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Totenbeisetzung – Totenasche auf einem Grundstück

Verwaltungsgericht Arnsberg

Az.: 3 L 751/07

Beschluss vom 19.10.2007


Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 13. September 2007 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 9. Juli 2007 wiederherzustellen und anzuordnen, deren bereits erfolgte Vollziehung aufzuheben, hat keinen Erfolg.

Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Verfügung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügenden Weise begründet. Er hat sich nicht auf eine den Gesetzeswortlaut lediglich wiederholende oder bloß formelhafte Begründung beschränkt, sondern auf den Einzelfall bezogen das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sinngemäß damit begründet, dass eine weitere Störung der Totenruhe zu Nachahmungsfällen beitragen, ein Abwarten des Ausgangs eines Rechtsbehelfsverfahrens angesichts des eklatanten Rechtsverstoßes nicht hinnehmbar sei und zudem die Gefahr bestehe, dass Totenasche und Urne zwischenzeitlich an einen unbekannten Ort verbracht würden.

In materieller Hinsicht fällt die im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bzw. eines evtl. Klageverfahrens verschont zu bleiben und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Geltung der getroffenen ordnungsbehördlichen Anordnung (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 18. Januar 2002 – 5 B 1557/01 -) hier zu Lasten der Antragstellerin aus.

Die angefochtene Maßnahme leidet nicht an durchgreifenden offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Es spricht vielmehr nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass die Verfügung des Antragsgegners im Widerspruchsverfahren bzw. einem möglichen Hauptsacheverfahren im Ergebnis Bestand haben würde.

Der Bescheid findet seine Grundlage in § 24 Nr. 13 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) i.V.m. § 43 Nr. 1 des Polizeigesetzes (PolG NRW) und § 55 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG NRW) bzw. §§ 14 Abs. 1, 18 OBG NRW) i.V.m. §§ 57 Abs. 1 Nr. 1, 59 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG NRW). Der Antragsgegner hat trotz der in der Verfügung angedrohten „Ersatzvornahme“ der Sache nach eine Sicherstellung nach § 24 Nr. 13 OBG NRW i.V.m. § 43 PolG NRW im Sofortvollzug gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW getroffen. Das ergibt sich daraus, dass nach wohl herrschender Ansicht eine Sicherstellung (in Abgrenzung zur Ersatzvornahme) dann vorliegt, wenn es der Behörde in erster Linie um das Erlangen des Gewahrsams an einer Sache geht, um auf diese Weise andere am Zugriff auf die Sache zu hindern, etwa weil von der Sache selbst eine Gefahr ausgeht oder weil eine Gefahr für die Sache selbst besteht (etwa Diebstahlsgefahr). Hiervon ausgehend spricht hier alles für eine im Sofortvollzug erfolgte Sicherstellung, da es dem Antragsgegner in erster Linie darum ging, die Urne in behördlichen Gewahrsam zu bringen, um sie sodann auf einem Friedhof beisetzen zu können und sie zuvor vor dem Zugriff Dritter zu schützen sowie zu verhindern, dass sie (erneut) an einen unbekannten Ort verbracht werden konnte. Letztlich mag dies aber auch dahinstehen, da die Voraussetzungen einer sofort vollzogenen Ersatzvornahme ebenfalls vorliegen.

In formeller Hinsicht erweckt die Ordnungsverfügung keine Rechtmäßigkeitsbedenken. Der Antragsgegner hat nachvollziehbarerweise von einer Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Verfügung abgesehen, weil dies möglicherweise zu einer Vereitelung des Verfügungszweckes geführt hätte. Er war hierzu nach § 28 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen (VwVfG NRW) auch befugt („nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten“). Im übrigen lag durch den Sofortvollzug auch eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW) vor.

Auch in materieller Hinsicht dürfte sich die Ordnungsverfügung als rechtmäßig erweisen.

Eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit, wie sie sowohl § 24 Nr. 13 PolG NRW als auch § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG NRW als Voraussetzung des ordnungsbehördlichen Einschreitens vorsehen, bestand in dem Zeitpunkt, als der Antragsgegner im Wege der Sicherstellung bzw. Ersatzvornahme tätig wurde. Die öffentliche Sicherheit umfasst die gesamte objektive Rechtsordnung, d.h. auch die im Zusammenhang mit Bestattungen bzw. Beisetzungen von Urnen zu beachtenden Normen des Bestattungsgesetzes (BestG NRW). Der Verbleib der Totenasche der Mutter der Antragstellerin auf dem Grundstück der Antragstellerin verstieß im Zeitpunkt des Einschreitens des Antragsgegners gegen das Bestattungsgesetz, so dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht nur drohte, sondern bereits eingetreten war.

Nach § 15 Abs. 6 Satz 2 BestG NRW darf die Behörde, soll die Totenasche auf einem Grundstück außerhalb eines Friedhofs verstreut oder beigesetzt werden, dies – nur dann – genehmigen, wenn diese Beisetzung von Todes wegen verfügt und der Behörde nachgewiesen ist, dass die Beisetzung bodenordnungsrechtlich zulässig ist, der Beisetzungsort nicht in einer der Totenwürde widersprechenden Weise genutzt wird und dauerhaft öffentlich zugänglich ist. Diesen rechtlichen Vorgaben waren hinsichtlich der Beisetzung der Urne der Mutter der Antragstellerin auf dem Grundstück der Antragstellerin nicht erfüllt.

Zwar war die Bestattung der Asche der Mutter der Antragstellerin auf dem Grundstück der Antragstellerin ursprünglich mit Zustimmung des Antragsgegners erfolgt und ist auch die endgültige Genehmigung für den Fall der Erfüllung einzelner Bedingungen in Aussicht gestellt worden. Diese Bedingungen – insbesondere die grundbuchliche Absicherung -, die sich als Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben darstellen, sind jedoch von der Antragstellerin bis zum Erlass der angegriffenen Verfügung (und offenbar bis heute) nicht erfüllt worden, so dass sie aus der vorübergehenden Duldung nichts Positives für sich herleiten kann.

Der Antragsgegner war auch berechtigt, die Antragstellerin in Anspruch zu nehmen. Sie ist als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Asche ihrer Mutter beigesetzt worden ist, Zustandsverantwortliche i.S.v. § 18 OBG NRW.

Unter Ermessensgesichtspunkten begegnet die Entscheidung des Antragsgegners, gegen die Antragstellerin vorzugehen, bei summarischer Prüfung ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere dürfte nicht deshalb von einer Ermessensfehlerhaftigkeit auszugehen sein, weil die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach § 15 Abs. 6 Satz 2 BestG NRW hätte. Ungeachtet der Frage, ob angesichts des Wortlauts der Norm („darf … genehmigen“) überhaupt in Ausnahmefällen ein gebundener Anspruch des Hinterbliebenen auf Erteilung einer solchen Genehmigung bestehen kann (oder nicht vielmehr nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag), ist dies jedenfalls hier auszuschließen. Ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin von den Bedingungen, deren Erfüllung der Antragsgegner verlangte, wusste, hat sie die bereits aus dem Gesetz selbst ableitbaren Mindestvoraussetzungen für eine Genehmigung (Verfügung der Art der Beisetzung von Todes wegen; Nachweis der bodennutzungsrechtlichen Zulässigkeit; Sicherstellung einer würdigen Nutzung des Beisetzungsorts sowie dessen dauerhafte öffentliche Zugänglichkeit) jedenfalls bislang nicht nachgewiesen bzw. erfüllt. Der Antragsgegner war auch nicht verpflichtet, ihr entsprechende Hinweise zu geben. Dies gilt schon deshalb, weil ein Anspruch auf Erteilung einer

Genehmigung nach § 15 Abs. 6 Satz 2 BestG NRW bzw. ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen hierauf gerichteten Antrag -abgesehen von dem Sonderfall, dass ein solches Begehren noch zu Lebzeiten von dem Betroffenen geltend gemacht wird – nur dem totensorgeberechtigten Hinterbliebenen zustehen kann, der nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BestG NRW letztlich über die Bestattungsart zu entscheiden hat (so auch: VG Minden, Urteil vom 22. November 2006 – 3 K 397/05 -).

§ 8 Abs. 1 BestG regelt in dieser Hinsicht die Rangfolge. Daraus folgt vorliegend, dass zunächst einmal (allein) der Vater der Antragstellerin totensorgeberechtigter Hinterbliebener und damit i.o.S. antragsberechtigt war (und ist).

Überdies kann sich die Antragstellerin, jedenfalls nachdem sie das Schreiben des Antragsgegners vom 30. März 2007 erhalten hatte, nicht mehr schlicht auf Unkenntnis berufen, sondern wäre ggf. gehalten gewesen, sich beim Antragsgegner nach den zu erfüllenden Voraussetzungen zu erkundigen. Es ist bei lebensnaher Betrachtung auch davon auszugehen, dass diese Bedingungen anlässlich ihrer aufgrund des Schreibens Anfang April 2007 erfolgten Vorsprache bei dem Antragsgegner Gesprächsgegenstand waren. Schließlich war es der Antragstellerin ferner ohne Weiteres möglich, ihren im selben Hause lebenden Vater zu befragen, die Erfüllung welcher Voraussetzungen im einzelnen die Behörde in dem an ihn gerichteten Schreiben vom 30. August 2006, das im Schreiben vom 30. März 2007 an die Antragstellerin ausdrücklich Erwähnung findet („habe ich ihrem Vater … mitgeteilt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen“), verlangt habe.

Die Wegnahme der die Totenasche der Mutter der Antragstellerin enthaltenden Urne war unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten auch verhältnismäßig (§ 15 OBG NRW). Sie war geeignet, den durch den ungenehmigten Verbleib der Urne auf dem Grundstück der Antragstellerin bewirkten Verstoß gegen § 15 Abs. 6 Satz 2 BestG NRW zu beenden. Sie war auch erforderlich, da angesichts der Vorgeschichte damit zu rechnen war, dass die Urne (erneut) einer der Behörde nicht bekannten Ortsveränderung unterzogen worden wäre. Schließlich führt die Maßnahme nicht zu Nachteilen, die zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis stehen.

Stellt sich die Verfügung des Antragsgegners daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig dar, kann der weiter geltend gemachte Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung ebenfalls keinen Erfolg haben.

Ungeachtet des Vorstehenden und vor dem Hintergrund möglicherweise dennoch verbleibender Restzweifel fällt jedenfalls eine von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.

Dabei orientiert sich die Kammer maßgeblich an den Folgen, die sich im Falle einer Stattgabe oder Ablehnung des Antrages ergäben. Sollte sich im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Verfügung herausstellen, wäre der Antragstellerin die Urne ihrer Mutter zu Unrecht zeitweise entzogen worden und – jedenfalls objektiv – eine Störung der Totenruhe erfolgt. Würde dem Antrag hingegen stattgegeben, obwohl alles dafür spricht, dass die Verfügung in einem Hauptsacheverfahren Bestand haben wird, ergäben sich voraussichtlich weitaus schwerere Konsequenzen, da angesichts der Vorgeschichte davon auszugehen ist, dass, wenn auch nicht zwingend die Antragstellerin selbst, so doch aller Voraussicht nach ihr Vater, alles unternehmen wird, die Urne mit der Totenasche dem behördlichen Zugriff möglichst dauerhaft zu entziehen und die Störung der Totenruhe zu perpetuieren. Bei dieser Sachlage muss das Interesse der Antragstellerin zurückstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Hälfte des in der Hauptsache zugrunde zu legenden Betrages anzusetzen.

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