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Verletzung der Verkehrssicherungspflicht – Treppenfahrt mit Auto

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 12 U 900/00

Urteil vom 7.01.2002

Vorinstanz: LG Koblenz – Az.: 16 O 456/99


In dem Rechtsstreit hat der 12. Senat des OLG auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2001 für Recht erkannt:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Koblenz vom 19.05.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger befuhr am Abend des 1. Juni 1999 mit dem Pkw seiner Schwester die H….Straße in W……….. Nachdem eineWeiterfahrt wegen Sperrung der Straße unmöglich war, wendete er, fuhr ein Stück zurück und bog dann, um letztlich auf eine andere Strecke zu gelangen, in die links einmündendeH…..gasse ein. Diese Gasse ist von der H….Straße durcheinen Bürgersteig (mit abgesenktem Bordstein) sowie durch die Grenzmarkierung einer Bushaltestelle (Zeichen 299 zu § 41 StVO) abgetrennt. Während die H….gasse an der Einmündung noch 3,80 m breit ist, verjüngt sie sich in ihrem weiteren Verlauf zusehends bis auf eine Breite von ca. 2,50 m. Sie mündet schließlich nach einer Gesamtlänge von ca. 35 m in einen terrassenförmig angelegten Treppenabgang, über den man die Bahnunterführung erreicht.

Der Kläger will diese Gasse erstmals und mit einer Geschwindigkeit von 15 km/h befahren haben. Dabei will er wegen Fehlens eines geeigneten Warnhinweises bzw. Verkehrsschildes den angeblich erst unmittelbar vor seinem Beginn sichtbaren Treppenabgang nicht rechtzeitig erkannt und trotz sofortigen Bremsens mit der Vorderachse bis auf die zweite Treppenstufe gerutscht sein. Hierdurch sei die Bodengruppe seines Pkw nebst Rahmen so stark beschädigt worden, dass an dem Fahrzeug Totalschaden entstanden sei.

Er beansprucht von der Beklagten Ersatz des ihm entstandenen Schadens, und zwar ursprünglich in voller Höhe von 4.745,78 DM nebst Zinsen.

Die Beklagte bestreitet eine Haftpflicht nach Grund und Höhe. Zur Aufstellung von Warnhinweisen sei sie nicht verpflichtet gewesen, weil die Treppe für den Kläger bereits von Weitem erkennbar gewesen sei. Der Polizeibeamte, der den Unfall aufgenommen habe, habe diesen auf nicht angepasste Geschwindigkeit und Unaufmerksamkeit des Klägers zurückgeführt.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. Mai 2000 (Bl. 66 – 73 d.A.) abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen Schaden nur noch in Höhe von 70 %, nämlich von 3.112,06 DM nebst Zinsen geltend macht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch versagt.

Ein solcher allein aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB herleitbarer Anspruch folgt hier weder aus einer Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als Trägerin der Straßenbaulast – die im Hinblick auf § 48 Abs. 2 LStrG Rheinland-Pfalz als Amtspflicht ausgestaltet ist und gemäß § 68 Abs. 2 GemO Rheinland-Pfalz die Beklagte trifft – noch aus einer Verletzung der verkehrspolizeilichen Pflicht, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch geeignete Maßnahmen – etwa durch Aufstellen von Verkehrsschildern – zu gewährleisten; auch insoweit war die Beklagte die zuständige Behörde (vgl. § 5 Abs. l Nr. l der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrsrechts). Im Streitfall, in dem es um den Vorwurf des Klägers geht, die Beklagte habe das Aufstellen eines geeigneten Warnschildes (etwa des Zeichens 101 zu § 40 StVO) oder eines Verkehrsverbotsschilds unterlassen, gehen die Verkehrssicherungspflicht und die Verkehrsregelungspflicht ineinander über. Dies folgt insbesondere aus § 45 Abs. 3 S. 3 StVO. Danach können die Straßenbaubehörden – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – auch Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

1.

Die Auffassung des Klägers, auf den Übergang der Gasse in die Treppe hätte unter allen Umständen durch ein Warnschild hingewiesen werden müssen, ist unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Sondersituation einer sich fortgesetzt verschmälernden Gasse, die erkennbar nicht als Durchgangsstraße gedacht ist, nicht zutreffend. Unpassend ist insbesondere der Vergleich mit dem plötzlichen Fehlen eines Autobahnteils (Bl. 88/89 d.A.).

Sowohl im Bereich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht als auch der Verkehrsregelungspflicht sind Maßnahmen nur dann veranlasst, wenn eine Gefahrenstelle vorliegt, die wegen der nicht ohne weiteres oder nicht rechtzeitig erkennbaren besonderen Beschaffenheit der Straße die Möglichkeit eines Unfalls auch für den Fall nahe legt, dass die Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lassen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Zwar wird im allgemeinen Durchgangsverkehr und erst recht im Autobahnverkehr ein etwaiges gefahrvolles Ende der Straße bzw. Fahrbahn grundsätzlich immer rechtzeitig durch ein Hinweis- oder Warnschild angezeigt werden müssen. Die Rechtsprechung macht ‚ aber eine Ausnahme für den Fall, dass sich das Ende bzw. die Verkehrsbeschränkung aus der Örtlichkeit ohne weiteres ergibt (BGH LM Nr. 12 zu § 839 (Fg); OLG Frankfurt, VersR 1979, 78 und VersR 1976, 691). Im Streitfall war der Übergang der Gasse in den Treppenabgang ohne weiteres und rechtzeitig erkennbar. Bereits bei Einfahrt in die H….gasse über die Markierfläche einer Omnibushaltestelle und einen abgesenkten Bürgersteig ist für jeden Verkehrsteilnehmer klar, dass er eine schmale beiderseits durch Hauswände bzw. Grenzmauern eingefasste Gasse benutzt. Der Kläger musste schon deshalb und einmal mehr, wenn er zum ersten Mal in diese Gasse geriet, mit angespannter Aufmerksamkeit fahren. Außerdem musste er auf der bereits an der Einmündung nur 3,80 m breiten und sodann noch zusehends enger werdenden Gasse so langsam fahren, dass er mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke halten konnte, § 3 Abs. l S. 5 StVO. Ein Vorbeikommen an einem anderen evtl. entgegenkommenden Pkw wäre schon nach wenigen Metern Einfahrt in die Gasse nicht mehr möglich gewesen, auch nicht mit der dann erforderlichen Schrittgeschwindigkeit, wenn man von einer Durchschnittsbreite eines Pkw von 1,70 m ausgeht. Es hätte dann eine Verständigung mit dem Fahrer eines entgegenkommenden Fahrzeuges über ein Zurücksetzen eines der Fahrzeuge stattfinden müssen. Über das normale Maß hinaus gefahrvoll war die Verkehrssituation für den Kläger auch insofern, als ihm bei einem plötzlichen Auftauchen eines Bewohners eines der Häuser wegen des minimalen Seitenabstands kein nennenswerter Spielraum für Ausweichmaßnahmen verblieb. Bei dieser Sachlage war selbst die vom Kläger eingeräumte Geschwindigkeit von angeblich „nur“ 15 km/h schon zu hoch. In jedem Fall aber wäre der Kläger bei Einhaltung des Gebots des „Fahrens auf halbe Sicht“ ohne weiteres in der Lage gewesen, unfallvermeidend auf den rechtzeitig erkennbaren Treppenabgang zu reagieren. Aufgrund der dem Senat vorgelegten Lichtbilder präsentierte sich der Treppenabgang mindestens 20 m vorher dem Benutzer der Gasse zweifelsfrei. Die helle Fahrbahn endete mit der sich streifenartig darstellenden oberen Treppenkante, wobei sich vor dem Hintergrund des rechts folgenden Bewuchses und der dahinter liegenden wesentlich dunkleren Mauer auch ein deutlicher „optischer Abbruch“ der Gasse ergab. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass am Rand der dunklen hinter dem grünen Bewuchs hervortretenden Mauer auch ein Treppengeländer angebracht war. In jedem Fall ist bei dieser Sachlage für einen aufmerksamen und mit nur einigermaßen angepasster Geschwindigkeit fahrenden Pkw-Fahrer der Treppenabgang rechtzeitig erkennbar. Hinzu kommt, dass sich der Unfall auf trockener Fahrbahn und noch bei Tageslicht ereignete.

Keiner Entscheidung bedarf daher die Frage, ob eine (teilweise) andere Entscheidung dann veranlasst wäre, wenn sich der Unfall in dunkler Nacht ereignet hätte und sich die wohl fehlende, jedenfalls für den Senat nicht erkennbare Beleuchtungdes Treppenabgangs nachteilig für dessen Erkennbarkeit im Abblendlicht eines Pkw ausgewirkt hätte.

Allerdings wird die Beklagte unter diesem Aspekt zu überlegen haben, ob sich ihre Verteidigungslinie, der Treppenabgang seivon Weitem erkennbar, für alle denkbaren Fälle aufrechterhalten lassen wird. Vielmehr dürfte es zweckmäßig sein, auch im Interesse des zunehmenden Altersanteils der Bevölkerung und einer insoweit zu berücksichtigenden gewissen Abschwächung des Sehvermögens, letztendlich doch ein geeignetes Gefahrenschild mit entsprechender Beschriftung anzubringen, um jedes nur denkbare Haftungsrisiko auszuschließen.

2.

Allerdings kann der Kläger hieraus zu seinen Gunsten nichts herleiten. Die entscheidende Unfallursache in seinem Fall liegt darin, dass er, offensichtlich, weil er es eingestandenermaßen „eilig hatte“, grob fahrlässig eine ihm unbekannte sich noch verengende Gasse mit überhöhter Geschwindigkeit unter Außerachtlassung des § 3 Abs. l S. 5 StVO befahren und sich dadurch außerstande gesetzt hat, rechtzeitig vor dem Treppenabgang sein Fahrzeug noch abzubremsen. Da er für die zutreffende Beurteilung der konkreten Umstände und die richtige Wahl der danach zulässigen Geschwindigkeit selbst verantwortlich ist, hat er den ihm entstandenen Schaden auch allein zu tragen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob entsprechend seinem allerdings unsubstantiierten Vorbringen früher auch schon andere Kraftfahrer auf dieser Gasse verunglückt sind.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. l ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens, der zugleich auch Wert der Beschwer des Klägers ist, wird auf 3.112,06 DM festgesetzt.


 

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