses, das sich am 8. Mai 2002 gegen 17.50 Uhr in O… zugetragen hat. Der Ehemann der Klägerin befuhr mit deren – tiefer gelegtem – Pkw Mercedes 190 E die K… Straße und wollte nach rechts in den D…weg einbiegen. Der D…weg war zu jener Zeit im Bau befindlich, wenngleich er im Einmündungsbereich provisorisch asphaltiert war. Etwa 25 m hinter der Einmündung des D…weges in die K…Straße befand sich ein Hinweisschild mit der Aufschrift: „Vorsicht, schlechte Wegstrecke, erlaubte Geschwindigkeit 20 km/h“; etwa 4 m hinter der Einmündung in die K…Straße befanden sich aber bereits zwei Kanalisationsdeckel und drei Hydranten, die 2 bis 2,5 cm aus der dort asphaltierten Fahrbahndecke herausragten. Die Fahrbahnbedeckung war zu den Hydranten und Kanalisationsdeckeln hin leicht erhöht. Das Fahrzeug der Klägerin setzte an dieser Stelle auf die Hydranten auf, nachdem der Ehemann der Klägerin in den D…weg abgebogen war. Das Fahrzeug wurde dadurch am Unterboden beschädigt.

Die Klägerin hat vorgetragen, es sei vor dem Abbiegen für ihren Ehemann nicht erkennbar gewesen, dass der D…weg eine Baustraße gewesen sei. Auch die herausragenden Hydranten seien für diesen Fahrzeugführer nicht erkennbar gewesen, so dass er nicht rechtzeitig habe bremsen können. Ein Ausweichen sei unmöglich gewesen, weil in der Gegenrichtung ein Lkw aus dem D…weg gekommen sei. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.094,07 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, die Beklagte zu 2) sei nicht passivlegitimiert. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) bestehe nicht. Es sei erkennbar gewesen, dass der D…weg eine Baustraße gewesen sei. Herausstehende Hydranten seien typische Hindernisse in unfertigen Straßen, auf die wegen ihrer Erkennbarkeit nicht besonders hingewiesen werden müsse. Zudem habe der Ehemahn der Klägerin den Unfall alleine verschuldet.

Das Landgericht hat den Zeugen G. M. vernommen und eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Sodann hat es unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 1.094,07 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Es hat ausgeführt, die Beklagte zu 1) sei verpflichtet gewesen, die Hydranten so abzusichern, dass ein gefahrloses Überfahren für alle zugelassenen Kraftfahrzeuge möglich gewesen sei. Die Anböschung hätte flacher und weiträumiger ausgeführt werden müssen. Oder aber es hätte eine Absperrung der Gefahrenstelle erfolgen müssen. Zumindest hätte die Beklagte zu 1) Hinweise auf die Gefahrenstelle anbringen müssen; dafür reiche das hinter der Unfallstelle befindliche Hinweisschild nicht aus. Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) beruhe auf Fahrlässigkeit ihrer Bediensteten. Für den Ehemann der Klägerin seien die Hydranten nicht rechtzeitig erkennbar gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (nur) der Beklagten zu 1) (dazu unten II.), mit der diese die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage erstrebt. Die Klägerin ist der Berufung entgegen getreten.

Wegen der Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Wegen des Parteivorbringens verweist der Senat auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze.

II.

Berufungsführerin ist nur die Verbandsgemeinde M. (hier: Beklagte zu 1]). Infolge eines erst nachträglich berichtigten Fehlers im Rubrum des angefochtenen Urteils bestand anfangs Unklarheit über den Urteilsinhalt und die mit dem Urteil begründete Beschwer. Diese trifft nur die Beklagte zu 1). Eine sachgerechte Auslegung der Anträge und Antragsbegründungen im Berufungsverfahren ergibt, dass auch nur die Beklagte zu 1) Berufungsführerin ist.

Insoweit ist die Berufung formgerecht eingelegt und begründet worden. Nach der Rechtsprechung ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO allerdings nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (BGH NJW-RR 2004, 572, 573). Daran fehlt es beispielsweise, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer Beteiligter genannt wird (BGH VersR 1998, 1529; NJW-RR 2004, 572, 573). Das bedeutet aber nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (BGH NJW-RR 2000, 1371; 1372; 2004, 572, 573). Hier ist sicher davon auszugehen, dass nur die beklagte Partei, die durch das Urteil des Landgerichts beschwert wurde, Berufungsführerin sein sollte. Die anfänglich abweichende Bezeichnung der Berufungsführer
beruhte darauf, dass im angefochtenen Urteil eine fehlerhafte Bezeichnung der bei
den Beklagten enthalten war, welche eine Unklarheit über die Bedeutung des Tenors
und der Gründe des Urteils zur Folge hatte. Im Rubrum wurde die GW-Kommunalversicherung WaG als beklagte Partei (dort: Beklagte zu 1]) vorangestellt,
nach dem Tenor des Urteils wurde (nur) diese Partei (Beklagte zu 1]) bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt; nach den Gründen aber die Haftung der damaligen Beklagten zu 2), der Verbandsgemeinde M (hier: Beklagte zu 1]), erläutert. Dadurch blieb zunächst unklar, welche beklagte Partei durch das Urteil beschwert wurde. Das Rubrum des Urteils wurde erst durch Beschluss vom 25. September 2003 – nach Ablauf der Rechtsmittelfristen – berichtigt (Bl. 93a f. GA); deshalb musste die vorher eingereichte Berufungsschrift vom 7. Juli 2003 noch das unberichtigte Rubrum aufgreifen (Bl. 104 GA). Auch die Berufungsbegründungsschrift vom 25. August 2003 verwendete notwendigerweise das Rubrum des Urteils vor dessen Berichtigung (Bl. 113 GA). In der Rechtsmittelbegründung wurde auf dieser Grundlage zutreffend ausgeführt, der GW-Kommunalversicherungsverein auf Gegenseitigkeit sei nach dem Wortlaut des angefochtenen Urteils (vor dessen Berichtigung) zur Zahlung verurteilt worden; insoweit werde die Abänderung des Urteils mit dem Ziel der Klageabweisung erstrebt (Bl. 114 GA). Die Urteilsanfechtung seitens der Verbandsgemeinde M. wurde damit erklärt, dass nach den Urteilsgründen auch deren Haftung angenommen worden sei. Das war zunächst infolge des Fassungsversehens im Urteil folgerichtig; es ist aber nach der Berichtigung des Rubrums nicht mehr maßgebend und wurde deshalb von der Beklagte zu 1) auch zutreffend korrigiert. In Schriftsätzen nach der Berichtigung des Rubrums wurde der Rechtsstreit deshalb mit „Verbandsgemeinde M. ./. M… M…“ bezeichnet (Bl. 126, 139 GA). Das ist eine Klarstellung, die nach Ablauf der Rechtsmittelfristen zulässig ist, weil die Urteilsberichtigung erst nach Ablauf dieser Fristen vorgenommen wurde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trat der Prozessbevollmächtigte „für die Beklagte zu 1) und Berufungsklägerin“ (Verbandsgemeinde M.) auf und stellte den Antrag, „das angefochtene Urteil des Landgerichts Koblenz vom 23.06.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen“ (Bl. 109, 147 GA). Da die Klage gegen den GW-Kommunalversicherungsverein auf Gegenseitigkeit bereits in erster Instanz abgewiesen war, wird aus dem genannten Antrag deutlich, dass es nur um das Rechtsmittel der Verbandsgemeinde M. (hier: Beklagte zu 1]) geht.

III.

Die Berufung der Beklagten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht liegt nicht vor; im Übrigen hat der Ehemann der Klägerin den Unfall selbst verschuldet.

1. Der Verkehrssicherungspflichtige hat die Verkehrsteilnehmer vor den von der Straße ausgehenden Gefahren zu schützen und dementsprechend dafür zu sorgen, dass sich die Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand befindet. Damit ist nicht gemeint, dass die Straße völlig gefahrenlos sein muss. Das ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann deshalb von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (BGHZ 108, 273, 274 f.).

Das gilt besonders bei Baumaßnahmen an der Straße. Gerade dann kann nicht verlangt werden, dass eine Straße stets frei von Mängeln ist; denn ein solcher Zustand ist in der Bauphase nicht zu erreichen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Gefahren ausräumen oder jedenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der selbst die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Das war bezüglich der Hydranten nicht der Fall. Die Unfallstelle lag erkennbar im Bereich einer Baustraße. Die Straße hatte ihr endgültiges Oberflächenniveau noch nicht erreicht. Infolgedessen durfte die Beklagte zu 1) darauf vertrauen, dass ein Straßenbenutzer die Gefahren erkannte, die mit der Benutzung der Baustraße verbunden waren. Die Beklagte zu 1) war lediglich gehalten, auf etwaige besondere Gefahren hinzuweisen. Dazu zählten die Hydranten, die 2 bis 2,5 cm aus der provisorischen Fahrbahnbedeckung im Einmündungsbereich herausragten, nicht. Hydrantendeckel sind nicht in den Kreis unerwarteter Gefahren einzuordnen. Ist nämlich die Kanalisation in einer neu angelegten Straße verlegt, deren Oberfläche aber noch nicht endgültig befestigt, so stehen Kanaldeckel stets ein Stück über dem vorläufigen Straßenniveau hervor; das war hier zudem nur in geringem Maße der Fall. Hydranten in Baustraßen sind regelmäßig gut erkennbar; ein Straßenbenutzer kann und muss sich auf sie einstellen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1993, 1029 f.; s.a. OLG Saarbrücken VersR 1972,207).

Dadurch, dass im Einmündungsbereich des D…wegs im Bereich der Hydranten bereits eine provisorische Befestigung der Straßenoberfläche vorhanden war, hat die Beklagte der Sicherheit des Straßenverkehrs bei der noch im Bauzustand befindlichen Straße hinreichend Rechnung getragen. Weitere Maßnahmen für die Sicherheit des Straßenverkehrs waren nicht notwendig (vgl. OLG Hamm Urteil vom 17. Januar 1977 – 3 U 166/76; s.a. OLG Düsseldorf OLG-Report Düsseldorf 2001, 224, 225; LG Heidelberg VersR 1967, 191). Auf das Aufsetzen eines tiefergelegten Fahrzeugs auf die nur 2 bis 2,5 cm herausragenden Hydrantendeckel musste sich die Beklagte zu 1) nicht einrichten (vgl. OLG Hamm OLGZ 1994, 301, 303).

2. Im Übrigen wäre die Verletzung einer Hinweispflicht nicht für den Unfall ursächlich geworden; denn dem Ehemann der Klägerin war bekannt, dass es sich um eine Baustraße handelte. Das geht aus seiner Zeugenaussage hervor (Bl. 50 GA). Dass die auf den Lichtbildern (Bl. 45-1, 48-1 – 48-4 GA) erkennbar nur geringe Erhöhung der Unfallstelle zum Aufsetzen des Fahrzeugbodens geführt hat, spricht zudem dafür, dass die Ursache für die Beschädigung durch ein nicht situationsangepasstes Verhalten des Fahrers verursacht wurde (vgl. OLG Karlsruhe ZfS 1991, 43).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht anzuordnen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.094,07 Euro.

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