Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Überwachungskameras auf eigenem Grundstück: Rechtliche Risiken und Nachbarschaftsstreitigkeiten
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche rechtlichen Grenzen gelten für private Überwachungskameras im Außenbereich?
- Wann liegt ein Überwachungsdruck vor und welche rechtlichen Folgen hat dies?
- Welche rechtlichen Schritte kann ich gegen eine Kamera des Nachbarn einleiten?
- Was bedeutet die Verpixelung von Nachbargrundstücken rechtlich?
- Welche Beweise sind für einen erfolgreichen Unterlassungsanspruch nötig?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Bad Iburg
- Datum: 01.12.2021
- Aktenzeichen: 4 C 366/21 (4)
- Verfahrensart: Zivilprozess
- Rechtsbereiche: Persönlichkeitsrecht, Nachbarrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Mutter des Beklagten, die eine Doppelhaushälfte bewohnt und die Entfernung oder Anpassung der Überwachungskameras fordert. Sie argumentiert, dass die Kameras ihr Persönlichkeitsrecht verletzen könnten, da diese in der Lage sind, den Zugang zu ihrem Grundstück sowie den Garten zu erfassen.
- Beklagter: Der Sohn der Klägerin und Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte. Er hat die Kameras zur Sicherheit seines Eigentums installiert und bestreitet, dass sie die Bereiche der Klägerin überwachen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Beklagte installierte zwei Überwachungskameras an seinem Haus, die eventuell auch Bereiche des Grundstücks der Klägerin erfassen könnten. Die Klägerin, die die andere Hälfte des Doppelhauses bewohnt, fühlt sich in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Sie fordert die Entfernung der Kameras oder deren Anpassung, damit keine Aufnahmen ihres Grundstücks gemacht werden können.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Streits ist, ob die Kameras das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzen und ob sie ein legitimes Interesse hat, die Entfernung oder Neuausrichtung der Kameras zu verlangen, unabhängig davon, ob eine tatsächliche Überwachung erfolgt oder ob durch die bloße Möglichkeit der Überwachung ein „Überwachungsdruck“ entsteht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht entschied, dass der Beklagte die Kameras entweder entfernen oder so ausrichten muss, dass sie das Grundstück der Klägerin nicht erfassen können. Zudem muss der Beklagte vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 367,23 € an die Klägerin zahlen. Die Klage wurde in anderen Punkten abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass das Persönlichkeitsrecht der Klägerin beeinträchtigt sein könnte, selbst wenn die Kameras derzeit nicht auf ihr Grundstück ausgerichtet sind. Die Möglichkeit der Überwachung genügt, um einen „Überwachungsdruck“ zu erzeugen, der das Recht der Klägerin verletzt.
- Folgen: Der Beklagte ist verpflichtet, die Kameraausrichtung zu ändern oder die Kameras zu entfernen, um die Persönlichkeitsrechte der Klägerin zu schützen. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung von Persönlichkeitsrechten im Kontext von Überwachungstechnik und Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Überwachungskameras auf eigenem Grundstück: Rechtliche Risiken und Nachbarschaftsstreitigkeiten
Die Installation von Überwachungskameras auf dem eigenen Grundstück wirft häufig Fragen zu den rechtlichen Grundlagen auf, insbesondere wenn die Kameras in Richtung benachbarter Grundstücke ausgerichtet sind. Nachbarrechtliche Bestimmungen und der Datenschutz spielen hierbei eine entscheidende Rolle, da die Privatsphäre der Nachbarn gewahrt werden muss. Während Hausrecht und Sicherheitsinteressen legitim sind, können unangemessene Überwachungsmaßnahmen schnell zu Nachbarschaftsstreitigkeiten und rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
Ein Unterlassungsanspruch kann dann geltend gemacht werden, wenn die Kameraüberwachung als rechtswidrig erachtet wird. Dabei sind Aspekte wie die Sichtbarkeit der Kameras und mögliche Lärmbelästigungen von Bedeutung. In den folgenden Absätzen wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese rechtlichen Themen anhand eines aktuellen Gerichtsurteils beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Kameradisput zwischen Mutter und Sohn: Amtsgericht Bad Iburg ordnet Maßnahmen gegen Überwachungsdruck an

Ein Nachbarschaftsstreit der besonderen Art beschäftigte das Amtsgericht Bad Iburg: Eine Mutter klagte gegen ihren Sohn wegen der Installation von Überwachungskameras an dessen Doppelhaushälfte. Die beiden Parteien leben als direkte Nachbarn in einem ländlich gelegenen Doppelhaus und sind seit mehreren Jahren zerstritten.
Hightech-Überwachung sorgt für rechtliche Auseinandersetzung
Im Juni 2020 montierte der Sohn zwei Highend-Kameras der Marke Mobitix an seinem Gebäudeteil. Die technisch hochentwickelten Geräte wurden vorder- und rückseitig angebracht und verfügen über umfangreiche Funktionen wie Datenspeicherung, Personenzählung nach Alter und Geschlecht sowie Objekt- und Personenerkennung in Echtzeit. Die vordere Kamera wurde in einer Höhe von vier bis fünf Metern installiert und erfasst den Einfahrtsbereich sowie die Zufahrtsstraße mit angrenzendem Wanderweg. Die rückwärtige Kamera, montiert in drei bis vier Metern Höhe, ist auf die Gartenanlage und die dahinterliegenden Felder ausgerichtet.
Technische Möglichkeiten und rechtliche Grenzen
Der Beklagte versicherte per Anwaltsschreiben, dass alle Bereiche außerhalb seines Grundstücks verpixelt würden und legte entsprechende Fotos vor. Zudem wurde durch eine Fachfirma bestätigt, dass die Kameras keine mechanische Schwenk- oder Neigefunktion besitzen. Die Klägerin argumentierte jedoch, dass die Kameras grundsätzlich in der Lage seien, ihre Zufahrt und ihren privaten Gartenbereich zu erfassen. Zudem könne eine etwaige Verpixelung jederzeit aufgehoben werden.
Gericht bestätigt Persönlichkeitsrechte der Klägerin
Das Amtsgericht Bad Iburg gab der Klage teilweise statt. In seiner Begründung betonte das Gericht, dass die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den entstehenden Überwachungsdruck gegeben sei. Maßgeblich sei nicht allein die tatsächliche Überwachung, sondern die begründete Befürchtung einer möglichen Überwachung. Die Richter sahen diese Befürchtung als gerechtfertigt an, da die Kameras vom Grundstück der Klägerin aus sichtbar sind und technisch in der Lage wären, Teile ihres Grundstücks zu erfassen. Die digitale Schwenkbarkeit der Kameras von 2 × 180° horizontal und 110° vertikal verstärke diese Problematik zusätzlich.
Das Gericht verpflichtete den Beklagten, die Kameras entweder zu entfernen oder so auszurichten, dass die Linsenbereiche vom Grundstück der Klägerin aus nicht mehr zu sehen sind. Zusätzlich muss er Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 Euro zahlen. Ein weitergehender Unterlassungsanspruch bezüglich künftiger Kamerainstallationen wurde aufgrund mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt, da der aktuelle Zustand durch das Urteil bereits hinreichend geregelt sei.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stellt klar, dass auch Mieter oder rechtmäßige Mitbewohner – nicht nur Eigentümer – gegen störende Videoüberwachung durch Nachbarn vorgehen können. Überwachungskameras, die vom Nachbargrundstück aus sichtbar sind und potenziell fremdes Eigentum filmen könnten, sind auch dann rechtswidrig, wenn die aufgenommenen Bereiche technisch verpixelt werden. Entscheidend ist bereits der entstehende Überwachungsdruck auf die Nachbarn, nicht die tatsächliche Aufzeichnung.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Ihr Nachbar eine Überwachungskamera installiert hat, die von Ihrem Grundstück aus sichtbar ist, können Sie deren Entfernung oder Neuausrichtung verlangen – auch wenn Sie nur Mieter sind. Sie müssen dabei nicht nachweisen, dass Ihr Grundstück tatsächlich gefilmt wird. Es reicht aus, dass die Kamera theoretisch Ihr Grundstück erfassen könnte und Sie sich dadurch in Ihrer Privatsphäre eingeschränkt fühlen. Eine bloße Verpixelung der Aufnahmen durch den Nachbarn ist keine ausreichende Lösung, da diese jederzeit rückgängig gemacht werden könnte.
Ungewollte Einblicke? Schützen Sie Ihre Privatsphäre.
Das Urteil zeigt, wie wichtig der Schutz der Privatsphäre ist, selbst wenn keine direkten Aufnahmen gemacht werden. Bereits das Gefühl, beobachtet zu werden, kann Ihre Rechte beeinträchtigen. Wenn Sie sich durch die Kamera Ihres Nachbarn unwohl fühlen, sollten Sie Ihre Möglichkeiten kennen. Wir helfen Ihnen, die Rechtslage zu verstehen und Ihre Interessen durchzusetzen, damit Sie sich in Ihrem Zuhause wieder sicher und ungestört fühlen können.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche rechtlichen Grenzen gelten für private Überwachungskameras im Außenbereich?
Private Überwachungskameras dürfen ausschließlich das eigene Grundstück erfassen. Wenn Sie eine Kamera installieren möchten, müssen Sie strikt darauf achten, dass weder Nachbargrundstücke noch öffentliche Bereiche wie Bürgersteige oder Straßen gefilmt werden.
Grundlegende Beschränkungen
Der Schutz der Privatsphäre hat dabei stets Vorrang vor Sicherheitsinteressen. Eine Kameraüberwachung ist unzulässig, wenn sie in die Rechte anderer Personen eingreift. Dies gilt auch dann, wenn nur die theoretische Möglichkeit einer Überwachung besteht. Selbst Kamera-Attrappen können einen unzulässigen Überwachungsdruck erzeugen.
Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Bei Verstößen gegen diese Vorgaben können erhebliche Sanktionen drohen:
- Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro bei Verstößen gegen die DSGVO
- Unterlassungsansprüche der betroffenen Nachbarn
- Verpflichtung zur Neuausrichtung oder Entfernung der Kamera
Besondere Regelungen für gemeinsam genutzte Bereiche
Für gemeinsam genutzte Zugangswege oder Auffahrten gelten besonders strenge Regeln. Eine Überwachung ist hier nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller betroffenen Personen zulässig. Auch wenn Sie beispielsweise Ihre Haustür überwachen möchten, darf die Kamera nicht den Eingangsbereich des Nachbargrundstücks miterfassen.
Technische Anforderungen
Die Installation muss so erfolgen, dass:
- Die Kamera technisch auf den erlaubten Erfassungsbereich beschränkt ist
- Eine nachträgliche Änderung des Erfassungsbereichs ausgeschlossen ist
- Der überwachte Bereich klar erkennbar ist
Eine Verpixelung fremder Grundstücksbereiche reicht dabei nicht aus, da die technische Möglichkeit bestehen könnte, diese wieder aufzuheben.
Wann liegt ein Überwachungsdruck vor und welche rechtlichen Folgen hat dies?
Ein Überwachungsdruck entsteht bereits dann, wenn Dritte eine Überwachung durch eine Kamera ernsthaft und objektiv befürchten müssen. Die Befürchtung muss dabei aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich erscheinen.
Voraussetzungen für Überwachungsdruck
Ein rechtlich relevanter Überwachungsdruck liegt vor, wenn die Kamera:
- einen elektronischen Steuerungsmechanismus besitzt, der eine Ausrichtung auf das Nachbargrundstück ermöglicht
- selbstständig Personen nachverfolgen kann
- in einem angespannten Nachbarschaftsverhältnis installiert wurde
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kamera tatsächlich das Nachbargrundstück erfasst oder die Schwenkfunktion aktiv genutzt wird. Allein die technische Möglichkeit der Erfassung ist ausreichend.
Ausnahmen vom Überwachungsdruck
Ein Überwachungsdruck liegt nicht vor bei Kameras, die:
- stationär montiert sind
- nur durch erheblichen und sichtbaren manuellen Aufwand auf das Nachbargrundstück ausgerichtet werden können
- ausschließlich das eigene Grundstück erfassen können
Rechtliche Konsequenzen
Bei Vorliegen eines Überwachungsdrucks haben Sie folgende Rechte:
Der betroffene Nachbar kann einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB geltend machen. Zusätzlich besteht ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB, da die Möglichkeit der ungewollten Videoüberwachung eine widerrechtliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt.
Der Betreiber der Kamera muss dann:
- die Kamera so einrichten, dass sie nicht für die Erfassung anderer Grundstücke geeignet ist
- bei Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft rechnen
Welche rechtlichen Schritte kann ich gegen eine Kamera des Nachbarn einleiten?
Wenn eine Kamera des Nachbarn Ihr Grundstück erfassen könnte, stehen Ihnen mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Der Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 BGB ist dabei das wichtigste rechtliche Instrument.
Außergerichtliche Schritte
Ein klärendes Gespräch mit dem Nachbarn ist der erste Schritt. Bleibt dies erfolglos, können Sie eine schriftliche Aufforderung zur Unterlassung der Überwachung versenden. Darin setzen Sie eine angemessene Frist zur Beseitigung oder Neuausrichtung der Kamera.
Einstweilige Verfügung
Bei fehlender Reaktion des Nachbarn können Sie beim zuständigen Amtsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen. Diese ermöglicht eine schnelle vorläufige Regelung. Für den Erfolg müssen Sie die mögliche Erfassung Ihres Grundstücks durch die Kamera dokumentieren, etwa durch Fotos der Kameraposition.
Zivilklage auf Unterlassung
Eine Zivilklage ist der umfassendste Rechtsweg. Wichtig: Es reicht bereits aus, wenn die Kamera theoretisch Ihr Grundstück erfassen könnte. Dies gilt auch bei schwenkbaren Kameras oder Kameraattrappen. Bei Erfolg der Klage drohen dem Nachbarn Ordnungsgelder bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft.
Weitere Ansprüche
Neben dem Unterlassungsanspruch können Sie auch Auskunft über bereits erfolgte Aufnahmen und deren Löschung verlangen. Bei nachweisbaren Schäden durch die Überwachung besteht zudem ein Schadensersatzanspruch.
Datenschutzrechtliche Maßnahmen
Sie können sich auch an die zuständige Datenschutzbehörde wenden. Diese hat die Befugnis, die Entfernung oder Neuausrichtung rechtswidriger Kameras anzuordnen. Ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen kann mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.
Was bedeutet die Verpixelung von Nachbargrundstücken rechtlich?
Die Verpixelung von Nachbargrundstücken stellt keine rechtlich zulässige Lösung dar, um eine Videoüberwachung zu legitimieren. Selbst wenn Aufnahmen des Nachbargrundstücks technisch verpixelt werden, liegt dennoch eine unzulässige Überwachung vor.
Gründe für die Unzulässigkeit
Der entscheidende Faktor ist die theoretische Möglichkeit zur Aufhebung der Verpixelung. Wenn die Verpixelung durch technische Maßnahmen oder Administrationsrechte aufgehoben werden könnte, reicht dies bereits aus, um einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu begründen.
Überwachungsdruck als rechtliches Problem
Ein wesentlicher Aspekt ist der sogenannte Überwachungsdruck. Dieser entsteht bereits dann, wenn Nachbarn objektiv den Eindruck haben müssen, in ihrem privaten Lebensbereich beobachtet zu werden. Da bei einer verpixelten Aufnahme für den Nachbarn nicht erkennbar ist, ob und in welchem Umfang eine Verpixelung tatsächlich stattfindet, besteht dieser Überwachungsdruck weiterhin.
Rechtliche Konsequenzen
Die Installation einer Kamera mit Erfassungsmöglichkeit des Nachbargrundstücks – auch bei Verpixelung – kann folgende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen:
- Ein Unterlassungsanspruch des Nachbarn gegen die Videoüberwachung
- Die behördliche Anordnung zur Entfernung oder Neuausrichtung der Kamera
- Bei Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro
Eine Ausnahme bildet nur der Fall, wenn die Verpixelung durch eine spezielle Software technisch so gesichert ist, dass sie vom Eigentümer nicht manipuliert werden kann und dies durch einen Sachverständigen bestätigt wurde.
Welche Beweise sind für einen erfolgreichen Unterlassungsanspruch nötig?
Bei einem Unterlassungsanspruch liegt die Beweislast grundsätzlich beim Kläger. Sie müssen konkret nachweisen können, dass eine Rechtsverletzung vorliegt oder unmittelbar droht.
Nachweis der Rechtsverletzung
Bei einer Videoüberwachung durch Nachbarn müssen Sie konkrete Beweise für die tatsächliche Überwachung Ihres Grundstücks vorlegen. Dazu gehören:
- Fotos oder Videos der Kameraposition
- Dokumentation der Ausrichtung der Kamera
- Zeugenaussagen
- Eidesstattliche Versicherungen
Besonderheiten der Beweisführung
Im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen gilt eine Beweislastumkehr: Der Rechtsverletzer muss die Wahrheit seiner persönlichkeitsrechtsverletzenden Aussage beweisen.
Wiederholungsgefahr
Die Wiederholungsgefahr muss nicht gesondert bewiesen werden. Ein einmaliger Verstoß genügt bereits als Nachweis, da normalerweise die Kenntnis und die Möglichkeiten zur Wiederholung vorhanden sind.
Dokumentation der Beweise
Die Beweise müssen so genau wie möglich dokumentiert werden. Bei einer Unterlassungsklage muss die Klageschrift enthalten:
- Detaillierte Beschreibung des widerrechtlichen Verhaltens
- Konkrete Beweise
- Namen etwaiger Zeugen
- Eidesstattliche Versicherungen der Zeugen
Bei Videoüberwachung durch Nachbarn reicht die theoretische Möglichkeit einer Überwachung nicht aus. Sie müssen nachweisen, dass die Kamera tatsächlich Ihr Grundstück erfasst oder in der Vergangenheit erfasst hat.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Persönlichkeitsrecht
Das Persönlichkeitsrecht schützt die persönliche Würde und Privatsphäre eines Menschen. Es umfasst unter anderem das Recht am eigenen Bild, den Schutz der Privat- und Intimsphäre sowie das Recht, nicht überwacht oder beobachtet zu werden. Das Recht ist verfassungsrechtlich durch Art. 1 und 2 Grundgesetz geschützt. Ein typischer Fall der Verletzung ist die unerlaubte Videoüberwachung des privaten Lebensbereichs. Bereits der psychische Druck durch eine mögliche Überwachung kann eine Verletzung darstellen.
Unterlassungsanspruch
Ein rechtliches Instrument, mit dem man von jemandem verlangen kann, eine bestimmte Handlung zu unterlassen oder zu beenden. Er ist in § 1004 BGB geregelt und setzt eine rechtswidrige Beeinträchtigung von Rechten voraus. Der Anspruch kann sowohl gegen bereits eingetretene als auch gegen drohende Rechtsverletzungen gerichtet sein. Im Fall von Videoüberwachung kann damit beispielsweise die Entfernung oder Neuausrichtung von Kameras gefordert werden.
Hausrecht
Das Recht des Eigentümers oder Besitzers, über die Nutzung seines Grundstücks oder seiner Räumlichkeiten zu bestimmen und andere von der Nutzung auszuschließen. Es basiert auf §§ 858, 859, 903 BGB und erlaubt auch Schutzmaßnahmen wie Videoüberwachung – allerdings nur im rechtlich zulässigen Rahmen. Das Hausrecht findet seine Grenzen dort, wo es die Rechte anderer, wie etwa deren Persönlichkeitsrechte, verletzt.
Rechtsschutzbedürfnis
Eine grundlegende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage. Es liegt vor, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Entscheidung hat und seine Rechte nicht auf einfachere Weise durchsetzen kann. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt zum Beispiel, wenn der angestrebte Zweck bereits durch andere Maßnahmen erreicht wurde. Bei Überwachungskameras entfällt es etwa für zukünftige Installationen, wenn das aktuelle Problem bereits gerichtlich gelöst wurde.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Kosten für anwaltliche Tätigkeiten, die vor einem Gerichtsverfahren entstehen, etwa für Abmahnungen oder außergerichtliche Verhandlungsversuche. Sie sind nach § 249 BGB als Schadensersatz erstattungsfähig, wenn sie zur Rechtsdurchsetzung notwendig und angemessen waren. Die Höhe richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Ein typisches Beispiel sind Anwaltskosten für ein Aufforderungsschreiben zur Beseitigung rechtswidriger Überwachungskameras.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch): Der Eigentümer oder rechtmäßige Mitbesitzer eines Grundstücks kann verlangen, dass Störungen, die von Dritten ausgehen, beseitigt oder unterlassen werden. Dies gilt auch analog, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.
Der Anspruch der Klägerin auf Entfernung oder Neuausrichtung der Kameras stützt sich hierauf, da die Kameras das Gefühl einer Überwachung vermitteln und die Klägerin in ihrer Privatsphäre beeinträchtigen, auch wenn keine tatsächlichen Aufnahmen nachgewiesen sind. - § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): Wer das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzt, ist verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Persönlichkeitsrechte sind dabei durch die Grundrechte auf Menschenwürde (Art. 1 GG) und freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) geschützt.
Im vorliegenden Fall wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin beeinträchtigt, da sie objektiv ernsthaft befürchten muss, von den Kameras erfasst zu werden, was einen Überwachungsdruck erzeugt. - Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts): Diese Grundrechte gewährleisten den Schutz der Privatsphäre und die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die bloße Möglichkeit, durch Überwachungskameras erfasst zu werden, kann bereits einen unzulässigen Eingriff in diese Grundrechte darstellen, wenn die Befürchtungen nachvollziehbar und objektiv begründet sind.
Da die Klägerin auf ihrem Grundstück befürchten muss, von den Kameras erfasst zu werden, liegt ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht vor, unabhängig davon, ob tatsächlich Aufnahmen vorliegen. - § 888 Abs. 2 ZPO (Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen): Für den Fall der Zuwiderhandlung kann ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verhängt werden. Die Möglichkeit, Verstöße gegen das Urteil durch mechanische oder digitale Veränderungen zu kontrollieren, ist gegeben.
Dies ermöglicht der Klägerin, die Einhaltung des Urteils durchzusetzen, da eine Abänderung der Kameraausrichtung nicht äußerlich wahrnehmbar ist und das Vertrauen in die Maßnahmen des Beklagten dadurch erschüttert ist. - BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 (Überwachungsdruck): Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch durch eine rein subjektive Befürchtung einer Überwachung verletzt sein kann, wenn diese objektiv nachvollziehbar ist.
Im vorliegenden Fall besteht ein eskalierter Nachbarschaftsstreit, der die Befürchtungen der Klägerin rechtfertigt, wodurch ein Überwachungsdruck entsteht. Dies macht den Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte besonders gravierend.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Bad Iburg – Az.: 4 C 366/21 (4) – Urteil vom 01.12.2021
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