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Übertragung Eigentumswohnung  – Unwirksamkeit bei Demenzerkrankung

LG Köln – Az.: 20 O 474/16 – Urteil vom 20.02.2019

Es wird festgestellt, dass die von Herrn C auf die Beklagte erfolgte Übertragung des Eigentums an der im Grundbuch des Amtsgerichts Köln, Wohnungs- /Teileigentumsgrundbuch von M , Bl. 2066, eingetragenen Wohnung S straße ## (gemäß Aufteilungsplan Nr. 2) sowie der im Grundbuch des Amtsgerichts Köln, Wohnungs -/Teileigentumsgrundbuch von M , Bl. 2080, eingetragenen Wohnung S straße ## (gemäß Aufteilungsplan Nr. 3) gemäß des vor dem Notar L beurkundeten Übertragungsvertrages vom 31.10.2013 (UR.Nr.: XXXX/2013) wegen Geschäftsunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerinnen sind die Töchter des am 12.01.2016 in Köln verstorbenen Herrn C und ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts/Nachlassgerichts Köln vom 22.04.2018 zu jeweils 1/2-Anteil Miterbinnen des Erblassers. Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers. Die erste Ehefrau des Erblassers, zugleich die Mutter der Klägerinnen, ist vorverstorben.

Der Vater der Klägerinnen übertrug mit notariellem Vertrag des Notars L vom 31.10.2013 (Bl. 12 ff. Akten) sein Eigentum an den beiden im Tenor näher bezeichneten Eigentumswohnungen in der S straße ## in Köln auf die Beklagte.

Daneben hat er mit einer privatschriftlichen Verfügung vom 25.03.2012 (Bl. 23 der Akten) der Beklagten im Wege des Vermächtnisses sein gesamtes Barvermögen („Depots usw.“) vermacht.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen die Feststellung der Unwirksamkeit der von ihrem Vater vorgenommenen Eigentumsübertragung in Bezug auf die Wohnungen und ferner die Feststellung, dass seine privatschriftliche letztwillige Verfügung vom 25.03.2012 wegen Testierunfähigkeit nichtig sei.

Die Klägerinnen machen geltend, zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Übertragungsvertrages vom 31.10.2013 sei ihr Vater wegen eines seine freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes krankhafter Störung der Geistestätigkeit geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB gewesen. Ihr Vater habe bereits seit Oktober 2013 unter einer fortgeschrittenen schweren Demenzerkrankung gelitten. Zwar habe ihr Vater vor Abschluss des notariellen Vertrages ein Attest der Ärzte Dres. C1-S1 vorgelegt, die ihm die Geschäftsfähigkeit attestiert hätten. Dabei, so die Behauptung der Klägerinnen, handele es sich jedoch um ein reines Gefälligkeitsattest. Vielmehr sei es – was die Klägerinnen im Einzelnen ausführen – so gewesen, dass sich erste Anzeichen der Demenzerkrankung beim Erblasser bereits im Jahre 2007 aufgrund zunehmender Orientierungsprobleme gezeigt hätten. Ab dem Jahr 2008 sei sein Verhalten stark verändert gewesen, er habe Probleme mit der zeitlichen Erinnerung und Orientierung gehabt und es sei ihm zunehmend schwer gefallen, einem Gesprächsthema zu folgen. Im Jahre 2009 sei er zu einem letzten Besuch bei der Klägerin zu 1) in Berlin gewesen. Bei dieser Gelegenheit habe man eine Revue besucht, an die sich ihr Vater am nächsten Morgen in keiner Weise mehr habe erinnern können. Bei seinem Rückflug habe sie dafür Sorge tragen müssen, dass ihr Vater mit Hilfe Dritter das richtige Gate fand. Seit dem Jahr 2010 habe sich ihr Vater nicht mehr pro aktiv an Unterhaltungen beteiligt, sei lediglich stiller Teilnehmer gewesen und sei oft während der Besuche eingeschlafen. Im Jahre 2013 habe er die Klägerin zu 2) nicht mehr erkannt.

Auch bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung vom 25.03.2012 sei ihr Vater infolge seiner fortgeschrittenen Demenzerkrankung testierunfähig gewesen.

Die Klägerinnen beantragen,

1.  festzustellen, dass die von Herrn C auf die Beklagte erfolgte Übertragung des Eigentums an der im Grundbuch des Amtsgerichts Köln, Wohnungs- /Teileigentumsgrundbuch von M , Bl. 2066 eingetragenen Wohnung S straße ## (gemäß Aufteilungsplan Nr. 2) sowie der im Grundbuch des Amtsgerichts Köln, Wohnungs -/Teileigentumsgrundbuch von M , Bl. 2080 eingetragenen Wohnung S straße ## (gemäß Aufteilungsplan Nr. 3) gemäß des vor dem Notar L beurkundeten Übertragungsvertrages vom 31.10.2013 (UR.Nr.: 1209/2013) wegen Geschäftsunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist;

2.  festzustellen, dass die privatschriftliche letztwillige Verfügung des Herrn C (Erblasser) vom 25.03.2012 wegen testierunfähig kalt nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der Erblasser sei sowohl zum Zeitpunkt der Beurkundung des notariellen Vertrages als auch zum Zeitpunkt des Absetzens der letztwilligen Verfügung voll geschäftsfähig gewesen. Der Notar L habe sich damals über die tatsächlich gegebene Geschäftsfähigkeit des Herrn C ausdrücklich vergewissert. Die von den Klägerinnen geschilderten Vorkommnisse seien zu bestreiten. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Klägerinnen in den ca.  letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers überhaupt nicht mehr um ihren Vater gekümmert hätten, was diesen sehr belastet habe. Bei ihrem Ehemann habe im Vordergrund eine bei ihm diagnostizierte Depression gestanden, nicht eine Demenz. Es sei auch so gewesen, dass der Erblasser noch am 04.06.2013 in voller Kenntnis der damit verbundenen Konsequenzen vor dem Notar Dr. L1 in Bonn eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Eheleute F habe beurkunden lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der Sitzungen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen sowie die Erholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 04.10.2017 und 19.12.2018 Bezug genommen. Die Parteien sind informatorisch angehört worden. Der Sachverständige hat unter dem 14.05.2018 sein schriftliches Gutachten vorgelegt (Bl. 158 ff. der Akten), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, und das er im Termin vom 19.12.2018 mündlich erläutert hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in Bezug auf den Antrag zu 1) begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Übertragung der beiden Eigentumswohnungen auf die Beklagte durch die notariellen Vertrag vom 31.10.2013 ist gemäß § 104 Nr. 2 BGB unwirksam, weil sich der Erblasser zu diesem Zeitpunkt infolge seiner Demenzerkrankung in einem seine freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat, somit geschäftsunfähig war.

Dies steht zur hinreichend sicheren Überzeugung der Richterin – § 286 ZPO – aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest.

Die Richterin hat sich nicht nur von den Parteien im Einzelnen schildern lassen, welche Verhaltensweisen der Erblasser im relevanten Zeitpunkt gezeigt hat, sondern hat dazu auch mehrere Zeugen vernommen, die dazu – wie auch die Parteien – vom jeweils im Sitzungssaal anwesenden Sachverständigen auch ergänzend sachkundig befragt worden sind. Aufgrund dieses Gesamtbildes ist der Sachverständige in seinem ausführlich und plausibel begründeten Gutachten, das er bei seiner Anhörung im Termin vom 19.12.2018 trotz aller Einwände der Beklagtenseite nachhaltig und überzeugend verteidigt hat, zu der eindeutigen Einschätzung gelangt, dass der Erblasser jedenfalls im Oktober 2013 nicht mehr in der Lage war einzuschätzen, welchen Inhalt die damals notariell getroffenen Vereinbarungen hatten. Die Ausführungen des Sachverständigen, an dessen Kompetenz zu zweifeln die Richterin keinerlei Anlass hat, überzeugen umso mehr, als dieser seine Überzeugung in erster Linie auf die Angaben der den Erblasser behandelnden Ärzte gestützt hat und insbesondere auch deren Therapieberichte im einzelnen ausgewertet hat. Für den Sachverständigen war maßgeblich, dass die behandelnden Ärzte, insbesondere der Neurologe als auch der Hausarzt, der Zeuge Dr. C2, aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz eher in der Lage waren das beim Erblasser zu diagnostiziere Krankheitsbild besser einzuschätzen, als seine Freunde und Familienmitglieder. Der Tatsache, dass der Erblasser, vor Abschluss des notariellen Vertrages dem Notar ein ärztliches Attest vorgelegt hat, das seine Geschäftsfähigkeit bescheinigt hat, kommt nach Auffassung der Richterin keine entscheidende Bedeutung vor dem Hintergrund zu, dass dies eine Vorsichtsmaßnahme des Notars war vor dem Hintergrund eines Rundschreibens des Justizministers mit dem Hinweis, dass sich Prozesse der vorliegenden Art in letzter Zeit häuften.

Überzeugend hat der Sachverständige Dr. I insbesondere dargelegt, dass dem Erblasser bereits im Jahre 2009 das Medikament „Tebonin“ verordnet worden war, das erst ab einer mittelgradigen Alzheimer – Erkrankung überhaupt zugelassen war. Wie er weiter ausgeführt hat, korrespondiert damit der Bericht der Uniklinik Köln, wo bereits 2008 eine leicht- bis mittelgradige Alzheimer-Erkrankung festgestellt worden war sowie der Bericht von Herrn Dr. H aus dem Jahre 2009, in dem sogar bereits eine fortschreitende Demenz festgestellt worden war. Wie der Sachverständige ferner bei seiner Anhörung trotz der nachhaltigen Gegenvorstellungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten betont hat, haben die Aussagen der in seiner Gegenwart vernommenen Zeugen nichts an seiner Einschätzung, dass beim Erblasser im Oktober 2013 eine zumindest mittelgradige Demenz vorgelegen hat, die ihn außerstande gesetzt hat einzuschätzen, welchen Inhalt die von ihm getroffenen Vereinbarungen haben, geändert. Er hat ausgeführt, dass die beim Erblasser zu konstatierende mittelgradige Demenz zusammen mit der Pflegestufe II zu einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm nahestehenden Personen geführt hat. Der Sachverständige hat zudem aus den ihm vorliegenden Berichten die nachvollziehbare Folgerung gezogen, dass beim Erblasser ein klassischer Verlauf der Krankheit vorgelegen hat mit sämtlichen daraus resultierenden bekannten Problemen. Der Sachverständige hat auch plausibel dargelegt, dass dem engeren Umfeld möglicherweise infolge der näheren Beziehungen zum Erblasser dessen kognitive Defizite nicht so aufgefallen sind wie den fachlich geschulten Ärzten. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass viele Menschen mit Gedächtnisprobleme versuchten, diese nach außen hin zu überspielen und dass es auch immer Phasen mit besseren kognitiven Leistungen gebe und solche Phasen, in denen diese schlechter seien, was entscheidend auch vom Thema abhänge.

Nach alldem hat die Kammer keinerlei Bedenken, die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen, mit der Folge, dass die Klage in Bezug auf den Antrag zu 1) begründet ist.

Abzuweisen war die Klage allerdings in Bezug auf den Antrag zu 2).

Insoweit bestehen bereits Bedenken an einem Feststellungsinteresse der Klägerinnen, nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich geltend gemacht hat, aus der privatschriftlichen letztwilligen Verfügung vom 25.03.2012 keinerlei Rechte herleiten zu wollen. Wie sie unwidersprochen dargelegt hat, hat sie vielmehr das Gemeinschaftskonto bei der Sparkasse Köln-Bonn mit den Klägerinnen auseinanderdividiert und den Anteil des Erblassers an die Klägerinnen freigegeben.

Im Übrigen ist der Antrag zu 2) aber auch unbegründet.

Insoweit wollte der Sachverständige zwar eine Geschäftsunfähigkeit des Erblassers auch zum Zeitpunkt des 25.03.2012 nicht auszuschließen, konnte eine solche jedoch nicht mit derselben Sicherheit annehmen wie zum Zeitpunkt Oktober 2013.

Diese Unsicherheit geht zulasten der insoweit beweispflichtigen Klägerinnen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 709 ZPO.

Streitwert: 256.000 EUR (Antrag zu 1) + 15.000 EUR (Antrag zu 2) – geschätzt) = 271.000 EUR

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