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Torschuss bei Spielunterbrechung – Verletzung des Schiedsrichters – Haftung


OLG Stuttgart

Az: 2 U 54/00

Urteil vom 01.12.2000


Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Rottweil vom 21.01.2000 wird

zurückgewiesen.

2.  Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten aus diesem

Urteil:       bis 14.000 DM.

Tatbestand

— Ohne Tatbestand (§ 543 Abs. 1 ZPO) —

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Den Haftungsgrund (§ 823 Abs. 1 BGB) hat das Landgericht mit zwei Schritten begründet:

(1.)   mit einem objektiven Verstoß gegen allgemeine Fußballregeln (unzulässiger Torschuß durch den Beklagten nach der Spielunterbrechung wegen Foulspiels);

(2.)   mit der ein Verschulden des Beklagten begründenden Qualität dieses Verstoßes. Der Torschuß war unter keinem Gesichtspunkt vom Spielzweck gedeckt und traf den Kläger — für den Beklagten erkennbar — während einer Phase infolge Spielunterbrechung verminderter Aufmerksamkeit.

Die Entscheidung folgt damit dem Argumentationsmuster der (auch vom Landgericht zitierten) Entscheidungen BGHVersR 1976, 591 und OLG Hamm, VersR 1999, 461/ (ebenso im Ausgangspunkt: OLG Stuttgart — 7. Zivilsenat — OLGR 2000 — Seite 210, 211).

Die Entscheidung verdient Zustimmung:

Überzeugende Gegenargumente gegen die Haftung dem Grunde nach enthält die Berufungsbegründung des Beklagten nicht:

a)  Der objektive Regelverstoß ist erwiesen.

Der Beklagte hat unstreitig nach Spielunterbrechung den Ball wieder aufgenommen, ist mit ihm aufs Tor zugerannt, hat ihn in Richtung Tor geschossen und dabei den seitlich hinter dem Tor stehenden Kläger getroffen (die Positionen des Klägers, der Beklagten, der übrigen Mitspieler und des Tors sind festgehalten auf der Schadensanzeige des Zeugen L — K 7 — Rs und der vom Kläger angefertigten Skizze — Anlage zum Sitzungsprotokoll des zunächst angerufenen AG Oberndorf vom 15.12.1998 — Bl. 40).

Im Verhalten des Beklagten lag ein Verstoß gegen die DFB-Regel Nr. 9, wonach der Ball vor Spielfreigabe durch den Schiedsrichter von keinem Spieler berührt werden darf, wie auch gegen DFB-Regel Nr. 12 (verbotenes Spiel und unsportliches Verhalten). Den Inhalt dieser Regeln hat der Kläger in seiner Berufungserwiderung vorgetragen, ohne daß der Beklagte dem widersprochen hat.

Streng genommen bedarf es aber eines solchen Rückgriffs auf die angesprochenen DFB-Regeln hier gar nicht. Überflüssig ist damit von vornherein auch die Diskussion der von der Berufungsbegründung aufgeworfenen Frage, ob diese Regeln dem Schutz des Klägers als Schiedsrichter dienten. Denn grobe Rücksichtslosigkeit oder gar ein Handeln in Verletzungsabsicht sind — unabhängig von der Existenz bestimmter Verbotsregeln — rechtswidrig (Mertens in MüKo, 3. Auflage, § 823 BGB, Rn. 337 und 338).

Grobe Rücksichtslosigkeit, wenn nicht gar bedingter Vorsatz stehen hier fest:

Dem Beklagten war vor seinem Schuß auf das Tor und den Kläger einmal dessen Schiedsrichterentscheidung bekannt. Er hat diese nämlich vor seinem Schuß mit den Worten kommentiert: „Das ist kein Foul“ oder „das war kein Foul“ (vgl. Zeugenaussage C vor dem Landgericht vom 17.12.1999 — Sitzungsprotokoll Seite 4 oben = Bl. 72).

Zum anderen — und dies ist hier entscheidend — war ihm sogar die Gefahr bewußt, in die er den Kläger durch seinen Schuß aufs Tor bringen würde. Denn seiner eigenen Einlassung nach (vor dem Amtsgericht Oberndorf) stellte sich die Situation vor dem Schuß wie folgt dar:

… „Dann bin ich aufs Tor zugelaufen. Der … (= Kläger) stand hinter dem Tor, hat irgend etwas getrunken.“

Sodann finden sich folgende Sätze in der Einlassung des Beklagten:

„Ich habe aufs Tor geschossen. Ich habe dann nur noch gesehen, daß der … die Flasche ins Gesicht bekommen hat.“ (Sitzungsprotokoll Amtsgericht Oberndorf vom 15.12.1998, Seite 4 = Bl. 35).

Aus derselben Einlassung des Beklagten vor dem Amtsgericht Oberndorf folgt auch, daß es ihm bewußt war, daß er auf ein „normales Handballtor ohne Netz“ geschossen hat.

b)  Damit steht gleichzeitig das Verschulden des Beklagten fest. Denn sein Verhalten war bewußt rücksichtslos und grob unfair. Es läßt sich darin also gerade nicht ein Fall trotz objektiven Regelverstoßes noch erlaubter Härte / erlaubten Übereifers sehen: Weder mit der konkreten Situation noch mit dem Charakter des Fußballspiels als eines blitzschnellen Kampfspiels läßt sich das Verhalten des Beklagten rechtfertigen. Denn das Spiel war vom Kläger erkennbar unterbrochen worden; alle Mitspieler richteten sich nach dieser Entscheidung einschließlich (zunächst) des Beklagten selbst. Dies belegt vor allem die sehr anschauliche Aussage des Zeugen C vor dem Landgericht (a. a. O. Seite 4 = Bl. 72). Danach hat nämlich „zunächst … das Spiel gestoppt.“ Der Ball lag am Boden ohne daß ein Spieler am Ball war. (Erst) dann hat der P (= Beklagter) gesagt: „Das war kein Foul, hat dann den Ball angenommen und ist weiter gelaufen …“ um anschließend aufs Tor zu schießen.

Auch wenn generell der Maßstab für einen Schuldvorwurf gegenüber einem Fußballspieler nicht allzu streng ausfallen darf (OLG Stuttgart, OLGR 2000, 211 und OLG Hamm, VersR 1999, 1115 jeweils u. H. auf BGH VersR 1976, 591), ist hier doch keine solche Zurückhaltung angebracht. Denn einen Schuß nach Spielunterbrechung auf einen Schiedsrichter (also nicht einen Mitspieler!), der zudem erkennbar für den Beklagten seitlich hinter dem Tor lag, entschuldigt auch die Eigenart des Fußballspiels nicht.

c)  Für ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 Abs. 1 spricht — entgegen Berufungsbegründung — hier ebenfalls nichts: Das Spiel war unterbrochen, alle Mitspieler hielten sich daran und zwar zunächst auch der Beklagte (vgl. nochmals Aussage C vor dem Landgericht). Anhaltspunkte für den Schuß des Beklagten auf Tor und Kläger bestanden nicht und sind vom insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht vorgebracht worden. Bei dieser Sachlage kann man den Schluck des Klägers aus der Sprudelflasche nicht als Obliegenheitsverletzung werten.

B.

Auch an der Höhe des beim Landgericht zugesprochenen Schmerzengeldes (die Verurteilung im übrigen greift der Beklagte nicht an) ist festzuhalten.

Das Landgericht hat die Entscheidung darüber mit Art und Ausmaß der vom Kläger erlittenen Verletzungen und der durch den langwierigen Heilungsprozeß begründeten Beeinträchtigung seiner Lebensqualität begründet. Entgegen der Berufungsbegründung hat die Genugtuungsfunktion für die Entscheidung des Landgerichts dagegen offensichtlich keine Rolle gespielt. Tatsächlich wird man diesen Gesichtspunkt hier aber nicht außer acht lassen dürfen (siehe oben A). Zusammen mit den vom Landgericht zur Begründung herangezogenen Verletzungsfolgen läßt sich die Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes deshalb sehr wohl halten. Bestätigt wird dies durch zwei in vergleichbaren Fällen ergangene Entscheidungen: Das Amtsgericht Landshut hat 6.000 DM Schmerzensgeld (bei immateriellem Vorbehalt) für den Verlust von drei Vorderzähnen durch Faustschlag, Fraktur der Alveolarfortsatz-Lamellen sowie Lockerung zweier Zähne im Unterkiefer zugesprochen (Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldtabelle, 19. Auflage, Nr. 939). Noch näher liegt die Entscheidung des Landgerichts Köln, VersR 1994, 1074: Dort war einem 10-jährigen Jungen für vier Milchzähne sowie drei weitere angebrochene Zähne infolge Verletzung durch einen gleichaltrigen Jungen beim Baseballspiel trotz geringen Verschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von ebenfalls 6.000 DM zugesprochen worden.

C.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Gründe für eine Revisionszulassung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Danach berechnet sich die Geschäftsgebühr wie folgt:

2,0 Geschäftsgebühr 2 x 526,00 € =

1052,00 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG (alte MWSt.)

171,52 €

Gesamt:

1.243,52 €

Bei der Berechnung war eine 2,0-fache Geschäftsgebühr anzusetzen, da es sich vorliegend zwar um eine Medizinschadenssache handelt, diese aber nur von mittlerer Komplexität und allenfalls mittlerem Umfang ist. Die Kammer folgt im Übrigen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.03.2007, Az. VIII ZR 86/06, NZM 2007, 397, 398), wonach für den Fall, dass nach der Vorbemerkung 3 IV zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr vermindert. Die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr kann also in voller Höhe mit eingeklagt werden und ist anschließend im Kostenfestsetzungsverfahren mit abzusetzen. Demnach war die Geschäftsgebühr in voller Höhe, allerdings wegen § 308 I ZPO begrenzt auf den mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.234,28 €, zuzusprechen.

5. Schließlich kann die Klägerin auch die mit dem Klageantrag zu 4) begehrte Feststellung verlangen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, allen zukünftigen, derzeit nicht voraussehbaren immateriellen Schaden und weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der Behandlung vom 19.04.2005 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen anderen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht. Die Beklagten sind der Klägerin – wie ausgeführt – aus den §§ 280 I, 278, 249, 253 II, 421 BGB bzw. den §§ 823 I, 831, 840, 249, 253 II BGB dem Grunde nach zum Ersatz aller aus der Fehlbehandlung vom 19.04.2005 entstanden Schäden verpflichtet. Ihren materiellen Schaden kann die Klägerin noch nicht abschließend beziffern, da zukünftig weitere Behandlungen, insbesondere wegen der Implantatversorgung verbunden mit Knochenaufbaumaßnahmen, erforderlich sind. Damit sind dann aber auch gleichzeitig noch weitere immaterielle  Schäden denkbar, die – weil sie derzeit noch nicht voraussehbar sind – bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt werden konnten.

6. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten vor Rechtshängigkeit mit dem im Klageantrag zu 1) geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld in Verzug geraten sind.

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