Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Tierhalterhaftung im Fokus: Reitunfall und konkludenter Haftungsausschluss
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen für einen konkludenten Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen erfüllt sein?
- Können Tierhalter trotz einer Vereinbarung zur Reitbeteiligung haftbar gemacht werden?
- Welche Rolle spielt eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für die Haftungsfrage?
- Was bedeutet Mitverschulden im Zusammenhang mit einem Reitunfall und kann es die Haftung beeinflussen?
- Welche rechtlichen Folgen hat eine bestehende Reitbeteiligungsvereinbarung im Schadensfall?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Kosten aus einem Reitunfall.
- Der Unfall ereignete sich während des Reitunterrichts, den die Beklagte organisiert hat.
- Es besteht die rechtliche Grundlage, dass Tierhalter für durch ihr Tier verursachte Schäden haftbar gemacht werden können.
- Die Beklagte versuchte, einen konkludenten Haftungsausschluss geltend zu machen, der nicht akzeptiert wurde.
- Das Gericht erkannte an, dass keine gesonderte Unfallversicherung für die Reiterin vorhanden war.
- Die Beklagte konnte nicht beweisen, dass die Reiterin den Unfall selbst verschuldet hat.
- Der Kläger wurde für gesonderte zukünftige Kosten nach dem Unfall zuständig erklärt.
- Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der Interpretation der Haftungsvorschriften im BGB.
- Die Folgen der Entscheidung könnten weitere Ansprüche von Geschädigten prägen, die im Rahmen von Reitunfällen entstehen.
- Die Haftung des Tierhalters bleibt bestehen, auch wenn Vereinbarungen über Unfallversicherungen getroffen werden.
Tierhalterhaftung im Fokus: Reitunfall und konkludenter Haftungsausschluss
Tierhalter haben eine besondere Verantwortung für ihre Tiere und die Schadensfolgen, die aus deren Verhalten resultieren können. Diese Tierhalterhaftung ist im deutschen Recht verankert und besagt, dass der Halter eines Tieres für Schäden, die durch das Tier verursacht werden, grundsätzlich haftet. Dies gilt unabhängig davon, ob ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Besonders im Kontext von Reitunfällen stellt sich häufig die Frage, inwieweit eine Haftung des Tierhalters besteht und ob mögliche Haftungsausschlüsse wirksam sind.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist der konkludente Haftungsausschluss, bei dem durch das Verhalten der Beteiligten unterstellt wird, dass sie auf eine Haftung verzichten. Dies kann beispielsweise durch die Zustimmung des Geschädigten zu den Umständen des Reitunfalls geschehen. Hierbei ist die Abgrenzung zwischen einem bewussten Verzicht auf Schadensersatz und der tatsächlichen Verantwortlichkeit des Tierhalters entscheidend.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der die Thematik der Tierhalterhaftung und die Auswirkungen eines konkludenten Haftungsausschlusses näher beleuchtet und analysiert.
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Der Fall vor Gericht
Reitunfall führt zu Gerichtsverfahren über Tierhalterhaftung
Bei einem Reitunterricht im März 2012 kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Eine 19-jährige Reiterin stürzte schwer, als das von ihr gerittene Pferd beim Ausführen einer Parade zum Halten hochstieg, das Gleichgewicht verlor und auf die junge Frau fiel. Die Reiterin erlitt erhebliche Verletzungen, die eine stationäre Behandlung im Klinikum St.- G. erforderten. Dieser Vorfall mündete in ein Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Hamburg, in dem die private Krankenversicherung der verletzten Reiterin als Klägerin auftrat. Die Versicherung forderte von der Pferdehalterin die Erstattung der bereits geleisteten und zukünftig anfallenden Behandlungskosten.
Hintergründe der Reitbeteiligung und des Unfalls
Die verunglückte Reiterin hatte mit der Pferdehalterin eine sogenannte Reitbeteiligung vereinbart. Im Rahmen dieser Vereinbarung nutzte sie das Pferd regelmäßig, unter anderem für wöchentlichen Reitunterricht bei einer professionellen Reitlehrerin. Für diese Nutzung zahlte sie monatlich 80 Euro. Am Unfalltag führte die Reiterin gerade eine Parade zum Halten durch, als das Pferd sich aufbäumte. Sowohl das Tier als auch die Reiterin verloren dabei das Gleichgewicht und stürzten, wobei das Pferd auf die junge Frau fiel.
Rechtliche Argumentation und Beweisaufnahme
Der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung drehte sich um die Frage, ob die Pferdehalterin gemäß § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für den Unfall haftbar gemacht werden konnte. Dieser Paragraph regelt die sogenannte Tierhalterhaftung. Die Beklagte argumentierte, dass durch die Vereinbarung der Reitbeteiligung ein stillschweigender Haftungsausschluss zustande gekommen sei. Zudem behauptete sie, die Reiterin habe den Unfall durch eigenes Fehlverhalten mitverursacht, indem sie sich beim Aufbäumen des Pferdes nach hinten gelehnt habe. Um diese Behauptung zu überprüfen, vernahm das Gericht die Reitlehrerin als Zeugin. Diese bestätigte, dass die Reiterin in der korrekten Sitzposition verblieben war. Sie erwähnte jedoch auch, dass die Reiterin keinen sogenannten „Schutzgriff“ um den Hals des Pferdes ausgeführt hatte – eine Technik, die allerdings nicht Teil der Ausbildung gewesen war.
Gerichtliche Entscheidung zur Haftung
Das Landgericht Hamburg kam zu dem Schluss, dass die Pferdehalterin für den Unfall haftbar zu machen sei. Es lehnte die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses ab und folgte damit nicht der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg in einem ähnlichen Fall. Das Gericht betonte, dass allein die Tatsache einer Reitbeteiligung nicht ausreiche, um einen Haftungsausschluss zu begründen. Es verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach „besondere Umstände“ vorliegen müssten, um einen konkludenten Haftungsverzicht annehmen zu können. Solche Umstände sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht als gegeben an. Besonders wichtig war für das Gericht der Umstand, dass die Beklagte eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte. Dies sprach nach Ansicht der Richter dafür, dass gerade kein Haftungsverzicht beabsichtigt war. Das Gericht stellte zudem fest, dass der Reiterin kein Mitverschulden an dem Unfall anzulasten sei. Die Tatsache, dass sie den „Schutzgriff“ nicht angewandt hatte, wurde ihr nicht als Versäumnis angelastet, da diese Technik nicht Teil ihrer Ausbildung gewesen war und von ihr als Reitschülerin nicht erwartet werden konnte.
Urteil und Konsequenzen
Das Landgericht Hamburg entschied schließlich zugunsten der klagenden Versicherung. Es stellte fest, dass die Pferdehalterin grundsätzlich verpflichtet sei, die bereits entstandenen Behandlungskosten in Höhe von 5.094,34 Euro zuzüglich Zinsen zu erstatten. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Beklagte auch für zukünftige Kosten aufkommen muss, die aus der Behandlung der Verletzungen der Reiterin resultieren. Dieses Urteil unterstreicht die weitreichende Haftung von Tierhaltern für Schäden, die durch ihre Tiere verursacht werden. Es verdeutlicht, dass ein Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen nicht ohne Weiteres angenommen werden kann und dass Pferdehalter gut beraten sind, eine umfassende Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bekräftigt die strenge Tierhalterhaftung nach § 833 BGB und verdeutlicht, dass eine Reitbeteiligung allein keinen konkludenten Haftungsausschluss begründet. Für einen wirksamen Haftungsverzicht müssen besondere Umstände vorliegen, die hier nicht gegeben waren. Der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung spricht sogar gegen einen beabsichtigten Haftungsausschluss. Pferdehalter bleiben somit grundsätzlich für Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung verantwortlich und sollten dies bei der Gestaltung von Vereinbarungen berücksichtigen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Reiter und Pferdebesitzer hat dieses Urteil weitreichende Konsequenzen. Als Pferdehalter bleiben Sie auch bei einer Reitbeteiligung grundsätzlich haftbar für Unfälle, die durch Ihr Pferd verursacht werden. Ein stillschweigender Haftungsausschluss wird nicht einfach angenommen, selbst wenn Sie eine Reitbeteiligung vereinbaren. Besonders wichtig: Der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung spricht sogar gegen einen beabsichtigten Haftungsausschluss. Für Reiter bedeutet dies mehr Sicherheit, da sie bei Unfällen Schadensersatzansprüche geltend machen können. Allerdings sollten beide Seiten klare schriftliche Vereinbarungen treffen, um Missverständnisse zu vermeiden. Pferdehalter sollten unbedingt eine umfassende Haftpflichtversicherung abschließen und Reiter sollten sich bewusst sein, dass sie nicht automatisch auf Schadensersatzansprüche verzichten, wenn sie eine Reitbeteiligung eingehen.
FAQ – Häufige Fragen
In dieser FAQ-Rubrik finden Sie nützliche Informationen und Antworten auf häufige Fragen rund um die Tierhalterhaftung bei Reitunfällen. Wir möchten Ihnen helfen, die rechtlichen Grundlagen zu verstehen und wichtige Aspekte zu beleuchten, die sowohl für Reiter als auch für Tierhalter von Bedeutung sind. Tauchen Sie ein in die wesentlichen Informationen, die Ihnen eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Voraussetzungen müssen für einen konkludenten Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen erfüllt sein?
- Können Tierhalter trotz einer Vereinbarung zur Reitbeteiligung haftbar gemacht werden?
- Welche Rolle spielt eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für die Haftungsfrage?
- Was bedeutet Mitverschulden im Zusammenhang mit einem Reitunfall und kann es die Haftung beeinflussen?
- Welche rechtlichen Folgen hat eine bestehende Reitbeteiligungsvereinbarung im Schadensfall?
Welche Voraussetzungen müssen für einen konkludenten Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen erfüllt sein?
Ein konkludenter Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich und wird von Gerichten nur im Ausnahmefall angenommen. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
Überwiegendes Interesse der Reitbeteiligung
Die Überlassung des Pferdes muss im besonderen Interesse der Reitbeteiligung liegen. Dies kann der Fall sein, wenn die Reitbeteiligung primär davon profitiert, ohne eigenes Pferd reiten zu können. Ist das Interesse des Pferdehalters an der Versorgung und Bewegung des Tieres ebenso stark, spricht dies gegen einen konkludenten Haftungsausschluss.
Langfristigkeit der Vereinbarung
Eine langjährige Reitbeteiligung kann eher für einen stillschweigenden Haftungsausschluss sprechen als eine kurzzeitige Vereinbarung. Je länger die Beteiligung besteht, desto eher kann von einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Parteien ausgegangen werden.
Geringe finanzielle Belastung der Reitbeteiligung
Die Zahlungsverpflichtung der Reitbeteiligung sollte im Verhältnis zu den üblichen Kosten der Pferdehaltung untergeordnet sein. Hohe monatliche Zahlungen sprechen eher gegen einen konkludenten Haftungsausschluss.
Umfang der Verantwortung
Je mehr Verantwortung und Einflussmöglichkeiten die Reitbeteiligung für das Pferd übernimmt, desto eher kann ein stillschweigender Haftungsausschluss angenommen werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Reitbeteiligung eigenständig über Ausritte entscheidet und die tägliche Versorgung des Pferdes übernimmt.
Billigkeit der Haftungsfreistellung
Es muss nach Treu und Glauben davon ausgegangen werden können, dass sich die Reitbeteiligung einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichts nicht verschlossen hätte, wäre sie darauf angesprochen worden. Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Parteien.
Keine ausdrückliche Vereinbarung zur Haftung
Wenn die Parteien die Haftungsfrage ausdrücklich besprochen und dabei keinen Verzicht vereinbart haben, spricht dies gegen einen konkludenten Haftungsausschluss. In solchen Fällen hätte es nahegelegen, den Versicherungsschutz entsprechend anzupassen.
Kenntnis der Risiken
Die Reitbeteiligung muss sich der typischen Risiken des Reitens bewusst sein. Dies wird bei erfahrenen Reitern eher angenommen als bei Anfängern.
Es ist wichtig zu betonen, dass Gerichte bei der Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses sehr zurückhaltend sind. Wenn Sie als Pferdehalter oder Reitbeteiligung Klarheit über die Haftungssituation wünschen, ist es ratsam, einen ausdrücklichen schriftlichen Haftungsausschluss zu vereinbaren. Dieser sollte jedoch sorgfältig formuliert werden, um seine Wirksamkeit sicherzustellen.
Können Tierhalter trotz einer Vereinbarung zur Reitbeteiligung haftbar gemacht werden?
Ja, Tierhalter können trotz einer Vereinbarung zur Reitbeteiligung haftbar gemacht werden. Die Haftung des Tierhalters bleibt grundsätzlich bestehen, auch wenn eine Reitbeteiligung vereinbart wurde.
Grundsätzliche Haftung des Tierhalters
Die Haftung des Tierhalters basiert auf § 833 Satz 1 BGB. Demnach ist der Tierhalter verpflichtet, für Schäden einzustehen, die durch sein Tier verursacht werden, unabhängig von einem Verschulden. Diese Gefährdungshaftung gilt auch bei einer Reitbeteiligung.
Einfluss der Reitbeteiligung auf die Haftung
Eine Reitbeteiligung ändert zunächst nichts an der Haltereigenschaft des Pferdebesitzers. Allerdings kann sie die Haftungsverteilung beeinflussen:
- Haftungsquote: Bei einem Unfall kann eine Aufteilung der Haftung zwischen Tierhalter und Reitbeteiligtem erfolgen.
- Mithalterschaft: In manchen Fällen kann der Reitbeteiligte als Mithalter angesehen werden, was die Haftung des ursprünglichen Halters reduzieren kann.
- Vertragliche Regelungen: Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen können vertraglich vereinbart werden, unterliegen aber strengen rechtlichen Anforderungen.
Grenzen des Haftungsausschlusses
Selbst wenn ein Haftungsausschluss vereinbart wurde, gibt es Grenzen:
- Unwirksame Klauseln: Pauschale Haftungsausschlüsse in Verträgen können unwirksam sein, besonders wenn sie auch grobe Fahrlässigkeit einschließen.
- Handeln auf eigene Gefahr: Nur wenn sich der Reitbeteiligte bewusst einer über das normale Maß hinausgehenden Gefahr aussetzt, kann die Haftung des Halters entfallen.
- Schutz Dritter: Ein Haftungsausschluss gilt in der Regel nur im Innenverhältnis zwischen Halter und Reitbeteiligtem, nicht gegenüber Dritten.
Praktische Konsequenzen für Tierhalter
Wenn Sie als Tierhalter eine Reitbeteiligung eingehen, sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Schriftlicher Vertrag: Vereinbaren Sie die Bedingungen der Reitbeteiligung schriftlich, um Unklarheiten zu vermeiden.
- Versicherungsschutz: Klären Sie mit Ihrer Tierhalterhaftpflichtversicherung, ob und wie die Reitbeteiligung abgedeckt ist.
- Rechtliche Beratung: Bei der Gestaltung von Haftungsklauseln sollten Sie sich juristisch beraten lassen, um deren Wirksamkeit sicherzustellen.
- Regelmäßige Überprüfung: Überprüfen Sie regelmäßig die Vereinbarungen und passen Sie diese bei Bedarf an, besonders wenn sich die Umstände der Reitbeteiligung ändern.
Bedenken Sie, dass trotz aller Vorkehrungen ein Restrisiko der Haftung bestehen bleibt. Eine sorgfältige Gestaltung der Vereinbarung und ein angemessener Versicherungsschutz können jedoch helfen, dieses Risiko zu minimieren.
Welche Rolle spielt eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für die Haftungsfrage?
Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung hat keinen direkten Einfluss auf die grundsätzliche Haftungsfrage bei Schäden durch Tiere. Die Haftung des Tierhalters ergibt sich aus dem Gesetz, unabhängig vom Bestehen einer Versicherung.
Gesetzliche Grundlage der Tierhalterhaftung
Die Haftung des Tierhalters ist in § 833 BGB geregelt. Demnach ist der Tierhalter verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, den sein Tier verursacht – und zwar unabhängig von einem eigenen Verschulden. Diese sogenannte Gefährdungshaftung besteht also auch dann, wenn den Halter kein Vorwurf trifft.
Funktion der Tierhalterhaftpflichtversicherung
Die Tierhalterhaftpflichtversicherung ändert nichts an dieser gesetzlichen Haftung. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, den Tierhalter vor den finanziellen Folgen der Haftung zu schützen. Wenn Ihr Hund beispielsweise einen Radfahrer beißt oder Ihr Pferd ein parkendes Auto beschädigt, müssen Sie als Halter für den Schaden aufkommen. Die Versicherung übernimmt in solchen Fällen die Schadensregulierung und Schadensersatzzahlungen im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme.
Bedeutung für die Schadensabwicklung
Obwohl die Versicherung die Haftungsfrage nicht beeinflusst, kann sie in der Praxis die Schadensabwicklung erheblich erleichtern. Geschädigte wenden sich oft direkt an die Versicherung, was die Regulierung beschleunigen kann. Zudem prüft die Versicherung die Berechtigung von Ansprüchen und wehrt unberechtigte Forderungen ab – ein wichtiger Schutz für Sie als Tierhalter.
Haftungsausschluss in bestimmten Situationen
In manchen Fällen kann das Vorhandensein einer Tierhalterhaftpflichtversicherung indirekt die Haftungsfrage beeinflussen. Wenn Sie beispielsweise Ihr Pferd in einem Reitstall einstellen oder an einem Reitturnier teilnehmen, wird oft stillschweigend davon ausgegangen, dass Sie als Pferdehalter versichert sind. In solchen Situationen kann unter Umständen ein konkludenter (stillschweigender) Haftungsausschluss für bestimmte Risiken angenommen werden. Das bedeutet, dass in einigen Fällen die Haftung des Tierhalters eingeschränkt sein kann, wenn alle Beteiligten von einem Versicherungsschutz ausgehen.
Die Tierhalterhaftpflichtversicherung ändert nichts an der grundsätzlichen Haftung des Tierhalters, bietet aber wichtigen finanziellen Schutz. Sie sollten als Tierhalter unbedingt eine solche Versicherung abschließen, um sich vor potenziell hohen Schadensersatzforderungen zu schützen. Die Versicherung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Sie im Schadensfall nicht mit Ihrem Privatvermögen haften müssen.
Was bedeutet Mitverschulden im Zusammenhang mit einem Reitunfall und kann es die Haftung beeinflussen?
Mitverschulden bei einem Reitunfall bedeutet, dass der verunfallte Reiter selbst zu einem gewissen Grad zur Entstehung oder Verschlimmerung des Unfalls beigetragen hat. Dies kann die Haftung des Tierhalters erheblich beeinflussen und zu einer Reduzierung der Schadensersatzansprüche führen.
Grundlagen des Mitverschuldens
Im Falle eines Reitunfalls kommt zunächst die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB in Betracht. Der Pferdehalter haftet grundsätzlich für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Allerdings kann ein Mitverschulden des Reiters nach § 254 BGB die Haftung des Tierhalters mindern.
Ein Mitverschulden liegt vor, wenn der Reiter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn er:
- Trotz mangelnder Erfahrung ein schwieriges Pferd reitet
- Sicherheitsvorschriften missachtet
- Sich leichtsinnig in eine gefährliche Situation begibt
Auswirkungen auf die Haftung
Das Mitverschulden kann die Haftung des Tierhalters erheblich beeinflussen:
- Haftungsquote: Je nach Schwere des Mitverschuldens kann die Haftung des Tierhalters prozentual gemindert werden. In der Praxis sind Quoten von 30% bis 50% nicht ungewöhnlich.
- Beweislast: In bestimmten Fällen, insbesondere wenn das Pferd unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, kann die Beweislast für fehlendes Mitverschulden sogar beim Reiter liegen.
- Vollständiger Haftungsausschluss: In extremen Fällen, etwa wenn der Reiter grob fahrlässig gehandelt hat, kann die Haftung des Tierhalters sogar vollständig entfallen.
Besonderheiten bei Reitbeteiligungen
Bei einer Reitbeteiligung, bei der der Reiter regelmäßig gegen Bezahlung ein fremdes Pferd nutzt, gelten besondere Regeln. Hier kann ein stillschweigender Haftungsausschluss angenommen werden, der die Haftung des Tierhalters begrenzt.
Praktische Bedeutung
Für Sie als Reiter bedeutet dies: Seien Sie sich bewusst, dass Ihr Verhalten im Umgang mit dem Pferd entscheidend sein kann. Wenn Sie beispielsweise ein Ihnen unbekanntes Pferd reiten, sollten Sie besondere Vorsicht walten lassen und sich über mögliche Eigenheiten des Tieres informieren.
Für Pferdehalter ist es wichtig zu wissen, dass sie nicht in jedem Fall vollumfänglich haften. Es empfiehlt sich, Reiter über mögliche Risiken aufzuklären und gegebenenfalls Vereinbarungen über die Nutzung des Pferdes zu treffen.
Individuelle Beurteilung
Die Frage des Mitverschuldens wird stets im Einzelfall beurteilt. Faktoren wie die Erfahrung des Reiters, die Eigenschaften des Pferdes und die konkreten Umstände des Unfalls spielen eine entscheidende Rolle. In komplexen Fällen kann die Einschaltung eines Fachanwalts für Tierrecht sinnvoll sein, um die rechtliche Situation genau zu klären.
Mitverschulden bei Reitunfällen ist ein komplexes rechtliches Thema, das die Haftungssituation maßgeblich beeinflussen kann. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Reiter, stets umsichtig und verantwortungsvoll zu handeln, und für Pferdehalter, ihre Sorgfaltspflichten ernst zu nehmen.
Welche rechtlichen Folgen hat eine bestehende Reitbeteiligungsvereinbarung im Schadensfall?
Eine Reitbeteiligungsvereinbarung kann im Schadensfall erhebliche rechtliche Auswirkungen haben, die sowohl den Pferdehalter als auch die Reitbeteiligung betreffen. Die genauen Folgen hängen jedoch stark vom Einzelfall und den spezifischen Vereinbarungen ab.
Haftung des Pferdehalters
Grundsätzlich haftet der Pferdehalter nach § 833 Satz 1 BGB für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Diese sogenannte Gefährdungshaftung gilt unabhängig von einem Verschulden des Halters. Allerdings kann eine Reitbeteiligungsvereinbarung diese Haftung modifizieren.
Wenn die Vereinbarung einen Haftungsausschluss enthält, könnte dieser die Ansprüche der Reitbeteiligung gegen den Pferdehalter im Schadensfall einschränken. Jedoch sind solche Klauseln oft unwirksam, wenn sie zu pauschal formuliert sind. Ein vollständiger Haftungsausschluss ist in der Regel nicht durchsetzbar, insbesondere nicht für Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.
Verantwortung der Reitbeteiligung
Die Reitbeteiligung kann unter Umständen als Mithalter des Pferdes angesehen werden, besonders wenn sie sich regelmäßig um das Pferd kümmert und finanzielle Beiträge leistet. In diesem Fall könnte sie ebenfalls für Schäden haftbar gemacht werden, die das Pferd verursacht.
Versicherungsschutz
Eine wichtige Rolle spielt der Versicherungsschutz. Viele Pferdehalterhaftpflichtversicherungen schließen Reitbeteiligungen standardmäßig ein. Dies bedeutet, dass die Versicherung auch für Schäden aufkommt, die entstehen, wenn die Reitbeteiligung das Pferd nutzt. Es ist jedoch ratsam, dies im Einzelfall mit der Versicherung zu klären.
Mitverschulden und Handeln auf eigene Gefahr
Bei einem Unfall kann auch ein Mitverschulden der Reitbeteiligung berücksichtigt werden. Wenn Sie als Reitbeteiligung beispielsweise trotz erkennbarer Risiken handeln, könnte dies zu einer Minderung der Haftung des Pferdehalters führen.
Empfehlungen für Reitbeteiligungen
Wenn Sie eine Reitbeteiligung eingehen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Vereinbarung schriftlich festhalten: Legen Sie alle Details der Beteiligung schriftlich fest, einschließlich der Nutzungszeiten, Pflichten und finanziellen Beiträge.
- Versicherungsschutz prüfen: Klären Sie mit dem Pferdehalter und Ihrer eigenen Haftpflichtversicherung den bestehenden Versicherungsschutz.
- Haftungsklauseln kritisch prüfen: Lassen Sie weitreichende Haftungsausschlüsse von einem Rechtsexperten überprüfen.
- Zusätzliche Absicherung erwägen: Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer privaten Unfallversicherung kann sinnvoll sein.
Eine Reitbeteiligungsvereinbarung kann die Haftung im Schadensfall beeinflussen, ersetzt aber nicht die gesetzlichen Regelungen. Für beide Parteien ist es wichtig, die Vereinbarung sorgfältig zu gestalten und sich über mögliche Risiken im Klaren zu sein. Im Zweifelsfall sollten Sie rechtlichen Rat einholen, um Ihre Position zu klären und sich angemessen abzusichern.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Tierhalterhaftung: Die Tierhalterhaftung ist eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach § 833 BGB. Sie besagt, dass der Halter eines Tieres für Schäden haftet, die durch das Tier verursacht werden – unabhängig davon, ob den Halter ein Verschulden trifft. Bei Pferden gilt dies auch für Reitunfälle. Grund für diese strenge Haftung ist die Unberechenbarkeit von Tieren und das damit verbundene Risiko. Der Halter profitiert von den Vorteilen des Tieres und muss daher auch die Risiken tragen. Eine Entlastung ist nur möglich, wenn der Geschädigte den Schaden provoziert hat. Die Tierhalterhaftung kann nicht vollständig ausgeschlossen, aber vertraglich beschränkt werden.
- Reitbeteiligung: Eine Reitbeteiligung ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Pferdehalter und einem Reiter, bei der der Reiter das Pferd regelmäßig gegen Kostenbeteiligung nutzen darf. Typischerweise umfasst dies das Reiten, die Pflege und manchmal auch die Teilnahme an Turnieren. Die genauen Konditionen werden individuell festgelegt. Rechtlich bleibt der Pferdehalter Besitzer und Eigentümer des Pferdes. Eine Reitbeteiligung begründet für sich genommen keinen automatischen Haftungsausschluss bei Unfällen. Sie kann aber Einfluss auf Haftungsfragen haben, wenn klare Vereinbarungen zur Risikoverteilung getroffen wurden. Gerichte prüfen im Einzelfall, ob ein konkludenter Haftungsausschluss vorliegt.
- Konkludenter Haftungsausschluss: Ein konkludenter (stillschweigender) Haftungsausschluss liegt vor, wenn die Parteien zwar keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, sich aus den Umständen aber ergibt, dass sie einen Haftungsausschluss gewollt haben. Bei Reitbeteiligungen wird dies oft angenommen, von Gerichten aber kritisch geprüft. Entscheidend sind die konkreten Umstände: Wurde über Risiken gesprochen? Gab es Hinweise auf einen gewollten Haftungsausschluss? Hat der Reiter besondere Kenntnisse? Der BGH verlangt „besondere Umstände“ für einen konkludenten Haftungsausschluss. Allein die Tatsache einer Reitbeteiligung reicht dafür nicht aus. Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung des Halters spricht eher gegen einen gewollten Haftungsausschluss.
- Mitverschulden: Mitverschulden bezeichnet im Schadensersatzrecht die Mitverursachung oder Mitverantwortung des Geschädigten am eingetretenen Schaden. Bei Reitunfällen kann ein Mitverschulden des Reiters vorliegen, wenn er sich grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch verhalten hat, z.B. durch Missachtung von Sicherheitsanweisungen. Die Beweislast für ein Mitverschulden trägt der Schädiger, also meist der Tierhalter. Ein festgestelltes Mitverschulden führt zu einer anteiligen Schadensteilung zwischen Halter und Reiter. Die Abwägung erfolgt nach den Verursachungsanteilen am Unfall. Bei Reitschülern werden mildere Maßstäbe angelegt als bei erfahrenen Reitern.
- Tierhalterhaftpflichtversicherung: Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung deckt Schäden ab, die das versicherte Tier Dritten zufügt. Sie ist für Pferdehalter aufgrund der strengen Tierhalterhaftung sehr wichtig. Die Versicherung übernimmt berechtigte Schadensersatzansprüche und wehrt unberechtigte Forderungen ab. Der Abschluss einer solchen Versicherung spricht laut Rechtsprechung gegen einen konkludenten Haftungsausschluss bei Reitbeteiligungen. Denn der Halter will sich ja gerade gegen Haftungsrisiken absichern. Die Versicherung tritt bei Unfällen in Vorleistung, kann aber unter Umständen Regress beim Halter nehmen, etwa bei grober Fahrlässigkeit. Für Reiter bietet sie mehr Sicherheit, da die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtert wird.
- Beweislast: Die Beweislast regelt, welche Partei in einem Rechtsstreit welche Tatsachen beweisen muss. Bei der Tierhalterhaftung muss der Geschädigte nur den Schaden und die Verursachung durch das Tier beweisen. Der Tierhalter muss ein mögliches Mitverschulden des Geschädigten beweisen. Für einen konkludenten Haftungsausschluss ist ebenfalls der Tierhalter beweispflichtig. Er muss die besonderen Umstände darlegen, die auf einen Haftungsverzicht schließen lassen. Bei Reitunfällen ist die Beweislage oft schwierig, da meist keine neutralen Zeugen vorhanden sind. Deshalb kommt der Vernehmung von Beteiligten und Sachverständigen große Bedeutung zu. Die Beweislastverteilung kann erheblichen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 833 BGB (Tierhalterhaftung): Dieser Paragraph besagt, dass der Halter eines Tieres für den Schaden verantwortlich ist, den das Tier einem anderen zufügt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte die Halterin des Pferdes und könnte daher für die Verletzungen der Reiterin haftbar gemacht werden.
- § 86 VVG (Anspruch des Versicherers): Dieser Paragraph regelt den sogenannten Forderungsübergang. Wenn ein Versicherer, wie im vorliegenden Fall der Kläger, Leistungen an seinen Versicherten erbringt, gehen die Ansprüche des Versicherten gegen den Schädiger auf den Versicherer über. Der Kläger kann also die Ansprüche der verletzten Reiterin gegen die Beklagte geltend machen.
- § 304 ZPO (Teil-Grundurteil): Dieser Paragraph erlaubt es dem Gericht, in einem Urteil zunächst nur über den Grund eines Anspruchs zu entscheiden und die Höhe des Anspruchs in einem späteren Verfahren festzustellen. Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst entschieden, dass die Beklagte grundsätzlich haftet, die genaue Höhe des Schadensersatzes wird aber später festgelegt.
- § 300 ZPO (Teil-Endurteil): Dieser Paragraph erlaubt es dem Gericht, in einem Urteil einen Teil des Rechtsstreits abschließend zu entscheiden, während andere Teile noch offen bleiben. Im vorliegenden Fall hat das Gericht den Feststellungsantrag abschließend entschieden, während über den Zahlungsantrag noch nicht abschließend entschieden wurde.
- Konkludenter Haftungsausschluss: Ein konkludenter Haftungsausschluss liegt vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Parteien stillschweigend einen Haftungsausschluss vereinbart haben. Im vorliegenden Fall argumentierte die Beklagte, dass durch die Reitbeteiligungsvereinbarung ein solcher Haftungsausschluss zustande gekommen sei. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da keine besonderen Umstände vorlagen, die auf einen solchen Verzicht hindeuteten.
Das vorliegende Urteil
LG Hamburg – Az.: 328 O 373/14 – Teilurteil vom 09.07.2015
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1. Der bezifferte Klaganspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch alle zukünftigen Kosten zu ersetzen, die aus Behandlungen durch Ärzte oder Therapeuten resultieren und die die Versicherte des Klägers, Frau D.L., aufgrund des Unfalls vom 14. März 2012 erhält, und für die der Kläger auf der Grundlage des Vertrages einzustehen und die er erstattet hat.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
Der Kläger verlangt aus übergegangenem Recht Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit einem Reitunfall von der Beklagten als Tierhalterin.
Der Kläger ist ein Krankenversicherungsverein. Die Versicherte, Frau D.L., unterhält über ihren Vater, Herrn M.L., beim Kläger eine private Krankenzusatzversicherung. Nach einem Reitunfall der damals 19-jährigen Frau L. erstattete der Kläger einige Kosten, die mit der Klage geltend gemacht werden.
Frau L.s Mutter und die Beklagte kennen sich aus dem beruflichen Umfeld. Die Beklagte ist Halterin eines Pferdes. Im Rahmen einer im einzelnen streitigen Reitbeteiligung benutzte Frau L. das Pferd der Beklagten, unter anderem zum Reitunterricht mit der Zeugin E.. Dieser Unterricht fand einmal die Woche statt. Die Beklagte erhielt im Monat € 80,00 von Frau L. bzw. ihrer Mutter. Das Pferd wurde auch durch andere Personen genutzt.
Im Rahmen des Reitunterrichts am 14. März 2012 kam es zu einem Unfall. Frau L. führte gerade eine Parade zum Halten durch als das Pferd hochstieg und zusammen mit Frau L. das Gleichgewicht verlor und stürzte. Frau L. wurde durch das auf sie stürzende Pferd schwer verletzt und zunächst im Wesentlichen im Klinikum St.- G. stationär behandelt.
Der Kläger meint, dass die Beklagte gemäß § 833 BGB für die vom Pferd ausgehende Tiergefahr hafte. Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung durch die Mutter der Frau L. führe nicht zu einem konkludenten Haftungsausschluss. In den Absprachen mit der Beklagte sei ihr es darum gegangen, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung bestehe, da sie bei einem anderen Reitunfall deswegen schlechte Erfahrungen gemacht habe. Eine gesonderte Unfallversicherung habe die Mutter von Frau L. nicht abgeschlossen und diesen Umstand in den Verhandlungen gegenüber der Beklagten auch nicht erwähnt. Lediglich über den Reiterverein bestehe eine allgemeine Versicherung, die vorliegend – unstreitig – nicht eingegriffen habe. Im Übrigen habe Frau L. ihre Verletzungen auch nicht mitverschuldet. Ein persönlich vorwerfbares Verhalten liege nicht vor.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 5.094,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. November 2013 sowie weitere € 3,00 zu zahlen.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch alle zukünftigen Kosten, die aus Behandlungen durch Ärzte oder Therapeuten resultieren und die die Versicherte des Klägers, Frau D.L., aufgrund des Unfalls vom 14. März 2012 erhält, und für die der Kläger die Kosten erstattet, in Höhe der Kostenerstattung zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, eine Haftung sei bereits konkludent ausgeschlossen. Auf der Grundlage der Reitbeteiligung und des Umstandes, dass man vor Abschluss des Vertrages über eine Unfallversicherung gesprochen habe, sei ein konkludenten Haftungsausschluss anzunehmen. Zudem behauptet die Beklagte, dass Frau L. selbst den Schaden mit verursacht habe, da sie sich beim Hochsteigen des Pferdes nach hinten gelehnt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin E..
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Hinblick auf den Antrag zu 1. dem Grunde nach und hinsichtlich des Antrags zu 2. umfassend begründet.
I.
Das Gericht entscheidend vorliegend durch Teil-Grundurteil gemäß § 304 ZPO, soweit es den Zahlungsantrag betrifft, und durch Teil-Endurteil gemäß § 300 ZPO, soweit der Feststellungsantrag betroffen ist.
II.
Dem Kläger steht dem Grunde nach aus übergegangenem Recht, § 86 VVG, ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 833 BGB auf Schadensersatz wegen des Reitunfalls der Frau L. am 14. März 2012 zu. Eine Haftung war weder ausgeschlossen noch war der Anspruch wegen eines Mitverschuldens zu kürzen.
1. Der Anspruch scheitert nicht an einem ausdrücklichen Haftungsausschluss der Parteien des Vertrages über die Reitbeteiligung. Schriftsätzlich wurde ein solcher ausdrücklicher Verzicht nicht vorgetragen. In der mündlichen Anhörung gab die Beklagte hierzu an, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob besprochen worden sei, dass bei einem Unfall allein eine Versicherung der Mutter der Frau L. eingreifen sollte. Aus diesem vagen Sachverhalt lässt sich eine ausdrückliche Vereinbarung nicht ableiten.
2. Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung führt vorliegend auch nicht zu der Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses. Das Gericht folgt insoweit nicht dem OLG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2011 (8 U 510/11, juris, Rz. 14ff.). Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutzt und sich so als „Tierhalter auf Zeit“ fühlt, rechtfertigt nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Bei dieser Argumentation wird die Frage der Haltereigenschaft, die bereits Tatbestandsvoraussetzung ist, mit den Fragen von Erklärungsinhalten bei Vertragsschluss zum Ausschluss der gesetzliche normierten Haftung vermischt.
Frau L. war im Zeitpunkt des Urteils nicht Halter des Pferdes im Sinne des § 833 BGB. Es ist hinlänglich anerkannt, dass der regelmäßige, kurzzeitige Nutzer eines Pferdes nicht selbst zum Halter wird (Staudinger/Christina Eberl-Borges (2012) BGB § 833, Rn. 104), so dass allein deshalb eine Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen ist.
In Anwendung der vom Bundesgerichtshof zum konkludenten Haftungsausschluss aufgestellten Grundsätze sind vorliegend die „besonderen Umstände“, die unter Umgehung des ausgedrückten Willens der Vertragsparteien allein aufgrund einer Willensfiktion die Annahme eines Verzichtes rechtfertigen könnten, nicht erkennbar (z.B. BGH, 9. Juni 1992, VI ZR 49/91, juris, Rn. 13ff.). Allein der Umstand, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen wurde, spricht dafür, dass gerade kein Haftungsverzicht eine Rolle spielen sollte, da der Verzicht nicht den Halter, sondern allein den Versicherer entlasten würde (BGH, a.a.O., Rn. 14).
Daneben hat der Bundesgerichtshof sowohl für die Fälle einer freundschaftlichen bzw. kameradschaftlichen Überlassung des Pferdes als auch für die Fälle einer professionell vertraglichen Überlassung des Tieres (Tierpension) entschieden, dass die Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen ist. Unter Berücksichtigung verschiedener, denkbarer Begründungsansätze (Handeln auf eigene Gefahr, Gefälligkeit analog § 599 BGB, §§ 8, 8a StVG analog, Schutzzweck der Norm, Treu und Glauben) lehnt die Rechtsprechung den Haftungsausschluss ab (BGH, a.a.O., Rn. 14ff.; 25. März 2014, VI ZR 372/13, Rn. 9, juris). Der vorliegende Fall einer Reitbeteiligung liegt dem Sachverhalt und den Wertungen nach zwischen der rein freundschaftlichen und der beruflich/professionellen Überlassung eines Tieres. Das Gericht kann auf Basis der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinen besonderen Umstand feststellten, der die Annahme eines Haftungsausschlusses rechtfertigen könnte. Das gilt vor allem, weil die Beklagte gerade eine Tierhalterhaftpflichtversicherung unterhält. In diesem Zusammenhang hat es keine besondere Relevanz, dass die Familie L. ggf. eine Unfallversicherung abgeschlossen hat. Dieser Umstand führt nur dazu, dass ein Teil der Risiken doppelt abgesichert ist, sowohl über die Haftpflichtversicherung der Beklagten als auch über die Unfallversicherung. Ein doppelte Absicherung ergibt sich ohnehin bereits bezogen auf die Kosten einer Heilbehandlung, da Frau L. und wohl die meisten, die aus einer Tiergefahr heraus verletzt werden, eine Krankenversicherung abgeschlossen haben. Entscheidend beim konkludenten Haftungsausschluss ist, ob der Versicherer des Tierhalters, den die gesetzliche Gefährdungshaftung trifft, entlastet wird bzw. werden soll. Diese Entlastung rechtfertigt sich nicht dadurch, dass der Anspruchsberechtigte selbst Versicherungen unterhält. Diese werden in aller Regel nicht deshalb abgeschlossen, um eine Haftung Dritter bzw. Vertragspartner auszuschließen.
3. Das Gericht ist zudem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass Frau L. den Unfall nicht mitverschuldet hat, § 254 BGB.
a)
Die Behauptung der Beklagten, dass sich Frau L. beim Aufsteigen des Pferdes nach hinten gelehnt habe, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass Frau L. in der Sitzposition verblieben ist. Das hat die Zeugin E. in ihrer Vernehmung bestätigt. Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Reitlehrerin E., die sowohl Frau L. als auch die Beklagte kennt, unrichtige Angaben gemacht haben könnte.
b)
Der von der Zeugin erstmals in den Prozess eingeführte Umstand, dass Frau L. nicht den sogenannten Schutzgriff um den Hals des Pferdes ausgeführt habe, führt zu keiner anderen Betrachtung. Zum einen hat sich die Beklagte diesen „Vortrag“ der Zeugin nicht zu eigen gemacht. Zum anderen führt dieses Unterlassen nicht zu einem Vorwurf gemäß § 254 BGB; hier in Form der unterlassenen Schadensabwendung gemäß Absatz 2, denn das Aufsteigen als solches war unstreitig nicht durch Frau L. veranlasst worden.
Nach der Überzeugung des Gerichts ist Frau L. dieses Unterlassen nicht konkret vorwerfbar. Die Zeugin E., die insoweit aufgrund des Erlebens der konkreten Situation, in Kenntnis der Möglichkeiten von Frau L. aufgrund ihres Ausbildungsstandes als sachverständige Aussageperson Angaben machte, führte dazu aus, dass sie als erfahrener Profi den Schutzgriff veranlasst hätte. Von ihrer Reitschülerin habe sie diesen Griff nicht erwartet, auch deshalb nicht, weil er nicht Teil der Ausbildung gewesen sei. Das Gericht folgt diesen Angaben.
Überdies hat die Zeugin ausgeführt, dass sie nicht beurteilen könne, ob der Schutzgriff erfolgreich gewesen wäre, so dass die Kausalität dieses Unterlassens in Frage steht. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ging das Gericht davon aus, dass der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für ein fehlendes Verschulden trägt. Grund war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einer analogen Anwendung der Regeln des § 834 BGB (BGH, 9. Juni 1992, VI ZR 49/91, juris, Rn. 21.). In neueren Urteilen geht der Bundesgerichtshof nunmehr von Folgendem aus: (z.B. Urteil vom 17. März 2009 – VI ZR 166/08 –, Rn. 22, juris)
„Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadensverursachung mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153, 158), im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2005 – VI ZR 238/04 – VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist“.
Danach trägt die Beklagte die Beweislast. Im Hinblick auf die Kausalität des unterlassenen Schutzgriffs wirkt sich dieser Umstand aus, da die Beklagte wird nicht beweisen können, dass der Griff einen Sturz des Pferdes vermieden hätte.
Das Urteil stützt sich zur Vermeidung einer Wiedereröffnung bzw. einer Überraschungsentscheidung nicht auf diesen Umstand. Denn insoweit ist das Gericht, wie oben ausgeführt, davon überzeugt, dass Frau L. dieses Unterlassen nicht vorzuwerfen ist.
III.
Nebenentscheidungen mangels vollstreckungsfähigen Tenors des Teil-Grund- und Endurteils nicht veranlasst.