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Titelherausgabe – Erlöschen des Anspruchs

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: II ZR 132/07

Urteil vom 14.07.2008

Vorinstanzen:

LG Heidelberg, Az.: 3 O 59/06, Urteil vom 19.07.2006

OLG Karlsruhe, Az.: 1 U 169/06, Urteil vom 21.02.2007


Leitsätze:

a) Eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels analog § 371 BGB ist – jedenfalls dann – zulässig, wenn über eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO rechtskräftig zugunsten des Klägers entschieden worden ist.

b) Tritt die Rechtskraft des Urteils über die Klage nach § 767 ZPO erst in der Revisionsinstanz ein und wird daraufhin der Titel herausgegeben, sind diese Umstände, wenn sie unstreitig sind, auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen und führen auf Antrag des Klägers zur Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits, wenn die Klage analog § 371 BGB im Zeitpunkt der Titelherausgabe wegen Erlöschens der titulierten Forderung begründet war und der Herausgabeschuldner der Erledigung widerspricht.

c) Anders als bei § 368 BGB kann im Rahmen des § 371 Satz 2 BGB auch durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden.


In dem Rechtsstreit hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2007 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 19. Juli 2006 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Streitwert: bis zum 7. November 2007: 10.000,00 €

danach: 11.285,56 €

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hat mit seiner Klage die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines zwischen den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs begehrt.

Am 25. Januar 2006 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 128/05) einen Vergleich, in dem sich der Kläger, der in dem dortigen Verfahren der Beklagte war, verpflichtete, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 10.000,00 € zu zahlen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2006 forderte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Kläger unter Beifügung einer Vollmacht dazu auf, den Vergleichsbetrag auf ihr Konto bei der Sparkasse F. zu zahlen. Am 20. Februar 2006 zahlte der Kläger 10.000,00 € auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R. (Nr. 3 ). Die Beklagte verweigerte die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs an den Kläger mit der Begründung, durch die – nunmehr zwischen den Parteien unstreitige – Einzahlung der 10.000,00 € auf das Konto bei der Sparkasse R. sei eine Erfüllung der Vergleichsforderung ebenso wenig eingetreten wie durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung.

Das Landgericht hat die Klage analog § 371 BGB als unzulässig abgewiesen, das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Nach Einlegung der Revision hat das Landgericht Heidelberg mit rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2007 (12 O 22/07 KfH) zugunsten des Klägers auf dessen Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Vergleich vom 25. Januar 2006 für unzulässig erklärt. Im Hinblick hierauf hat die Beklagte die vollstreckbare Ausfertigung am 15. Oktober 2007 an den Kläger herausgegeben. Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern begehrt weiterhin die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter (klarstellender) Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils zu der Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

6 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die – grundsätzlich – analog § 371 BGB zulässige Klage auf Herausgabe des vollstreckbaren Titels sei hier unzulässig, da der Kläger es versäumt habe, neben der Herausgabeklage eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 BGB zu erheben, und weil die Erfüllung des Vergleichs zwischen den Parteien nicht unstreitig sei.

II.

Auch in der Revisionsinstanz ist die Herausgabe des Titels als unstreitig erledigendes Ereignis zu berücksichtigen mit der Folge, dass auf die einseitige Erledigungserklärung des Klägers nur noch zu prüfen war, ob die Klageforderung im Zeitpunkt des die Erledigung begründenden unstreitigen Ereignisses zulässig und begründet war (st.Rspr. BGHZ 106, 359, 366 ff.; BGH, Urt. v. 18. Dezember 2003 – I ZR 84/01, WM 2004, 1048 m.w.Nachw.).

1.

Die Klage war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig.

a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Literatur ganz überwiegend folgt, in analoger Anwendung von § 371 BGB jedenfalls zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist oder die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist (BGHZ 127, 146, 148 f. allerdings mit der Einschränkung „jedenfalls“; BGH, Urt. v. 21. Januar 1994 – V ZR 238/92, WM 1994, 650, 652; Staudinger/Olzem, BGB [2006] § 371 Rdn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB 67. Aufl. § 371 Rdn. 4; Musielak/Lackmann, ZPO 6. Aufl. § 767 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist (s. insoweit die beachtlichen Argumente gegen die h.A. bei MünchKommBGB/Wenzel, 5. Aufl. § 371 Rdn. 8). Denn auch auf der Grundlage der h.A. ist die Klage im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig gewesen.

b) Zwar war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels weder das Urteil im Prozess über die Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig, da die Berufungsfrist erst am 17. Oktober 2007 ablief, noch war die Erfüllung des Vergleichs unstreitig.

Das steht angesichts der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Falles der Zulässigkeit der Herausgabeklage jedoch nicht entgegen. Die Beklagte hatte nämlich schon vor Eintritt der Rechtskraft gegenüber dem Kläger erklärt, kein Rechtsmittel einlegen zu wollen, und deshalb die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs an diesen zurückgegeben. Zwar traten mit dieser Mitteilung mangels Äußerung gegenüber dem Gericht nicht die Wirkungen des § 515 ZPO ein. Der Beklagten ist aber aufgrund dieser Erklärung gemäß § 242 BGB der Einwand abgeschnitten, die – formelle – Rechtskraft sei erst später eingetreten.

Ihre Erklärung, kein Rechtsmittel einlegen und den Titel herausgeben zu wollen, steht in diesem Fall der ansonsten von der h.A. verlangten Rechtskraft des der Vollstreckungsabwehrklage stattgebenden Urteils gleich, mit der Folge der Zulässigkeit der Herausgabeklage analog § 371 BGB.

2.

Die Herausgabeklage war begründet.

a) Allerdings reicht es für die Begründetheit der Herausgabeklage, anders als die Revision meint, noch nicht aus, dass die Vollstreckung gemäß § 767 ZPO durch das Urteil vom 12. September 2007 endgültig für unzulässig erklärt worden ist. Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine rein prozessrechtliche Klage auf ein rechtsgestaltendes – auf die Beseitigung der Vollstreckbarkeit gerichtetes – Urteil, das keine rechtskräftige Feststellung des Nicht(mehr)Bestehens des materiell-rechtlichen Anspruchs zum Inhalt hat.

Deshalb ist die Analogie zu § 371 BGB nur gerechtfertigt, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat (BGH, Urt. v. 24. November 1982 – VIII ZR 263/81, NJW 1983, 390, 391; v. 19. Juni 1984 – IX ZR 89/83, FamRZ 1984, 878, 880; v. 23. Mai 1989 – IX ZR 57/88, WM 1989, 1514, 1516; BGHZ 127, 146, 149 f.). Der Schuldner muss im Rahmen der isolierten Klage analog § 371 BGB beweisen, dass die Schuld mit Sicherheit erloschen ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist er mit der Herausgabeklage abzuweisen. Die dadurch entstehende Diskrepanz zwischen den Urteilen in dem Verfahren nach § 767 ZPO und über die Herausgabe nach § 371 BGB analog ist hinzunehmen (BGHZ 127 aaO S. 150 m.w.Nachw.).

b) Der Kläger hat nachgewiesen, dass die titulierte Vergleichsforderung erfüllt ist.

aa) Dass Erfüllung nicht bereits durch die – nunmehr unstreitige – Überweisung auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R. eingetreten ist, nimmt die Revision – zu Recht – hin. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Überweisung auf ein anderes als das von dem Gläubiger angegebene Konto grundsätzlich keine Tilgungswirkung hat (BGHZ 98, 24, 30; 128, 135, 137; BGH, Urt. v. 17. März 2004 – VIII ZR 161/03, ZIP 2004, 1354, 1355).

bb) Erfüllung ist aber durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 BGB eingetreten.

(a) Bewirkt die Zahlung auf ein Girokonto – wie hier – keine Erfüllung der Schuld, steht dem Leistenden gegen den Inhaber des Kontos ein Bereicherungsanspruch zu (st.Rspr. siehe nur BGHZ 128, aaO m.w.Nachw.). Das stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Frage. Sie meint jedoch, dem Kläger sei es verwehrt, mit diesem Kondiktionsanspruch aus fehlgeschlagener Überweisung gegen die Forderung der Beklagten aus dem Vergleich aufzurechnen.

Dies trifft hier nicht zu.

(b) Anders als von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet, entspricht es völlig herrschender Ansicht, dass bei der Herausgabeklage analog § 371 BGB, anders als bei § 368 BGB, eine Forderung – auch – durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden kann (s. nur Staudinger/Olzem aaO Rdn. 9; MünchKommBGB/Wenzel aaO Rdn. 5; Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 371 Rdn. 3; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB § 371 Rdn. 2; Palandt/Grüneberg aaO).

(c) Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger zur Aufrechnung berechtigt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob im Fall der fehlgeschlagenen Überweisung ein „Aufrechnungsverbot“ des Überweisenden mit dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die dadurch beeinträchtigte Dispositionsbefugnis des Gläubigers besteht, zu der in der Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten werden (s. u.a. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 473; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. Bd. 1 § 50 Rdn. 10), bislang offen gelassen (BGHZ 98 aaO; 128 aaO).

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Auch der Senat braucht sie nicht zu entscheiden. Denn im vorliegenden Fall ist es der Beklagten verwehrt, sich auf ein möglicherweise bestehendes Aufrechnungsverbot zu berufen.

Die Sparkasse hatte vor Eingang der Zahlung auf dem Konto der Beklagten angeboten, unter im Einzelnen genannten Voraussetzungen gegen Zahlung von 80.000,00 € zzgl. Zinsen auf die „dann noch bestehende Restforderung“ gegen die Beklagte verzichten zu wollen. Diese Formulierung impliziert, dass die letztlich zu erlassende Restforderung aus dem Girovertrag bis zum Eintritt der Vergleichsvoraussetzungen noch Änderungen unterworfen sein konnte. Der Eintritt der zur Bedingung gemachten Voraussetzungen lag aber ebenso wie der Vergleichsabschluss als solcher unstreitig zeitlich nach der Zahlung des Klägers. Hat sich die Beklagte daher auf der Grundlage ihrer durch diese Zahlung geminderten Restforderung mit der Sparkasse verglichen, handelt sie treuwidrig, wenn sie die Aufrechnung des Klägers – nur – deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil durch die genannte Zahlung ihre Dispositionsbefugnis „ausgehöhlt“ worden sei.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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