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Tiervernachlässigung – Fortnahme und Tierhaltungsverbot

VG Potsdam, Az.: 3 L 148/13, Beschluss vom 15.05.2013

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. März 2013 gegen die Fortnahmeverfügung des Antragsgegners vom 12. März 2013 und die Veräußerungsverfügung des Antragsgegners vom 15. März 2013 wiederherzustellen und

die streitgegenständlichen Pferde an den Landwirtschaftsmeister …, … 77, … …/OT …, an dessen übernommenen Betriebssitz in der … 36 in … … herauszugeben, hat keinen Erfolg.

Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der o. g. Verfügungen das private Interesse der Antragstellerin an einem Aufschub von Vollzugsmaßnahmen. Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die auf § 16 a Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützte Fortnahme und anderweitige Unterbringung der 139 von der Antragstellerin gehaltenen Pferde (siehe dazu unter 1.) sowie die auf § 16 a Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützte Veräußerungsverfügung (siehe dazu unter 2.) gerechtfertigt ist.

1.

Tiervernachlässigung – Fortnahme und Tierhaltungsverbot
Symbolfoto: alptraum/Bigstock

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Ziffer 3 des Bescheids vom 12. März 2013 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Der Antragsgegner hat insoweit ausgeführt, dass die nicht artgerechte Haltung der betroffenen Pferde über die Dauer eines möglicherweise mehrere Monate währenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens nicht hingenommen werden kann. Dies ist nicht zu beanstanden.

Nach § 16 a Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 TierSchG kann die zuständige Behörde, die nach § 16 a Satz 1 TierSchG die zur Beseitigung festgestellten Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen trifft, ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwere Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Die Voraussetzungen für ein derartiges Einschreiten des Antragsgegners liegen nach hier gebotener summarischer Prüfung vor.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin beruhte die am 12. März 2013 durchgeführte Fortnahme der auf den Standorten … (21 Pferde), … (60 Pferde) und … (58 Pferde) befindlichen Pferde auf einem an die Antragstellerin gerichteten Verwaltungsakt. Die Fortnahmeverfügung vom 12. März 2013 wurde der Antragstellerin – wie diese selbst einräumt – vor der Durchführung der Fortnahme durch persönliche Übergabe gem. § 41 VwVfG bekanntgegeben und ist damit wirksam geworden (§ 43 VwVfG). Mit Blick auf den zugleich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten Sofortvollzug der Fortnahmeverfügung durfte der Antragsgegner die Verfügung noch am selben Tag durchsetzen. Damit wurde die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) beschnitten, da sie – wie hier geschehen – beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtschutz nachsuchen kann. Das von der Antragstellerin zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2012 – BVerwG 7 C 5.11 – betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich einen Verkauf von Pferden im Wege der „unmittelbaren Ausführung“, der gewählt worden war, um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu verhindern. Das war hier gerade nicht der Fall. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Antragserhebung, die Fortnahme der o. g. Pferde bereits abgeschlossen war, führt nicht zur Erledigung der Fortnahmeverfügung, da diese zugleich Grundlage der Pflicht zu Tragung der Kosten der anderweitigen Unterbringung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. August 2008 – 7 C 7/08 -, BVerwGE 131, 346 = NVwZ 2009, 120; zitiert nach juris).

Die Antragstellerin ist auch die richtige Adressatin. Nach § 16 a Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 TierSchG ist die Fortnahme und Unterbringung von Tieren gegenüber dem Halter anzuordnen. Für die Tierhaltereigenschaft ist das tatsächliche, umfassende Obsorgeverhältnis gegenüber dem Tier entscheidend. Als Tierhalter ist grundsätzlich derjenige anzusehen, der an der Haltung des Tieres ein eigenes Interesse und eine – auch mittelbare – grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzerstellung und Befugnis hat, über die Betreuung und Existenz des Tieres zu entscheiden. Abzustellen ist darauf, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und wer das wirtschaftliche Verlustrisiko trägt, wobei diese Kriterien nicht kumulativ vorliegen müssen (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 18. September 2009 – Au 5 S 09.985 -, Rn. 40 m. w. N, zitiert nach juris).

Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin ihre Tierhaltereigenschaft zu keinem Zeitpunkt aufgegeben hat. Soweit sie mit Übertragungsvertrag vom 15. Oktober 2012 ihren gesamten Pferdebestand – unter Belassen der Tiere auf ihren Flächen und in ihren Gebäuden – auf ihre ca. 188 km entfernt wohnende Schwester G. … in „eigene Haltungs- und Betreuungsverantwortung“ übergeben hat, hat diese selbst per E-Mail vom 24. Februar 2013 gegenüber dem Antragsgegner erklärt, dass sie seinerzeit nicht die Haltung der Pferde von der Antragstellerin übernommen, sondern die Übernahme lediglich geprüft habe. Zwei Tage später kündigte sie lediglich vorsorglich den o. g. Vertrag. Frau … hatte demnach zu keinen Zeitpunkt den Willen, die Tiere im eigenen Interesse zu halten. Bereits unter dem 20. Oktober 2012 schloss Frau … (wohl im Auftrag der Antragstellerin) mit Frau … aus … (einer Angestellten des Voreigentümers der hier streitbefangenen Pferde, Herrn …, gegen den ein Tierhaltungs- und -betreuungsverbot ergangen war und der daraufhin die Tiere an die Antragstellerin verkauft hatte) einen Übertragungsvertrag, durch den der gesamte Pferdebestand der Antragstellerin – wiederum unter Belassen der Tiere auf den Flächen und in den Gebäuden der Antragstellerin – in deren „eigene Haltungs- und Betreuungsverantwortung“ übergeben wurde. Allein durch diesen Vertrag wurde aber eine Tierhaltereigenschaft in der Person von Frau S… nicht begründet, denn sie verfügte zu keinem Zeitpunkt über die für einen Tierhalter erforderliche Bestimmungsmacht über die Tiere, wie ihr Schreiben vom 13. Februar 2013 belegt. Dort führt sie aus, dass sie nicht mehr in der Lage sei, ihren Pflichten als Halterin der Pferde nachzukommen. Ihre Bemühungen, den Auflagen des Veterinäramtes nachzukommen, scheiterten an der teilweisen Verweigerungshaltung der Eigentümer (gemeint sind die Antragstellerin und Herr …), die auf dem Grundstück wohnen, auf dem auch ein Teil der Pferde gehalten werde. So werde die dringend notwendige Reduzierung des Pferdebestandes abgelehnt, und würden die Hengste nicht von den Stuten getrennt, so dass davon auszugehen sei, dass in diesem Jahr mit mindestens 20 – 30 Fohlen zu rechnen sei. Trotz Belehrung der beiden Eigentümer könne sie in ihrer Abwesenheit nicht für die Einhaltung der Auflagen aus Ordnungsverfügungen garantieren. Deshalb habe sie den mit der Schwester der Antragstellerin geschlossenen Übertragungsvertrag gekündigt. Ähnlich verhält es sich bezüglich des von der Antragstellerin mit Herrn … aus … im Landkreis … geschlossenen gleichlautenden Übertragungsvertrags vom 26. Februar 2013. Dieser gab anlässlich einer Kontrolle durch das Veterinäramt des Landkreises … zu Protokoll, dass er unbedingt von der „erzwungenen“ Halterfunktion der Pferde von Herrn …, Frau … und Frau …, die er ohne Bedenken unterschrieben hatte, zurücktreten möchte. Bereits diese Aussage – an der sich Herr … festhalten lassen muss, da er das Protokoll selbst unterschrieben hat – belegt, dass auch er kein eigenes Interesse an der Haltung der Pferde hatte. Der dargestellte Geschehensablauf spricht dafür, dass mit den o. g. Übertragungsverträgen lediglich sogenannte Strohmann-Verhältnisse in Bezug auf die Haltung der Tiere geschaffen werden sollten, um so formal dem unter dem 24. September 2012 vom Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin angeordneten vollziehbaren Pferdehaltungs- und -betreuungsverbot Rechnung zu tragen und zugleich zu verschleiern, dass die Antragstellerin die Tiere nach wie vor im eigenen Interesse hält. Die Antragstellerin hat im Zusammenwirken mit Herrn … seit Oktober 2012 stets die Art und Weise der Haltung der Pferde bestimmt und Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen verhindert. So duldete sie, dass Herr … die von Frau S… bereits bestellten Zelte als Witterungsschutz für die Pferde stornierte. Jedenfalls ist spätestens durch die Kündigung des Übertragungsvertrages vom 26. Februar 2013 durch Herrn … die Tierhaltereigenschaft auf die Antragstellerin vertraglich zurückgefallen. Ihre zumindest seit diesem Zeitpunkt wieder bestehende Tierhaltereigenschaft bekundet sie bereits dadurch, dass sie gegen die Fortnahme der Tiere gerichtlich vorgeht.

Die Fortnahme der Pferde ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 24. September 2012 ein sofort vollziehbares Pferdehaltungs- und -betreuungsverbot erlassen hat. Der dagegen von der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Potsdam erstrebte einstweilige Rechtschutz blieb ohne Erfolg. Den einstweiligen Rechtsschutzantrag hat die Kammer durch Beschluss vom 18. Dezember 2012 (VG 3 L 778/12) abgelehnt. Über die Beschwerde der Antragstellerin wurde bisher nicht entschieden, so dass nach wie vor das vollziehbare Pferdehaltungs- und -betreuungsverbot besteht. Bereits auf Grund der das Haltungs- und -betreuungsverbot begründenden Umstände ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin weder Willens noch in der Lage ist, die Tiere entsprechend den Anforderungen des § 2 TierSchG zu halten. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses der Kammer vom 18. Dezember 2012 Bezug genommen. An der dort festgestellten Gefahrenprognose für künftige erhebliche Verstöße gegen die Anforderungen in § 2 TierSchG, wonach ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen ist, hat sich nichts geändert, wie die in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners anlässlich der Wegnahme der Tiere gefertigten Fotos, die Aktennotiz zur Wegnahme der Pferde, die Stellungnahme des beamteten Tierarztes Dr. … zum Eilrechtschutzantrag sowie die Darstellungen in der Antragserwiderungsschrift vom 24. April 2013 – auf deren Inhalt Bezug genommen wird – belegen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich die betroffenen Tiere tatsächlich überwiegend in einem normalen bis mäßigen Ernährungszustand befanden und regelmäßig mit Wasser und Futter versorgt wurden. Letzteres erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil die Tiere nach dem Vorbringen der Antragstellerin lediglich zweimal am Tag gefüttert wurden (morgens Hafer, abends Heu). Da ein Pferd zur Futteraufnahme 16 Stunden täglich benötigt, wie der Kammer aus einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren bekannt ist, spricht bereits diese Art der Fütterung gegen eine artgerechte Haltung der Pferde. Entscheidend ist vielmehr, dass sich in der kleinen Halle auf dem Hof der Antragstellerin zwei kranke Stuten in einem sehr schlechten Ernährungs- und Allgemeinzustand befanden, die an einer eitrigen Pfählungswunde am Widerrist (Stute „I-Tammi“) bzw. an offeneren Verletzung an beiden unteren Gliedmaßen der Hinterbeine (Stute „Z“) litten, die nach der Einschätzung des beamteten Tierarztes bereits seit drei bis vier Wochen bestanden, dennoch durch die Antragstellerin keine tierärztliche Behandlung in die Wege geleitet wurde, so dass die Tiere zur Vermeidung weitere Leiden noch am Tag der Fortnahme euthanasiert werden mussten. Bereits dieses Verhalten spricht für ein erhebliches Desinteresse der Antragstellerin an dem den Tieren zugefügten Leiden. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe selbst die Tiere hinreichend behandelt, vermag dies die Einschätzung des beamteten Tierarztes nicht zu erschüttern. Denn bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, kommt den Feststellungen der beamteten Tierärzte vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (vgl. §§ 15 Abs. 2, 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 2012 – OVG 5 S 22.11 – m. w. N.). Ebenso schwer wiegt aber auch die Tatsache, dass die Antragstellerin offenbar nicht in der Lage ist, für eine ausreichende Weidesicherheit Sorge zu tragen, weil nach den Feststellungen der beamteten Tierärzte die Weidezäune zum Teil defekt bzw. nicht mit Strom versorgt worden waren, so dass diese ihre Funktion, die Pferde an einem Ausbruch zu hindern, nicht erfüllen konnten. Gleiches trifft auf den zum Teil nicht vorhandenen oder nicht ausreichenden Witterungsschutz für die stets im Freien gehaltenen Tiere zu. Es mag zutreffen, dass der Witterungsschutz infolge eines Sturmes am 31. Januar 2013 – wie die Antragstellerin vorträgt – zerstört worden war. Es hätte ihr aber oblegen, angesichts der winterlichen Temperaturen umgehend für dessen Reparatur oder Erneuerung Sorge zu tragen und damit nicht über Wochen zuzuwarten. Infolgedessen kann es dahingestellt bleiben, ob das im Zuge der Wegnahme der Tiere aufgefundene Deckmaterial (Wellblechplatten) überhaupt ausreichend war, das bereits vorhandene Gerüst einzukleiden. Hinsichtlich des ungenügenden bzw. fehlenden Witterungsschutzes und der fehlenden Weidesicherheit muss sie sich auch das Unterlassen der zum Zeitpunkt des Sturms für sie tätig gewordenen Frau S… zurechnen lassen, denn diese war – wie oben bereits ausgeführt – zu keinem Zeitpunkt Halterin Tiere. Wie sich den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Anzeigen durch Mitarbeiter der Agrar … GmbH bzw. der örtlichen Polizeibehörde und den Feststellungen des beamteten Tierarztes anlässlich einer Kontrolle der Herde am … entnehmen lässt, sind die Pferde wiederholt aus ihrer Koppel ausgebrochen, um auf Flächen anderer Landwirte zu grasen bzw. zu galoppieren. Fehlende Weidesicherheit stellt eine erhebliche Gefahrenquelle für die betroffenen Tiere aber auch – soweit sich die Koppeln in der Nähe von Straßen befinden – für den fließenden Verkehr dar. Es bedarf deshalb keiner abschließenden Klärung, ob es tatsächlich ein Pferd aus der Herde der Antragstellerin war, das infolge eines Ausbruchs mehrerer Pferde aus der Koppel am 14. November 2012 einen Unfall mit einem Pkw verursacht hat. Nach alldem durfte der Antragsgegner von dem ihm eingeräumten Fortnahmeermessen Gebrauch machen. Ermessensfehler bei Erlass dieser Verfügung sind nicht ersichtlich.

2.

Auch die Anordnung der Veräußerung der Pferde ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 15. März 2013 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Der Antragsgegner hat insoweit u. a. angeführt, dass bei einem weiteren Zuwarten die zu erwartenden Kosten der anderweitigen Unterbringung der Pferde den zu erwartenden Erlös aus der Veräußerung um ein Vielfaches übersteigen würden. Diese Begründung ist hinreichend individualisiert und daher nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Veräußerungsverfügung vom 15. März 2013 ist § 16 a Satz 1 TierSchG. Danach darf die zuständige Behörde die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei war sie nicht verpflichtet, der Antragstellerin gem. § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 Alt. 2 TierSchG eine Frist zur Behebung der bei ihrer Tierhaltung festgestellten Mängel einzuräumen. Denn die Vorschrift des § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 Alt. 2 TierSchG ist nach ihrem Sinn und Zweck nur in den Fällen anwendbar, in denen die Behörde zunächst davon ausgegangen ist, dass dem Halter das Tier nur vorübergehend bis zur Herstellung tierschutzgerechter Zustände fortgenommen werden soll und sich die Erwartung einer Sicherstellung ordnungsgemäßer Zustände nachträglich nicht erfüllt. Hier ist aber der Antragstellerin wegen des sofort vollziehbaren Pferdehaltungs- und -betreuungsverbots (Bescheid vom 24. September 2012) die weitere Pferdehaltung von vornherein untersagt, so dass es sinnwidrig wäre, ihr eine Frist zur Herstellung tierschutzgerechter Verhältnisse einzuräumen. In einem solchen Fall greift als Rechtsgrundlage § 16 a Satz 1 TierSchG ein, die der zuständigen Behörde die Befugnis einräumt, die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Darauf gestützt durfte der Antragsgegner die Veräußerungsverfügung erlassen, um eine endgültige tierschutzgerechte Haltung und Betreuung der mit Bescheid vom 12. März 2013 auf der Grundlage des § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG fortgenommenen Pferde der Antragstellerin sicherzustellen (vgl. zum Vorstehenden: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2012 – OVG 5 S 2.12 -, Seite 6 des Entscheidungsabdrucks m. w. N.). Ermessensfehler bei Erlass dieser Verfügung sind nicht ersichtlich.

Es bestehen – wie oben bereits ausgeführt – keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin wiederholt und gröblich gegen ihre Pflichten als Pferdehalterin bzw. -betreuerin nach § 2 Nr. 1 TierSchG verstoßen hat. Angesichts dessen kann der Antragsgegner eine endgültige tierschutzgerechte Haltung und Betreuung der von der Verfügung betroffenen Pferde nur über die Veräußerung an geeignete Halter i. S. v. § 2 TierSchG sicherstellen. Ein milderes Mittel steht nicht zur Verfügung. In Betracht käme insoweit nur, der Antragstellerin selbst die Auflösung des Pferdebestandes aufzugeben. Eine solche Verpflichtung wurde der Antragstellerin bereits – ohne Erfolg – mit Bescheid vom 24. September 2012 auferlegt.

Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Veräußerung der Pferde im Rahmen einer begrenzten Ausschreibung erfolgen soll. Zwar hat nach entsprechender Anwendung von § 23 OBG i. V. m. § 27 Abs. 3 BbgPolG die tierschutzrechtliche Veräußerung grundsätzlich in einer öffentlichen Versteigerung zu erfolgen, ausnahmsweise, wenn die Kosten der Versteigerung voraussichtlich den zu erwartenden Erlös übersteigen würden, auch durch einen freihändigen Verkauf. Da diese Vorgaben lediglich entsprechend anzuwenden sind, bedürfen sie in Einzelfällen besonderer Modifikationen, um den Besonderheiten von tierschutzrechtlichen Veräußerungen gerecht zu werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine öffentliche Versteigerung zeitaufwändig ist und infolge dessen unter Umständen hohe Unterbringungskosten anfallen. In einem solchen Fall ist eine schnelle Veräußerung nicht nur im öffentlichen, sondern auch im Interesse des Kostenpflichtigen geboten (vgl. VG Münster, Urteil vom 27. August 2008 – 1 K 1707/06 -, zitiert nach juris).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die beabsichtigte Veräußerung im Rahmen einer begrenzten Ausschreibung nicht zu beanstanden. Die Fortnahme der 139 Pferde hat bereits Kosten in Höhe von 30.582,33 Euro verursacht. Hinzu kommen die Kosten der Unterbringung, die mit einem Tagessatz von 8,– Euro je Pferd, d. h. 1.112,00 Euro täglich für 139 Pferde zu berücksichtigen sind. Damit sind in dem seit der Fortnahme der Pferde vergangenen Zeitraum (ca. 31 Tage) bereits Unterbringungskosten in Höhe von 34.472,– Euro angefallen. Diese Kosten übertreffen schon jetzt den von der Antragstellerin selbst angenommenen Wert der Tiere, den ihr Prozessbevollmächtigter im Verfahren des Herrn … (VG 3 L 144/13) mit durchschnittlich 300,– Euro pro Pferd angegeben hat. Soweit die Antragstellerin meint für die Pferde könnten Preise zwischen 2.000,– Euro bis 5.000,– Euro erzielt werden, hat sie diese Angaben nicht ansatzweise belegt. Danach dürfte hier zugunsten der Antragstellerin allenfalls von einem Gesamtwert der fortgenommenen Pferde in Höhe von 41.700,– Euro auszugehen sein. Die Kosten der Fortnahme und Unterbringung der Pferde in Höhe von insgesamt 65.054,33 Euro übersteigen damit schon jetzt den angenommenen Wert der Pferde. Angesichts der sich daraus ergebenden Eilbedürftigkeit der Verwertung sowie des Umstandes, dass bei einer Versteigerung noch weitere Kosten (die der Versteigerung und weiteren Unterbringung) hinzukämen, ist der Verzicht auf eine Versteigerung und die Veräußerung im Rahmen einer begrenzten Ausschreibung nicht zu beanstanden (vgl. hierzu: VG Münster, Urteil vom 27. Juni 2008, a.a.O.).

Die unter Ziff. 2 der Veräußerungsverfügung gegen die Antragstellerin erlassene Duldungsverfügung, mit der dieser aufgegeben wird, die Veräußerung der Pferde zu dulden, ist mit Blick auf die obigen Ausführungen zu dieser Verfügung ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die unabhängig von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung geht sowohl hinsichtlich der Fortnahme- als auch der Veräußerungsverfügung zu Lasten der Antragstellerin aus. Der aus Art. 20 a Grundgesetz ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren gebietet es, dass derjenige, der ein Tier hält oder betreut, die Folgen tierschutzrechtlicher Maßnahmen im Sinne von § 16 a TierSchG hinzunehmen hat, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung von Tieren durch den oder die Betroffene(n) eine Gefahr für deren angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung resultiert (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Februar 2010 – OVG 5 S 28.09 -, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks). Das ist hier – wie oben dargelegt – der Fall. Angesichts der Vernachlässigung der Pferde besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Umsetzung der vom Antragsgegner verfügten tierschutzrechtlichen Maßnahmen. Demgegenüber hat das Eigentumsrecht der Antragstellerin aus Art. 14 GG zurückzutreten.

Da der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg hat, kommt auch eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO durch Herausgabe der Pferde nicht in Betracht.

Der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung hat sich spätestens mit der vorliegenden Entscheidung erledigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht – mangels anderer Anhaltspunkte – dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG). Das Gericht hat für jede Verfügung je die Hälfte des Auffangstreitwerts in Ansatz gebracht.

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