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Tierhalterhaftung –  Sturz von Pferd – Schadensersatz

LG Würzburg – Az.: 14 O 1455/19 – Urteil vom 04.05.2020

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.193,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.04.2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Schadensereignis der Frau … vom 28.8.2018 gegen 10.30 Uhr entstanden sind und noch entstehen werden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 961,52 € vorgerichtliche Anwaltskosten ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 11.09.2019 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

7. Der Streitwert wird auf 26.283,61 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht mit der Klage die auf sie als gesetzliche Krankenversicherung übergegangenen Ansprüche der bei ihr gesetzlich krankenversicherten geschädigten Zeugin … aus einem Schadensereignis vom 28.08.2018 geltend.

Am 28.08.2018 gegen 10:30 Uhr ritt die Zeugin … das Pferd „Rocky“, dessen Halter der Beklagte ist, auf dem Areal … . Aufgrund zwischen den Parteien streitiger Ursache stürzte die Zeugin vom Pferd und zog sich dabei eine Fraktur des Lendenwirbels L2 zu, die zu erheblichen motorischen Funktionseinschränkungen führte und auch weiterhin führt.

Die Zeugin war vom 28.08.2018 bis 04.09.2018 in stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Zeugin ritt das Pferd „Rocky“ seit mehr als zwei Jahren wöchentlich und unentgeltlich.

Die Zeugin fragte vor Beginn des Reitens des Pferdes ausdrücklich nach, ob eine Haftpflichtversicherung hinsichtlich des Pferdes besteht. Der Beklagte bejahte dies.

Der Beklagte verfügt über eine Haftpflichtversicherung bei der … . Mit Schreiben vom 06. Januar 2019 verwies er die Klägerin für die Geltendmachung der Ansprüche auf diese Versicherung. Diese lehnte jedoch gegenüber der Klägerin ihre Einstandspflicht ab.

Tierhalterhaftung -  Sturz von Pferd - Schadensersatz
(Symbolfoto: Von Eleanor Scriven/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, dass das Pferd „Rocky“ beim Reiten plötzlich aufgrund eines hochfliegenden Vogels gescheut habe, so dass die Zeugin … hierbei den Halt verloren habe und vom Pferd gefallen sei.

Die Klägerin habe für stationäre Krankenhausbehandlung, Gehhilfe, Krankengeld und Physiotherapie-Maßnahmen der Zeugin einen mit der Klage geltend gemachten Betrag in Höhe von 24.283,61 € geleistet.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte aus Tierhalterhaftung auf Ersatz des Schadens hafte.

Die Klägerin beantragt (vgl. BI. 2 d. A.):

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.283,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 11.4.2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Schadensereignis der Frau … vom 28.8.2018 gegen 10.30 Uhr entstanden sind und noch entstehen werden.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 961,52 € vorgerichtliche Anwaltskosten ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass, als er bei Frau … nachgefragt habe, wie es zum Unfall gekommen sei, sie sich an das Unfallereignis nicht mehr erinnern habe können.

Es werde daher ausdrücklich bestritten, dass am 28.08.2019 das Pferd „Rocky“ aufgrund eines hochfliegenden Vogels plötzlich gescheut habe, so dass die Zeugin vom Pferd fiel. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Zeugin aufgrund eines Reitfehlers bzw. Unachtsamkeit vom Pferd gestürzt sei, ohne dass sich hier eine typische Tiergefahr verwirklicht habe.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass vorliegend mangels Verwirklichung einer typischen Tiergefahr eine Haftung nicht bestehe.

Zudem sei die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auch deshalb ausgeschlossen, da zwischen Frau … und dem Beklagten zumindest stillschweigend die Haftung gemäß § 833 BGB ausgeschlossen worden sei. Dies sei nach der Rechtsprechung in aller Regel bei einer sogenannten Reitbeteiligung der Fall. Aufgrund des Umstandes, dass einerseits das regelmäßige Reiten dem Wunsch der Frau … entsprach, letztendlich deren Interessen diente und darüber hinaus der Beklagte das Reiten des Pferdes durch Frau … ohne Beanspruchung einer Vergütung auf deren Wunsch gestattete, sei vorliegend von einem stillschweigenden Haftungsausschluss auszugehen. Frau … habe niemals eine solche (verschuldensunabhängige) Haftung einfordern wollen, der Beklagte habe sie niemals gewähren wollen.

Darüber hinaus sei von Bedeutung der Umstand, dass Frau … zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Reitpanzer getragen habe. Zur Meldung einer Selbstgefährdung hätte Frau … auf jeden Fall einen solchen Reitpanzer tragen müssen. Eine Verletzung, wie sie bei Frau … eingetreten ist, wäre durch Tragen eines Reitpanzers vollständig vermieden worden. Es sei daher von einem anspruchsausschließenden Mitverschulden auszugehen.

Die Klägerin hat hierauf repliziert, dass ein stillschweigender Haftungsausschluss nicht vorliege. Bei der Tierhalterhaftung habe der BGH eine Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, ein solcher liege hier nicht vor. Darüber hinaus verfüge der Beklagte über eine Haftpflichtversicherung. Um die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 833 S. 1 BGB als treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen, bedürfe es besonderer Umstände, die dem Schadensersatzbegehren des Geschädigten ein treuwidriges Gepräge geben. Dies könne der Fall sein, wenn sich der Geschädigte, wäre an ihn ein ausdrückliches Ansinnen eines Haftungsverzichts gestellt worden, sich diesem billigenweise nicht hätte verschließen können. Das gelte nicht, wenn hinter dem Tierhalter eine Versicherung stehe, denn ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlaste, entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten und ihrem wohlverstandenen Interesse.

Dass die Geschädigte keinen Reitpanzer getragen habe, sei völlig unbeachtlich. Für ein Mitverschulden lägen keinerlei tragfähige Tatsachen vor.

Ergänzend wird zu den Einzelheiten des weiteren Sachvortrags sowie den vertretenen Rechtsauffassungen der Parteien und den diesbezüglich ausgetauschten Argumenten auf die zur Akte genommenen Schriftsätze nebst den zugehörigen Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin … . Weiterhin hat es den Beklagten persönlich angehört. Zum Verlauf und Inhalt der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2020 Bezug genommen (BI. 41 ff.).

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig und bis auf eine Zuvielforderung in Höhe von 90,00 € begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht für den Klageantrag Ziffer 2 ein berechtigtes Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 BGB. Es besteht die Möglichkeit des Eintritts von weiteren Schäden. Die … hat insbesondere in ihrer Einvernahme angegeben, dass sie weiterhin eine Gewichthebebeschränkung von 15 kg habe und Rückenschmerzen habe. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Dies führt auch dazu, dass der Feststellungsantrag auch hinsichtlich der weiteren bereits entstandene Schäden zulässig ist, ein Vorrang der Leistungsklage besteht insoweit nicht (vgl. nur BeckOK ZPO/Bacher, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 256 Rn. 27 m.w.N.).

II. Die Klage ist in Höhe von 24.193,61 € begründet. Hinsichtlich der verbleibenden 90 € ist sie unbegründet.

1. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 24.193,61 € und ein Anspruch auf Feststellung der Haftung gemäß Ziffer 2 der Klage gegen den Beklagten aus § 833 S. 1 BGB zu.

a) Die Voraussetzungen des § 833 S. 1 BGB liegen vor. Insbesondere hat sich eine typische Tiergefahr verwirklicht. Diese setzt grundsätzlich ein über die bloße physische Anwesenheit hinausgehendes Verhalten des Tieres voraus. Wenn das Tier durch einen Menschen gesteuert wird ist § 833 BGB nicht anwendbar, wenn sich das Tier dem Willen seines Lenkers entsprechend verhält und der Schaden daher dem Lenker zuzurechnen ist. § 833 bleibt jedoch anwendbar, wenn das Tier anders als beabsichtigt reagiert, z.B. willkürliche Bewegungen des Tieres, wie Durchgehen oder Losgaloppieren den Schaden verursachen (Palandt/Sprau, 79. Auflage 2020, § 833 Rn. 7 m.w.N.)

So verhält es sich hier. Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Pferd „Rocky“ sich aufgrund eines aus dem Gebüsch hochfliegenden Vogels erschrocken hat und die Zeugin … infolgedessen vom Pferd gefallen ist und sich die unstreitigen Verletzungen zugezogen hat. Die Zeugin … hat glaubhaft ausgesagt, dass beim Angaloppieren mit dem Pferd „Rocky“ ein Vogel aus dem Gebüsch hochgeflogen sei, das Pferd sich erschrocken habe und sie dann daraufhin vom Pferd gefallen sei. Als der Vogel hochgeflogen sei aus dem Gebüsch habe das Pferd angefangen loszurennen. Sie habe dann noch versucht es abzubremsen, dies jedoch ohne Erfolg. Durch das Losrennen habe sie dann irgendwann das Gleichgewicht verloren und sei vom Pferd gefallen. Sie selbst habe keine Handlung getätigt, die das Pferd zum Losrennen bewegt habe. Das Pferd hat sich dementsprechend nicht dem Willen seines Lenkers entsprechend verhalten, sondern hat durch eigenständiges Verhalten den Schaden ausgelöst. Die Zeugin hat den Geschehensablauf nachvollziehbar geschildert. Anhaltspunkte an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln bestehen nicht. Der vorgebrachte Einwand der Beklagtenseite, dass sich die Zeugin gegenüber dem Beklagten, der nach dem Unfall hinzugekommen sei, an den Unfallhergang nicht mehr erinnern habe können, ist nicht zu berücksichtigen, da er der Aussage der eigenen Partei widerspricht. So hat der Beklagte in seiner informatorischen Anhörung in eindeutiger Weise angegeben, dass die Zeugin ihm zur Ursache gesagt habe, dass das Pferd wohl gescheut habe und sie auch etwas von einem Vogel gesagt habe.

b) Ein Haftungsausschluss greift nicht ein.

aa) Das sich bewusste und freiwillige Aussetzen der normalen Tiergefahr seitens der Zeugin … schließt die Haftung gemäß § 833 BGB nicht aus (BGH NJW 82, 763, MDR 93, 43). Der Aspekt des Handels auf eigene Gefahr kann den Normzweck der Tierhalterhaftung nur verdrängen, wenn der Reiter im Einzelfall Risiken übernommen hat, die über diejenigen eines gewöhnlichen Rittes, wozu auch ein selbständiger Ausritt ins Gelände gehört, hinausgehen (BGH NJW 1986, 2883). Vorliegend ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig, dass keine gefährlichen Reitmanöver durchgeführt wurden.

bb) Auch ein zwischen den Parteien vereinbarter Haftungsausschluss liegt nicht vor.

Eine ausdrückliche Vereinbarung wird bereits seitens der Beklagtenpartei nicht behauptet.

Hinsichtlich eines konkludenten Haftungsausschlusses gilt, dass nach einer Gesamtwürdigung der Umstände und der Interessen der Beteiligten von einem solchen nicht ausgegangen werden kann. Wegen der weitreichenden Konsequenzen ist ein konkludenter Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter grundsätzlich nur im Ausnahmefall anzunehmen (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2017, 1173 (1174)).

Es ist vorliegend von einem Gefälligkeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Zeugin auszugehen. Ein Rechtsbindungswillen der Parteien ist nicht feststellbar. Der Beklagten gestattete das Reiten auf ausdrücklichen Wunsch der Zeugin … das Pferd zu reiten, ein irgendwie geartetes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse des Beklagten an der gewährten Überlassung, dass für einen Rechtsbindungswillen sprechen könnte, lag nicht vor. Ebenso lagen keine Umstände vor, die nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte die Zeugin auf einen Rechtsbindungswillen des Beklagten hätten schließen lassen müssen.

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Auch im Rahmen eines solchen Gefälligkeitsverhältnisses ist auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) jedoch nur dann eine Haftungsfreistellung des Tierhalters gerechtfertigt, wenn die Überlassung des Tiers im besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichts, wäre es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen können (BGH, NJW 1992, 2474 mwN; NJW-RR 2017, 272; OLG Schleswig, Urt. v. 29.2.2012 – 7 U 115/11, BeckRS 2013,02597). Bei den hierbei anzustellenden Billigkeitserwägungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Pferdehalter gegen Haftpflicht versichert ist, denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten (BGH, NJW-RR 2017, 272).

Hier verhielt es sich so, dass der Beklagte der Zeugin … das Pferd zum Reiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat, die Zeugin für die Überlassung weder Geld aufwenden musste, noch sonstige Leistungen zu erbringen hatte. Die Überlassung des Tiers lag daher im überwiegenden Interesse der Zeugin. Jedoch haben die Parteien unstreitig vor Aufnahme des Reitens des Pferdes durch die Zeugin über die Haftungssituation gesprochen. Die Zeugin hat den Beklagten ausdrücklich nach einer Haftpflichtversicherung gefragt und dieser hat das Bestehen einer solchen bejaht. Dies zeigt, dass es der Zeugin auf das Bestehen einer solchen ankam und der Beklagte gleichzeitig ebenfalls vom Bestehen einer solchen ausging. Er hat hierzu in seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, dass er für das Pferd eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe, sein damaliger Versicherungsvertreter jedoch für ihn nicht erklärbar das Wort „Pensionspferde“ in den Versicherungsvertrag aufgenommen habe und nun im Nachhinein unklar sei, ob Versicherungsschutz bestehe oder nicht. Sowohl der Beklagte als auch die Zeugin haben im Rahmen der Überlassung des Pferdes auf den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung vertraut. Eine Motivation für einen Haftungsverzicht bestand nicht und ein solcher (zugunsten der Haftpflichtversicherung) hätte nicht dem Willen der Parteien entsprochen. Hätten die Parteien gewusst, dass möglicherweise kein Versicherungsschutz besteht, kann zudem aufgrund der Nachfrage der Zeugin nach der Haftpflichtversicherung nicht davon ausgegangen werden, dass dann ein Haftungs- verzieht vereinbart worden wäre. Viel naheliegender wäre es dann gewesen, dass der Versicherungsschutz ergänzt worden wäre, da auch der Beklagte – wie der Abschluss der Haftpflichtversicherung zeigt – Interesse an einem Versicherungsschutz hatte (vgl. auch OLG Nürnberg, NJW-RR, 1173(1175)).

cc) Ein Haftungsausschluss aus sonstigem Grund ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere sind §§ 8 Nr. 2 StVG und § 599 BGB vorliegend nicht analog anwendbar (vgl. BGH, NJW 1992, 2474; NJW 2014, 2434;)

c) Ein Mitverschulden der Zeugin … nach § 254 BGB liegt nicht vor.

Ein Mitverschulden iSv § 254 I BGB ist anzunehmen, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (vgl. etwa BGHZ 9, 316 = NJW 1953, 977; BGHZ 35, 317 [321] = NJW 1961, 1966; VersR 1961, 561 [562]; NJW 1965,1708 = VersR 1965, 816 [817] und NJW 1978, 2024 = VersR 1978, 923 [924]).

Der Unfall wurde dadurch verursacht, dass das Pferd aufgrund des hochfliegenden Vogels sich erschreckte – ein Sorgfaltspflichtverstoß der Zeugin … liegt insoweit nicht vor.

Die Zeugin war auch nicht verpflichtet einen Reitpanzer zu tragen. Eine gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Verpflichtung oder allgemeine Empfehlungen seitens Dritten im Hinblick auf das Tragen eines solchen Reitpanzers anlässlich des Reitens in der Freizeit werden von der Beklagten nicht vorgebracht. Solche sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Insbesondere existiert keine Norm die das Tragen eines Reitpanzers im hier vorliegenden Bereich des Reitens in der Freizeit vorschreibt. Wesentliches Kriterium, um zu bestimmen, was ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens zu tun hat, ist sodann das allgemeine Verkehrsbewusstsein (vgl. BGH, NJW 2014, 2493 Rn. 9 ff. zur ähnlich gelagerten Problematik des Nichttragens eines Fahrradhelms bei einem Unfallereignis im Jahr 2011). Ein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass ein Reitpanzer beim Reiten -insbesondere bei wenig gefährlichen Reitmanövern – zu tragen ist, ist vorliegend nicht feststellbar. Ein solches Bewusstsein wird von Beklagtenseite auch nicht behauptet. Alleine das Verletzungsrisiko, die Kenntnis davon und dass ein Reitpanzer Schaden verringern oder möglicherweise verhindern kann, reichen insbesondere nicht aus, um darauf zu schließen, dass sich ein Reiter nur dann verkehrsgerecht verhält, wenn er verfügbare Schutzmaßnahmen trägt (vgl. BGH, NJW 2014, 2493 Rn. 11). Das Nichttragen eines Reitpanzers führt deshalb nicht zu einem Mitverschulden der Zeugin.

d) Der Schaden ist in Höhe von 24.193,61 ersatzfähig. Die Klägerin hat die Höhe des Schadens insoweit substantiiert dargelegt und durch Vorlage von Unterlagen Beweis angetreten. Der Beweis ist geführt. Die Beklagtenseite hat den Schaden lediglich mit Nichtwissen bestritten, Einwendungen gegen einzelne konkrete Posten hat sie nicht erhoben.

Dass die Klägerin die geltend gemachten Positionen beglichen hat, ist durch die Vorlage der klägerischen Anlagen nachgewiesen. Die Vorlage von weiteren Zahlungsbelegen wie Kontoauszügen war nicht erforderlich, zumal es nicht nur unwahrscheinlich, sondern nachgerade abwegig erscheint, dass die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts Zahlungen an Versicherungsnehmer ersetzt verlangen soll, die sie tatsächlich nicht erbracht hat (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 12. März 2015-4 U 32/14 -, juris).

Hinsichtlich der verbleibenden 90,00 € gilt, dass diese auf einem Zahlendreher der Klägerin bei der Abrechnung beruhen (Krankenhausleistungen wurden in der Rechnung vom 19.03.2019 (Anlage K 1) mit 11.104,64 € angesetzt statt den zutreffenden 11.014,63 € (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.01.2020, S. 4) und deshalb zu Unrecht eingeklagt wurden.

2. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind antragsgemäß wie folgt aus einem außergerichtlichen Gegenstandswert in Höhe von 24.193,61 € erstattungsfähig:

1,8 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG abzüglich maximale Anrechnung 0,75 bereinigt auf 1,0 Gebühr: 788,00 €

Auslagen: 20,00 €

19 % Mwst: 153,52 €

GESAMT: 961,52 €

Die Ausübung des billigen Ermessens bei Festsetzung der Rahmengebühr, § 14 Abs. 1 RVG wurde klägerseits dargelegt und war nicht zu beanstanden. Einwendungen gegen die Festsetzung der Rahmengebühr wurden seitens der Beklagtenpartei nicht erhoben.

B.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs 2 Nr. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

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