VG Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 1/20 – Beschluss vom 03.02.2020
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5. Januar 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2019 wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 182.800,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen das im angegriffenen Bescheid vom 4. Dezember 2019 ausgesprochene Haltungs- und Betreuungsverbot von Rindern durch ihn oder in seinem Namen unter gleichzeitiger Anordnung der Bestandsauflösung seines gesamten Rinderbestandes bis zum 12. Januar 2020 begehrt, hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da der Antragsgegner nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Hinsichtlich der darüber hinaus in dem Bescheid vom 4. Dezember 2019 angedrohten Fortnahme und Veräußerung des Rinderbestandes für den Fall der – auch teilweisen – Nichtbefolgung der zuvor genannten Anordnungen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft, da einem Widerspruch gegen diese Vollzugsmaßnahme bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 248 Abs. 1 Satz 2 Landesverwaltungsgesetz – LVwG -, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Darüber hinaus überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der Verfügung im Einzelfall auch das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Die Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Haltungs- und Betreuungsverbotes sowie die Bestandsauflösung im Bescheid vom 4. Dezember 2019 in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen (OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2016 – 8 B 1395/15 –, juris). Denn diese Frage ist erst im Rahmen der nachfolgenden Interessenabwägung zu klären.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Erwägungen des Antragsgegners lassen einen Einzelfallbezug klar erkennen. Aus der Begründung auf Blatt 10 f. der angegriffenen Verfügung (vgl. Bl. 21 f. der Gerichtsakte) geht hervor, dass dem Antragsgegner der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Einzelfall bewusst war. Er geht ausführlich darauf ein, dass das Abwarten eines möglichen Rechtsschutzverfahrens aus tierschutzrechtlichen Gründen mit Blick auf die seit Jahren beim Antragsteller festgestellten tierschutzwidrigen Zustände, die er in der Vergangenheit allenfalls durch den Druck engmaschigster amtstierärztlicher Kontrollen vorübergehend und dabei lediglich ein Mindestmaß tiergerechter Zustände schaffend abstellen konnte, nicht hinnehmbar sei. Aufgrund der fehlenden Einsicht des Antragstellers hinsichtlich der Intensität der Missstände in seiner Rindermasthaltung könne die Rinderhaltung während eines etwaigen Rechtsschutzverfahrens auch nicht von anderen Personen in dem höflichen Umfeld ausgeübt werden, da nicht zu erwarten sei, dass der Antragsteller diese so anweisen würde, dass dauerhaft tierschutzgerechte Haltungszustände sichergestellt würden. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die verschlechterte gesundheitliche sowie finanzielle Situation des Antragstellers. Auch hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Bestandsauflösung ist sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen. Er hat diesbezüglich ausgeführt, dass die sofortige Bestandsauflösung aufgrund der vom Antragsteller praktizierten Lohnmast, für die er Jungtiere Dritter einstalle, mäste und verkaufe, für den Antragsteller keine irreversiblen Folgen hätte, wenn er im Hauptsacheverfahren obsiege, weil er in diesem Fall umgehend einen neuen Bestand aufbauen könne. Mit der Umsetzungsfrist von über einem Monat werde dem Antragteller genügend Zeit eingeräumt, den Bestand – ggfs. auch durch eine finanziell zufriedenstellende Vermarktung – aufzulösen. Rechtliche Bedenken stehen diesen Erwägungen nicht entgegen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, also in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aussetzungsinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein.
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als unbegründet, weil bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse der Antragsteller an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung überwiegt. Die Verfügung des dauerhaften Haltungs- und Betreuungsverbotes (1.) sowie der Bestandsauflösung seines Rinderbestandes bis zum 12. Januar 2020 mit der Maßgabe, dass eine Abgabe an Vater oder Schwester unzulässig ist (2.) vom 4. Dezember 2019 erweisen sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Auch gegen die Auflagen der verhaltens- und bedarfsgerechten Unterbringung, Versorgung und Betreuung des Bestandes bis zur Auflösung sowie der tierschutzgerechten und gefahrlosen Durchführung der für die Bestandsauflösung abzuwickelnden Vorgänge selbst bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Darüber hinaus besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Anordnungen und Auflagen (3.).
Die angegriffene Verfügung ist zunächst formell rechtmäßig.
Der Antragsteller wurde vor Erlass der Verfügung durch Schreiben vom 6. November 2019 gemäß § 87 Abs. 1 LVwG angehört und hatte ausreichend Möglichkeit, zur beabsichtigten Ordnungsverfügung Stellung zu nehmen. Auch wurde ihm bzw. seiner Prozessbevollmächtigten gemäß § 88 LVwG Akteneinsicht gewährt. Es kann letztlich offen bleiben, ob hierzu hinreichend Zeit und auch Vervielfältigungsmöglichkeit – wie sie § 88 Abs. 5 LVwG dem Grunde nach vorsieht – eingeräumt worden sind, denn jedenfalls sind die Verwaltungsvorgänge im gerichtlichen Verfahren zur Einsichtnahme und ggfs. Vervielfältigung an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers übersandt worden, sodass ein etwaiger Verfahrensfehler jedenfalls geheilt wäre.
Die angegriffene Verfügung ist auch inhaltlich bestimmt genug. Soweit der Antragsteller unzureichende Nennung von Ermächtigungsgrundlagen rügt, ist der Einwand nicht nachvollziehbar. Das Bestimmtheitsgebot aus § 108 Abs. 1 LVwG bezieht sich zum einen lediglich auf den verfügenden Teil und nicht auf die Begründung, zum anderen setzt es lediglich voraus, dass sichergestellt ist, zwischen wem (Adressat, Betroffenem und Behörde) die Rechtsbeziehung geregelt werden und wie die Regelung aussehen soll (Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 37 Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben und werden vom Antragsteller auch nicht in Frage gestellt. Auf die – hier durch Verweis der Ziffer 1 auf § 16a Abs. 1 Ziff. 3 Tierschutzgesetz (TierSchG) sogar gegebene – korrekte Nennung der Ermächtigungsgrundlage kommt es nicht an. Soweit der Antragsgegner in der Begründung des Bescheides auf Seite 3 oben die anwendbaren Gesetze, untergesetzlichen Konkretisierungen sowie Richtlinien hinweist und Verstöße gegen diese aufführt, mit denen er den Erlass der Verfügung begründet, unterliegt diese Begründung nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz und obliegt es, wenn nicht bereits dem Antragsteller nach § 2 Nr. 3 TierSchG selbst doch jedenfalls seiner Prozessbevollmächtigten, die (Rechts-) Grundlagen art- und verhaltensgerechter Rinderhaltung sowie deren Inhalt zu kennen bzw. sich im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung Kenntnis hiervon zu verschaffen.
Auch bestehen keine Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung.
1. Die tierschutzrechtliche Anordnung eines dauerhaften Haltungs- und Betreuungsverbotes findet ihre Rechtsgrundlag in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss nach § 2 TierSchG das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Gemäß § 16a Abs. 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere nach Satz 2 Nr. 3 TierSchG demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nummer 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von der Erlangung eines entsprechenden Sachkundenachweises abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
Diese Annahme ist mit Blick auf die Rinderhaltung des Antragstellers gerechtfertigt. So hat der Antragsteller in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum den Vorschriften des § 2 TierSchG zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen Mastrindern länger anhaltende Schmerzen, Leiden und erhebliche Schäden zugefügt. Dabei setzt das Merkmal der erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen, Leiden oder erheblichen Schäden voraus, dass die Schmerzen, Leiden oder Schäden mehr als nur geringfügig, mithin also gravierend, gewichtig oder beträchtlich sind. „Leiden“ sind dann anzunehmen, wenn Tiere über einen nicht nur ganz geringfügigen Zeitraum hinweg in ihrem natürlichen Wohlbefinden beeinträchtigt werden. Wegen der Schwierigkeit, dies im Einzelfall nachzuweisen, reichen auch „einfache“ Schmerzen oder Leiden aus, wenn sie länger anhalten. Dabei ist ausreichend, wenn sich die genannten Beeinträchtigungen nur bei einem Teil der Tiere des betroffenen Bestandes feststellen lassen (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Komm. 3. Aufl., § 16a, Rn. 46 m. w. N.).
Die Voraussetzungen sind im Falle des Antragstellers erfüllt. Hinsichtlich der tragenden Feststellungen wird zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO vollumfänglich auf die zur Begründung gemachten Ausführungen der angegriffenen Verfügung sowie die dieser zu-grundliegenden amtstierärztlichen Kontrollvermerke der Kontrollen am 31. Juli, 16. Oktober 2019, 20., 21. und 22. Januar 2020 Bezug genommen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der tierschutzrechtlichen Anordnungen in dem Bescheid vom 4. Dezember 2019 ist vor allem zu berücksichtigen, dass bei der Beantwortung der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, den verbeamteten Tierärzten qua Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist. Hierdurch wird die bestehende Rechtsschutzgarantie nicht beeinträchtigt. Denn das Gericht überprüft, ob sich die Beurteilungen der zuständigen Amtstierärzte innerhalb der rechtlichen Vorgaben bewegen und unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers fachlich vertretbar sind. Die Einschätzung des zugezogenen beamteten Tierarztes wird vom Gesetz in § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG im Regelfall als maßgeblich angesehen. Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sind die Amtstierärzte für Aufgaben wie diese eigens bestellt (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). In einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen kommt ihrer fachlichen Beurteilung daher besonderes Gewicht zu (siehe BVerwG, Beschluss vom 2. April 2014 – 3 B 62/13 –, juris Rn. 10; OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2016 – 11 LB 29/15 –, juris Rn. 39; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 – OVG 5 S 27.12 -, ju-ris Rn. 4 m.w.N.; VGH München, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 B 05.3146 –, juris Rn. 29). Die vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und die ihnen zugrundeliegenden Feststellungen können nicht durch schlichtes Bestreiten entkräftet werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – OVG 5 S 10.10 –, juris Rn. 9). Dies vorangeschickt, hat die Kammer weder Bedenken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Einordnung dieser.
So hat der Antragsgegner in der angegriffenen Verfügung unter Hinweis auf die bereits seit dem Jahr 2010 immer wieder festgestellten Missstände bei der Rindermasthaltung des Antragstellers sowie die infolgedessen bereits im Jahr 2017 ergangene tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung ausgeführt, dass ein Großteil der Haltungseinrichtungen des Antragstellers nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Unterbringung von Rindern gerecht werden. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 2 TierSchG i. V. m. §§ 3 ff. der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV).
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 TierSchNutztV muss die Haltungseinrichtung sauber gehalten werden, insbesondere müssen Ausscheidungen so oft wie nötig entfernt werden, und Gebäudeteile, Ausrüstungen und Geräte, mit denen die Tiere in Berührung kommen, in angemessenen Abständen gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Auch laut Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung (abrufbar über: https://www.laves.niedersachsen.de/tiere/tierschutz/tierhaltung/rinder/tierschutzleitlinie-fuer-die-mastrinderhaltung-162378.html) sollte der Boden des Laufhofes/Auslaufs unabhängig von der Witterung möglichst trittsicher, rutschfest und sauber sein. Damit Regenwasser und flüssige Ausscheidungen abfließen, wird der üblicherweise planbefestigte Laufhofboden mit einem leichten Gefälle (ca. 2- 3 %) versehen. […] Feste Ausscheidungen müssen regelmäßig entfernt werden. Die Entmistung erfolgt üblicherweise mit Schlepper und Schiebeschild.
Auf dem kleinen und großen Auslauf des Antragstellers standen die Rinder hingegen bei amtstierärztlichen Kontrollen am 31. Juli, 16. und 30. Oktober 2019 wiederholt und anhaltend bis über die Sprunggelenke in Jauche bzw. in einem Gemisch aus Schlamm und Ausscheidungen. Dies gilt auch bezüglich eines Großteils der übrigen Haltungseinrichtungen der Rinder, denn auch in den Laufbuchten des ehemaligen Schweinestalls und in den Spaltbodenbuchten im großen Stall standen die Rinder bei den durchgeführten Kontrollen in der Vergangenheit in ihren eigenen Ausscheidungen und die Stallhygiene war mangelhaft bis unzureichend (vgl. hierzu Kontrollvermerk vom 9. August 2019, Bl. 816 ff. und Fotodokumentation Bl. 825 ff. des Verwaltungsvorgangs und 874 des Verwaltungsvorgangs bezüglich der Kontrolle am 8. Oktober 2019; Telefonvermerk des Antragsgegners zu Aussagen des Hoftierarztes Dr. E./R. zu tagelang wegen vorrangiger Maishäckselarbeiten nicht abgeschobenen Ausläufen auf Bl. 869 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs; Kontrollvermerk vom 22. Oktober 2019, Bl. 895 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs).
Dabei sollen laut der Tierschutzleitlinie für Mastrinder in den auch beim Antragsteller vorzufindenden Tretmist- bzw. Tiefstreuställen den Tieren eine weiche, verformbare und wärmegedämmte Liegefläche zur Verfügung stehen. Die Mistmatratze muss dabei gut gepflegt sein bzw. das Tretmistsystem muss funktionieren; der Liegebereich muss möglichst sauber und trocken gehalten werden, hier darf sich in Trittsiegeln auf keinen Fall Flüssigkeit sammeln. Wird an Einstreu gespart und die Mistmatratze nass, sinken die Tiere im Morast ein; das Klauenhorn weicht auf, wodurch die Entstehung von Klauenerkrankungen begünstigt wird. Im Liegen sind die Mastrinder einer vermehrten Ammoniakbelastung ausgesetzt, was zur Reizung des Atmungsapparates führen kann. Die Tiere verschmutzen stärker, dadurch können Hautprobleme entstehen. Dass die Einstreumatratze durch den Antragsteller wiederholt nicht hinreichend erneuert wurde, ist in den Verwaltungsvorgängen umfangreich dokumentiert (vgl. nur Bl. 827, 837 ff. des beigezogenen Verwaltungsvorgangs), wobei sich die dadurch begünstigte Entstehung von Hautproblemen bereits in der festgestellten Flechte bei einigen der Rinder des Antragstellers manifestiert hat (vgl. hierzu unten).
Diesbezüglich verfängt auch der Vortrag des Antragstellers nicht, dass die bei anhaltenden Kontrollen während des Eilverfahrens weiterhin dokumentierte Verschlammung (vgl. Vermerk des Amtsveterinärs Dr. K. vom 21. Januar 2020, Bl. 1 der Beiakte C) der Ausläufe der überdurchschnittlich regenreichen Witterung zuzuschreiben sei, die jedenfalls nicht an allen Kontrolltagen seit Juli 2019 Ursache gewesen sein dürfte. Die Argumentation lässt einen Verstoß gegen Bestimmungen des Tierschutzes auch nicht entfallen. Denn sollten die natürlichen Gegebenheiten auf dem Hof des Antragstellers keine hinreichenden Haltungsbedingungen für Rinder darstellen, so ist es dennoch an ihm, diese durch unterstützende Maßnahmen, gffs. durch Installation angemessener Ablauf- bzw. Entwässerungsvorrichtungen sicherzustellen.
Auch die dokumentierte Baufälligkeit des Unterstands an der Maschinenhalle in A-Stadt und des Stalls in Witzeeze (vgl. u. a. Ausführungen S. 7 des Bescheides, Bl. 18 der Gerichtsakte und Fotodokumentation Bl. 875 ff. des beigezogenen Verwaltungsvorgangs), in denen Rinder gehalten werden, genügt nicht den Anforderungen an tierschutzgerechte Haltungsbedingungen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 TierSchNutztV müssen Haltungseinrichtungen nach ihrer Bauweise, den verwendeten Materialien und ihrem Zustand so beschaffen sein, dass eine Verletzung oder sonstige Gefährdung der Gesundheit der Tiere so sicher ausgeschlossen wird, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Dies ist nicht gegeben, denn das Dach des Unterstandes an der Maschinenhalle ist nach nachvollziehbaren und unbestrittenen Ausführungen des Antragsgegners unverändert baufällig, es hängen Dachteile herunter und bestehen defekte Holzverkleidungen, von denen Verletzungsgefahr für die eingestellten Rinder ausgeht. Auch wurden zum Teil Verunreinigungen der Ställe und nicht bedarfsgerechte Halteeinrichtungen durch im Aktionsradius der Rinder stehende Mülltonnen festgestellt, die von diesen zum Teil bereits durchwühlt worden sind (Bilder 12 und 13 zur Kontrolle am 20. Januar 2020 in der Beiakte C).
Es liegen zudem Mängel in der Versorgung mit Frischwasser in Teilen der Haltungseinrichtungen vor. Hierzu regelt § 3 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV, dass Haltungseinrichtungen mit Fütterungs- und Tränkeinrichtungen ausgestattet sein müssen, die so beschaffen und angeordnet sind, dass jedem Tier Zugang zu einer ausreichenden Menge Futter und Wasser gewährt wird und dass Verunreinigungen des Futters und des Wassers sowie Auseinandersetzungen zwischen den Tieren auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Dies ist nicht bei allen zur Rinderhaltung des Antragstellers genutzten Einrichtungen der Fall. So wurde bei der amtstierärztlichen Kontrolle am 31. Juli 2019 festgestellt, dass die Tränkeinrichtung in der Laufbucht hinter dem kleinen Auslauf defekt war. Die dort gehaltenen Rinder tranken daraufhin zehn Minuten gierig Wasser aus den von den Amtstierärzten angebotenen Eimern (insgesamt 80 Liter, vgl. Bl. 816 f. des Verwaltungsvorgangs). Auch im kleinen Stall war nicht sichergestellt, dass die dort gehaltenen Kälber jederzeit Zugang zu ausreichenden Mengen sauberen Wassers haben. So war das dort in der Mauerbütt angebotene Wasser dunkelbraun. Als den Kälbern frisches Wasser aus dem Schlauch im Futtertrog angeboten wurde, tranken sie gierig. Im Remisengebäude lief das Wasser in den dortigen Selbsttränken sehr langsam. Selbiges wurde im großen Stallgebäude festgestellt. Der Antragsgegner geht davon aus, dass die gemäß Landwirtschaftskammer empfohlene Durchlaufmenge von 10 Litern/Minute (vgl. Ausdruck Bl. 822 des Verwaltungsvorgangs) voraussichtlich nicht erreicht werde (vgl. hierzu auch Telefonvermerk des Antragsgegners zu Aussagen des Hoftierarztes Dr. E./R. zu mangelnder Funktionsbereitschaft und mangelnden Wasserdurchlaufs von Tränkeinrichtungen in mehreren Stallbuchten auf Bl. 869 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs). Auch bei der noch während des Eilverfahrens am 20. Januar 2020 durchgeführten Kontrolle hatte ein Teil der Rinder (jene im Auslauf neben dem Stallgebäude) kein Tränkwasser zur Verfügung, da die Selbsttränken in der Laufbucht des Wohnhausgebäudes keinen Wasserzulauf hatten und eine Beckentränke nicht zur Verfügung stand. So wurden einige Tiere durch die kontrollierenden Amtsveterinäre beim Trinken aus Matschpfützen beobachtet (vgl. Vermerk Dr. K. vom 21. Januar 2020, Bl. 1 ff. der Beiakte C). Hiergegen greift das pauschale Bestreiten der Richtigkeit dieser Angaben durch den Antragsteller nicht durch. Darüber hinaus macht er mit seinem Vortrag, dass es notwendig sei, die Wasserzufuhr in gewissen Zeitabständen zu reduzieren, selbst deutlich, dass die Haltungseinrichtungen für die gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 Nr. 4 TierSchNutztV vorgeschriebene dauerhafte Zurverfügungstellung ausreichenden frischen Tränkwassers nicht geeignet sind.
Ebenfalls einen Verstoß gegen § 4 Abs.1 Nr. 4 TierSchNutztV stellen die im Verwaltungsvorgang dokumentierten und nicht mehr zur Fütterung geeigneten, teilweise schimmeligen Futterreste in den Futterkrippen dar (vgl. Fotodokumentation der Kontrolle am 31. Juli 2019 auf Bl. 829 des Verwaltungsvorgangs; Bild 4 f. der Nachkontrolle am 22. Januar 2020 in Beiakte C).
Auch wurden im Rahmen der Kontrollen seit Juli 2019 mehrfach Rinder in schlechtem Ernährungszustand, Rinder mit Flechte, Blutergüssen und teilweise hochgradigen Beinlahmheiten festgestellt.
Hinsichtlich der von den untersuchenden Amtsveterinären gemachten Feststellungen schlechter Ernährungszustände wird auf den Kontrollvermerk vom 9. August 2019 bzgl. der Kontrolle am 31. Juli 2019 sowie die dokumentierenden Fotos auf Bl. 831 ff. des Verwaltungsvorgangs verwiesen, auf denen die unterernährten Rinder auch per Ohrmarke und HI-Ausdruck zugeordnet sind, wobei die Zuordnung für die Beweiskraft der amtstierärztlichen Stellungnahme und der Fotos sowie der Bestimmtheit des Bescheides entgegen dem Einwand des Antragstellers völlig unerheblich ist. Es bedarf auch keiner Laborbefunde, denn der schlechte Ernährungszustand ist selbst für die Kammer augenscheinlich. Zudem kommt den amtstierärztlichen Stellungnahmen hier erhöhte Beweiskraft zu (vgl. dazu oben). Auch in der Kontrolle am 20. Januar 2020 wurde mindestens ein weiteres Rind mit schlechtem Ernährungszustand festgestellt, welchem ein Aufstehen lediglich mit Fremdhilfe möglich war (vgl. Fotodokumentation Beiakte C, Bild 63 f.). Auch ein an dem Tag festgestelltes totes Tier in den Spaltbuchten (vgl. Beiakte C, Bild 14 ff.) war laut handschriftlichem Vermerk der kontrollierenden Amtstierärzte hochgradig abgemagert und hatte tief eingefallene Augäpfel. Es ist zu vermuten, dass das Tier bereits länger tot war (hierzu Kontrollvermerk Dr. B. vom 21. Januar 2020 in Beiakte C). In der nicht umgehenden Entfernung toter Tiere liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 TierSchNutztV.
Bezüglich festgestellter Lahmheit wird u. a. auf den o. g. Kontrollvermerk vom 9. August 2019 (Bl. 817 des Verwaltungsvorgangs) sowie das zugehörige Foto des hochgradig lahmen Rindes mit dick geschwollenen hinterem Fesselgelenk auf Bl. 848 des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Darüber hinaus sind auch bei der Kontrolle am 20. Januar 2020 (vgl. amtstierärztlicher Vermerk vom 21. Januar 2020 und zugehörige Bilder 42-44, 49, 51, 59 ff.) teils hochgradig lahme Rinder festgestellt worden.
Hinsichtlich der Rinder mit erheblicher Flechte wird auf den Kontrollvermerk vom 22. Oktober 2019 bzgl. der Kontrolle am 16. Oktober 2019 verwiesen, in dem drei Rinder als erkrankt identifiziert und mittels Ohrmarke benannt werden. Darüber hinaus wird Bezug genommen auf den Vermerk bezüglich der Kontrolle am 20. Januar 2020. Hierzu ist im Verwaltungsvorgang auch aussagekräftiges Fotomaterial enthalten (vgl. zu allem Bl. 1 ff. und Bilder 35-38, 41, 47, 53 ff. der Beiakte C).
Auch hält der Antragsteller behornte und unbehornte Tiere entgegen § 2 Nr. 1 TierSchG und entsprechend anderslautender Empfehlungen zu art- und verhaltensgerechter Haltung zusammen (vgl. Seite 24 der Tierschutzleitlinie für Mastrinder). Hieraus resultieren Verletzungs- und Gesundheitsrisiken, die sich in den während der Kontrolle am 16. Oktober 2019 festgestellten brotlaib- bzw. fußballgroßen Blutergüssen der Rinder mit den Ohrmarken DE 150 444 3561 und DE 150 415 8911 bereits manifestiert haben dürften.
Die Behörde muss zur Auferlegung eines Halteverbots nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG den Eintritt von Schmerzen, Leiden und Schäden bei den Tieren nicht abwarten. Liegen, wie im Falle des Antragstellers, über längere Zeit gravierende Verstöße gegen § 2 TierSchG vor, ist die Untersagung der Tierhaltung bereits dann gerechtfertigt, wenn die Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Die zuständige Behörde muss demnach nicht gleichsam sehenden Auges zuwarten, bis bei den Tieren tatsächlich erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (VGH Kassel, Beschluss vom 24. April 2006 – 11 TG 677/06 –, juris Rn. 26; VGH Mannheim, Beschluss vom 25. April 2002 – 1 S 1900/00 –, juris Rn. 10).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe bestehen keine Zweifel daran, dass den vom Antragsteller gehaltenen Rindern aufgrund der festgestellten Verstöße über längere Zeit bereits Leiden, Schmerzen und Schäden entstanden sind und im Falle der fortgesetzten Haltung auch weiterhin entstünden, denn aus den umfangreich dokumentierten Haltungs-, Ernährungs- und Pflegemissständen in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners wird deutlich, dass es sich entgegen des Einwands des Antragstellers nicht nur um Momentaufnahmen handelt. Die Mängel der Mastrinderhaltung des Antragstellers sind nach Auffassung der Kammer vielmehr systemischer Art und folglich wiederkehrend und wiederholt von gewisser Dauer, sodass sie das verhängte Haltungs- und Betreuungsverbot rechtfertigen.
Auch greift der Einwand des Antragstellers, der Antragsgegner habe seine Rinderhaltung jahrelang gebilligt, nicht durch. Zunächst ist nicht erkennbar, dass ein solches Verhalten seitens des Antragsgegners tatsachlich vorlag. Vielmehr gibt es seit Jahren regelmäßige Kontrollen und Beanstandungen, die auch bereits zur Untersagung der Schweinemast des Antragstellers und zu einem im Nachhinein aufgehobenen Rinderhaltungsverbot geführt haben. Von der beabsichtigten Untersagung der Rinderhaltung und -betreuung wurde nur abgesehen, weil der Antragsteller umfangreiche (bauliche) Änderungen und eine Bestandreduzierung zugesagt hatte. Hieraus lässt sich jedoch keine Billigung schließen, sondern allenfalls die Einigung auf ein milderes Mittel. Selbst die vom Antragsteller vorgetragene Untätigkeit durch den Antragsgegner als wahr unterstellt, lässt sich daraus weder ableiten, dass die oben ausgeführten Verstöße nicht gravierend und rechtlich relevant wären, noch, dass man von ihrer Ahndung dauerhaft Abstand genommen hätte. Hieraus ergibt sich kein Verwirken der Einschreitens- und Regelungsbefugnis durch die öffentliche Verwaltung oder ein Vertrauenstatbestand auf (amtspflichtwidriges) Nichteinschreiten.
Weiterhin liegen auch Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. So sind lediglich durch die zuletzt fast täglichen Kontrollen des Antragsgegners die Haltungseinrichtungen und Versorgungszustände so nachjustiert worden, dass sie jedenfalls ein Mindestmaß elementarer Bedürfnisse der Rinder decken bzw. einhalten. Eine dauerhafte engmaschige Überwachung durch die zuständigen Behörden ist jedoch nicht vorgesehen. Dass dem Antragsteller bereits im Jahr 2017 neben der Schweinemast zunächst auch die Rindermast untersagt wurde und das Verbot nur aufgrund der an einem „runden Tisch“ vereinbarten Bestandsverringerung sowie umfassender baulicher und organisatorischer Änderungen im Betrieb wieder aufgehoben wurde, spricht angesichts der obigen Verstöße ebenfalls gegen eine nachhaltige Veränderung der Haltungsbedingungen zum Positiven.
Der Antragsteller ist auch nach wie vor verantwortlicher Halter und Betreuer seines Bestandes. Dem stehen auch nicht die vom Antragsteller vorgelegten privatrechtlichen Verträge mit dem gelernten Landwirt N. R. und Frau C. H. entgegen, da diese keine Bestandsauflösung unter Beseitigung der Halter- und Betreuereigenschaft darstellen.
Unbeschadet des Umstands, dass die nach Erlass der Ordnungsverfügung geschlossenen Verträge nicht nur den Verdacht nahelegen, sondern laut Aussage der Prozessbevollmächtigten sogar dazu gedacht sind, die tierschutzrechtliche Verantwortung des Antragstellers auf Dritte zu übertragen, ergibt sich aus ihnen nicht, dass sich an den Haltungs- und Betreuungsumständen de facto etwas ändern wird, denn nach wie vor ist der Antragsteller – auch nach der Vereinbarung – für die Rindermast in seinem Betrieb zuständig. Darüber hinaus ist eine angemessene und ordnungsgemäße Betreuung einer Rinderherde von erheblicher Größe nicht durch diese Vertragsgestaltung gesichert. Bei den genannten Vertragspartnern handelt es sich nicht um solche Kräfte, die den erheblichen Aufwand der täglichen Betreuung einer tierschutzfachlich problematischen Herde dieser Größe im Alltag vor Ort tatsächlich selbst durchführen können; von einer Fachkraft, die zunächst lediglich mit Verwaltungsaufgaben betreut sein soll und einem anderer Landwirt (mit offenkundig eigenem Hof) steht nicht zu erwarten, dass sie zeitlich in der Lage sind, die tatsächliche Betreuung der Tiere vor Ort zu übernehmen. Darum geht es indes bei der Sicherstellung der pfleglichen und den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechenden Unterbringung und Versorgung der Tiere. Eine bloße andere Aufsicht über die beim Antragsteller untergebrachten Tiere kommt diesen Anforderungen nicht nach.
Die vorgelegten Verträge enthalten auch keinerlei Regelungen darüber, dass die Vertragspartner auch z.B. die volle tierschutzrechtliche Verantwortung in finanzieller Hinsicht übernehmen, die ebenfalls Bestandteil der Halter-und Betreuereigenschaft ist.
Die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots von Rindern erfolgte auch ermessensfehlerfrei. Das Verbot dient einem legitimen Zweck und ist als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen. Zweck des Verbotes ist der in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Tiere. Das Verbot ist auch geeignet, die tierschutzrechtlichen Missstände zu beheben. Die Anwendung eines milderen Mittels kommt nicht in Betracht, weil der Antragsteller sich nicht in der Lage gezeigt hat, die erforderlichen Haltungsbedingungen für Rinder nachhaltig zu gewährleisten. Diese Annahme ergibt sich zum einen angesichts der langjährig dokumentierten Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und auch mit Blick darauf, dass es dem Antragsteller selbst unter erheblichem Kontrollzwang des Antragsgegners weder nachhaltig noch umfassend gelungen ist, art- und bedarfsgerechte Haltungsbedingungen für die von ihm gehaltenen Rinder sicherzustellen und zu gewährleisten. Auch die Bestandsverdoppelung von den vereinbarten 200 Rindern auf nunmehr 457 spricht für diese negative Prognose. Denn hieraus lässt sich auch erkennen, dass das Gewinnstreben des Antragstellers dem Tierwohl gegenüber offenbar Vorrang hat. Dies gilt auch mit Blick auf das am 9. Oktober 2019 eröffnete Insolvenzverfahren über sein Vermögen (vgl. Bl. 892 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs). Dieser negativen Zukunftsprognose stehen das von ihm eigereichte Haltungskonzept und die hierin beabsichtigte (erneute) Bestandsreduzierung, die Fortsetzung der Umbau- und Sanierungsarbeiten mithilfe finanzieller Mittel seiner Schwester, die Einstellung einer Fachkraft, die Sicherstellung tierschutzgerechter Haltungseinrichtungen sowie der art- und tierschutzgerechten Ernährung, Pflege und Haltung nicht entgegen. Zwar wären diese Maßnahmen grundsätzlich geeignet, dem Zweck des Tierschutzes zuzutragen. Ihre Umsetzung wird durch den Antragsteller jedoch weder durch tatsächliche nächste Handlungsschritte konkretisiert, noch wird deutlich, dass der Antragsteller die angestrebten Veränderungen aus eigener Kraft und unabhängig von – auch bislang offenbar nur bedingt erfolgreicher – Unterstützung Dritter durchsetzen kann. Darüber hinaus spricht der nunmehr beobachtete Ausgang ähnlicher Bemühungen seit dem Jahr 2017 nicht für einen zu erwartenden Erfolg, worauf auch der Antragsgegner im Schreiben vom 7. Januar 2020 hingewiesen hat (vgl. Bl. 37 der Gerichtsakte).
Das Haltungs- und Betreuungsverbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn, da angesichts der erheblichen Unzulänglichkeiten in der Tierhaltung des Antragstellers die Belange des Tierschutzes gemäß Art. 20a GG höher zu gewichten sind als das Interesse des Antragstellers am Erhalt des Besitzes der Rinder zum Zwecke der Mast und Auftragsveräußerung (Art. 12 Abs. 1 GG). Ein milderes Mittel, welches dem Zweck des Tierschutzes zu dienen gleichermaßen geeignet ist, ist auch nicht in der Umsetzung des oben dargestellten Reorganisationskonzeptes zu sehen, denn dies birgt das Risiko einer weiteren Gefährdung der Rinder durch die Haltungsbedingungen des Antragstellers. Dies gilt unabhängig davon, dass er eine deutliche Bestandsreduzierung anstrebt. Zum einen ist ungewiss, dass er diese tatsächlich zeitnah erfolgreich vornimmt, zum anderen muss er bis dahin weiterhin alle Rinder halten, was nach Auffassung der Kammer selbst für einen kurzen Zeitraum mit Blick auf die langanhaltenden erheblichen Vernachlässigungen der Rinder in der Vergangenheit nicht verantwortbar ist. Das ausgesprochene Verbot ist folglich nicht wegen der Auswirkungen auf das Eigentum oder die Erwerbstätigkeit unangemessen im engeren Sinne. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass die Fortsetzung der Rindermast als Bestandteil der betrieblichen Freigabeerklärung Teil der insolvenzrechtlichen Vereinbarung mit dem zuständigen Insolvenzverwalter sind und eine Untersagung die sinnvolle insolvenzrechtliche Betriebsabwicklung unterliefe, muss dieses Argument als ermessensfremd unberücksichtigt bleiben.
2. Auch die in Ziffer 2. des Bescheides vom 4. Dezember 2019 verfügte Bestandsauflösung stellt sich nach alledem als offensichtlich rechtmäßig dar. Rechtsgrundlage ist § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG, dessen Voraussetzungen nach obigen Ausführungen erfüllt sind.
Dabei erweist sich auch die Frist bis zum 12. Januar 2020, die nunmehr durch das Eilrechtsschutzverfahren faktisch erheblich verlängert worden ist, nicht als unangemessen kurz. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass der Antragsteller als (lediglich) Besitzer der Tiere entweder die Lohmastverträge mit den ursprünglichen Eigentümern zeitnah rückabwickeln bzw. die schlachtreifen Rinder vereinbarungsgemäß verwerten könnte.
3. Es besteht schließlich auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Haltungs- und Betreuungsverbots sowie der Bestandsauflösung, welches das Interesse des Antragstellers an dessen vorläufigem Nichtvollzug überwiegt. Das besondere öffentliche Interesse ergibt sich daraus, dass es dringlich geboten ist, weitere mögliche Leiden von Tieren zu vermeiden, wobei dieses Interesse angesichts der vom Antragsgegner ermittelten und dokumentierten erheblichen Missstände und die hiervon zahlreich betroffenen Rinder über das allgemeine Interesse, tierschutzrechtliche Verfügungen durchzusetzen, hinausgeht.
Gegen die im Bescheid im Sinne des Zwangsmittels der Ersatzvornahme gemäß §§ 228 Abs. 2, 229, 236, 238 LVwG i. V. m. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG angedrohte Bestandsauflösung im Wege der Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der Rinder auf Kosten des Antragstellers bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Der Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und bemisst sich am hälftigen Wert des mit der Vermarktung der Rinder nach den Angaben des Antragstellers zu erzielenden Umsatzes.