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Überbau – Ausscheiden eines Rückbauanspruch

AG Potsdam – Az.: 27 C 6/18 – Urteil vom 26.03.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Sachverständigengutachtens tragen Kläger und Beklagte zur Hälfte, die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

2.1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, im Übrigen ohne Sicherheitsleistung. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Kläger Sicherheit in derselben Höhe leisten.

3. Streitwert: 4.000,00 €.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks … in …, die Beklagten sind Eigentümer des angrenzenden Grundstücks …. In Richtung des Grundstücks der Kläger befindet sich eine Garage der Beklagten, die nach einem Vermessungszeugnis einer Grenzniederschrift des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurbüros Dipl. Ing. ……. vom 11. Januar. 1999 an das Grundstück der Kläger grenzt. Auf das Vermessungszeugnis, Anl. B1, Bl. 37, 38 der Akte, wird ergänzend Bezug genommen. Im Jahr 2000 erweiterten die Voreigentümer der Beklagten, die Eheleute Bruns, die vorhandene Grenzgarage mit einem ca. 4,95 m langen Anbau. Anders als die Bestandsgarage wurde der Anbau nicht gemauert sondern aus beplanktem Holzständerwerk mit Dämmung gefertigt. Der Voreigentümer der Kläger erklärte sich durch notarielle Urkunde vom 28.12.2004 mit der Bebauung auf der Grundstücksgrenze einverstanden.

Nachdem es am 13.05.2016 bei einem Sturm zu einer Beschädigung der Garage kam, führten die Beklagten Schadensbeseitigungsmaßnahmen aus. Hierbei ersetzten sie Holz durch Betonsteine und brachten eine Außendämmung auf. Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten wies der Kläger zu 1 darauf hin, dass auf seinem Grundstück befindliche Wasserschächte nicht überbaut werden dürften.

Nach Fertigstellung der Arbeiten erklärte die Klägerin zu 2, alles sei in Ordnung.

Es existiert ein Grenzzeugnis des Vermessungsingenieurs ……. vom 29 5. 2017 (mit Nachtrag vom 31.07.2017), wonach eine Überbauung des klägerischen Grundstücks stattgefunden hat. Insbesondere sei im vorderen Bereich ein Überbau von 5 cm durch die vorhandenen Wände, im hinteren Teil bis zu 15 cm vorhanden. Zudem überrage das Dach das klägerische Grundstück im vorderen Bereich 20 cm, im hinteren Bereich 30 cm. Wegen der Skizze des Grenzzeugnisses wird auf Anl. K1, Bl. 6 der Akte, ergänzend verwiesen.

Bei Herstellung des Anbaus aus Steinen nach dem Sturmschaden wurde die Dachkonstruktion abgefangen, und nicht verändert.

Ein Rückbau der Wand würde ca. 16.174,68 EUR zzgl. 2.142,00 EUR Malerarbeiten kosten. Die Beklagten boten den Klägern an, 15.000,00 EUR zu zahlen, und eine Bereinigung der grundbuchlichen Situation auf ihre Kosten herbeizuführen, um die Situation zu befrieden.

Die Kläger behaupten, bei Durchführung der Baumaßnahmen sei den Beklagten bekannt gewesen, dass es zu einem Überbau kommen könne.

Sie sind der Auffassung, es liege ein grob fahrlässiger Überbau durch die Beklagten vor. Wenn diese nicht durch Vermessung oder sonstige fachkundige Unterstützung dafür Sorge getragen hätten, dass kein Überbau stattfinde, sei ihnen das als pflichtwidrig zuzurechnen. Insoweit komme es nicht darauf an, ob unverhältnismäßige Kosten für einen Rückbau entstünden.

Die Beklagten sind der Auffassung, da auch eine Innendämmung möglich sei, und da es sich nur um eine Garage handele, müssten die Beklagten gegebenenfalls von innen dämmen.

Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, den auf dem Grundstück der Kläger in …, eingetragen im Grundbuch von …, Flur …, Flurstück …, erfolgten Überbau in Form des Anbaus westlich an die Garage der Beklagten auf einer Länge von 4,95 m und einer Tiefe von 11 cm an der westlichen Ecke des Anbaus bis zu einer Tiefe von 5 cm an der Ausbildung für das Regenfallrohr, sowie den darüber hinaus ragenden Dachüberstand auf einer Länge von 5,31 m an diesem Überbau von weiteren 15 cm zu beseitigen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, schon während der Planungsarbeiten und Instandsetzungsarbeiten seien die Kläger davon ausgegangen, dass es zu einer Überbauung kommen werde. Aus diesem Grund sei bereits eine dünnere Dämmung aufgebracht worden, als die, die bereits angeliefert gewesen sei. Insoweit hätten sich die Kläger mit einer schmaleren Dämmung, wie eingebracht, einverstanden erklärt und diese nach Fertigstellung gebilligt. Erst neun Monate nach Fertigstellung der Garage hätten die Kläger Beseitigung verlangt.

Sie sind der Auffassung, dass aufgrund der Energieeinsparverordnung eine Entfernung der Dämmung nicht in Betracht komme, da die Garage beheizt sei. Auch würden unverhältnismäßig hohe Kosten durch die klägerseits angestrebte Baumaßnahme verursacht, die in keinerlei Verhältnis zu dem Gewinn für die Kläger stünden. Deshalb seien die Kläger verpflichtet, einen möglichen Überbau zu dulden.

Auch seien mögliche Rückbauansprüche verjährt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten der Vermessungsingenieurin …….. vom 19.12.2018, Bl. 144 f. wird ergänzend Bezug genommen.

Soweit die Kläger ursprünglich weitergehend Rückbau begehrt haben, haben sie diesen Antrag zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Ein Anspruch auf Rückbau des Dachüberstandes gemäß § 1004 BGB ist bereits nicht durchsetzbar, denn er ist nach §§ 195, 199 BGB verjährt. Ein Anspruch auf Beseitigung gemäß §§ 1004, 985 BGB verjährt innerhalb von drei Jahren nach Errichtung. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199 BGB in dem Jahr zu laufen, in dem der Anspruch erstmals geltend gemacht werden konnte. Dabei kam es nicht darauf an, ob die Kläger oder ihre Rechtsvorgänger wussten, dass ein Überbau bestand. Maßgeblich war allein die Sichtbarkeit des Dachüberstandes. Da das Dach der Garage bereits im Jahr 2000 errichtet wurde, war bei Klageerhebung im Jahr 2018 der Anspruch bereits nicht mehr durchsetzbar. Auch der Anspruch auf Rückbau der darunter befindlichen Wand besteht nicht. Denn das Rückbauverlangen der Kläger bei den gegebenenfalls entstehenden Kosten ist unverhältnismäßig im Sinne von § 275 Abs.2 BGB mit der Folge, dass die Beklagten den Rückbau verweigern konnten.

Nach § 275 Abs.2 BGB kann ein Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Insoweit ist bei Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berücksichtigen, ob er das Leistungshindernis zu vertreten hat.

Hiernach gilt Folgendes: Das Leistungsinteresse der Kläger besteht im Schutz ihres Eigentums nach Art. 14 GG. Dies betrifft eine Fläche, hinsichtlich derer ein Rückbauanspruch in Betracht kommt von ca. 0,396 m2 .((4,95 m x 0,11 m + 4,95 m x 0,05 m ) :2). Diese finden sich an der Grundstücksgrenze auf einer Strecke von 4,95 m hinter einer Hecke unter einem auf das klägerische Grundstück überragenden Dachüberstand von 11-14cm. Wegen des äußeren Erscheinungsbildes und der Lage des Überbaus wird auf Bl. 91 (S.2 der Anlage K8) sowie das Gutachten der Sachverständigen …, insbesondere Bl. 127 der Akte, Bezug genommen. Der Dachüberstand ist nicht zu beseitigen. Ein nachvollziehbarer Nutzen durch den Rückbau entsteht für die Kläger nicht.

Die Beklagten müssten erhebliche Kosten von ca. 18.000,00 EUR aufwenden, um die Wand zurückzubauen.

Auch wenn grundsätzlich ein Anspruch auf Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG besteht und im Allgemeinen ein Abwehranspruch gegen unbefugte Einwirkung Dritter gemäß § 903 S1 BGB durchsetzbar ist (s. z.B. BGH Urteil vom 23.10.2019, v. ZR 141/08 NJW-RR 2010, 315 f Rn. 22ff) recherchiert bei juris am 23.03.2020, ohne dass ein Eigentümer einen bestimmten Nutzungswillen darlegen muss, scheidet der geltend gemachte Rückbauanspruch der Kläger im Vorliegenden ausnahmsweise aus, da der Überbau geringfügig ist, wobei die Beklagten angeboten hatten, für weniger als 0,5 m² einen Kaufpreis von 15.000 EUR zu zahlen und für eine grundbuchrechtliche Bereinigung zu sorgen.

Dabei ist hinsichtlich des Verschuldens der Beklagten in Bezug auf den Überbau auch zu berücksichtigen, dass bei Neuerrichtung des hinteren Gebäudeteils eine Grenzniederschrift des Dipl. Ing ……. vom 11.01.1999 vorlag, aus der sich ergab, dass die Garage im vorderen Teil parallel zur Grundstücksgrenze gebaut war ohne Überbau. Insoweit widersprach die Grenzniederschrift über die gesamte Länge des vorderen Garagenteils bezüglich der Wand hinsichtlich 4 cm der rechtlichen Situation. Ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen …….., gegen dessen Richtigkeit keine Bedenken bestehen, erstreckt sich auch der vordere Teil der Garage 0,04 m auf das klägerische Grundstück. Auch ragte das Garagendach seit dem Jahr 2000 in den Luftraum des klägerischen Grundstücks. Selbst, wenn den Beklagten Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, weil sie bei Bebauung im Grenzbereich keinen Vermessungsingenieur vor Wiedererrichtung der Garagenwand beauftragten, fällt ihr Verschulden nicht derart ins Gewicht, dass hierdurch eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen würde. Denn bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz bestünde bereits eine Duldungspflicht nach § 912 BGB. Anders als in dem Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 141/08 vom 23.10.09 geht es vorliegend nicht um Beseitigung der Pflasterung eines Weges, sondern um die Beseitigung eines Gebäudeteils, welches schützenswerter als eine Wegpflasterung ist.

Auch schied aus, die Beklagten allein zum Rückbau der Außendämmung zu verurteilen. Die Garage ist eine beheizte Fläche, für die die Energieeinsparverordnung Anwendung findet. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist auch ein Rückbauverlangen nur der Außendämmung unverhältnismäßig, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass durch die Beseitigung der Außendämmung der Überbau nicht komplett beseitigt wird, der Dachüberstand weiter vorhanden wäre, und auch insoweit ein Rückbau erhebliche Kosten wie Malerkosten von ca. 2000 EUR zuzüglich weiteren Baukosten wie Putzarbeiten, Innendämmung, Innenanstrich u.a. verursachen würde, die zu einem möglichen Nutzen auf Klägerseite und dem Verschulden der Beklagten in keinerlei Verhältnis stehen.

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Dabei ist auch die Größe des klägerischen Gartens in die Erwägungen einbezogen, und dass die Grundstücke nicht übermäßig breit sind, wie in der Sitzung anhand von Bildern erörtert. Auch ist in die Erwägungen einbezogen, dass grundsätzlich kein Eigentümer verpflichtet ist, sein Eigentum gegen seinen Willen aufzugeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 96, 709 S. 2, 708 Nr.11, 711 ZPO. Da die Beklagten den Überbau bestritten hatten und die Kläger einen weitergehenden Überbau behauptet hatten, war es gerechtfertigt, die Sachverständigenkosten zu teilen. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach dem Auffangstreitwert. Da offensichtlich die Kläger ein sehr hohes Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits und Erhaltung und Nutzbarmachung ihres Eigentums haben, war es angemessen, von diesem Wert auszugehen.

 

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