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Überweisungsauftrag per Telefax mit gefälschter Unterschrift

OLG Frankfurt – Az.: 1 U 224/15 – Urteil vom 11.05.2017

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 29.10.2015 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 11.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.025,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Erstattung wegen eines von der Beklagten zu Lasten des Kontos der Kläger ausgeführten Überweisungsauftrags in Anspruch.

Die Kläger unterhielten bei der Beklagten ein sog. „A-Konto“. Aufgrund eines durch Telefaxschreiben übermittelten Überweisungsauftrags vom 14.04.2010 (Bl.18 d.A.) überwies die Beklagte einen Betrag in Höhe von 11.200,00 € an den im Auftragsschreiben bezeichneten Empfänger, den Neffen der Kläger. Mit Schreiben vom 14.04.2010 (Anlage B 4, Bl. 42 d.A.) wies die Beklagte unter Bezugnahme auf den ausgeführten Auftrag darauf hin, dass das Fälschungsrisiko bei Fax-Übermittlungen sehr groß sei und sie künftigen Fax-Aufträgen nur entsprechen würde, wenn die beigefügte Haftungsfreistellung (Anlage B 5, Bl. 46 d.A.) von den Klägern unterschrieben und an die Beklagte zurückgesandt worden sei.

Die Kläger haben behauptet, der Überweisungsauftrag sei nicht von ihnen unterzeichnet worden, ihre Unterschriften seien gefälscht worden. Das Schreiben der Beklagten vom 14.04.2010 sei ihnen nicht zugegangen. Die Erklärung über die Haftungsfreistellung sei nicht von ihnen unterzeichnet worden, auch diese Unterschriften seien gefälscht. Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass sie aufgrund der Haftungsfreistellungserklärung auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Überweisung von der Haftung befreit sei. Ferner seien die Kläger nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet gewesen, der Belastung unverzüglich zu widersprechen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstands der 1. Instanz im Übrigen sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass den Klägern gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 675 u BGB zustünde. Es könne dahinstehen, ob die Unterschriften der Kläger gefälscht seien, denn die Beklagte könne sich auch im Falle der Fälschung der Unterschriften auf den Haftungsausschluss nach § 676 c BGB berufen. Es handele sich bei der Fälschung der Unterschriften um ein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 676 c Nr. 1 BGB, worauf die Beklagte keinen Einfluss gehabt habe. Die Unterschriften auf dem Überweisungsauftrag wichen nicht so erheblich von den der Beklagten vorliegenden Originalunterschriften der Kläger ab, dass die Beklagte bei optischer Prüfung zwangsläufig hätte davon ausgehen müssen, dass Fälschungen vorliegen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit der Berufung und verfolgen ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Zur Begründung tragen sie vor, dass der Haftungsausschluss nach § 676 c Nr. 1 BGB hier nicht eingreife. Es liege kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis vor, weil der Beklagten im Zeitpunkt der Überweisung das hohe Fälschungsrisiko bei der Faxübermittlung ohne weitere Autorisierungsmerkmale bewusst gewesen sei, was sich aus ihrem Schreiben vom 14.04.2010 ergebe. Hinzu komme, dass es dem Kunden nahezu unmöglich sei, nur aufgrund eines Fax-Dokuments mit Hilfe eines graphologischen Sachverständigengutachtens die Unechtheit der Unterschriften nachzuweisen.

Die Kläger beantragen:

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 29.10.2015 wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger 11.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.025,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 28.12.2015 (Bl. 85 ff. d.A.) und die Berufungserwiderung vom 15.03.2015 (Bl. 112 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Überweisungsauftrag per Telefax mit gefälschter Unterschrift
(Symbolfoto: Von Claudio Divizia/Shutterstock.com)

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.200,00 € aus § 675 u Satz 2 BGB.

Zwar ist der Anspruch aus § 675 u Satz 2 BGB bei der Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet. Der Zahler hat jedoch dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist (Nobbe, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013, § 675 u BGB Rn. 44; LG Darmstadt, Urteil vom 28.08.2014, 28 O 36/14, juris Rn. 26; Palandt/Sprau, 76.A., § 675 u Rn. 4) oder das Konto auch ohne Rückbuchung einen Habensaldo aufweist oder eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht (MüKoBGB/Casper BGB § 675 u Rn. 14 m.w.N.; Palandt/Sprau, a.a.O.). Nachdem die Beklagte dem Zahlungsantrag der Kläger hier nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Auszahlungsanspruchs der Kläger gegeben sind.

Der Beklagten stand gegen die Kläger kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§ 675 c Abs. 1, 670, 675 u Satz 1 BGB zu, weil davon auszugehen ist, dass ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorlag. Im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs schuldet der Zahlungsdienstleister, weil er die Belastung des Kontos zu Unrecht vorgenommen hat, gemäß § 675 u Satz 2 BGB die unverzügliche Erstattung des Zahlungsbetrages. Gemäß § 675 j BGB ist ein Zahlungsvorgang gegenüber dem Zahler nur wirksam, wenn er diesem zugestimmt hat (§ 675 Abs. 1 j BGB). Von einer Zustimmung der Kläger durch Einwilligung in Form der Erteilung des Zahlungsauftrags kann hier nicht ausgegangen werden. Die Kläger haben die Erteilung des Zahlungsauftrags bestritten. Zwar hat die Beklagte eine Ablichtung des Faxschreibens vom 14.04.2010 (Anlage B 1) vorgelegt. Das Faxschreiben beweist jedoch nicht die Abgabe der unterzeichneten Erklärung (vgl. §§ 440, 416 ZPO), denn bei diesem handelt es sich nicht um eine Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO, sondern nur um eine Abschrift derselben (vgl. Zoller NJW 1993, 429; BeckOK ZPO/Krafka ZPO § 415 Rn. 4). Auch die Voraussetzungen des § 427 Satz 1 ZPO, wonach die Abschrift einer Urkunde unter den dort genannten Voraussetzungen von dem Gericht als richtig angesehen werden kann, liegen hier nicht vor. Darüber hinaus haben die Kläger hier jedoch auch die Echtheit der Unterschriften bestritten und die Beklagte hat den Beweis der Echtheit nicht geführt. Dies geht zu ihren Lasten. Die Beklagte trägt auch im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 675 u Satz 2 BGB die Beweislast für die Autorisierung der Zahlung (vgl. Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 49, RdNr. 31, BeckOK BGB/Schmalenbach BGB § 675 w Rn. 4; Palandt/Sprau, 76.A., § 675 w Rn. 5). Weil die Beklagte für die Autorisierung der Zahlung beweispflichtig ist, trägt sie auch die Beweislast für die Echtheit der Unterschriften (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.1995, VIII ZR 191/93, juris Rn. 24).

Zugunsten der Beklagten greift entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht der Haftungsausschluss nach § 676 c Nr. 1 BGB. Die Fälschung des Auftrags stellte für die Beklagte kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis dar, denn sie war sich des Fälschungsrisikos bei Aufträgen mittels Telefaxschreibens bewusst, wie sich aus ihrem Schreiben vom 14.04.2010 ergibt. Zudem ist der Erstattungsanspruch bei nicht autorisierter Zahlung verschuldensunabhängig ausgestaltet, so dass es auf eine Erkennbarkeit der Fälschung nicht ankommt (Mayen, a.a.O. RdNr. 29; BGH, Urteil vom 17.07.2001, XI ZR 325/00, juris Rn. 20). Es verbietet sich daher, über die Regelung des § 676 c Nr. 1 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zu unterlaufen.

Auch ein Verzicht der Kläger oder eine Haftungsfreistellung der Beklagten hinsichtlich des streitgegenständlichen Anspruchs liegt nicht vor. Die Verzichtserklärung (Anlage B 5) erfasst, wie sich aus dem Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom 14.04.2010 ergibt, nur künftige Fax-Aufträge der Kläger. Zudem sind §§ 675 u, 675 j BGB zwingendes Recht (vgl. § 675 e Abs. 1 BGB), so dass eine Haftungsfreistellung nicht wirksam vereinbart werden kann.

Schließlich ist auch die Verletzung von Sorgfaltspflichten durch die Kläger, die ihrem Anspruch entgegengehalten werden könnte (vgl. Mayer, a.a.O., RdNr. 93), nicht erwiesen. Zwar hat der Zahlungsdienstnutzer nach Feststellung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs den Zahlungsdienstleister unverzüglich davon zu unterrichten (vgl. § 676 b Abs. 1 BGB und 10 (4) der AGB). Eine Pflichtverletzung der Kläger steht jedoch nicht fest, weil sie den Zugang eines Kontoauszugs und des Schreibens vom 14.04.2010 bestritten haben. Zudem führt die Pflichtverletzung nicht zum Untergang von Erstattungsansprüchen, sondern begründet nur ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB), für das die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Hier hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt, dass bei unverzüglicher Unterrichtung die Zahlung noch hätte korrigiert werden können, so dass der Einwand des Mitverschuldens nicht schlüssig ist.

Der Anspruch auf Zinsen folgt in der beantragten Höhe aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB und der Zinsen hieraus aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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