OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Az.: 7 U 54/01
Verkündet laut Protokoll am 20.02.2002
Vorinstanz: LG Frankfurt – Az.: 2/23 O 249/00
In dem Rechtsstreit hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 7. Zivilsenat – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.1.2002 für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.1.2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 l ZPO a.F. verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zwar ist – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – davon auszugehen, dass nach dem Vortrag des Klägers eine bedingungsgemäße Entwendung seines Fahrzeugs gemäß § 12 (1) l b) AKB vorliegt. Ein Bruch fremden Gewahrsams liegt nur dann nicht vor, wenn das durch Täuschung erlangte Einverständnis des Gewahrsamsinhabers sich auf die erstrebte Gewahrsamsänderung in ihrem vollen Umfang erstreckt (vgl. BGH VersR 1975, 225, 226; OLG München-VersR1995,955). Vorliegend musste der Täter trotz der ihm gelungenen Täuschung über den beabsichtigten Fahrerwechsel im Rahmen der Probefahrt noch den „Gewahrsamsrest“ des Klägers brechen, da nach Verlassen des Fahrzeugs seitens des Klägers lediglich eine Gewahrsamslockerung eingetreten war. Dass der Kläger letztlich den Gewahrsamsbruch nicht verhindern konnte, ist unerheblich, da es bei der Beurteilung der Gewahrsamsverhältnisse lediglich auf die Möglichkeit der Beherrschung der Sache ankommt (vgl. OLG München a.a.O.).
Die Beklagte kann sich jedoch auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 61 VVG berufen.
Der Kläger hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen, was im vorliegenden Fall jedermann hätte einleuchten müssen.
Zwar mag für sich betrachtet der Umstand, dass der Kläger sich bei Fahrtantritt nicht die Fahrerlaubnis oder andere Ausweispapiere zur Feststellung der Identität des Kaufinteressenten hat zeigen lassen, nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu begründen, da der Kläger das Fahrzeug dem Kaufinteressenten nicht allein überließ, sondern mitgefahren ist und beabsichtigte, dem Kaufinteressent das Steuer auch nur in seiner Anwesenheit als Beifahrer zu überlassen. Gerade weil er jedoch jegliche Maßnahmen zur Feststellung der Identität des Kaufinteressenten unterlassen hatte, trafen ihn bei Durchführung der Probefahrt erhöhte Sorgfaltsanforderungen. Mit Trickdiebstählen muss bei Gebrauchtwagen gerechnet werden. Dies kann aufgrund von Medienberichten und Aufklärungsmaßnahmen der Polizei als bekannt vorausgesetzt werden. Damit, dass ein potentieller Dieb eine günstige Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug – wie z.B. beim Fahrerwechsel -ausnutzen würde, musste der Kläger daher rechnen, zumal es sich um ein relativ neues – ein Jahr altes – Fahrzeug mit einem Wiederbeschaffungswert von rund 30.000,- DM handelte. Insofern hätte er besondere Vorkehrungen treffen müssen, um einen Diebstahl zu verhindern. Hier gegen hat der Kläger in eklatanter Welse verstoßen, indem er das Fahrzeug bei dem beabsichtigten Fahrerwechsel mit laufendem Motor verlassen und hierdurch den völlig ungehinderten Zugriff durch den Dieb, der sich bereits zur Fahrerseite begeben hatte, ermöglicht hat. Dieser konnte aufgrund der gegebenen Örtlichkeiten (Industriestraße an einem Sonntag zur Mittagszeit) ungehindert davon fahren. Insofern hat der Kläger gegen naheliegende, im gegebenen Fall jedermann einleuchtende Sorgfaltsanforderungen, nämlich Vorsorge gegen einen Diebstahl durch Abziehen des Zündschlüssels zu treffen, verstoßen.
Den Kläger trifft auch in subjektiver Hinsicht ein erheblich gesteigertes Verschulden. Das Abziehen des Zündschlüssels wäre eine einfache und zumutbare Maßnahme zur Verhinderung der Diebstahlsgefahr gewesen, was der Kläger in der gegebenen Situation ohne weiteres hätte erkennen können. Dass die Kaufinteressenten vertrauenserweckend aufgetreten sind, vermag ihn nicht zu entlasten. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände hat der Kläger daher den Diebstahl grob fahrlässig herbeigeführt.
Auf die weitere Frage, ob die Beklagte sich auch auf Leistungsfreiheit gemäß § 2 b (1) AKB berufen kann oder aber diese Vorschrift, die im Zusammenhang mit § 5 KfzPflW zu sehen ist, nur im Rahmen der Haftpflichtversicherung gilt (so Stiefel/ Hofmann, AKB-Komm., 17. Aufl., § 26 AKB Rz. 51), kommt es daher nicht an.
Da das Rechtsmittel des Klägers ohne Erfolg geblieben ist, waren ihm gemäß § 97 l ZPO die Kosten der Berufung aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.