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Totenfürsorgerecht: Übertragung durch Erblasser auf einen Dritten

AG Osnabrück, Az.: 15 C 568/15 (11)

Urteil vom 27.02.2015

1. Die einstweilige Verfügung vom 09.02.2015 bleibt aufrechterhalten.

2. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Art der Bestattung eines nahen Angehörigen.

Am 01.02.2015 verstarb … . Am 15.01.2015 hatte sie eine notariell erstellte Bestattungsordnung unterzeichnet, nach welcher die Verfügungsklägerin berechtigt sein sollte, sämtliche mit der Bestattung zusammenhängenden Fragen unter Ausschluss aller anderen Berechtigten zu entscheiden. Ebenfalls legte sie fest, dass sie auf der zum Schlosspark … gehörenden Friedhofsinsel an der Seite ihres verstorbenen Ehemannes beerdigt werden wolle.

Die Friedhofsinsel, auf welcher bereits der Ehemann der Verstorbenen, der Vater des Verfügungsbeklagten, beigesetzt worden war, stellt nach der deutschen Grundkarte eine Erbbegräbnisstätte dar.

Der Verfügungsbeklagte beauftragte Anfang Februar 2015 den Bestatter … mit der Einäscherung der Verstorbenen.

Am 18.02.2015 erteilte die Stadt … auf Antrag der Verfügungsklägerin die Genehmigung der Beisetzung der Verstorbenen auf der Friedhofsinsel in einem Zinksarg.

Totenfürsorgerecht: Übertragung durch Erblasser auf einen Dritten
Symbolfoto: NikD51/Bigstock

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Amtsgericht am 09.02.2015 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Verfügungsbeklagten sowie dem mit der Einäscherung beauftragten Beerdigungsunternehmer untersagt wurde, den Leichnam der Verstorbenen auf andere Art und Weise zu bestatten, als dies nicht auf der zum Schlosspark … in … gelegenen Friedhofsinsel durch Sargbeisetzung in der dortigen Grabkammer erfolgt. Gleichzeitig wurde für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR und ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Dagegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr, die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte behauptet, die Verstorbene sei zum Zeitpunkt der Erstellung der Bestattungsanordnung nicht geschäftsfähig gewesen.

Er ist weiter der Ansicht, dass der die Bestattung bewilligende Bescheid rechtswidrig ergangen und die seitens der Verfügungsklägerin begehrte Art der Bestattung aufgrund eines Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen unmöglich geworden sei. Es hätte nach Ansicht des Verfügungsbeklagten der Durchführung umfangreicher gesundheitsbehördlicher und geologischer Prüfungen bedurft, welche angesichts der zu erwartenden Dauer entsprechender Verfahren nicht mehr durchgeführt werden könnten. Ebenso habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass der beabsichtigte Bestattungsplatz den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Überdies gehöre die Verstorbene nicht zum Geschlecht derer, denen das vererbliche Recht auf Nutzung der streitgegenständlichen Grabstätte zustehe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.02.2015 verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 09.02.2015 ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

I.

Die Verfügungsklägerin hat gegenüber dem Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog.

Die Frage, wer zu Entscheidungen über den Leichnam eines Verstorbenen, über die Art der Bestattung sowie den Ort der letzten Ruhestätte zuständig sein soll, bestimmt sich in erster Linie nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen aufgrund seines noch fortwirkenden Persönlichkeitsrechts (OLG Karlsruhe NJW 2001, 2980; Palandt/Edenhofer, BGB, Einleitung vor § 1922, Rn. 9).

Vorliegend ist die Verfügungsklägerin aufgrund einer ausdrücklichen Bestattungsanordnung als Totenfürsorgeberechtigte befugt, den Willen der Verstorbenen und die von dieser vorgegebene Gestaltung der Beerdigung gegen Angehörige und Dritte zivilrechtlich durchsetzen. Ihr steht insoweit ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB zur Seite. Ebenfalls ergibt sich der Anspruch aus § 823 Abs. 1 i. V. m. § 249 BGB, da das Totenfürsorgerecht als sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB anerkannt ist, gegen dessen Beeinträchtigung dem Rechtsinhaber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche zustehen (Palandt/Edenhofer, BGB, Einleitung vor § 1922 Rz. 9 ff; OLG Karlsruhe, – 9 U 11/01 –, Urteil vom 26. Juli 2001, zit. nach juris).

Die seitens der Verstorbenen erstellte Bestattungsanordnung ist wirksam. Soweit der Verfügungsbeklagte sich auf eine Geschäftsunfähigkeit der Verstorbenen zum Zeitpunkt der Erstellung der Bestattungsanordnung beruft, trägt er hierfür die Beweislast, da nach allgemeiner Auffassung bei einem Volljährigen die Geschäftsfähigkeit als Regel zu unterstellen ist. Wer sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft, hat daher ihre Voraussetzungen zu beweisen (BGH NJW 1972, 681; Palandt/Ellenberger, BGB, § 104 Rn. 8). Beweis wurde seitens des Verfügungsbeklagten indes nicht angeboten.

Die Verfügungsklägerin ist aufgrund der wirksamen Bestattungsanordnung berechtigt, die seitens der Verstorbenen festgelegte Art der Beisetzung zu veranlassen. Bei der Entscheidung über die Art und Weise der Bestattung ist insoweit tunlichst der Wille des Verstorbenen zu wahren. Dafür sprechen nicht nur Pietätsgründe, sondern auch der Umstand, dass der Leichnam als der Rückstand der Persönlichkeit des Erblassers anzusehen ist und als solcher Anspruch auf würdigen Umgang hat. Da die Verstorbene eindeutig festgelegt hat, dass sie auf der Friedhofsinsel … im Wege der Sargbeisetzung beerdigt werden möchte, ist diesem Willen somit zu entsprechen.

a)

Soweit der Verfügungsbeklagte vorträgt, eine Sargbeerdigung auf … verstoße gegen Rechtvorschriften, beruft er sich auf eine rechtliche Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unmöglichkeit der Leistung ergibt, richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Danach trägt derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, während der Gegner die anspruchshindernden, die anspruchsvernichtenden und die anspruchshemmenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat (BGH, Urt. v. 20. März 1986, IX ZR 42/85, zit. nach juris).

Dem Verfügungsbeklagten obliegt demnach die Darlegungs- und Beweislast, dass die seitens der Verstorbenen verfügte Art der Bestattung infolge ihrer Gesetzeswidrigkeit dauerhaft unmöglich ist. Mithin hätte eines Beweises bedurft, dass die begehrte Sargbeisetzung gegen die Vorschriften des BestG NRW verstößt.

Diesen Beweis hat der Verfügungsbeklagte nicht zu führen vermocht.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BestG NRW kann eine Bestattung außerhalb eines Friedhofes in besonderen Fällen mit Zustimmung der Gesundheitsbehörde genehmigt werden. Nach § 2 Abs. 3 BestG NRW muss der Bestattungsplatz den Erfordernissen des Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entsprechen.

b)

Eine Genehmigung ist vorliegend unstreitig erteilt. Soweit sich der Verfügungsbeklagte auf eine behauptete Rechtswidrigkeit der Genehmigung beruft, hätte ihm nunmehr die Beweisführung oblegen, dass der Bestattungsplatz nicht den Anforderungen des Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entspricht. Der Verfügungsbeklagte hat sich vorliegend jedoch darauf beschränkt, die gesetzlichen Vorgaben an Friedhofsplätze aufzulisten, ohne jedoch substantiiert darzulegen, aufgrund welcher konkreten Ausgestaltung der Grabkammer eine Sargbeisetzung gegen die Richtlinien und Vorschriften des BestG NRW verstoßen würde. Insoweit ist unstreitig, dass die Grabstelle aufgrund einer Betonplatte nicht einsehbar ist, so dass der Verfügungsbeklagte lediglich die pauschale und nicht durch konkrete Tatsachen belegte Befürchtung hegt, die Grabkammer könne nicht den Vorgaben des BestG NRW genügen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine rechtliche Unmöglichkeit der seitens der Verstorbenen begehrten Bestattung anzunehmen, zumal der Verfügungsbeklagte nicht substantiiert darlegt, dass eine Sargbeisetzung nicht genehmigungsfähig sei. Der Verfügungsbeklagte beschränkt sich vielmehr darauf, die fehlende Einholung der seiner Ansicht nach erforderlichen Gutachten im Genehmigungsverfahren zu rügen. Insoweit stellt er allein darauf ab, dass gemäß der Hygienerichtlinien zum BestG NRW der Genehmigung eine gutachtliche Äußerung der unteren Gesundheitsbehörde, eine Stellungnahme der Wasserbehörde und eine geologisch bodenkundlichen Untersuchung vorauszugehen, der Landkreis sich jedoch allein auf eine Zustimmung der Gesundheitsbehörde berufen habe. Ob die Einholung der entsprechenden Gutachten überhaupt erforderlich ist kann jedoch dahinstehen, da für die Annahme einer Unmöglichkeit die behauptete Rechtswidrigkeit aufgrund eines Verfahrensverstoßes keine Relevanz hat, solange das behauptete Vorhaben jedenfalls genehmigungsfähig ist. Zu der Genehmigungsfähigkeit selbst trägt der Verfügungsbeklagte keine konkreten, dieser entgegenstehenden Tatsachen vor – die pauschale Behauptung der materiellen Rechtswidrigkeit ist aus den oben dargelegten Gründen nicht ausreichend.

c)

Soweit der Verfügungsbeklagte sich darauf beruft, dass die Voraussetzungen des § 14 BestG NRW nicht vorliegen, da ein berechtigtes Interesse der Verstorbenen an der Beisetzung auf zu verneinen sei, kann er auch mit diesem Vorbringen nicht durchdringen. Es ist insoweit nicht entscheidend, ob die Verstorbene zum Geschlecht derer gehört, die nach der deutschen Grundkarte ein vererbliches Recht auf Nutzung haben, da § 14 BestG NRW dieses bereits nicht voraussetzt. Die Entscheidung betreffend das berechtigte Interesse hat die Stadt nach eigenem Ermessen getroffen. Da ein berechtigtes Interesse der Verstorbenen bereits aufgrund der Tatsache bestehen dürfte, dass ihr verstorbener Ehemann dort begraben ist, ist der ergangene Bescheid jedenfalls nicht greifbar gesetzeswidrig.

d)

Soweit der Verfügungsbeklagte eine Unmöglichkeit daraus herzuleiten sucht, dass die vorzunehmenden Prüfungen der Grabstelle aufgrund der zu erwartenden Dauer entsprechender Verfahren ohne Verstoß gegen das BestG NRW nicht mehr durchgeführt werden können, hat er auch diesen Beweis nicht zu führen vermocht. Vielmehr erlaubt das Bestattungsgesetz gemäß § 13 Abs. 3 S. 3 BestG NRW die Verlängerung der Bestattungsfrist und die Verfügungsklägerin erklärte im Rahmen der mündlichen Verhandlung, einen entsprechenden Fristverlängerungsantrag stellen zu wollen. Ebenso hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, dass die zuständige Ordnungsbehörde von der Vornahme einer Einäscherung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bestattung absehen werde. Es besteht also keine Veranlassung zu der Annahme, dass – wenn überhaupt erforderlich – notwendige Genehmigungen nicht noch nachträglich eingeholt werden können.

Eine Unmöglichkeit der Bestattung auf … ist mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben. Selbst wenn die ggf. noch einzuholenden Gutachten zu dem Ergebnis eines Verstoßes gegen das BestG NRW kommen würden, ist anzunehmen, dass durch Anpassungen der Örtlichkeit an die eventuellen Vorgaben der Gesundheitsbehörde eine Genehmigungsfähigkeit hergestellt werden kann.

II.

Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass ohne Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung mit der geplanten Einäscherung der Verstorbenen Tatsachen geschaffen werden, die in einem Hauptsacheverfahren nicht rückgängig gemacht werden könnten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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