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Überhitzung – Mietmangel


Zusammenfassung:

Wann stellt eine Überhitzung der Wohnung im Winter einen Mangel der Mietsache dar? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Berlin im anliegenden Urteil auseinander zu setzen. Ein Heizkörper im „Balkonzimmer“ der Wohnung, welches als Schlafzimmer genutzt wurde, führte auch bei Nullstellung des Heizkörpers zu Temperaturen in dem Zimmer von über 18°C. Dies stellt einen Mangel der Mietsache dar, entschied das zuständige Landgericht.


Landgericht Berlin

Az: 67 S 357/15

Urteil vom 03.05.2016


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. September 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg – 9 C 274/13 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, in der Wohnung … den nachfolgenden Mangel zu beseitigen:

Im Balkonzimmer der vorgenannten Wohnung erwärmt der dort installierte Heizkörper nebst etwaiger Zu- und Ableitungen die Rauminnentemperatur bei Außentemperaturen von nicht mehr als 18,0°C auf mehr als 18,0°C auch bei Nullstellung des Thermostats im zugedrehten Zustand.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

II.

Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang Erfolg. Auszugehen war dabei von den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Klage- und Berufungsanträgen des Klägers, die die Kammer im tenorierten Sinne ausgelegt hat. Zwar waren diese ihrem Wortlaut nach auf eine Mängelbeseitigung der Heizung in unterschiedlichen Räumen der streitgegenständlichen Wohnung dergestalt gerichtet, dass “deren Wärmeabgabe durch Thermostat reguliert werden kann”. Prozesserklärungen und -handlungen sind indes unter Zuhilfenahme ihrer Begründung auslegbar, so dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2015 – 1 BvR 3164/13, AnwBl. 2016, 362 Tz. 33). Da der Kläger in der Klage- und Berufungsbegründung eine von ihm nicht zu vertretene Überheizung der Wohnung unter Angabe von ihm gemessener – und seiner Auffassung nach unzumutbar hoher – Rauminnentemperaturen dargetan und unter Beweis gestellt hat, lag sein offensichtliches Rechtsschutzziel in der Beseitigung dieser Überheizung und der Wiederherstellung üblichen Mindeststandards entsprechender Temperaturverhältnisse in der Wohnung. Nur ein solcher Klageantrag war nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig, da einem Mieter grundsätzlich nur in den aufgezeigten Grenzen ein Anspruch auf Einhaltung von Höchst- oder Mindesttemperaturen in der von ihm angemieteten Wohnung, nicht hingegen ein solcher auf “Regulierung der Wärmeabgabe durch Thermostat” zusteht.

Gemessen daran ist die Beklagte zur Beseitigung des aus dem Tenor ersichtlichen Mangels in dem von dem Kläger als Schlafraum genutzten “Balkonzimmer” gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet. Danach hat der Vermieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Zumindest ihrem Erhaltungsanspruch genügt die Beklagte nicht, da der im “Balkonzimmer” vorhandene Heizkörper auch bei Nullstellung des Thermostats und in vollständig zugedrehtem Zustand zu einer Erwärmung der Rauminnentemperatur von über 18,0 Grad Celsius führt. Das stellt einen Mangel der Mietsache dar, auch wenn die Parteien insoweit keine ausdrückliche vertragliche Abrede getroffen haben.

Soweit wie hier Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand durch den vereinbarten Nutzungszweck – hier die Nutzung als Wohnung – bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Standard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 23. März 2009 – VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133 Tz. 11; Kammer, Beschl. v. 27. Februar 2014 – 67 S 476/13, ZMR 2014, 731 Tz. 10).

Davon ausgehend entsprechen Wohnungen – auch in Berlin – nur dann dem üblichen Mindeststandard, wenn von dem Mieter während der Heizperiode zumindest in einem der Räume mit zumutbaren Mitteln Innentemperaturen herbeigeführt werden können, die einen angenehmen Schlaf ermöglichen. Als angenehm wird es vorbehaltlich abweichender persönlicher Vorlieben während der Heizperiode im Allgemeinen empfunden, wenn die Innentemperatur in einem – beheizten – Schlafraum die der sonstigen (Wohn-)Räume unterschreitet und 18 Grad Celsius nicht übersteigt (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Gesundes Raumklima, Stand: Mai 2015, S. 3). Diesem Mindeststandard wird die streitgegenständliche Wohnung nicht gerecht: In dem als Schlafraum genutzten “Balkonzimmer” herrschen auch bei erheblich darunter liegenden Außentemperaturen selbst nach den mehrtägigen Messungen der Beklagten schon am Morgen konstant Innentemperaturen von mehr als 22 Grad Celsius, da der dortige Heizkörper nebst seiner Zu- und Ableitungen bei Nullstellung des Thermostats in vollständig zugedrehtem Zustand zu einer Aufheizung des Raumes führt, die die als angenehm empfundenen Schlaftemperaturen bei Weitem überschreitet. Das stellt einen Mangel der Mietsache dar (vgl. LG Berlin, Urt. v. 20. November 1980 – 61 S 200/80, GE 1981, 673), jedenfalls dann, wenn der Mieter der von ihm nicht zu vertretenen – zwangsweisen – Aufheizung nicht mit zumutbaren Mitteln begegnen kann. So liegt der Fall hier, in dem es dem Kläger während der Heizperiode und vor allem im Winter nicht zuzumuten ist, den Schlafraum durch überobligatorisches Öffnen der Fenster abzukühlen (vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 11. Oktober 2002 – 10 S 22/02, NZM 2002, 987 Tz. 5 (keine Verpflichtung zu überobligatorischem Lüften bei Neubaufeuchte)).

Alter, Ausstattung und die Art des Gebäudes sowie die Höhe des geschuldeten Mietzinses rechtfertigen keine andere Beurteilung. Auch bei einem “Plattenbau” kann ein Mieter ohne gesonderte vertragliche oder sonstige tatsächliche Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Beheizung und das Raumklima der Wohnung zumindest in einem der Räume einem neuzeitlichen Mindeststandard entsprechen und ihm während der Heizperiode Schlaf und Erholung bei allgemein als angenehm empfundenen Innentemperaturen ermöglichen. Ob diese Wertung unabhängig vom Zeitpunkt der Anmietung gilt, kann dahinstehen, da der Kläger die Wohnung erst im Jahre 2009 angemietet hat und für ihn – auch aufgrund der kammerbekannt zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschrittenen Modernisierung der vorhandenen “Plattenbau”-Substanz in Berlin – jedenfalls keine Veranlassung mehr bestand, von einer von dem allgemeinen Mindeststandard abweichenden Überheizung des Schlafraums während der Heizperiode auszugehen.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Wohnung mit einer sog. “Einrohrheizung” ausgestattet ist. Zwar mag es nahe liegen, dass diese aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit unvermeidlich zur Wärmeabgabe selbst dann führt, wenn das Thermostat eines Heizkörpers auf “null” gestellt ist. Es liegt aber fern – und ist weder dargetan noch sonstwie ersichtlich -, dass nach allgemeiner Erkenntnis allein diese unvermeidbare Wärmeabgabe zu einer Aufheizung des Raumes auf über 18 Grad Celsius führt. Nur dann aber wäre ohne ausdrücklichen Hinweis der Beklagten oder entsprechende vertragliche Abrede der Parteien eine der Beklagten günstigere Auslegung des Vertrages oder ein Ausschluss der Gewährleistungsrechte des Klägers gemäß § 536b Satz 1 und 2 BGB wegen positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels in Betracht gekommen (vgl. zu letzterem Kammer, a.a.O. Tz. 14 f.).

Der Beseitigungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 275 Abs. 2 BGB wegen Überschreitens der sog. “Opfergrenze” ausgeschlossen. Diese Grenze ist nur überschritten, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand des Vermieters und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2014 – VIII ZR 135/13, NJW 2014, 1881 Tz. 2). An diesen Ausnahmevoraussetzungen indes fehlt es.

Soweit der Kläger die Beseitigung behaupteter Beheizungsmängel auch im “Wohnzimmer” verlangt, ist die Berufung unbegründet. Insoweit hat das Amtsgericht einen Mangelbeseitigungsanspruch zu Recht verneint. Die von den Beklagten im Wohnbereich gemessenen Innentemperaturen von nicht mehr als 23,5 Grad Celsius werden – anders als in Schlafräumen – während der Heizperiode allgemein noch als behaglich empfunden, so dass sie unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB auch bei fehlender Regulierungsmöglichkeit über das Heizkörperthermostat einen Mangel der Mietsache noch nicht begründen. Ob dem Kläger bei Innentemperaturen, die über die von der Beklagten gemessenen hinausgehen, ein Anspruch auf Mängelbeseitigung auch im Wohnbereich zugestanden hätte, konnte dahinstehen. Zwar hat der Kläger entsprechende Temperaturen behauptet, doch ist er den aktuellen Messungen der Beklagten aus dem März 2016 auch nach dem Hinweis der Kammer vom 12. April 2016 nicht mehr näher entgegen getreten. Sie waren deshalb gemäß §§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 Alt. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht.


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