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Türsteherhaftung wegen vorsätzlich begangener Körperverletzung

LG Bonn – Az.: 1 O 154/15 – Urteil vom 02.12.2016

1. Das am 28.08.2015 verkündete Versäumnisurteil des Landgerichts Bonn – 1 O 154/15 – wird mit folgendem Inhalt aufrechterhalten:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.05.2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall von 23.11.2014 gegen 03:35 Uhr in … N, A … (vor der dortigen Diskothek) zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 28.08.2015 aufgehoben und die weitergehende Klage abgewiesen.

3. Die weiteren Kosten des Rechtsstreites werden dem Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 28.08.2015 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Der Kläger ist Student und war am 23.11.2014 Besucher der Diskothek „U“, A … in N. Der Beklagte war dort als Sicherheitskraft tätig.

Gegen 03:35 Uhr des 23.11.2014 erhielt der Kläger vor der Diskothek von dem Beklagten einen wuchtigen Schlag mit der Faust in das Gesicht. Hierdurch ging der Kläger sofort zu Boden und schlug mit dem Kopf auf dem Asphalt auf. Er war längere Zeit bewusstlos und bewegte sich nicht mehr. Der Beklagte zog den Kläger dann an den Beinen über den Teerplatz, wo er ihn auf einer Wiese ablegte ohne sich weiter um den Kläger zu kümmern.

Nachdem Zeugen Krankenwagen und Polizei gerufen hatten, wurde der Kläger mit einem Rettungswagen in die Notfallambulanz des Kreiskrankenhauses N gefahren. Dort wurde die Diagnose „Schädelprellung, Unterlippenplatzwunde“ gestellt (vgl. Schreiben vom 23.11.2014 = Anlage ZHS8 zur Klageschrift). Zudem befand sich der Kläger bis zum 24.11.2014 mit der Diagnose „Subdurales Hämatom li., dezente Subarachnoidalblutung li.“ in stationärer Behandlung auf der anästhesiologischen Intensivstation des Kreiskrankenhauses (vgl. Bericht vom 24.11.2014 = Anlage ZHS7 zur Klageschrift). Wegen Beschwerdepersistenz wurde der Kläger von dem Kreiskrankenhaus zur Weiterbehandlung an die Neurochirurgie des Universitätsklinikums in C überwiesen (vgl. Schreiben vom 08.12.2014 = Anlage ZHS5 zur Klageschrift), wo er sich vom 28.11.2014 bis zum 02.12.2014 mit der Diagnose „Schädelhirntrauma mit Kontusionen links fronto-basal und links temporal sowie kleine Kontusionen rechts temporo-polar, persistierende Cephalgien“ in stationärer Behandlung befand (vgl. Verlegungsbrief vom 02.12.2014 = Anlage ZHS6 zur Klageschrift). Anschließend wurde der Kläger in das Kreiskrankenhaus N zurückverlegt, wo er sich bis zum 09.12.2014 mit der Diagnose „Subduralhämatom linksseitig, Contusio cerebri frontotemporal mit Kontusionsblutungen links und temporal rechts“ im Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in stationärer Behandlung befand (vgl. Anlage ZHS5, aaO.).

Durch Urteil des Amtsgerichts F vom 19.01.2016 – … Ds … Js …/… – …/… – wurde der Beklagte wegen des streitgegenständlichen Vorfalles sowie einer Straftat zu Lasten des Zeugen Q rechtskräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen der Feststellungen des Amtsgerichts F im Einzelnen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft C – … Js …/… – (vgl. Sitzungsprotokoll vom 28.10.2016; auszugsweise in Ablichtung als Anlage ZHS4 zur Klageschrift), insbesondere die schriftliche Urteilsbegründung (in Kopie = Bl…. – … d.A.), Bezug genommen.

Türsteherhaftung wegen vorsätzlich begangener Körperverletzung
(Symbolfoto: nullplus/Shutterstock.com)

Der Kläger behauptet, der streitgegenständliche Vorfall habe sich ereignet wie von dem Amtsgericht F festgestellt. Er habe in der Diskothek nur eine 16-jährige Besucherin „angetanzt“, was in Diskotheken dieser Größenordnung allgemein üblich sei, und sich von dieser Besucherin in einiger Entfernung befunden. Er habe zwar etwas getrunken, sei aber nicht betrunken gewesen. Im Übrigen sei der Beklagte nach der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2015 auf ihn – den Kläger – zugegangen und habe sich – was zwischen den Parteien unstreitig ist – entschuldigt. Auch in der Hauptverhandlung habe sich der Beklagte einsichtig verhalten und – was zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist – nochmals entschuldigt.

Der Kläger behauptet ferner, die von ihm erlittenen Verletzungen seien zutreffend diagnostiziert worden und die Gehirnblutung lebensbedrohlich gewesen. Er sei deshalb vom Unfalltag bis zum 01.01.2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen und leide noch heute unter Kopfschmerzen. Vor kurzen sei Blut aus dem Ohr gekommen. Folgeschäden seien nicht auszuschließen.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das gerechte Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 20.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall von 23.11.2014 gegen 3.35 Uhr in … N, A … (vor der dortigen Diskothek) zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Mit am 28.08.2015 verkündetem Versäumnisurteil hat das Gericht der Klage antragsgemäß stattgegeben und den Beklagten unter anderem zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 EUR verurteilt. Gegen dieses ihm am 14.09.2015 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit am 15.09.2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz den Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt, den Einspruch des Beklagten zu verwerfen und das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts zu bestätigen.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er sei durch den Inhaber der Diskothek und Zeugen T zum Einsatz gegen randalierende und betrunkene Diskothekenbesucher mit russischem Migrationshintergrund gerufen worden. Einer dieser Betrunkenen sei der Kläger gewesen, der ein 16-jähriges Mädchen auf der Tanzfläche angegriffen habe, indem er versucht habe, das Mädchen auf der Tanzfläche auszuziehen, wodurch es zu erheblicher Unruhe in der Diskothek gekommen sei. Als er – der Beklagte – als Security-Mitarbeiter hinzu gerufen worden sei, um den Angriff auf das Mädchen zu unterbinden, sei ihm aus der Clique des Klägers Widerstand und Hass entgegen geschlagen. Er habe den Kläger deshalb aus der Diskothek geführt, um den Streit zu deeskalieren. Als er – der Beklagte -, nachdem er dem Kläger ein Platzverbot erteilt habe, wieder in die Diskothek zurückgehen wollte, habe ihn der Kläger angegriffen. Er – der Beklagte – habe sich mit einem Schlag gegen das Kinn des Klägers gewehrt, der daraufhin zu Fall gekommen und offenbar unglücklich auf den Boden gefallen sei.

Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, er habe in Notwehr gehandelt und behauptet, er habe den Kläger lediglich von sich fernhalten und ihm keinesfalls die behaupteten Verletzungen beibringen wollen. Eine Hirnblutung sei nicht durch den Schlag ausgelöst worden. Eine derart schwere Folge setze regelmäßig eine Vorschädigung im Hirn, zum Beispiel ein latentes Aneurysma, voraus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen einschließlich einer CD mit einer Videoaufzeichnung im Tatzeitraum (Anlage ZHS3 zur Klageschrift) sowie das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2015 (Sitzungsprotokoll Bl…. – … d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft C … Js …/… sowie das damit verbundene Verfahren … Js …/…, auf deren Inhalt insoweit verwiesen wird, im Wege des Urkundenbeweises beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (vgl. Sitzungsprotokoll vom 28.10.2016 = Bl…. d.A.).

Entscheidungsgründe

Aufgrund des gemäß § 338 ZPO statthaften sowie im Sinne der §§ 339 Abs. 1, 340 ZPO form- und fristgerecht eingelegten Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28.08.2015 ist der Prozess in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden (§ 342 ZPO). Danach war das Versäumnisurteil teilweise aufrechtzuerhalten (§ 343 Satz 1 ZPO), da die zulässige Klage insoweit begründet ist, und im Übrigen aufzuheben (§ 343 Satz 2 ZPO).

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden in Höhe von 10.000,00 EUR aus den §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 223 Abs. 1 StGB. Denn der Beklagte ist dem Kläger wegen einer diesem gegenüber vorsätzlich begangenen Körperverletzung und einer dem Kläger dadurch zugleich zugefügten erheblichen Gesundheitsbeschädigung zum Schadensersatz verpflichtet.

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a) Die eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach auslösende Körperverletzung steht in Form eines wuchtigen Schlages mit der Faust in das Gesicht des Klägers fest.

Nach den sorgfältigen, einleuchtend begründeten und in allen Punkten überzeugenden Feststellungen des Amtsgerichts F in dem Verfahrens … Ds … Js …/… – …/… ist das erkennende Gericht davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass auch in tatsächlicher Hinsicht die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestandes der vorsätzlichen Körperverletzung zu Lasten des Klägers durch den Beklagten in dieser Weise verwirklicht worden sind. Ein Zivilgericht ist in einem nachfolgenden Schadensersatzprozess zwar nicht an die Feststellungen eines Strafurteils in einem vorangegangenen Strafprozess gebunden (OLG Saarbrücken NJW-RR 2003, 176, 177; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 148 Rd. 6). Allerdings können die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Amtsgerichts F hier im Rahmen der eigenen freien Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts berücksichtigt werden, weil sich der Kläger zu Beweiszwecken ausdrücklich auf dieses Urteil beruft und die schriftliche Urteilsbegründung im Wege des Urkundsbeweises (§§ 415ff. ZPO) verwertet worden ist (vgl. nur Musielak/Voit/Stadler, aaO., § 148 Rd. 6 jeweils m.w.N.).

Unter eingehender Würdigung dieser Feststellungen, die durch die in der Klageschrift sowie in dem Klägerschriftsatz vom 30.09.2015 zitierten konkreten Ermittlungsergebnisse und Zeugenaussagen gestützt werden, steht fest, dass der Beklagte dem Kläger den vorstehend beschriebenen Schlag versetzt hat. Dieser Schlag war nach den überzeugenden Feststellungen des Amtsgerichts F (S. 4 der schriftlichen Urteilsgründe) so stark, dass der Kläger sofort das Bewusstsein verlor und zu Boden fiel. Da wegen der Bewusstlosigkeit die instinktiven Schutzreflexe außer Kraft gesetzt waren, prallte der Hinterkopf des Klägers mit großer Wucht auf den festen Boden auf. Die von dem Beklagten insoweit nicht bestrittenen Wirkungen dieses Schlages (§ 138 Abs. 3 ZPO) sind im Übrigen teilweise auf der Videoaufzeichnung (Anlage ZHS3) erkennbar dokumentiert.

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 ZPO) fest, dass der Kläger durch diese Verletzungshandlungen die bei ihm ärztlicherseits diagnostizierten Verletzungsfolgen erlitten hat. Insoweit wird zunächst auf die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen zitierten Diagnosen der Berichte der behandelnden Krankenhausärzte Bezug genommen. Das Amtsgericht F hat zu den Folgen für den dort als Nebenkläger beteiligten Kläger in der schriftlichen Urteilsbegründung ausgeführt:

Der Nebenkläger wurde von den Rettungskräften ins Krankenhaus N verbracht, wo er untersucht wurde. Da der Verdacht auf eine Hirnverletzung bestand, wurde ein CT durchgeführt. Noch vor dem Ergebnis dieser Untersuchung verließ der Nebenkläger auf eigene Verantwortung das Krankenhaus Da sich aus dem CT eine Gehirnblutung ergab, wurde der Nebenkläger mit Hilfe der Polizei noch am frühen Sonntagmorgen zu Hause abgeholt und auf die Intensivstation des Krankenhauses verbracht. Er wurde anschließen in die Uniklinik C verlegt. Dort verblieb er wegen eines Subduralhämatoms linksseitig sowie einer Contusio cerebri frontotemporal mit Kontusionsblutungen links und temporal rechts bis zum 09.12.2014. Darüber hinaus erlitt er eine Schädelprellung und eine Unterlippenplatzwunde. Noch heute leidet der Nebenkläger an starken Kopfschmerzen, die er dem Vorfall zuschreibt.

Soweit der Beklagte gegen diese im Übrigen unstreitigen Tatfolgen einwendet, die diagnostizierte Hirnblutung sei nicht durch den Schlag ausgelöst worden, sondern offenbar auf eine Vorschädigung des Klägers zurückzuführen, werden hierdurch die auf der Grundlage der ärztlichen Dokumentationen getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts F nicht erschüttert. Es fehlt schon an konkreten Anknüpfungstatsachen die eine derartige Vorschädigung des Klägers andeuten könnten, so dass die Einwände des Beklagten als lediglich denktheoretische Möglichkeit keine abweichende Würdigung rechtfertigen (vgl. dazu auch Zöller/Greger ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rd. 18 und Rd. 19 m.w.N.). Vielmehr indizieren die ärztlichen Diagnosen und die Schwere des zur Bewusstlosigkeit führenden Schlages des Beklagten nebst dem Aufschlagen des Kopfes des Klägers auf den festen Boden diese medizinischen Folgen. Dabei bedarf es in Anbetracht der erwiesenen Primärverletzung des Klägers durch den Beklagten (oben unter 1.a)) für diese weitere Verletzungsfolge zudem nicht des – hier indes zu bejahenden – strengen Beweismaßes von § 286 ZPO, da für diesen Folgeschaden die die Beweisführung erleichternde Vorschrift des § 287 ZPO Anwendung findet (vgl. etwa BGH NJW 2004, 777, 778f.; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 112ff.; Slizyk, IMMDAT-Kommentierung bei beck-online, 13. Aufl. 2017, Rd. 408ff.).

c) Das verschuldensbegründende vorsätzliche Handeln des Beklagten (§§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 1 BGB) ergibt sich aus dem eingangs aufgezeigten und von dem Amtsgericht F auch in strafrechtlicher Hinsicht (§§ 223 Abs. 1, 15 StGB) positiv festgestellten Gesamtverhalten des Beklagten.

Nach den insoweit von den Parteien unwidersprochenen Feststellungen des Amtsgerichts F (S. 3f. der schriftlichen Urteilsgründe) begab sich der Beklagte vor der Tat zurück zum Eingangsbereich der Diskothek, wo ihm der Kläger entgegenkam, der seine Jacke an der Garderobe abgeholt hatte. Als der Beklagte den Kläger bemerkte, stoppte er und bedeutete dem Kläger durch Handzeichen, er solle zu ihm kommen. Der Beklagte selbst blieb jedoch nicht im direkten Erfassungsbereich der Überwachungskamera stehen, sondern begab sich in den Randbereich der Kamera. Dort erwartete der Beklagte den auf ihn zugehenden Kläger und versetzte diesem als der Kläger ihn erreicht hatte den Schlag.

Dieser dem Kläger willentlich versetzte Schlag, der durch die Aufforderung an den Kläger und die Standortwahl neben dem Erfassungsbereich der Kamera zudem geradezu vorbereitet worden war, begründet den erforderlichen Körperverletzungsvorsatz des Beklagten. Auf hierdurch im einzelnen hervorgerufene medizinische Folgen der Verletzungshandlung, etwa die von dem Beklagten bestrittene Hirnblutung, braucht sich der Tatvorsatz hingegen nicht zu erstrecken (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 276 Rd. 10 m.w.N.).

d) Die Verletzungshandlung des Beklagten war nicht durch Notwehr oder Nothilfe im Sinne von § 227 Abs. 1 BGB beziehungsweise § 32 Abs. 1 StGB gerechtfertigt. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Notwehrlage in Form eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs des Klägers auf den Beklagten oder von diesem zu schützende Dritte (vgl. § 227 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 2 StGB).

Das Vorbringen des hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO., § 227 Rd. 13) zu einer Notwehrhandlung, zuletzt mit Schriftsatz vom 24.03.2016, steht in Widerspruch zu den zeitlich späteren rechtskräftigen Feststellungen des Amtsgerichts F. Denn dieses führt in der rechtlichen Würdigung (S. 5 unter III. der schriftlichen Urteilsgründe) aus, dass es nicht den geringsten Anlass für das Vorgehen des Beklagten gegen den Kläger gab:

Die Situation innerhalb der Diskothek, die das Einschreiten des Angeklagten dem Grunde nach gerechtfertigt hatte, war in dem Moment bereinigt, in dem der Nebenkläger die Diskothek verließ. Den Aufnahmen der Überwachungskameras ist zu entnehmen, dass der Angeklagte dem Nebenkläger unvermittelt einen Schlag versetzt, als dieser bei ihm ankam.Der Beklagte, der nach den Ausführungen des Amtsgerichts F (S. 5 unter II., ebenda) die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der Hauptverhandlung in vollem Umfange eingeräumt hat, ist diesen auch klägerseits zitierten Feststellungen in seinen Folgeschriftsätzen vom 24.03., 26.04. und 18.10.2016 nicht mehr entgegen getreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Soweit in dem Schriftsatz vom 24.03.2016 vorgetragen wird, der Schlag war zur Abwehr und zur Ruhigstellung der Situation, wird dieser Vortrag durch die eingangs zitierten Feststellungen widerlegt. Auch im Übrigen ist für einen notwehrbegründenden Angriff des Klägers auf den Beklagten nichts ersichtlich.

e) Ein Mitverschulden des Klägers, dass im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB für die hier zur Diskussion stehende Körperverletzung einschließlich der damit verbundenen konkreten Schadensfolgen mitursächlich gewesen sein könnte, ist in Anbetracht der hier aufgezeigten Gesamtumstände nicht zu begründen.

2. Anschließend an das hier festgestellte Tatverhalten des Beklagten einerseits und das Ausmaß der von dem Kläger durch den Vorfall vom 23.11.2014 erlittenen Verletzungen und gesundheitlichen Beschwerden andererseits ist ein Gesamtbetrag von 10.000,00 EUR als Entschädigung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB angemessen.

Zur Begründung des ursprünglich mit Versäumnisurteil vom 28.08.2015 ausgeurteilten Betrages von 20.000,00 EUR hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 02.10.2015 (Bl…. d.A.) ausgeführt:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in Bezug auf die Prozesskostenhilfegewährung ab dem 15.09.2015 Erfolg. Denn für die Höhe der in dem Versäumnisurteil vom 28.08.2015 ausgeurteilten Entschädigung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB war die vorsätzliche Körperverletzung des Klägers durch den Beklagten ein ganz entscheidender Bemessungsfaktor (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. 2015, § 253 Rd. 4 und Rd. 17 m.w.N.). Den entsprechenden Klägervortrag hat der Beklagte in der Einspruchsschrift substantiiert bestritten.

Soweit der Beklagte Einwendungen gegen die Höhe des Betrages erhebt, wird darauf hingewiesen, dass – bei unterstellter Richtigkeit des Klägervortrages – schon in den 90´er Jahren Schmerzensgelder in vergleichbarer Höhe bei Kopfverletzungen aufgrund einer vorsätzlichen Körperverletzung ausgeurteilt worden sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.1990 – 13 U 313/88 = r+s 1990, 223; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.12.1999 – 22 U 98/99 = VersR 2001, 251; sowie die weiteren bei Slyzik, Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, 11. Aufl. 2015, unter dem Stichwort „Vorsätzliche Körperverletzungen“ zitierten Entscheidungen).

Hinsichtlich der Höhe der angemessenen Entschädigung war der in dem Versäumnisurteil ausgeurteilte Betrag indes unter nochmaliger Gesamtwürdigung des Geschehens und nunmehr unter Einbeziehung der Feststellungen des Amtsgerichts F auf 10.000,00 EUR herabzusetzen. Dies rechtfertigt sich in Anlehnung an die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen einer vorsätzlich beigebrachten Kopfverletzung zugesprochenen Schmerzensgeldbeträge (vgl. den o.g. Beschluss vom 02.10.2015 m.w.N.; ferner – indes zu einer versicherungsvertragsrechtlichen Fragestellung – OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2014 – 10 U 927/13 = r+s 2015, 67: 15.000,00 EUR; Slyzik, IMMDAT-Plus bei beck-online, Stand 12.10.2016, Stichwort „Vorsätzliche Körperverletzungen“; ders., IMMDAT-Kommentierung bei beck-online, 13. Aufl. 2017, Rd. 74ff.).

Bei der Bemessung dieses Betrages waren die folgenden, eingangs bereits im Einzelnen beschriebenen Faktoren zu berücksichtigen:

– Das Ausmaß der erlittenen Verletzungen des Klägers (vgl. auch Bild 1 bis Bild 3 der Lichtbildmappe der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C – … Js …/… = Bl….f. d. BA. = Anlage ZHS4 zur Klageschrift) insgesamt, wobei sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts F (S. 6 der schriftlichen Urteilsgründe) im Nachhinein herausgestellt hat, dass die erlittene Hirnblutung nur eine leichte war und dass zu keinem Zeitpunkt konkrete Lebensgefahr bestanden hatte.

– Die Intensität und die Dauer der medizinisch indizierten und in den Akten dokumentierten Behandlungsmaßnahmen.

– Nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung verbleibende Dauerfolgen (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, aaO., § 253 Rd. 15 und Rd. 23 m.w.N.) in Form von auftretenden Kopfschmerzen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts F (S. 5 der schriftlichen Urteilsgründe) litt der Kläger noch im Januar 2016 an starken Kopfschmerzen, die er dem Vorfall zuschreibt.

– Das im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht aufweisende Genugtuungsinteresse des Klägers infolge der ihm von dem Beklagten beigebrachten vorsätzlichen Körperverletzung, das durch die strafrechtliche Verurteilung des Beklagten nicht obsolet geworden ist (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 253 Rd. 4 und Rd. 17; Slyzik, IMMDAT-Kommentierung bei beck-online, 13. Aufl. 2017, Rd. 74ff., insbesondere Rd. 76 bis 78 jeweils m.w.N.). Dabei musste die auch in dem Nachtatverhalten des Beklagte zum Ausdruck kommende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem offenkundig ernsthaft verletzten Kläger Berücksichtigung finden (vgl. Slyzik, IMMDAT-Kommentierung aaO., Rd. 76), wie sie in den Feststellungen des Amtsgerichts F (S. 4 der schriftlichen Urteilsgründe) anschaulich dokumentiert wird:

Der Angeklagte beugte sich zum Nebenkläger nieder und überzeugte sich von dessen Zustand. Obwohl er befürchtete, dass er den Nebenkläger schwer verletzt, wenn nicht sogar getötet haben könnte, verließ er sodann (…) den Erfassungsbereich der Kamera. (…)

Ungefähr eine Minute nach diesem Vorfall erschien der Angeklagte wieder beim Nebenkläger, packte diesen an einem oder zwei Füßen und schleppte ihn ohne Rücksicht auf dessen noch andauernde Bewusstlosigkeit aus dem Erfassungsbereich der Kamera heraus und ließ ihn auf einer angrenzenden Wiese liegen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern.

Andererseits war zu berücksichtigen, dass zwar die Körperverletzung durch den Kläger weder mitverschuldet noch gar provoziert worden ist (vgl. dazu etwa OLG Frankfurt NJW 2000, 1424f. = MDR 2000, 767f.), der Beklagte aber im Vorfeld seines tätlichen Angriffs auf den Kläger im Rahmen seiner Aufgaben als Sicherheitsmitarbeiter der Diskothek wegen einer von dem Kläger zumindest mitverursachten Störung einschreiten musste. Das Amtsgericht F hat dazu festgestellt (S. 3 der schriftlichen Urteilsgründe):

Gegen 03.00 Uhr des Sonntagsmorgens versuchte der Nebenkläger durch sogenanntes „Antanzen“ Kontakt zu anderen weiblichen Gästen aufzunehmen. Die davon betroffenen Gäste fühlten sich dadurch allerdings belästigt. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, die dazu führte, dass der Angeklagte informiert und in die Diskothek hineingerufen wurde. In der Diskothek kam es dann zu einem Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger, an dem im weiteren Verlauf der Mitarbeiter des Angeklagten (…) und ein Bekannter des Nebenklägers namens Q teilnahmen. Der Angeklagte forderte die beiden Gäste auf, die Diskothek zu verlassen, um die Angelegenheit in Ruhe draußen zu besprechen.

Den mit diesen Feststellungen in Widerspruch stehenden Ausführungen des Klägers, er habe sich nur in einer in Diskotheken dieser Größenordnung allgemein üblichen Weise verhalten, kann nicht gefolgt werden. Denn die hier zur Diskussion stehende und anderen Gästen offensichtlich unerwünschte Art der Kontaktaufnahme ist weder allgemein üblich, noch unterliegt diese Betrachtungsweise der Beurteilung des Klägers als Diskothekenbesucher, dessen Verhalten vielmehr als störend empfunden worden ist. Der Umstand, dass der Kläger ausweislich des Berichtes des Kreiskrankenhauses N vom 23.11.2014 (Anlage ZHS8) hoch alkoholisiert, schläfrig und schwer ansprechbar sowie ausweislich des dortigen Berichtes vom 24.11.2014 (Anlage ZHS7, dort S. 2) deutlich alkoholisiert gewesen ist, unterstreicht diese Würdigung. Denn die Fähigkeit zur Einsicht und Reflektion des eigenen Verhaltens ist in einem derartigen Zustand regelmäßig begrenzt. Hinzu kommt die Körpergröße des Klägers von 1,90 m, so dass das Diskothekenpersonal in dieser Gesamtsituation das Eingreifen des Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter im Interessen der Gäste als erforderlich angesehen hat.

Schließlich war bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes die wirtschaftliche Situation der Parteien angemessen zu berücksichtigen, denen Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, da beide nicht über ein die Prozessfinanzierung ermöglichendes Einkommen verfügen. Dies ist auf Seiten des Beklagten nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, unter anderem auch aus gesundheitlichen Gründen (S. 3 des Sitzungsprotokolls vom 21.08.2015), Folge des streitgegenständlichen Vorfalles. Insoweit folgt das Gericht der überzeugenden Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofes (vgl. Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 12.10.2015 – GSZ 1/14; ebenso BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – 1 ARs 31/14; BGH, Beschluss vom 25.11.2015 – 5 ARs 94/14 = NStZ-RR 2016, 56; a.A. BGH, Vorlagebeschluss vom 08.10.2014 – 2 StR 137/14 = NStZ-RR 2015, 382).

3. Dem Feststellungsantrag war im Anschluss an die Erwägungen unter 1. und 2. stattzugeben.

Allein die schon in Anbetracht der Schwere der attestierten Verletzung des Klägers naheliegende Möglichkeit weiterer den Kläger belastender und bislang nicht absehbarer Verletzungsfolgen in der Zukunft begründet im hier vorliegenden Fall der Verletzung eines absoluten Rechts das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH NJW 2001, 1431, 1432; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 256 Rd. 9 m.w.N.).

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziffer 2. ZPO, da die Bemessung des konkreten Entschädigungsbetrages richterlichem Ermessen unterlag.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 22.000,00 EUR

(davon 2.000,00 EUR für den Feststellungsantrag).

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