LG Limburg, Az.: 3 S 271/08, Urteil vom 29.01.2010
Das angefochtene Urteil wird abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für die II. Instanz auf 1.529,24 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Schadensersatz gegen die Beklagte als Tierhalterin geltend.
Sie ritt am 19. Dezember 2006 mit ihrem eigenen Pferd zur Weide und führte das Pferd der Beklagten an der Trense mit. Hintergrund war eine „lose“ Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der jeweils zur Weide Reitende das andere Pferd mitnehmen sollte, um es gelegentlich dessen ebenfalls auf die Weide zu bringen. Die Klägerin befand sich mit den Pferden zunächst in einem eingezäunten Bereich vor der Weide. Nachdem sie das Elektroband zur Weide hin gelöst und das eingangs geöffnete Gatter wieder verschlossen hatte und ihr eigenes Pferd bereits auf die Weide gelaufen war, wurde sie von dem seitlich hinter ihr stehenden Pferd der Beklagten umgestoßen. Das Pferd bewegte sich nun in dem eingegrenzten Bereich vor der Weide, weil es das auf dem Boden liegende, der Klägerin zuvor wegen des Anstoßes aus der Hand gefallene Elektroband nicht überschreiten wollte. Die Klägerin erlitt hierdurch Verletzungen an beiden Beinen. Sie war deswegen vom 19. Dezember 2006 bis zum 12. Januar 2007 arbeitsunfähig und nicht befähigt, den Haushalt zu führen. Sie macht mit der Klage unter Anerkennung eines hälftigen Mitverschuldens ihren materiellen und immateriellen Schaden gegen die Beklagte geltend (50% aus 1.500 € Schmerzensgeld und 50% aus dem Haushaltsführungsschaden von 1.562,40 €).
Die Nebenintervenientin ist die Tierhalterhaftpflichtversicherung der Beklagten. Sie ist der Beklagten beigetreten und führt diesen Prozess. Sie hat erstinstanzlich das Unfallgeschehen dem Grunde nach und den Anspruch der Höhe nach in Abrede gestellt.
Das Amtsgericht hat nach Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen K und G zu dem Unfallgeschehen selbst den haftungsbegründenden Tatbestand als erwiesen angesehen und nach weiterer Beweisaufnahme über die Verletzungen und die Haushaltsführung durch die Beklagte auch den haftungsausfüllenden Sachverhalt im Wesentlichen bejaht und der Klage sonach in Höhe von 1.529,24 € stattgegeben. Zur weiteren Darstellung wird auf das Urteil Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Nebenintervenientin mit der Berufung.
Sie greift die rechtliche Bewertung in dem angefochtenen Urteil wegen der Nichteinstufung als Arbeitsunfall und die Abwägung der Verursachungsbeiträge an. In diesem Zusammenhang rügt sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Amtsgericht ihrem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Umfang der Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin im Umgang mit den beiden Pferden im Vorfeld des Unfallgeschehens nicht nachgegangen sei. Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Das Rechtsmittel der Nebenintervenientin ist an sich statthaft (§ 511 ZPO) und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache selbst hat es Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Klägerin steht zwar grundsätzlich gegen die Beklagte als Tierhaltern ein Schadensersatzanspruch gemäß § 833 S. 1 BGB zu, weil sie – dies wird von der Berufung nicht mehr bestritten – von dem Pferd der Beklagten im behaupteten und in dem angefochtenen Urteil festgestellten Umfang am 19. Dezember 2006 verletzt worden ist.
Ein Haftungsausschluss infolge eines Arbeitsunfalls gemäß §§ 104 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII liegt nicht vor.
Es kann auf sich beruhen, ob – wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung meint – hier infolge eines Gefälligkeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten und der hier vorgegebenen Freizeitgestaltung bei der Haltung der Pferde ein Haftungsausschluss wegen der bei der Klägerin aufgetretenen Sach- und Personenschäden zu verneinen ist. Jedenfalls ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin gerade nicht im Wesentlichen fremdnützig tätig geworden ist. Eben dies ist aber der maßgebliche Grund für den nach den §§ 104, 2 SGB VII vorgegebenen Ausschluss der Inanspruchnahme der Beklagten (vgl. nur Kolb in Geigel, Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Rz. 27, Kap. 31 m. w. N.).
Der Klägerin war ersichtlich primär und damit maßgeblich daran gelegen, ihr eigenes Pferd auf die Weide zu bringen. Dass sie dabei das Pferd der Beklagten absprachegemäß mitgenommen hat, diente der Vereinfachung und macht ihre Gefälligkeit nicht entscheidend zu einer fremdnützigen, hängt doch die Mitnahme des Pferdes der Beklagten allein von dem Interesse der Klägerin ab, ihr Pferd auf die Weide zu bringen.
In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht ist davon auszugehen, dass die Tierhalterhaftung der Beklagten gemäß § 833 S. 1 BGB bei der Bestimmung des Schadensersatzanspruchs dem Grunde wie auch der Höhe nach gegen die die Klägerin ihrerseits treffende Haftung gemäß § 254 Abs. 1 BGB abzuwägen ist.
Es mag hier offen bleiben, ob die Klägerin wegen des Mitführens des Pferdes der Beklagten aufgrund der damit unter Umständen einhergehenden rechtsverbindlichen Abrede einer Tieraufseherhaftung nach § 834 BGB (vgl. Sprau in Pal., BGB, 68. Aufl., Rz. 2, § 834) oder einer deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB unterliegt. In beiden Fällen kommt nämlich ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht in Betracht, weil die Klägerin das Unfallgeschehen und damit auch die hieraus erwachsenen Folgen allein verschuldet hat und folglich hierfür gemäß § 840 Abs. 3 BGB verantwortlich ist.
Direkt anwendbar ist § 840 Abs. 3 BGB auf den vorliegenden Fall zwar nicht, weil hier unmittelbar nur der Ausgleich zwischen mehreren Gesamtschuldnern im Innenverhältnis geregelt wird, wobei die Gesamtschuldner einem geschädigten Dritten zum Ersatz verpflichtet sind. Allerdings kommt eine entsprechende Anwendung in Betracht. Es ist anerkannt, dass die Regelung des § 840 Abs. 3 BGB nicht nur im Verhältnis mehrerer Schädiger untereinander, sondern nach ihrem Sinngehalt auch dann eingreift, wenn es im Rahmen der Verschuldenshaftung um den eigenen, von dem Tier verursachten Schaden des Tierhalters geht (vgl. BGH NJW-RR 1995, 215 f. (216); NJW 2004, 951 ff. (953); OLG Hamm NJW – RR 1990, 794 f.; Sprau, a. a. O., Rz. 12 a. E., § 834). Danach scheidet eine allein auf dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung gemäß § 833 S. 1 BGB beruhende Haftung der Beklagten – dass diese etwa (auch) schuldhaft gehandelt haben könnte, wird von der Klägerin nicht behauptet – gänzlich aus, weit die Klägerin selbst das Unfallgeschehen zu verantworten hat. Dass die Klägerin hier schuldhaft gehandelt hat, steht fest. Sie räumt ihr freilich naheliegendes Fehlverhalten ein und bemisst ihren Anspruch daher folgerichtig mit nur noch 50%. Wenn das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil nur von einem „vermuteten“ Verschulden der Klägerin – wohl unter dem Blickwinkel des § 834 S. 2 BGB – spricht, vermag die Kammer dem daher nicht beizutreten. Soweit das OLG Hamm in dem in der NZV 2003, 423 f. veröffentlichten Urteil vom 25. Februar 2002 davon ausgeht, die entsprechende Anwendung des § 840 Abs. 3 BGB scheide in den Fällen aus, in denen der Geschädigte schuldhaft gehandelt hat, folgt die Kammer dem in dem hier zu entscheidenden Fall nicht Im Gegensatz zu dem von dem OLG Hamm zu bewertenden Sachverhalt war hier gerade nicht von einem vermuteten Verschulden der Klägerin als Geschädigter auszugehen, sondern von einem feststehenden Fehlverhalten, das zudem von ihr selbst mit jedenfalls 50% eingeräumt worden ist. Die Kammer vermag daher hier keine prinzipielle Benachteiligung der anspruchstellenden Geschädigten zu erkennen. Ein nur geringes oder minimales Verschulden, das der Tiergefahr gegenübergestellt werden müsste, liegt hier offenkundig nicht vor Es mag daher auch auf sich beruhen, ob nicht bereits unabhängig von der Regelung in § 840 Abs. 3 BGB von einem haftungsüberlagernden und im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden Fehlverhaften der Klägerin auszugehen war.
Die mit der obigen Bewertung einhergehende fehlende Haftung der Beklagten hat zur Folge, dass dem Antrag der Nebenintervenientin auf Einholung einer sachverständigen Bewertung über das Maß des Fehlverhaltens der Klägerin nicht mehr nachzugehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 ZPO, 26 Ziff. 8 EGZPO.
Der Streitwert für die 2. Instanz entspricht der Beschwer der Beklagten.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 543 ZPO.