Bundesgerichtshof
Az: XII ZR 23/06
Urteil vom 12.12.2007
Leitsatz:
Im Rahmen des Trennungsunterhalts trifft den Unterhaltsschuldner grundsätzlich keine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz (Abgrenzung zum Senatsurteil BGHZ 162, 234 = FamRZ 2005, 608).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlass bis zum 27. November 2007 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2005 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Kassel vom 7. April 2005 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar bis Dezember 2004 in Höhe von insgesamt 1.152 EUR, zahlbar an das Sozialamt der Stadt Kassel, und für die Zeit von Januar 2005 bis zum 23. August 2005 in Höhe von insgesamt 743 EUR, zahlbar an die Arbeitsförderung Kassel-Stadt GmbH, zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 90 % und der Beklagte 10 % zu tragen. Von den Kosten der Berufungsinstanz haben die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 % zu tragen. Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2004 bis zur Rechtskraft ihrer Scheidung am 23. August 2005.
Der Beklagte erzielte in dieser Zeit lediglich Renten wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Höhe von insgesamt 1.345 EUR monatlich. Davon zahlte er auf den während der Ehezeit aufgenommenen Anteil eines später umgeschuldeten Kredits monatlich 408 EUR. Die Klägerin, die ihre frühere Tätigkeit als Bedienung nach einer Knieoperation im November 2002 nur noch eingeschränkt ausgeübt hatte, verlor diese Arbeitsstelle im September 2004 wegen Betriebsaufgabe und erzielte sodann keine Erwerbseinkünfte mehr. Sie erhielt seit Januar 2003 – zunächst ergänzende – Sozialhilfe und seit Anfang 2005 Arbeitslosengeld II, jeweils in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe.
Die Parteien streiten darüber, ob die Kreditraten des Beklagten, soweit sie den während der Ehezeit aufgenommenen Kredit betreffen, bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt werden können, oder ob es dem Beklagten oblag, zur Sicherstellung des laufenden Trennungsunterhalts Verbraucherinsolvenz zu beantragen.
Das Amtsgericht hat die Klage überwiegend abgewiesen und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab Mai 2005 monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 96 EUR zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2004 bis Juni 2005 in Höhe von monatlich 440 EUR und für die Zeit von Juli 2005 bis zum 23. August 2005 in Höhe von monatlich 466 EUR zu zahlen, und zwar für die Zeit von Januar bis Dezember 2004 an den Träger der Sozialhilfe und für die Folgezeit an den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dagegen richtet sich die – vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist überwiegend begründet und führt zur Herabsetzung des geschuldeten Trennungsunterhalts.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts obliegt es dem Beklagten, zur Ermöglichung höherer Unterhaltsleistungen eine Verbraucherinsolvenz einzuleiten. Der Bundesgerichtshof habe solches jedenfalls im Verhältnis zu unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern bejaht, sofern es dem Unterhaltsschuldner im Rahmen einer Gesamtabwägung zumutbar sei. Dies sei der Fall, wenn die Leistungsfähigkeit durch Verbindlichkeiten so erheblich eingeschränkt sei, dass daneben keine oder nur sehr geringe Unterhaltsleistungen möglich seien, die Belastung wegen der Höhe der Verbindlichkeiten erhebliche Zeit andauere, mit einer Restschuldbefreiung zu rechnen sei und keine besonderen Umstände zum Schutz des Schuldners entgegenstünden. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Zwar bestünden gegen die Obliegenheit zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz deswegen Bedenken, weil die Verbindlichkeiten bereits die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt hätten. Hier betreffe der Streit der Parteien allerdings nicht die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern die Leistungsfähigkeit des Beklagten. Denn der Unterhaltsbedarf der Klägerin übersteige auch nach Abzug der Kreditbelastungen von den Renteneinkünften des Beklagten mit monatlich 468 EUR (richtig: [1.345 EUR – 408 EUR =] 937 / 2) den zugesprochenen Unterhalt. Im Rahmen der hier relevanten Leistungsfähigkeit sei der Beklagte auch im Verhältnis zu seinem getrennt lebenden Ehegatten zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz verpflichtet. Der geschuldete Unterhalt errechne sich deswegen aus der Differenz zwischen dem pfändungsfreien Betrag und dem jeweiligen notwendigen Selbstbehalt, der bis zum 30. Juni 2005 840 EUR und danach 890 EUR betragen habe.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Beklagte der Klägerin während der Trennungszeit nach § 1361 BGB dem Grunde nach unterhaltspflichtig war. Eigene Einkünfte hatte die Klägerin lediglich in der Zeit bis September 2004 und zudem in sehr geringem Umfang erzielt. Nach § 1361 Abs. 2 BGB war es ihr während der Trennungszeit unter Berücksichtigung der nur geringfügigen Erwerbstätigkeit während der Ehe, ihrer Knieoperation und des Arbeitsplatzverlustes wegen Betriebsaufgabe nicht zumutbar, ihren Unterhaltsbedarf in vollem Umfang durch eigene Einkünfte zu decken. Demgegenüber erzielte der Beklagte Renteneinkünfte in Höhe von monatlich insgesamt 1.345 EUR. Unter Berücksichtigung der aus der Ehezeit der Parteien herrührenden Kreditbelastungen von monatlich 408 EUR verblieb ihm folglich ein unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 937 EUR.
Weil dem Unterhaltsschuldner im Rahmen des Trennungsunterhalts nach neuerer Rechtsprechung des Senats (BGHZ 166, 351, 356 ff. = FamRZ 2006, 683, 684) jedenfalls der Ehegattenselbstbehalt verbleiben muss, der im Regelfall zwischen dem angemessenen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) liegt, ist er – ohne Einleitung der Verbraucherinsolvenz – jedenfalls nicht in der Lage, höheren Unterhalt zu leisten, als das Amtsgericht zugesprochen hatte.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts obliegt es dem Beklagten im Rahmen des hier geschuldeten Trennungsunterhalts aber nicht, ein Verfahren der Verbraucherinsolvenz einzuleiten, um den Unterhaltsansprüchen der Klägerin Vorrang vor den – die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden – Kreditverbindlichkeiten zu verschaffen.
a) Zwar hat der Senat eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz angenommen, wenn dieses Verfahren geeignet ist, den laufenden Unterhalt minderjähriger Kinder dadurch sicherzustellen, dass ihm Vorrang vor sonstigen, einer möglichen Restschuldbefreiung unterfallenden, Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Das gilt nur dann nicht, wenn der Unterhaltsschuldner Umstände vorträgt und gegebenenfalls beweist, die eine solche Obliegenheit im Einzelfall als unzumutbar darstellen (BGHZ 162, 234, 240 ff. = FamRZ 2005, 608, 609 ff.). Diese Rechtsprechung hat der Senat mit der gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB) begründet. Hinsichtlich dieser Ansprüche sind den Eltern stärkere Anstrengungen zumutbar, als es bei anderen Unterhaltstatbeständen der Fall ist, was den Eingriff in ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit rechtfertigen kann.
aa) Die Einleitung der Verbraucherinsolvenz mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung führt stets zu einem Vorrang der laufenden Unterhaltsansprüche gegenüber den Insolvenzforderungen, einschließlich des rückständigen Unterhalts (vgl. insoweit BGH Beschluss vom 27. September 2007 – IX ZB 16/06 – zur Veröffentlichung bestimmt). Denn nach § 36 Abs. 1 InsO gehören Einkünfte nicht zur Insolvenzmasse, soweit sie nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Das gilt nach den §§ 850 Abs. 2, 850 c ZPO auch für pfändungsfreies laufendes Arbeitseinkommen, soweit es für den eigenen Unterhalt oder zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsansprüche privilegiert ist (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 – XII ZR 112/05 – zur Veröffentlichung bestimmt).
bb) Auch die Möglichkeit, sich auf die Pfändungsgrenzen der Zivilprozessordnung zu berufen, lässt die Obliegenheit zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz nicht entfallen, weil eine Unterhaltspflicht in Fällen der Zahlungsunfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur auf der Grundlage der im Insolvenzverfahren möglichen Restschuldbefreiung in Betracht kommt. Die Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO allein lassen die weiteren Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners nicht entfallen, sondern führen im Gegenteil zu einer fortschreitenden Verschuldung, was dem Unterhaltspflichtigen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zugemutet werden kann und deswegen schon einer Titulierung des Unterhalts entgegensteht (BGHZ 162, 234, 240 = FamRZ 2005, 608, 609). Erst angesichts der Verbraucherinsolvenz mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung ist es vertretbar, eine nicht beizutreibende Forderung schon im Rahmen der Unterhaltsbemessung unberücksichtigt zu lassen (vgl. Wohlgemuth FamRZ 2006, 308, a.A. Hauß FamRZ 2006, 306 f. und Melchers/Hauß Unterhalt und Verbraucherinsolvenz Rdn. 106 ff.). Der Senat hält deswegen daran fest, dass den Unterhaltsschuldner auf der Grundlage seiner gesteigerten Unterhaltspflicht für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz treffen kann. Eine Obliegenheit, sich auf die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 a ff. ZPO zu berufen, kann diese Obliegenheit zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz nicht ersetzen.
cc) Eines eigenen Antrags des Unterhaltsschuldners auf Einleitung der Verbraucherinsolvenz bedarf es auch deswegen, weil nur dann ein Vorrang des laufenden Unterhalts vor sonstigen Insolvenzforderungen gesichert ist. Zwar kann ein Insolvenzantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO grundsätzlich sowohl vom Schuldner als auch von dessen Gläubigern gestellt werden. Die für die Nichtberücksichtigung der Kreditverpflichtungen ausschlaggebende Restschuldbefreiung setzt aber nach den §§ 305 Abs. 1, 306 Abs. 3 InsO zwingend einen eigenen Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus (BGHZ 162, 181, 183 = FamRZ 2005, 703). Nur wenn der Unterhaltsschuldner aufgrund seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit selbst die Verbraucherinsolvenz beantragt, ist eine Restschuldbefreiung möglich und es ihm damit zumutbar, die laufende Unterhaltspflicht vor allen anderen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt dann dazu, dass der Unterhaltspflichtige in Höhe der Differenz aus dem nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Einkommen (§ 36 Abs. 1 InsO, §§ 850 ff. ZPO) und dem ihm gegenüber dem jeweiligen Unterhaltsanspruch zu belassenden Selbstbehalt leistungsfähig ist (vgl. insoweit Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 – XII ZR 112/05 – zur Veröffentlichung bestimmt).
b) Umstritten ist allerdings, ob der Unterhaltsschuldner auch dann auf eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz verwiesen werden kann, wenn er nicht im Rahmen seiner gesteigerten Unterhaltspflicht Kindesunterhalt, sondern Unterhalt für einen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten schuldet.
aa) Teilweise wird dem Unterhaltsschuldner die Einleitung der Verbraucherinsolvenz generell schon dann zugemutet, wenn eine nachhaltige Überschuldung vorliegt, die Verbindlichkeiten also im Verhältnis zum Einkommen unangemessen hoch sind und sich über einen langen Zeitraum erstrecken (so OLG Koblenz FamRZ 2004, 823, 824; vgl. auch Melchers/Hauß Unterhalt und Verbraucherinsolvenz Rdn. 260 ff.). Wenn dem Schuldner nach diesem Maßstab die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung zumutbar sei, habe dies zur Konsequenz, dass er sich auch unterhaltsrechtlich nicht auf die bestehenden Verbindlichkeiten berufen könne. Diese Auffassung stellt somit vorrangig auf die unterhaltsrechtlichen Folgen der Obliegenheit zur Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung ab, die grundsätzlich auch den Schuldner des Ehegattenunterhalts treffe. Die verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Unterhaltsschuldners berücksichtigt sie erst im Rahmen der allgemeinen Zumutbarkeitsabwägung.
bb) Demgegenüber wird überwiegend vertreten, eine Obliegenheit des Unterhaltsschuldners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz lasse sich allein durch die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB rechtfertigen. Insbesondere beim Anspruch auf Trennungsunterhalt scheide eine dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder vergleichbare Situation aus, weil es sich dabei regelmäßig um eine in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegte Verschuldung handele, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte mittragen müsse (OLG Celle FamRZ 2006, 1536; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 1457 [für einen Anspruch aus § 1615 l Abs. 1 und 2 BGB]).
cc) Der Senat schließt sich im Grundsatz der zuletzt genannten Auffassung an. Die Gegenmeinung verkennt die Tragweite der verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit des Unterhaltsschuldners. Eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz lässt sich deswegen nur aus besonders gewichtigen Gründen rechtfertigen, hinter denen die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Unterhaltsschuldners zurücktreten muss.
Solche Umstände sind regelmäßig in der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB zu erblicken. Denn diese Unterhaltspflicht beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Pflege und Erziehung der Kinder aus Art. 6 Abs. 2 und 5 GG und überwiegt deswegen grundsätzlich die nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit des Unterhaltsschuldners. Hinzu kommt, dass minderjährige und privilegierte volljährige Kinder in der Regel keine Möglichkeit haben, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Der Senat hat deswegen in Fällen einer gesteigerten Unterhaltspflicht auch sonst stärkere Anstrengungen des Unterhaltsschuldners für zumutbar gehalten (BGHZ 162, 234, 239 f. = FamRZ 2005, 608, 609).
Diese Begründung ist auf den Unterhaltsanspruch getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten nicht in gleicher Weise übertragbar. Wegen der grundsätzlichen Möglichkeit getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten, den eigenen Unterhalt selbst sicherzustellen, hat der Gesetzgeber die gesteigerte Unterhaltspflicht nicht – wie in § 1603 Abs. 2 BGB – auf den Ehegattenunterhalt erstreckt. Hinzu kommt, dass mit dem vom Bundestag und vom Bundesrat bereits beschlossenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 15. Juni 2006 (BT-Drucks. 16/830) auch der Rang des Ehegattenunterhalts gegenüber dem Unterhaltsanspruch minderjähriger und ihnen gleichgestellter Kinder geändert worden ist. § 1609 BGB weist jetzt nur noch Unterhaltsansprüchen minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder den ersten Rang zu. Erst mit einem späteren Rang folgen die Unterhaltsansprüche Kinder erziehender Eltern und sonstiger (früherer) Ehegatten.
Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht entscheidend darauf an, dass auch die Klägerin in dem hier zu entscheidenden Einzelfall nicht in der Lage sein dürfte, ausreichend für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Denn der Gesetzgeber hat im Rahmen des Ehegattenunterhalts selbst den notwendigen Unterhaltsbedarf nicht dem Kindesunterhalt gleichgestellt. Entsprechend hat der Senat in ständiger Rechtsprechung einen Mindestbedarf des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten abgelehnt (Senatsurteil vom 22. Januar 2003 – XII ZR 2/00 – FamRZ 2003, 363, 364). Im Gegensatz dazu sieht das vom Bundestag und vom Bundesrat bereits beschlossene Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 15. Juni 2006 in § 1612 a BGB für minderjährige Kinder einen Mindestunterhalt vor, der sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG richtet. Auch ein Verzicht auf Unterhaltsansprüche für die Zukunft ist nach § 1614 Abs. 1 BGB beim Verwandtenunterhalt nicht zulässig, während § 1585 c BGB eine Vereinbarung über den Unterhalt für die Zeit nach der Ehescheidung ausdrücklich zulässt. Die Ausgestaltung des Ehegattenunterhalts ist deswegen mit dem besonders stark ausgestalteten Unterhaltsanspruch minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder nicht vergleichbar.
Den Schuldner des Trennungsunterhalts oder des nachehelichen Unterhalts trifft im Hinblick auf seine verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit deswegen regelmäßig keine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz. Denn die Kreditbelastungen hatten regelmäßig bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt und auch der unterhaltsberechtigte Ehegatte hatte seine Lebensverhältnisse auf diese Ausgaben eingestellt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Ehegatten seit ihrer Trennung nicht mehr nach § 1360 a BGB zum Familienunterhalt verpflichtet sind, der ihnen die gleichmäßige Teilhabe an den für den Unterhalt der Familie zur Verfügung stehenden Mitteln sichert. Die Verpflichtung zum Trennungsunterhalt und zum nachehelichen Unterhalt setzt demgegenüber die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten voraus, die nur vorliegt, wenn sein Ehegattenselbstbehalt gewahrt ist (Senatsurteil BGHZ 166, 351 = FamRZ 2006, 683). Mit der Trennung der Parteien ist die Kreditbelastung deswegen nicht nur bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern auch im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, was das Berufungsgericht verkannt hat.
c) Nach diesen Grundsätzen oblag es dem Beklagten im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber der getrennt lebenden Klägerin nicht, wegen der ehebedingten Kreditverbindlichkeiten von monatlich 408 EUR ein Verfahren der Verbraucherinsolvenz einzuleiten.
Ein solches Verfahren wäre für den Beklagten, der ohnehin lediglich Erwerbsunfähigkeitsrente erzielt, mit erheblichen Einschnitten verbunden. Denn durch die Bestellung eines Treuhänders im Insolvenzverfahren nach den §§ 313 Abs. 1, 292 InsO würde der Beklagte in seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit stark eingeschränkt. Wie gegenüber einem Insolvenzverwalter bestehen nach den §§ 97 f. InsO auch gegenüber einem Treuhänder weitgehende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (vgl. auch § 305 Abs. 1 und 2 InsO). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wäre für den Beklagten auch deswegen besonders belastend, weil damit sein Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter bzw. den Treuhänder übergeht (§§ 21 Abs. 2, 80 bis 82, 313 Abs. 1 InsO). Zudem setzt die mögliche Restschuldbefreiung nach § 287 Abs. 2 InsO voraus, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens an den Treuhänder abtritt. Das würde den Beklagten als Insolvenzschuldner nicht nur während des ca. sechsmonatigen vorbereitenden Verfahrens durch die Beratungsstelle (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), sondern auch während der folgenden sechsjährigen Wohlverhaltensperiode gemäß §§ 287 Abs. 2, 299 Abs. 1 InsO in seiner Verfügungsmöglichkeit einschränken. Hinzu kommt, dass infolge der Einleitung einer Verbraucherinsolvenz auch die allgemeine Kreditwürdigkeit des Unterhaltsschuldners leiden würde.
Dem steht ein Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt gegenüber, der schon von Gesetzes wegen nicht so stark ausgestaltet ist, wie es wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB für den Anspruch minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder der Fall ist.
d) Nach den allgemeinen Grundsätzen ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin deswegen auf der Grundlage des tatsächlichen Renteneinkommens des Beklagten abzüglich der schon während der Ehezeit bestehenden Kreditbelastungen zu bemessen. Unter Berücksichtigung des zu wahrenden Ehegattenselbstbehalts schuldet der Beklagte dann jedenfalls keinen höheren Unterhalt als das Amtsgericht mit monatlich 96 EUR zuerkannt hat. Allerdings kommt wegen des Verschlechterungsverbots auch kein geringerer Unterhalt in Betracht, weil nur die Klägerin, nicht aber der Beklagte das amtsgerichtliche Urteil angegriffen hatte. Somit ergibt sich ein Unterhaltsrückstand für die Zeit von Januar bis Dezember 2004 in Höhe von 1.152 EUR (96 EUR x 12), der wegen des Anspruchsübergangs in § 94 Abs. 1 SGB XII auf Antrag der Klägerin an den Sozialhilfeträger zu zahlen ist. Für die weitere Zeit von Januar bis zum 23. August 2005 schuldet der Beklagte Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 743 EUR ([96 EUR x 7] + [96 x 23/31]), der nach Übergang des Unterhaltsanspruchs gemäß § 33 Abs. 1 SGB II an den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu leisten ist.