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Überwachungs- und Sicherungspflicht bei Straßenbäumen

LG Bochum – Az.: 5 O 252/14 – Urteil vom 08.07.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.252,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, mit Ausnahme der Kosten, der Verweisung des Rechtsstreits durch das Amtsgericht Herne, die der Kläger trägt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz für die Beschädigung seines Pkw durch einen herabfallenden Ast am 06.05.2014.

Der Kläger wohnt unter der Anschrift … . An der … stehen im Bereich von neben dem Gehweg befindlicher Parkbuchten mehrere städtische Platanen. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten geltend, dass am 06.05.2014 ein Ast von einer solchen Platane auf seinen Pkw Opel Corsa, amtl. Kennzeichen …, gefallen sei und diesen beschädigt habe.

Die Mitarbeiterin M der Beklagten erklärte in einer E-Mail vom 07.05.2014 gegenüber der Ehefrau des Klägers: “Wunschgemäß kann ich Ihnen bestätigen, dass offensichtlich am 06.05.2014 ein Ast eines städtischen Baumes auf ihren Pkw gefallen ist und diesen am Scheinwerfer und auf der Motorhaube beschädigte. Der Ast war ca. 4,50 m lang und hatte an der Bruchstelle einen Durchmesser von 5 bis 8 cm. Der Ast war abgestorben.“

Im Auftrag des Klägers erstattete am 16.05.2014 der Sachverständige Dipl.-Ing. C ein Gutachten über den Schaden am Pkw, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Gemäß dem Gutachten entstanden Reparaturkosten von 1.564,80 Euro brutto und eine Wertminderung von 200,- Euro. Gemäß der Rechnung des Sachverständigen C vom 16.05.2014 berechnete dieser 376,04 Euro für die Gutachtenerstattung.

Gemäß Rechnung der Fa. N in Recklinghausen vom 15.05.2014 ließ der Kläger das Fahrzeug für 1.546,62 Euro brutto reparieren.

Der Kläger beansprucht die Zahlung der Reparaturkosten gemäß der Rechnung der Fa. N, die Sachverständigenkosten, Wertminderung in Höhe von 200,- Euro, Nutzungsausfall für drei Tage in Höhe von 105,00 Euro sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro.

Der Kläger behauptet, dass er am 06.05.2014 seinen Pkw vor dem Haus … abgestellt habe. Der Pkw sei durch einen von einer Platane heruntergefallenen Ast beschädigt worden. Das Abfallen des Astes habe nicht im Zusammenhang mit dem Pfingststurm Ela am 09.06.2014 gestanden. Die Beschädigung basiere auf einer Erkrankung des Baumes, welche der Beklagten bekannt gewesen sei, da sie auf diese mehrfach von Anwohnern hingewiesen worden sei.

Aufgrund dieser Schädigung habe das Fahrzeug eine Wertminderung gemäß dem eingeholten Gutachten vom 16.05.2014 in Höhe von 200,00 Euro erlitten.

Er sei aktivlegitimiert. Die den Kaufpreis für das Fahrzeug finanzierende H habe ihn zur Geltendmachung seiner Rechte bevollmächtigt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht in erheblichem Maße verletzt. Aufgrund der Erkrankung der Bäume sei eine Sichtkontrolle nicht ausreichend gewesen.

Zunächst hat der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2.587,41 Euro einschließlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro sowie zusätzlich Freistellung von diesen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro beantragt. Auf den Hinweis des Gerichts, dass insoweit Rechtsanwaltskosten doppelt geltend gemacht werden, hat der Kläger die Klage in Höhe des Antrags auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 334,75 Euro im Verhandlungstermin vom 06.03.2015 zurückgenommen und beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.252,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von den nicht anrechnungsfähigen vorgerichtlichen Kosten für die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts L in Höhe von 334,75 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Schadensereignis bezüglich Ursache, Hergang und Folgen mit Nichtwissen. Sie behauptet, die Bäume auf der … in … würden ständig durch fachkundige Mitarbeiter überwacht und überprüft. Der in Rede stehende Baum sei am 19.03.2013 sowie am 28.01.2014 kontrolliert worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass es zu einem Astabbruch kommen könne.

Der Ast sei im Zeitpunkt der Kontrollen nicht erkrankt gewesen. Bei dem im Kontrollbuch aufgeführten Totholz habe es sich nicht um zu beseitigendes Totholz gehandelt.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger die Rechnung der Firma N vom 15.05.2014 beglichen habe. Der Kläger sei hinsichtlich der geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 376,04 Euro nicht aktivlegitimiert, da er seinen Anspruch an das Sachverständigenbüro gemäß Abtretungserklärung vom 14.05.2014 abgetreten habe. Das Sachverständigenhonorar sei übersetzt, die geltend gemachten Kosten für die Anfertigung von Lichtbildern, pro geschriebener Seite, Porto und Telekommunikation sowie Fahrtkosten könnten nicht beansprucht werden. Die geltend gemachte Wertminderung wird bestritten. Bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestreitet die Beklagte die Zahlung durch den Kläger, das Vorliegen einer Rechnung sowie die Aktivlegitimation des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2015 Bezug genommen.

Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. C vom 17.12.2015 sowie dessen mündliche Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 17.12.2015 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.252,66 Euro gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass am 06.05.2014 auf den Pkw Opel Corsa des Klägers vor dem Haus … in … von einer städtischen Platane ein Ast auf das Fahrzeug gefallen ist und dieses beschädigt hat.

Die Zeugin T hat insoweit glaubhaft bestätigt, das Herunterfallen des Astes auf das Fahrzeug des KIägers selbst beobachtet zu haben. Die Zeugin hat insoweit ausgeführt, dass sie sich auf dem Weg von einem gegenüberliegenden Kiosk zurück zu ihrer Wohnung befunden habe, als sie gesehen habe, wie ein Ast vom Baum auf das auf dem Parkstreifen stehende Fahrzeug des Klägers gefallen sei. Sie habe den Ast fallen sehen und auch den Knall vom Aufprall des Astes gehört. Der Ast sei auf die Motorhaube und den Scheinwerfer der Fahrerseite gefallen. Sie habe sich danach den Ast noch angesehen, er sei so ca. 3 bis 4 m lang und ca. 6 bis 8 m am Ende dick gewesen. Der Ast sei nicht belaubt gewesen. Die Aussage der Zeugin ist schlüssig und widerspruchsfrei. Die Zeugin hat ihre Beobachtung lebensnah geschildert.

Gestützt wird die Aussage der Zeugin zudem dadurch, dass bereits am 07.05.2014 ausweislich der E-Mail der Mitarbeiterin M der Beklagten der Schadensfall vom 06.05.2014 gemeldet worden ist. Dieser ist gemäß der E-Mail genauso geschildert worden, nämlich, dass ein Ast von einem städtischen Baum auf den Pkw gefallen ist und Scheinwerfer und Motorhaube beschädigt hat.

Eine Amtspflichtverletzung der Beklagten ist gegeben.

Überwachungs- und Sicherungspflicht bei Straßenbäumen
(Symbolfoto: Denis Belitsky/Shutterstock.com)

Der Straßenverkehrssicherungspflichtige hat aufgrund seiner ihm gem. § 9 a Abs. 1 S. 2 StrWG NRW obliegenden Pflicht, die Verkehrssicherheit öffentlicher Straßen zu erhalten, die Verkehrsteilnehmer möglichst wirksam auch vor solchen Gefahren zu schützen, die von Straßenbäumen – etwa durch Umstürzen oder Abknicken der Baumstämme oder durch Astbrüche – ausgehen. Er muss deshalb Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die verkehrsgefährdend sind. Andererseits ist nicht jede von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr immer von außen erkennbar. Dieser Umstand vermag jedoch schon aus ökologischen Gründen eine vorsorgliche Entfernung sämtlicher Bäume aus der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht zu rechtfertigen, denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen deshalb nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen. Der Verkehrssicherungspflichtige genügt seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht hinsichtlich der Straßenbäume, wenn er diese aufgrund laufender Beobachtung in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen untersucht und die Pflegemaßnahmen vornimmt, welche für die Beibehaltung der Standfestigkeit des Baumes notwendig sind. Zu einer eingehenderen fachmännischen Untersuchung des Baumes ist der Verkehrssicherungspflichtige erst verpflichtet, wenn besondere Umstände wie etwa trockenes Laub, trockene Äste oder Verletzungen oder Beschädigungen des Baumes und dergleichen sie angezeigt sein lassen (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2013, 11 U 38/13; Beschluss vom 21.09.2012, 11 U 149/12).

Danach ist der Verkehrssicherungspflichtige zunächst einmal nur verpflichtet, bei sämtlichen Straßenbäumen in regelmäßigen Zeitabständen eine äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung in Form einer fachlich qualifizierten und vom Boden aus durchgeführten Inaugenscheinnahme des Baumes vorzunehmen. Dabei ist zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich eine zweimal jährlich vom Boden aus durchgeführte äußere Sichtprüfung des Baumes bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich, aber auch ausreichend, so lange nicht konkrete Defektsymptome an dem betreffenden Baum erkennbar sind (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2013, 11 U 38/13; Beschluss vom 21.09.2012, 11 U 149/12).

Zwar kann jeder Baum an einer Straße zu einer Gefahrenquelle werden, da durch Naturereignisse sogar gesunde Bäume entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden können. Das gebietet indessen nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen. Der Verkehr muss gewisse Gefahren, die sich nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten gegenüber Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist erst dann anzunehmen, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine konkrete Gefahr durch den Baum hinweisen.

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Grundsätzlich trägt der Kläger insoweit die Beweislast für eine Pflichtverletzung der Beklagten. Ihm obliegt der Nachweis, dass bei der zumutbaren Überwachung der Straßenbäume eine Schädigung entdeckt worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass insoweit eine Amtspflichtverletzung der Beklagten vorlag.

Zwar sind grundsätzlich Baumkontrollen durch die Beklagte durchgeführt worden. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Vernehmung des Zeugen A.

Der Zeuge A hat bekundet, dass er die Bäume an der … bis zu seinem Ausscheiden bei der Beklagten zum 24.03.2014 grundsätzlich zweimal im Jahr kontrolliert habe. Er habe bei den Platanen bei seinen Kontrollen, insbesondere bei der Kontrolle vom 28.01.2014, keine Anhaltspunkte für eine Massariaerkrankung der Platane gefunden, ansonsten hätte er diese im Baumkontrollbuch vermerkt. Die Platanen hätten auch immer Totholz, dies ergebe sich auch aus seinem Baumkontrollbuch. Dies habe aber dem üblichen Rahmen entsprochen. Es sei nicht besonders auffällig viel Totholz gewesen, genau könne er aber nicht mehr sagen, wie viel das gewesen sei. Wenn er jedenfalls eine Gefährdung durch das Totholz gesehen hätte, dann hätte er das gesondert vermerkt, so dass eilbedürftige Maßnahmen ergriffen worden wären. Wenn er keine Eilbedürftigkeit vermerke, dann werde das Totholz irgendwann entfernt.

Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft, sie ist schlüssig und widerspruchsfrei. Sie stimmt auch mit den Feststellungen in dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Baumkontrollbuch überein. Für das Begehungsdatum 28.01.2014, das letzte vor dem Schadenstag des 06.05.2014, ist u.a. Totholz vermerkt, ebenso bei dem vorherigen Begehungsdatum 19.03.2013. Ein Kronenpflegeschnitt ist nach Aufnahme in das Baumkontrollbuch am 07.05.2014 am 06.06.2014 erfolgt und eine Totholzbeseitigung nach Aufnahme am 19.05.2014 am 06.08.2014.

Eine Amtspflichtverletzung der Beklagten liegt jedoch darin, dass nicht rechtzeitig eine Totholzbeseitigung durchgeführt worden ist.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. C in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten habe der Baum eine altersbedingte und dem schwierigen innerstädtischen Standort gemäße gute Vitalität gemäß Vitalitätsstufe 2 nach Roloff, relevante Krankheiten oder Schädigungen habe er nicht festgestellt, der Baum sei in einem zufriedenstellenden Pflegezustand. Bei dem schadensverursachenden, abgebrochenen Ast handele es sich um sogenanntes Totholz, also einen abgestorbenen Teil des Baumes. Die Bildung von Totholz sei eine normale Lebensäußerung des Baumes, da er sich von Ästen trenne, die wegen zu geringer Assimilationsleistung keinen Wert mehr für ihn haben. Aus diesem Grund sei sehr wahrscheinlich auch der schadensverursachende Totast entstanden, in der Folge werde das Holz des abgestorbenen Astes morsch oder spröde, bis der Ast abbreche und herunter falle. Der schadensverursachende Ast habe zum Versagenszeitpunkt noch Fein- und teilweise auch Feinstastbereiche aufgewiesen, sei aber nur noch teilweise berindet gewesen, der Ast sei noch nicht längere Zeit abgestorben gewesen, bevor er abgebrochen sei, zumindest am Ende der vorhergehenden Vegetationsperiode sei der Ast noch belaubt gewesen.

Demgemäß hat der Sachverständige auch in seiner mündlichen Anhörung ergänzt, dass unsicher sei, ob bereits bei der Kontrolle am 28.01.2014 dieser Ast als Totholz erkennbar gewesen sei. Bei einer Baumkontrolle gucke man von unten in den Baum und achte darauf, ob Äste ohne Feinreisiganteil vorhanden seien bzw. sich bei Ästen Rinde ablöse.

Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen C in seinem schriftlichen Gutachten nebst der mündlichen Erläuterung hätte jedoch nach der Kontrolle vom 28.01.2014 eine Beseitigung des durch den Kontrolleur auch im Baum grundsätzlich erkannten Totholzes spätestens binnen 3 Monaten, jedenfalls vor dem 06.05.2014, dem Schadensereignis, durchgeführt werden müssen. Trotz der Feststellung von Totholz bei der Kontrolle Ende Januar 2014 sowie auch bereits bei den vorangegangenen Kontrollen im März 2013 und Juli 2012 sei Totholz in der Krone festgestellt worden, ohne dass das Totholz beseitigende Maßnahmen geplant worden seien, dies habe zuletzt im März 2012 stattgefunden. Da das gesamte Umfeld des streitgegenständlichen Baumes die Entfernung von Totholz erforderlich mache, wäre bei einer Aufnahme des Schadensmerkmales Totholz auch die Planung einer Totholzbeseitigung erforderlich gewesen.

Bei Platanen müsse aus fachlicher Sicht die Totholzbeseitigung innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden. Die Frist von 3 Monaten zur Planung der Totholzbeseitigung ergebe sich nicht konkret aus Vorschriften. In den Baumkontrollrichtlinien sei festgelegt, dass ein Handlungszeitraum bestimmt werden solle, um einen Schaden zu verhindern. Dies obliege der fachlichen Entscheidung des Baumkontrolleurs. Da jedoch die Problematik von Massaria bei Platanen allgemein bekannt sei, weswegen das Totholz auch schnell abgeworfen werde, sei aus seiner Sicht aufgrund des schnellen Totholzabwurfs eine Frist von maximal 3 Monaten zu setzen, die von anderen Sachverständigen nach seiner Einschätzung ggfs. noch geringer vertreten würde. Diese angesetzten drei Monate seien pflanzenartbedingt und auch situationsbedingt, es handelte sich um eine Platane und sie stünde neben einem Bürgersteig und Parkplätzen, zudem verbreiteten sich die Platanen über die Straße.

Nach diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen C, denen die Kammer sich anschließt, war nach der Feststellung von Totholz bei der Kontrolle am 28.01.2014 eine Totholzbeseitigung in spätestens 3 Monaten durchzuführen. Dies gilt umso mehr, als bereits bei den vorherigen Kontrollen ebenfalls Totholz festgestellt worden war und der letzte Kronenpflegeschnitt am 23.03.2012, mithin 22 Monate vorher, erfolgt ist. Auch wenn der Zeitraum von 3 Monaten am Tag des Schadensereignisses vom 06.05.2014 nur geringfügig überschritten war, liegt eine Amtspflichtverletzung vor. Es handelte sich nach den Ausführungen des Sachverständigen C um eine maximale Frist, andere Sachverständige würden diesen Zeitraum noch geringer ansetzen. Danach hätte bis zum Schadensereignis eine Totholzbeseitigung bereits erfolgt sein müssen.

Nach den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen C ist davon auszugehen, dass bei einer derartigen Totholzbeseitigung im Zeitraum von drei Monaten nach dem 28.01.2014 auch der schadensverursachende Ast beseitigt worden wäre.

Der Sachverständige hat hierzu zwar ausgeführt, dass er nicht sagen könne, wie der Ast konkret am 28.01.2014 ausgesehen habe bzw. ob er zum Beispiel bei einer Totholzbeseitigung bereits etwa 2 bis 3 Wochen nach der Kontrolle bereits Totholz gewesen wäre. Bei einer derartigen Totholzbeseitigungsmaßnahme seien jedoch auch absterbende Äste zu beseitigen. Zur Totholzbeseitigung wäre ein Hubsteiger eingesetzt worden. Man hätte den Baum dann von oben betrachten können und sehe deswegen auch genauer, wie die Äste aussähen, so dass dann auch absterbende Äste entfernt würden.

Bezüglich des schadensverursachenden Astes könne er sagen, dass dieser Ast zwar teilweise noch Feinstastbereiche aufgewiesen habe, aber nur noch teilweise berindet gewesen sei, so dass der Ast bereits vorher als absterbend erkennbar gewesen sei. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der streitgegenständliche Ast bereits im Februar/März 2014 abgestorben sei. Er gehe davon aus, dass der Ast bereits nach dem Ende der Vegetationsperiode im Oktober abgestorben sei. Wenn der Baum die Blätter verliere, gehe er in eine Ruhephase. Er bilde dann eine Abschottungszone gegenüber einem nicht mehr zu versorgenden Ast, so dass dieser dann absterbe.

Diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen C schließt die Kammer sich an. Danach ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer Totholzbeseitigungsmaßnahme innerhalb von 3 Monaten nach der Kontrolle vom 28.01.2014 der schadensverursachende Ast als absterbend erkannt worden wäre und daher ebenfalls beseitigt worden wäre. Indem eine Totholzbeseitigungsmaßnahme durch die Beklagte nicht durchgeführt worden ist, liegt daher eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten vor.

Der Kläger kann zur Schadensbeseitigung einen Betrag in Höhe von 2.252,66 Euro beanspruchen.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Gemäß dem Kaufvertrag der Firma P mit dem Kläger unter dem vollständigen Namen A vom 28.09.2012 war der Kläger Käufer des Fahrzeugs. Dieser Kaufvertrag ist von der Beklagten nicht angegriffen worden.

Insoweit besteht allerdings unstreitig ein Leasingvertrag mit der H. Diese hat mit Schreiben vom 22.01.2015 erklärt, dass der Kläger aktivlegitimiert ist, seine Ansprüche im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen, mit der Maßgabe, dass eine Entschädigungsleistung zur ordnungsgemäßen Reparatur des Fahrzeuges verwendet wird. Eine eventuell anfallende Wertminderung sei dem Darlehenskonto gutzuschreiben, um Überweisung auf ein angegebenes Konto werde gebeten.

Diese Erklärung der H kann nur dahin verstanden werden, dass die H den Kläger ermächtigte, ihre Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, die der finanzierenden Bank als Eigentümerin zustehen. Dies bezieht sich nach dem Inhalt der Ermächtigung sowohl auf die Reparaturkosten als auch auf eine Wertminderung, die nach dem Inhalt der Ermächtigung erst nach Erhalt durch den Kläger an die Bank überwiesen werden sollen.

Der Kläger kann gemäß der Rechnung der Firma N vom 15.05.2014 Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 1.546,62 Euro geltend machen. Unabhängig von der Bezahlung dieser Rechnung durch den Kläger liegt sein Schaden gem. § 249 BGB bereits darin, dass er durch die Rechnung zur Zahlung verpflichtet ist.

Darüber hinaus hat der Kläger auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Wertminderung in Höhe von 200,00 Euro gem. § 249 BGB. Zwar hat die Beklagte die Wertminderung bestritten. Demgegenüber geht die Kammer gem. § 287 ZPO von einer Wertminderung in Höhe von 200,00 Euro aus.

Gemäß dem von dem Kläger eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C liegt eine Wertminderung von 200,00 Euro unter Berücksichtigung der sach- und fachgerechten Instandsetzung nach durchgeführter Reparatur unter Berücksichtigung aller beeinflussenden Faktoren, der regionalen Marktsituation des Fahrzeugs, seiner Besonderheiten sowie der anerkannten Berechnungsverfahren vor. Substantiierte Einwendungen sind durch die Beklagte nicht erhoben worden. Zudem ist das Vorliegen einer Wertminderung im vorliegenden Fall für die Kammer plausibel und eine Schätzung der Höhe gem. § 287 ZPO möglich. Das Fahrzeug war im Zeitpunkt des Schadensereignisses aufgrund einer Erstzulassung vom 28.09.2012 erst anderthalb Jahre alt und wies eine Laufleistung von 7.837 km auf, war daher noch verhältnismäßig neuwertig. Es war vom Kläger zu einem Fahrzeugpreis von 13.000,00 Euro gekauft worden. Durch das Schadensereignis wurde es zu einem Unfallwagen, auch wenn eine ordnungsgemäße Reparatur vorgenommen wurde. Danach ist von der Wertminderung in Höhe von 200,00 Euro auszugehen.

Auch die Sachverständigenkosten für das Gutachten des Sachverständigen C in Höhe von 376,04 Euro sind ersatzfähig.

Eine Aktivlegitimation des Klägers ist gegeben. Zwar liegt eine Abtretungserklärung des Klägers an den Sachverständigen vom 14.05.2014 vor. Die Voraussetzungen der Abtretungserklärung greifen vorliegend jedoch nicht ein. Nach dem Text der Abtretung hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und die Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs an das Kfz-Sachverständigenbüro abgetreten. Da vorliegend ein Schaden durch den Ast eines Baumes verursacht wurde, wofür die Beklagte im Rahmen der Amtshaftung haftet, besteht ein Anspruch gegen einen Fahrer, Halter und Versicherer eines unfallbeteiligten Fahrzeug nicht, da ein Fahrzeug nicht beteiligt war, so dass die Abtretung nicht eingreift.

Soweit die Beklagte die Höhe der Rechnung angreift, greifen diese Einwendungen nicht durch. Die Sachverständigenkosten sind als erforderlich gem. § 249 BGB zu ersetzen.

Der Sachverständige hat in seiner Rechnung vom 16.05.2014 zunächst ein nicht angegriffenes Grundhonorar von 250,00 Euro berechnet.

Daneben kann der Sachverständige Kosten in Höhe von 15,00 Euro für Telefon/Telefax/Porto beanspruchen. Derartige Kosten werden regelmäßig von Sachverständigen neben dem Grundhonorar abgerechnet, dies ist allgemein üblich und entspricht damit der Erforderlichkeit. Die abgerechneten Kosten sind regelmäßig nicht im Grundhonorar enthalten. Ein Betrag von 15,00 Euro hierfür ist nicht als überhöht anzusehen.

Gleiches gilt entsprechend für die Schreibkosten in Höhe von 20,00 Euro, 8 Fotos zu 16,00 Euro und Fahrtkosten zu 15,00 Euro. Auch diese Kosten werden gewöhnlich gesondert abgerechnet, sind nicht im Grundhonorar enthalten und sind nicht als überhöht anzusehen. Bezüglich der Schreibkosten von 20,00 Euro ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten 8 Seiten umfasst und in mehrfacher Ausfertigung erstellt wurde, so dass die Kosten angemessen sind. Ein Betrag von 2,00 Euro je Foto für einen Fotosatz ist nicht als zu hoch zu beanstanden. Fahrtkosten sind aufgrund der Besichtigung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen C, …, bei der Fa. N, …, für eine Strecke hin und zurück von insgesamt 27 km entstanden. Unter Zugrundelegung eines angemessenen km-Satzes von 0,70 Euro je km ist ein Fahrtkostenanteil von 15,00 Euro als erforderlich anzusehen.

Darüber hinaus kann der Kläger Nutzungsausfall für die Reparaturzeit von 3 Tagen zu je 35,00 Euro pro Tag, insgesamt mithin 105,00 Euro beanspruchen.

Außerdem hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro. Zwar handelte es sich vorliegend nicht um einen Verkehrsunfall, bei dem typischerweise Kosten für den Kläger entstehen, die aufgrund der Vielzahl der Fälle pauschaliert geltend gemacht werden können. Eine gleiche Interessenslage besteht jedoch bei einer anderweitigen deliktischen Schädigung des Pkw, wie hier im Rahmen der Amtshaftung durch einen herabfallenden Ast. Auch bei einem solchen Schadensfall entstehen dem Geschädigten typischerweise Kosten für Schadensfeststellung und Schadensbeseitigung, die neben den konkret bezifferten Beträgen anfallen. Dies entspricht auch hierbei einem typischen Schadensverlauf, so dass auch diese Kosten im Wege einer Kostenpauschale berechnet werden könne.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hat u.a. die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf eine Rechtsschutzversicherung des Klägers gem. § 86 Abs. 1 VVG bestritten. Dass der Kläger rechtsschutzversichert ist, ergibt sich insoweit auch aus den im vorliegenden Verfahren erfolgten Zahlungen durch die E-Versicherung auf die Sachverständigenkosten. Demgemäß hätte der Kläger zur Begründung seiner Aktivlegitimation substantiiert darlegen müssen, nämlich dass er entweder die Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten noch nicht durch die Rechtsschutzversicherung erhalten hat oder durch diese zur Geltendmachung gegenüber der Beklagten ermächtigt worden ist, was durch ihn nicht erfolgt ist. Demnach kann auch bezüglich eines Freistellungsanspruchs des Klägers selbst seine Aktivlegitimation nicht festgestellt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 281 ZPO.

Soweit der Kläger zunächst die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gleichzeitig im Wege der Zahlung sowie auch der Freistellung geltend gemacht hat, bezog sich beides gleichermaßen nur auf eine Nebenforderung bezüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, also nicht auf die Hauptforderung. Trotz der doppelten Geltendmachung liegt demgemäß keine Klagerücknahme und kein Unterliegen mit der Hauptforderung vor, so dass sich dies auf den Kostenausspruch nicht auswirkt.

Soweit die Nebenforderung hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten auch hinsichtlich des Freistellungsanspruchs unbegründet ist, hat der Kläger, da es sich nur um eine nicht kostenerhöhende Nebenforderung handelt, keine Kosten zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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