AG Hamburg-Harburg, Az.: 618 Ds 108/16, Beschluss vom 02.12.2016
1. Die Eröffnung des Hauptverfahrens der Anklageschrift vom 10.03.2016 der Staatsanwaltschaft Hamburg wird abgelehnt.
2. Die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten.
Gründe
Mit der Anklageschrift vom 10.03.2016 wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg dem Angeschuldigten eine Falschbeurkundung im Amt gem. § 34S StGB vor.
Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, am 12.02.2015 in der …straße … in seiner Funktion als Prüfingenieur („TÜV-Sachverständiger“) der Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger e.V. (KÜS) für die Abnahme der Hauptuntersuchung im Rahmen einer sog. „Nachkontrolle“ für das Fahrzeug Peugeot 306 – … – trotz bestehender und erkannter erheblicher Mängel in seinem Prüfbericht vom 12.02.2015 (…) dem Fahrzeug Mängelfreiheit bescheinigt und eine entsprechende Prüfplakette (HU-Plakette) erteilt zu haben.
Das Verfahren war – bereits – aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Angeschuldigte in Hinblick auf die – zweite – Nachuntersuchung verpflichtet gewesen wäre, eine umfassende Untersuchung des gesamten Fahrzeuges vorzunehmen oder ob er seine Prüfpflicht lediglich in Hinblick auf die von ihm nicht durchgeführte (gleiches gilt hinsichtlich der „Erstprüfung“) 1. Nachprüfung und den in dieser Vorprüfung aufgeführten Mängel beschränken durfte. Mithin lediglich die in der ersten Nachuntersuchung aufgeführten Mängel Gegenstand seiner Prüfpflicht waren.
Denn weder die Erstellung eines inhaltlich unzutreffenden Prüfberichts (1) noch die Erteilung einer Prüfplakette trotz festgestellter erheblicher Mängel (2) erfüllt den Tatbestand einer Falschbeurkundung im Amt.
(1.)

Die Erstellung eines „unrichtigen“ TÜV-Untersuchungsberichts unterfällt nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (u.a. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.04.2013, 1 – 78/12 (REV) m.w.N.) als auch der vorherrschender Kommentarliteratur (Fischer, 62. Auflage 2015, § 348, Rn. 6a) nicht dem § 348 StGB.
Das in dem Prüfbericht dargestellte Prüfergebnis der Hauptuntersuchung (hier Nachkontrolle) bezeugt keine Wirkung zu öffentlichen Glauben für und gegen jedermann. Es handelt sich hierbei lediglich um einen innerdienstlichen Vorgang im Rahmen der Vorbereitung der maßgeblichen und nachfolgenden Prüfplakettenerteilung i.S.v. § 29 StVZO.
Auch stellt die in dem Prüfbericht vermerkte Kategorisierung des Fahrzeugs: „Ergebnis: ohne festgestellte Mängel“ (im Spektrum von „keine erkennbaren“/ „geringe“ / „erhebliche“ Mängel) in Hinblick auf den dem Prüfer zustehenden Beurteilungsspielraum keine rechtlich erhebliche Tatsache dar. Es handelt sich vielmehr um ein Werturteil.
(2.)
Der Angeschuldigte ist als Prüfingenieur ein zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs.1 Nr. 2 lit. c StGB.
Der Angeschuldigte hat jedoch weder mit der Erteilung der Prüfplatte (als Urkunde in Verbindung mit dem amtlich zugelassenen Kennzeichen und der korrespondierenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I) noch mit der – nachfolgenden – Eintragung in die Zulassungsbescheinigung Teil I (als öffentliche Urkunde) eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet.
Die vorliegende Fallkonstellation war bereits mehrfach Gegenstand (ober)gerichtlicher Entscheidungen (zuletzt OLG Koblenz, Urteil vom 22.10.2014 – 1 OLG 3 Ss 71/14; OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2015, (2) 53 Ss 38/15 (35/15), 2 Ws 81/15, zitiert nach juris), wonach die wohl ganz überwiegende Auffassung vertreten wird, dass durch die Erteilung der Prüfplakette lediglich mit Beweiswirkung für und gegen jedermann der Nachweis des Termins der nächsten Hauptuntersuchung erbracht wird. Ein weiterer Erklärungswert, etwa dass der Prüfer den Wagen bei der Untersuchung als vorschriftsmäßig befunden habe, ergibt sich aus der Beurkundung nicht, sondern erst durch gedankliche Schlussfolgerung (vgl. OLG Koblenz a.a.O. m.w.N.).
Auch die von der Gegenmeinung angeführte Neufassung des § 29 Abs. 3 StVZO, mit der die Prüfplakette bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der letzten Hauptuntersuchung als vorschriftsmäßig befunden ist, lässt keine andere strafrechtliche Beurteilung bei der Erteilung der Prüfplakette trotz erkannter schwerer Fahrzeugmängel durch den Prüfingenieur zu.
Diese Vorschriftsmäßigkeit des untersuchten Fahrzeugs war bereits in den in der Vergangenheit geltenden Fassungen geregelt gewesen. Durch die Neufassung der Vorschrift am 20.05.1998 wird ausschließlich der Umfang der Prüfungspflicht näher bestimmt, ohne jedoch der Urkunde einen anderen – erweiterten – Erklärungsgehalt zu geben. Dies gilt insbesondere für die letzte – rein redaktionelle – Neufassung vom 10.05.2012.
Mithin ist weiterhin als rechtlich erhebliche Tatsache in der Urkunde nur der Zeitpunkt der nächsten Hauptuntersuchung erklärt (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.).
Der öffentliche Glaube der Prüfplakette in Verbindung mit der Eintragung im Kraftfahrzeugschein erstreckt sich mithin nicht auch auf die Tatsache, dass das betreffende Fahrzeug zum Zeitpunkt der letzten Hauptuntersuchung für vorschriftsmäßig befunden worden ist.
Andere Strafnormen kamen vorliegend nicht in Betracht.