Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Gerichtsurteil klärt Schadensersatzansprüche
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was zählt als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
- Welche rechtlichen Folgen drohen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?
- Was kann ich tun, wenn ich am Arbeitsplatz sexuell belästigt werde?
- Unter welchen Umständen kann eine Geldentschädigung gefordert werden?
- Gibt es Unterschiede in der Bewertung von Belästigungen im privaten und beruflichen Kontext?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Beklagte wurde verurteilt, der Klägerin eine Geldentschädigung wegen schwerwiegender Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts zu zahlen.
- Die Entschädigung basiert auf der vorsätzlichen Übersendung anstößiger Nachrichten und Bilder an die Klägerin.
- Der Beklagte schickte der Klägerin mehrfach sexualisierte Textnachrichten und Bilder, ohne jemals mit ihr in Kontakt gestanden zu haben.
- Diese Handlungen wurden als erhebliche Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingestuft, die eine Geldentschädigung erforderlich machen.
- Das Gericht sah in den Handlungen des Beklagten eine besonders schwere Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin.
- Der Beklagte handelte wiederholt und vorsätzlich, trotz des offensichtlichen Missfallens der Klägerin.
- Es wurde festgestellt, dass die Klägerin durch den rechtskräftigen Unterlassungstitel bereits eine gewisse Genugtuung erfahren hat.
- Der Betrag der Geldentschädigung wurde unter Berücksichtigung der Intensität und der Umstände der Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf insgesamt 4.000 Euro festgesetzt.
- Der Beklagte hat keinen hinreichenden Ausgleich für die ungefragt übersandten Fotos und Videos geleistet, was eine zusätzliche Entschädigung erforderlich machte.
- Das Gericht betonte die Bedeutung des Schutzes der Persönlichkeit und der sexuellen Selbstbestimmung, unabhängig von der Anzahl der beteiligten Personen.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Gerichtsurteil klärt Schadensersatzansprüche
Das Versenden von Textnachrichten, Bildern und Videos mit anzüglichem Inhalt, insbesondere im beruflichen Umfeld, ist ein Thema, das immer häufiger im Fokus der Gerichte steht. Die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit solcher Nachrichten und insbesondere der Höhe einer möglichen Geldentschädigung bei unzulässiger Verwendung ist dabei stets komplex. Letztlich hängt es von den konkreten Umständen des Falls ab, ob eine unzulässige Verwendung von anzüglichem Inhalt vorliegt und welche Ansprüche der Geschädigte geltend machen kann.
So ist es beispielsweise entscheidend, ob ein eindeutiger sexueller Übergriff oder eine sexuelle Belästigung vorliegt, oder ob der Inhalt der Nachrichten eher als „anstößig“ oder „unangemessen“ zu betrachten ist. Auch die Frage, ob die Nachricht im privaten oder beruflichen Bereich versendet wurde, ist entscheidend für die Rechtslage. Um einen besseren Einblick in die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen bei der Verwendung von anzüglichem Inhalt zu gewinnen, wollen wir im Folgenden einen konkreten Fall beleuchten und die Argumentationslinie des Gerichts nachvollziehen.
Sexuelle Belästigung: Wir setzen uns für Ihr Recht ein
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Der Fall vor Gericht
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Geldentschädigung für Instagram-Influencerin
Der Fall einer bekannten Instagram-Influencerin sorgt für Aufsehen in der Arbeitswelt. Die Klägerin, die durch ihre Auftritte in einer TV-Serie Bekanntheit erlangte und über eine halbe Million Follower auf Instagram hat, wurde Opfer mehrfacher sexueller Belästigungen durch einen ihr unbekannten Mann. Der Beklagte hatte der Frau unaufgefordert anzügliche Textnachrichten, Penisbilder und ein sexuell explizites Video zugesandt. Daraufhin zog die Influencerin vor Gericht und forderte eine Geldentschädigung von mindestens 10.000 Euro.
Schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das Landgericht Stralsund befand in seinem Urteil vom 6. Juni 2024, dass der Beklagte mit seinem Verhalten in schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen hat. Die Richter stuften die Handlungen des Mannes als vorsätzliche sexualisierte Beleidigungen ein, die die Klägerin in ihrer Intimsphäre und ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht verletzten.
Besonders gravierend wertete das Gericht die Übersendung der Penisfotos und des sexuell expliziten Videos. Hierbei überschritt der Beklagte nach Ansicht der Richter deutlich die Grenze einer bloßen Beleidigung. Er setzte sein Verhalten trotz fehlenden Einverständnisses der Frau mit „erheblicher Beharrlichkeit“ fort und verletzte mit dem Video auch das Recht der Klägerin am eigenen Bild.
Geldentschädigung als notwendiger Ausgleich
Das Gericht sah in diesem Fall die Notwendigkeit einer Geldentschädigung als gegeben an. Es begründete dies damit, dass der bereits erwirkte Unterlassungstitel keinen hinreichenden Ausgleich für die erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen darstelle. Die Intensität der Handlungen erfordere „eine entschiedenere Antwort des Rechtsstaats zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“.
Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe berücksichtigten die Richter verschiedene Faktoren. Mildernd wirkte sich aus, dass die beleidigenden Inhalte nur als Direktnachrichten übermittelt wurden und somit keine breite Öffentlichkeit erreichten. Erschwerend kam hingegen hinzu, dass der Beklagte ohne jeden Anlass handelte und seine Aktionen trotz offensichtlich fehlenden Einverständnisses der Frau fortsetzte.
Urteil: 4.000 Euro Entschädigung statt geforderter 10.000 Euro
In der Gesamtabwägung hielt das Gericht eine Geldentschädigung von insgesamt 4.000 Euro für angemessen. Davon entfallen 1.000 Euro auf die unaufgeforderte Zusendung der Penisfotos und 3.000 Euro auf das sexuell explizite Video. Die von der Klägerin geforderten 10.000 Euro erachteten die Richter hingegen als zu hoch.
Zusätzlich muss der Beklagte die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin in Höhe von 381,40 Euro übernehmen. Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Zahlungsansprüche auf einer vorsätzlichen deliktischen Handlung des Beklagten beruhen. Dies kann im Falle einer späteren Insolvenz des Mannes relevant werden, da solche Schulden von einer möglichen Restschuldbefreiung ausgenommen sind.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass unaufgeforderte sexuelle Belästigungen im digitalen Raum schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen darstellen können, die über einen bloßen Unterlassungsanspruch hinaus eine Geldentschädigung rechtfertigen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich dabei nach der Intensität des Eingriffs, wobei die geringe Öffentlichkeitswirkung mildernd, die Beharrlichkeit und Vorsätzlichkeit des Handelns hingegen erschwerend berücksichtigt werden. Der Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfordert hier eine entschiedene zivilrechtliche Reaktion.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil verdeutlicht, dass das Versenden unerwünschter sexueller Inhalte am Arbeitsplatz oder in sozialen Medien schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben kann. Selbst wenn Sie die Nachrichten nur an eine Person senden, können Sie zu einer Geldentschädigung verurteilt werden. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Art und Intensität der Belästigung ab. Während einzelne anzügliche Textnachrichten möglicherweise nur eine Unterlassungsanordnung nach sich ziehen, können explizite Fotos oder Videos zu erheblichen finanziellen Strafen führen. Besonders schwerwiegend wird es betrachtet, wenn Sie trotz fehlenden Einverständnisses der anderen Person beharrlich weitere Nachrichten senden. Bedenken Sie: Jegliche unerwünschte sexuelle Kommunikation kann als Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewertet werden, unabhängig vom beruflichen oder privaten Kontext.
FAQ – Häufige Fragen
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein ernstes Thema, das leider immer noch viel zu häufig vorkommt. Um Ihnen dabei zu helfen, Ihre Rechte zu kennen und sich im Falle von Belästigung zu schützen, haben wir diese FAQ-Rubrik zusammengestellt. Hier finden Sie hilfreiche Informationen und wichtige Antworten auf Ihre Fragen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was zählt als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
- Welche rechtlichen Folgen drohen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?
- Was kann ich tun, wenn ich am Arbeitsplatz sexuell belästigt werde?
- Unter welchen Umständen kann eine Geldentschädigung gefordert werden?
- Gibt es Unterschiede in der Bewertung von Belästigungen im privaten und beruflichen Kontext?
Was zählt als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Welche rechtlichen Folgen drohen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?
Was kann ich tun, wenn ich am Arbeitsplatz sexuell belästigt werde?
Unter welchen Umständen kann eine Geldentschädigung gefordert werden?
Gibt es Unterschiede in der Bewertung von Belästigungen im privaten und beruflichen Kontext?
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Sexuelle Belästigung: Sexuelle Belästigung umfasst alle unerwünschten sexuell bestimmten Verhaltensweisen, die die Würde der betroffenen Person verletzen. Dazu gehören anzügliche Bemerkungen, ungewollte Berührungen, sexuelle Handlungen oder das Zusenden von sexuell expliziten Nachrichten und Bildern. Im Arbeitsumfeld kann dies zu einem feindlichen oder einschüchternden Klima führen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Dieses Recht schützt die Persönlichkeitsentfaltung, die Privatsphäre und die persönliche Ehre eines Menschen. Es ist ein umfassendes Recht, das sich aus verschiedenen Grundrechten wie der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit ableitet. Eine Verletzung dieses Rechts kann zu Schadensersatzansprüchen führen, wie im Fall der unaufgeforderten Zusendung von anzüglichen Inhalten.
- Geldentschädigung: Eine Geldentschädigung ist ein finanzieller Ausgleich, den das Gericht für erlittene immaterielle Schäden zuspricht, insbesondere bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Sie soll Genugtuung für die erlittene Beeinträchtigung bieten und gleichzeitig präventiv wirken, um zukünftige Verletzungen zu verhindern.
- Unterlassungstitel: Ein Unterlassungstitel ist eine gerichtliche Anordnung, die dem Beklagten verbietet, bestimmte Handlungen weiterzuführen, die die Rechte des Klägers verletzen. Bei Zuwiderhandlung drohen Sanktionen wie Geldstrafen oder Haft. Im vorliegenden Fall wurde ein Unterlassungstitel erlassen, um weitere Belästigungen zu verhindern.
- Vorsätzliche Handlung: Vorsatz liegt vor, wenn jemand bewusst und gewollt eine bestimmte Handlung begeht, die rechtswidrig ist. Im Kontext der sexuellen Belästigung bedeutet dies, dass der Täter absichtlich und wissentlich die Rechte des Opfers verletzt hat. Vorsatz ist ein wichtiger Faktor für die Schwere der Strafe und die Höhe der Entschädigung.
- Sexuelle Selbstbestimmung: Dieses Recht schützt die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann, wie und mit wem man sexuelle Handlungen vornimmt oder zulässt. Es ist ein Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung liegt vor, wenn jemand ohne Einverständnis in die sexuelle Intimsphäre einer Person eingreift, wie durch das Zusenden von anzüglichen Nachrichten oder Bildern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die allgemeine Schadensersatzpflicht bei Verletzung eines absoluten Rechtsguts, wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum. Im vorliegenden Fall wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt, welches als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist.
- Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde): Dieser Artikel garantiert den Schutz der Menschenwürde als unantastbares Grundrecht. Die Zusendung anzüglicher Nachrichten, Bilder und Videos kann die Menschenwürde der betroffenen Person verletzen, da sie in ihrer Intimsphäre und ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird.
- Art. 2 Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht): Dieser Artikel schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, informationelle Selbstbestimmung und Schutz der Privatsphäre umfasst. Die unaufgeforderte Zusendung von anzüglichen Inhalten stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar.
- §§ 184 ff. StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung): Diese Paragraphen stellen verschiedene Formen der sexuellen Belästigung und Nötigung unter Strafe. Im vorliegenden Fall könnten die Handlungen des Beklagten unter diese Straftatbestände fallen, da er der Klägerin unaufgefordert anzügliche Nachrichten, Bilder und Videos zugesandt hat.
- § 1004 BGB analog (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch): Dieser Paragraph gewährt einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung bei Eigentums- oder Besitzstörungen. Im vorliegenden Fall kann dieser Anspruch analog angewendet werden, um die Unterlassung weiterer Belästigungen zu erreichen. Das Gericht hat bereits einen Unterlassungstitel erlassen, der dem Beklagten das beanstandete Verhalten untersagt.
Das vorliegende Urteil
LG Stralsund – Az.: 4 O 19/24 – Urteil vom 06.06.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.381,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.01.2024 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Zahlungsansprüche der Klägerin aus dem Tenor zu 1. auf einer vorsätzlichen deliktischen Handlung des Beklagten beruhen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60 % und der Beklagte 40% zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf bis 13.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Geldentschädigungsansprüche aufgrund mehrerer Verletzungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin geltend.
Die Klägerin ist durch Auftritte in der Serie … … einem breiten Publikum bekannt. Auf ihrem Instagram-Account folgen ihr mehr als eine halbe Million Follower.
Unter dem 11.04.2023 übersandte der Beklagte der Klägerin als Antwort auf verschiedene Instagram-Stories Textnachrichten mit dem Wortlaut „Fick mich bby“, „Press dein arsch an mein Schwanz“ und „Zwischen deinen titten Spritzen“.
Am 04.06.2023 übersandte der Beklagte der Klägerin fünf Fotos mit Bildern von einem entblößten Penis in verschiedenen Erektionsstadien. In der Folge stellte die Klägerin am 06.06.2023 Strafanzeige gegen den Beklagten. Er wurde diesbezüglich am 12.09.2023 von der Polizei vernommen.
Am 19.08.2023 übersandte der Beklagte der Klägerin ein Video mit einer Dauer von einer Minute und 17 Sekunden, bestehend aus einer Collage von Wiederholungen von Bildnissen der Klägerin, eigenen Penisfotos und einem eigenen Masturbationsvideo.
Der Beklagte ist mit der Klägerin nicht bekannt und stand vor Übersendung der Nachrichten in keinem Kontakt mit der Klägerin.
Gegen den Beklagten wurde aufgrund der Vorfälle am 20.10.2023 durch das Amtsgericht Stralsund ein rechtskräftiger Strafbefehl in Höhe von 80 Tagessätzen erlassen. In dem Verfahren 4 O 106/23 wurde dem Beklagten durch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 08.12.2023 aufgegeben, das inkriminierte Verhalten zu unterlassen.
Mit Schreiben vom 21.12.2023 forderte der Unterzeichner den Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 € sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 818,20 € auf unter Fristsetzung zum 05.01.2024.
Die Klägerin beantragt durch Versäumnisurteil,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Geldentschädigung zu bezahlen, deren Höhe in das billige Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.01.2024.
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 818,20 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.01.2024 zu bezahlen.
3. festzustellen, dass die Zahlungsansprüche der Klägerin gemäß den beiden
Klageanträgen I. und II. und aus der Kostenentscheidung dieses Rechtsstreits gemäß Ziffer IV. der Klageanträge auf einer vorsätzlichen deliktischen Handlung des Beklagten beruhen.
Der Beklagte hat sich in dem Verfahren nicht über einen Anwalt geäußert.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist teilweise unbegründet.
1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung aus §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 184 Abs. 1 Ziff. 6, 185 StGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG besteht in Höhe von 4.000,00 €.
Der Beklagte hat mit dem beanstandeten Verhalten in einer Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen, die eine Geldentschädigung unabweisbar macht.
A) Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine
Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schuldhafte, schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem
Gedanken, dass der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines
Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe. Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.08.2003, 1 BvR 1338/00; Beschluss vom 14.02.1973, 1 BvR 112/65; BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, Urteil vom 15.11.1994, VI ZR 56/94).
Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines
Verschuldens zu berücksichtigen. Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (BGH, Urteil vom 21.04.2015, VI ZR 245/14; Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12; OLG Dresden, Beschluss vom 30.07.2018, 4 U 620/18; OLG Köln, Urteil vom 12.07.2016, 15 U 176/15).
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 175/14; Urteil vom 21.04.2015, VI ZR 245/14; Beschluss vom 30.06.2009, VI ZR 340/08).
B) Eine Anspruchshöhe von 4.000,00 € erachtet das Gericht in Anbetracht der dargelegten Umstände als angemessen, aber auch ausreichend, um die erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin auszugleichen.
aa) Hinsichtlich der Übersendung der Textnachrichten ist nach den benannten Maßstäben die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich. Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich zwar um sexualisierte Beleidigungen. Durch das Übersenden der Nachrichten impliziert der Beklagte, dass diese der Klägerin willkommen seien bzw. sich diese bieten lassen müsse. Er objektiviert die Klägerin und degradiert sie zum Objekt seiner sexuellen Begierde. Dies verletzt die Klägerin besonders schwer in ihrer Intimsphäre und ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht. Dabei kann es dahinstehen, inwieweit die vom Beklagten geforderten Handlungen als „besonders ekelerregend“ einzustufen sind. Sexualität wird auf verschiedenste Weise ausgelebt. Das Recht der sexuellen Selbstbestimmung beruht gerade auf der wertungsfreien Annahme, dass es jedem Menschen frei steht, seine persönliche Sexualität frei zu entfalten, aber auch davon frei zu sein, ungebeten mit abweichenden Vorstellungen konfrontiert zu werden. Insofern muss eine Abwägung der Geldentschädigung nach der Schwere der aufgeworfenen Sexualpraktiken unterbleiben.
Die vorsätzliche, sexualisierte Beleidigung erfolgte aber ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit. Zwar ist der Schutz der Persönlichkeit unabhängig davon, wie viele Personen an der Kommunikation teilnehmen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 04.04.2004, 1 BvR 2098/01). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch übersenden der Textnachrichten erweist sich insoweit auch im Zweipersonenverhältnis als rechtswidrig. Indessen ist in diesem konkreten Einzelfall ein Bedürfnis für eine Geldentschädigung nicht gegeben. Die Klägerin erfährt für das Versenden der Textnachrichten hinreichende Genugtuung durch den rechtskräftigen Unterlassungstitel. Eine darüber hinausgehende Genugtuung oder Präventionswirkung ist aufgrund der Strafbewehrung nicht erforderlich.
Eine andere Bewertung ergibt sich nicht aus dem in Bezug genommenen Strafbefehl des Amtsgerichtes vom 20.10.2023. Gegenstand des Strafbefehls war entgegen der Ausführungen der Klägerin nicht Textnachrichten, sondern die Übersendung von Fotos und Videos.
bb) Der Unterlassungstitel bietet jedoch keinen hinreichenden Ausgleich für die ungefragt übersandten Fotos und das Video. Insoweit war auch zu beachten, dass jedenfalls mehrere Beleidigungen in Folge, welche jede für sich genommen nicht geeignet sind eine Geldentschädigung nach sich zu ziehen, kumulativ eine solche rechtfertigen können (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.07.2009, 16 U 15/09). Die Handlungen übersteigen in ihrer Intensität die bloße Beleidigungshandlung und erfordern eine entschiedenere Antwort des Rechtsstaats zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als einen strafbewehrten Unterlassenstitel. Andere Möglichkeiten der Genugtuung sind nicht ersichtlich. Eine Entschuldigung des Beklagten hat es bislang nicht gegeben. Dieser wirkte in der mündlichen Verhandlung zwar bedrückt. Indessen hat er nicht deutlich gemacht, ob dies von echter Reue oder von den juristischen Konsequenzen seiner Handlung herrührte. Das Verhalten des Beklagten war vorgerichtlich und auch im Rahmen der Zivilverfahren geprägt von einer fehlenden Verantwortungsübernahme des Beklagten.
Bei der konkreten Bemessung der Geldentschädigung ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Dateien jeweils als Direktnachricht an die Klägerin übersandte. Die Verbreitung ist denkbar gering. Eine nachhaltige und fortdauernde Interessen- oder Rufschädigung der Klägerin liegt, anders als in den von der Klägerin beispielhaft angeführten Urteilen, nicht vor.
Erhöhend ist jedoch zu beachten, dass alle Handlungen des Beklagten erfolgten, ohne dass die Klägerin dem Beklagten hierzu Anlass gab. Vielmehr konnte der Beklagte aus dem Umstand, dass die erstmalige Übersendung der Bilder keine direkte Kontaktaufnahme der Klägerin mit dem Beklagten bewirkte, zweifelsfrei schlussfolgern, dass die Übersendung durch die Klägerin nicht erwünscht war. Der Beklagte setzte seine Handlungen, ungeachtet des fehlenden Einverständnisses der Klägerin mit einer erheblichen Beharrlichkeit fort. Er handelte mit Vorsatz. Dabei geht das Gericht jedoch nicht davon aus, dass der Beklagte bei Übersendung des Videos bereits Kenntnis von den gegen ihn eingeleiteten juristischen Schritten hatte. Der Akte lässt sich nur der Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung entnehmen, welche nach Übersendung des Videos stattfand. Der Zeitpunkt der zugehörigen Ladung ist der Akte nicht zu entnehmen.
Nicht in die Abwägung einzustellen waren die von der Klägerin vorgetragenen erheblichen psychischen Beeinträchtigungen, welche heute noch fortdauerten. Der Vortrag erfolgt pauschal und ohne konkrete Benennung von Folgen. Nachvollziehbar und als unbestrittener Vortrag zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Klägerin von einer weiteren Steigerung ausging, dies insbesondere auch angesichts der symbolischen Verwendung einer Bombe im Video.
Von daher erachtet das Gericht für die ungefragte Übersendung der Fotos des Gliedes des Beklagten einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € als angemessen. Mit der Übersendung des Videos hat der Beklagte weiter seine fehlende Einsicht dokumentiert und die Intensität weiter erhöht, indem er nunmehr auch das Recht der Klägerin am eigenen Bild verletzte. Insbesondere durch die weitere Symbolik erzeugte er Angst vor weiterer Eskalation. Insofern ist als Ausgleich für die Übersendung des Videos die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 3.000,00 € erforderlich, aber auch ausreichend.
Letztlich ist eine höhere Geldentschädigung nicht deswegen zuzusprechen, weil der Beklagte sich nicht gegen die Forderung wehrt. Allein der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt ist Grundlage des Teilversäumnisurteils. Dieser vermag aber eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 € nicht zu rechtfertigen.
2. Die vorgerichtlichen Abmahnkosten bezüglich dieses Anspruchs auf Geldentschädigung stehen der Klägerin auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.000,00 Euro in Höhe von 381,40 € zu.
3. Der Zinsanspruch hinsichtlich der Zahlungsansprüche ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
4. Hinsichtlich des Feststellungsantrages war das Vorliegen einer vorsätzlichen deliktischen Handlung als Ursache des Anspruches nur für die Geldentschädigung auszusprechen. Hinsichtlich der Kausalität auch für die Prozesskosten fehlt es an einem Feststellungsbedürfnis der Klägerin.
Die begehrte Feststellung führt in dieser Hinsicht nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 302 Abs. 1 1. HS InsO. Kosten eines Zivilverfahrens, die bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener Handlung entstanden sind, teilen als prozessualer Anspruch nicht die Rechtsnatur des Hauptanspruchs. Sie werden deshalb von der Restschuldbefreiung erfasst (MüKoInsO/Stephan, 4. Aufl. 2020, InsO § 302 Rn. 14).
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Klägerin aus § 708 Ziff. 2 ZPO, für den Beklagten aus § 708 Ziff. 11 ZPO.