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Überzahlung Arbeitnehmer – Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs 3 BGB

BAG, Az.: 6 AZR 517/83, Urteil vom 18.09.1986

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von überzahlten Sozialzuschlägen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn kraft Tarifbindung Anwendung. Der Bruttomonatslohn des Klägers belief sich im Dezember 1981 auf 2.660,39 DM = 1.628,67 DM netto incl. eines Sozialzuschlags von 102,58 DM nach § 13 des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV). In der seit dem 1. Januar 1976 gültigen Fassung war in § 13 Abs. 1 LTV bestimmt:

„Neben dem Lohn und dem Urlaubslohn erhält der Arbeiter als Sozialzuschlag den Betrag, den er bei Vorliegen der gleichen persönlichen Verhältnisse als Angestellter nach § 16 AnTV als kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlags der Tarifklasse II erhalten würde.

Ausführungsbestimmung

Der Sozialzuschlag ist kein Bestandteil des Monatslohns. Er wird neben dem Monatslohn gewährt und scheidet daher bei der Berechnung von Zuschlägen und Zulagen … aus.“

Weiter heißt es im Lohntarifvertrag:

§ 26 Abs. 4 Ziff. 2

Änderungen des Lohns, die bis zur Berechnung der Lohnzahlung voraussehbar sind, werden bei der Lohnzahlung für den laufenden Monat in ungefährer Höhe berücksichtigt. Dazu gehören insbesondere

c) Änderung des Sozialzuschlags

§ 26 Abs. 14

Die Rückforderung zuviel gezahlter Löhne regelt sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, daß

der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.

§ 34 Abs. 1 Satz 1

Abweichungen von den Bestimungen dieses Tarifvertrages zum Nachteil der Arbeiter sind unzulässig.

Zu § 26 Abs. 14 LTV erließ die Beklagte am 11. September 1961 Richtlinien, in denen es u.a. heißt:

I. Bezüge im Sinne dieser Verfügung sind alle den Arbeitnehmern mit Bezug auf das Arbeitsverhältnis geleisteten Zahlungen ohne Rücksicht darauf, ob diese Zahlungen auf gesetzlichen oder tariflichen Ansprüchen beruhen oder ob sie aufgrund von Ermessensentscheidungen gewährt wurden.

II. Rückforderung

1. Zuviel gezahlte Bezüge sind zurückzufordern, soweit der Empfänger nicht mit Erfolg den Wegfall der Bereicherung geltend macht (§ 818 Abs. 3 BGB). Auf die Möglichkeit, den Wegfall der Bereicherung geltend zu machen, ist der Betroffene – außer in den Fällen der Ziff. 4, in denen eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausscheidet -, stets hinzuweisen.

2. Der Wegfall der Bereicherung ist anzunehmen, wenn der Empfänger die zuviel gezahlten Bezüge im Rahmen seiner Lebensführung verbraucht hat, was nach der Rechtsprechung im Zweifel zu vermuten ist.

Der Wegfall der Bereicherung kann ohne nähere Prüfung unterstellt werden, wenn die zuviel gezahlten Bezüge

b) bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen (z.B. Löhnen, Angestelltenvergütungen, Beschäftigungsvergütung, Bezügen aus § 2 der Anl. 4 zum LTV aufgrund einer Abordnung, Trennungsentschädigung) 10 v.H. der für den Zeitraum der Überzahlung zustehenden Gesamtbezüge derjenigen Art, bei der die Überzahlung eingetreten ist (z.B. Lohn, Trennungsentschädigung, Beschäftigungsvergütung), nicht übersteigen…

3. …

4. Der Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlter Bezüge bleibt selbst bei Wegfall der Bereicherung, und zwar auch in den Fällen, in denen dieser nach Ziff. 2 unterstellt werden kann, bestehen, wenn

a) die Bezüge als Abschlagszahlung oder unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung gewährt wurden…

b) Der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung beim Empfang der Bezüge kannte oder später erfuhr (§ 819 Abs. 1 BGB) oder wenn er den ohne Rechtsgrund erlangten Betrag erst ausgegeben hat, nachdem der Anspruch auf Rückzahlung rechtshängig geworden war (§ 818 Abs. 4 BGB),

c) der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung so offensichtlich war, daß der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (§ 26 Abs. 4 LTV; § 20 Abs. 5 AnTV)….

Der Kläger ist seit dem 14. Mai 1971 geschieden. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Auch nach der Scheidung erhielt der Kläger den Sozialzuschlag nach § 13 LTV. Anfang 1979 teilte ihm seine in H lebende Mutter mit, seine geschiedene Ehefrau sei in einem dortigen Lebensmittelgeschäft D tätig. Seit dem 17. April 1979 arbeitete die geschiedene Ehefrau des Klägers bei der Gemeinde H. In einer schriftlichen Erklärung u.a. zum Sozialzuschlag vom 3. Mai 1979 gab der Kläger noch die Tätigkeit seiner Ehefrau im Lebensmittelgeschäft an. Am Schluß der Erklärung unterzeichnete er eine vorgedruckte Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben. Ferner heißt es darin:

„Mir ist bekannt, daß ich verpflichtet bin, jede in den vorstehend dargelegten Verhältnissen eintretende Änderung unverzüglich der für die Zahlung meiner Bezüge zuständigen Stelle anzuzeigen und zu belegen, und daß ich alle Bezüge, die ich infolge unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Meldung zuviel erhalten habe, zurückzahlen muß.“

Der Kläger erfuhr am 24. Juni 1981 im Rahmen eines von seiner geschiedenen Ehefrau angestrengten Unterhaltsprozesses von deren Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Er teilte dies der Beklagten Ende 1981 mit, die die Auszahlung der Sozialzuschläge an den Kläger daraufhin einstellte und mit Verfügung vom 10. Februar 1982 eine Überzahlung von Sozialzuschlägen in unstreitiger Höhe von 4.926,04 DM mitteilte. Einen Antrag des Klägers auf Niederschlagung des überzahlten Betrages lehnte sie ab. Die Beklagte erhob – nach einer später zurückgenommenen Klage auf Niederschlagung des überzahlten Betrages – Widerklage auf Rückzahlung des überzahlten Sozialzuschlags. Nach einem Teilvergleich hat sie zuletzt beantragt, den Kläger zu verurteilen, an sie 4.424,51 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Februar 1982 zu zahlen.

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt und sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Klägers entsprochen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihr erstinstanzliches Ziel, während der Kläger Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Überzahlung Arbeitnehmer - Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs 3 BGB
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I. Das Landesarbeitsgericht hat unter Hinweis auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe angenommen, der Sozialzuschlag sei Lohn im Sinne des § 26 Abs. 14 LTV. Deshalb seien aufgrund der dort enthaltenen Tatbestandsverweisung auf das Bereicherungsrecht die §§ 812 ff. BGB anwendbar. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB seien erfüllt, das Rückzahlungsverlangen gemäß § 818 Abs. 3 BGB aber gleichwohl nicht gerechtfertigt, weil der Kläger nicht mehr bereichert sei. Aufgrund der verwaltungsinternen Ausführungsbestimmungen, die die Beklagte zu § 26 Abs. 14 LTV erlassen habe, sei der Wegfall der Bereicherung ohne nähere Prüfung zu unterstellen, da der Sozialzuschlag weniger als 10 % der laufenden Einkünfte des Klägers betragen habe. Auf die einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklausel in der Erklärung vom 3. Mai 1979 könne sich die Beklagte nicht berufen. Darin habe der Kläger sich zwar verpflichtet, Bezüge zurückzuzahlen, die er infolge fehlerhafter Meldung zuviel erhalten habe. Da sich der Rückzahlungsanspruch dem Grunde nach bereits aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ergebe, müsse die Klausel deshalb dahin ausgelegt werden, daß mit ihr der Einwand des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB habe ausgeschlossen werden sollen. Diese einzelvertragliche Abmachung verstoße jedoch gegen den Tarifvertrag und sei deshalb unbeachtlich. Der Tarifvertrag enthalte in § 26 Abs. 14 LTV eine abschließende Regelung über die Rückforderung zuviel gezahlter Löhne. Das verdeutlichten die von der Beklagten erlassenen Verwaltungsrichtlinien, die sämtliche denkbaren Fälle berücksichtigten. Nach diesen Verwaltungsrichtlinien seien die Voraussetzungen für eine Rückforderung über den im Teilvergleich geregelten Betrag hinaus nicht gegeben. Die überzahlten Sozialzuschläge seien auch nicht als uneingeschränkt rückforderbare Vorbehaltszahlungen anzusehen. Ein Vorbehalt hätte bei der jeweiligen Zahlung ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Die Voraussetzungen für eine verschärfte Bereicherungshaftung seien nicht gegeben, weil dem Kläger seine Unkenntnis über die Beschäftigung seiner geschiedenen Ehefrau im öffentlichen Dienst nicht vorgeworfen werden könne. Eine Erkundigungspflicht habe mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für einen Stellenwechsel der geschiedenen Ehefrau nicht bestanden. Der Kläger habe sich auf die ihm von dritter Seite zugekommenen Informationen verlassen dürfen.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung stand.

1. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten bestimmt sich nach § 26 Abs. 14 LTV für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn, gültig vom 1. November 1960, Rechtsstand 1. Januar 1975. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich beim Sozialzuschlag um Lohn im Sinn dieser Vorschrift. Zwar erhalten die Arbeiter nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LTV in der seit dem 1. Januar 1976 gültigen Fassung und der dazugehörigen Ausführungsbestimmung n e b e n dem Lohn und Urlaubslohn Sozialzuschlag. Der Wortlaut dieser Bestimmungen spricht somit für die Auffassung der Beklagten. Bei der Tarifauslegung ist aber über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, soweit das im Tarif seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 5. November 1980 – 5 AZR 481/78 – AP Nr. 126 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 3. Dezember 1985 – 4 AZR 325/84 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 402). Die Regelung über die Rückforderung von Löhnen steht innerhalb einer Norm im Zusammenhang mit der Auszahlung von Löhnen. Dort ist der Sozialzuschlag Inhalt des monatlichen Lohnzahlungsbetrages. Seine Änderung (§ 26 Abs. 4 Nr. 2 c LTV) beeinflußt den nach § 26 Abs. 4 Nr. 1 LTV in Verb. mit § 26 Abs. 3 Nr. 1 LTV am 6. eines jeden Monats zu leistenden Lohnzahlungsbetrag. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit der Auszahlung in § 26 LTV einen weitergehenden Lohnbegriff zugrunde gelegt haben als in § 13 LTV. Von diesem weiteren Begriff muß ausgegangen werden, wenn es um die in derselben Norm geregelte Rückzahlung geht. Denn es ist nicht anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien Auszahlung und Rückzahlung von Vergütungsbestandteilen unterschiedlich haben regeln wollen. Die Rückforderung bestimmt sich somit nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.

2. Die Beklagte hatte gegen den Kläger einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB. Denn der Kläger hat von der Beklagten eine Leistung im Sinne des Bereicherungsrechts erhalten, als er von April 1979 bis November 1981 Sozialzuschlag bekam. Diese Leistung erfolgte auch ohne Rechtsgrund. Nach § 40 Abs. 6 BBesG in der Fassung des Achten Änderungsgesetzes zum BBesG vom 26. Juni 1978 (BGBl. I S. 869) ist eine Doppelleistung der kinderbezogenen Teile des Ortszuschlags für ein und dasselbe Kind an zwei im öffentlichen Dienst Beschäftigte ausgeschlossen. Der kinderbezogene Teil des Ortszuschlags wird nur einem Berechtigten voll zugewiesen, und zwar demjenigen, der das Kindergeld erhält. Nach den §§ 13 Abs. 1 LTV, 16 AnTV gilt das ebenso für den Sozialzuschlag. Somit war ab April 1979 die geschiedene Ehefrau des Klägers Berechtigte. Der Kläger hatte keinen Anspruch mehr und war deshalb um den der Höhe nach nicht streitigen Betrag von 4.424,51 DM rechtsgrundlos bereichert.

3. Die Verpflichtung des Klägers zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten ist jedoch ausgeschlossen, weil er nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB).

a) Die Vorinstanzen haben aus der vom Kläger unterzeichneten Erklärung vom 3. Mai 1979 gefolgert, die Parteien hätten damit den Einwand des Wegfalls der Bereicherung ausschließen wollen. Diese Auslegung einer privatrechtlichen Willenserklärung, die angesichts der Verwendung eines von der Beklagten ständig und bundesweit benutzten Formulars uneingeschränkt revisibel ist (BAG Urteil vom 18. Oktober 1972 – 4 AZR 482/71 – AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., §§ 133, 157 Rz 58; MünchKomm-Mayer-Maly, BGB, 2. Aufl., § 133 Rz 58), hält einer Überprüfung nicht stand. Soweit sich die Vorinstanzen auf eine Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 1964 berufen (BAG 15, 270 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Lohnrückzahlung), haben sie den Unterschied zum Sachverhalt des Streitstands nicht beachtet. In der angezogenen Entscheidung haben die Parteien in einem Arbeitsvertrag eine anspruchsbegründende Vereinbarung getroffen, die zugleich den Ausschluß des Einwands nach § 818 Abs. 3 BGB enthalten mußte, sollte sie nicht weitgehend überflüssig und zwecklos sein (BAG 15, 270, 273). Im Streitfall ist jedoch nur eine einseitige Erklärung des Klägers abgegeben worden, die keine selbständige vertragliche Anspruchsgrundlage enthält, sondern nur eine deklaratorische Wiedergabe zur ohnehin bestehenden Rechtslage nach gesetzlichem Bereicherungsrecht und den dazu ergangenen Richtlinien der Beklagten. Es handelt sich also um eine Wissenserklärung, wie insbesondere die Eingangsformulierung „mir ist bekannt“ verdeutlicht. Bei dieser Formulierung kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger wolle auf den ihm günstigen Entreicherungseinwand verzichten.

b) Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob eine Erklärung des Klägers mit dem Inhalt, wie ihn die Beklagte versteht, wegen Verstoßes gegen die abschließende Regel des § 26 LTV oder des § 34 Abs. 1 Satz 1 LTV und § 4 TVG unwirksam wäre. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn § 818 Abs. 3 BGB durch die Verweisung in § 26 LTV eine Tarifnorm geworden wäre (vgl. BAG Beschluß vom 16. Januar 1980 – 4 AZN 87/79 – AP Nr. 3 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG 35, 185, 189 = AP Nr. 17 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG 40, 102, 105 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung).

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4. Die Bereicherung des Klägers ist allerdings zwischenzeitlich weggefallen. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers belief sich der Sozialzuschlag auf weniger als 5 % seines Bruttomonatslohns. Angesichts dessen und der Bestimmung II 2 b in den Richtlinien der Beklagten vom 11. September 1961 zu § 26 Abs. 14 LTV ist auch ohne nähere Darlegung des Klägers zu seiner Entreicherung vom Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB auszugehen.

a) § 818 Abs. 3 BGB ermöglicht dem gutgläubigen Bereicherungsschuldner den nach einer der Anspruchsnormen des Bereicherungsrechts entstandenen Anspruch dadurch abzuwenden, indem er sich darauf beruft, nicht mehr bereichert zu sein. In diesem Fall entfällt der Kondiktionsanspruch. Allerdings ist vom Fortbestehen einer Bereicherung auszugehen, wenn der Bereicherungsschuldner mit der Ausgabe des Erlangten anderweitige Aufwendungen erspart (MünchKomm-Lieb, aaO, § 818 Rz 70 ff.; Staudinger/Lorenz, aaO, § 818 Rz 34 f., jeweils m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum). Diese Grundsätze gelten auch bei der Rückzahlung überzahlten Lohn und Gehalts (BAG 9, 137 = AP Nr. 5 zu § 394 BGB; BAG 15, 270 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Lohnrückzahlung; BAG Urteil vom 11. November 1960 – 4 AZR 361/58 – AP Nr. 1 zu § 819 BGB; BAG Urteil vom 25. August 1977 – 3 AZR 705/77 – AP Nr. 1 zu § 54 BMT-G II; BAG Urteil vom 17. Juli 1985 – 5 AZR 131/84 – nicht veröffentlicht). Will sich der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Lohn- oder Gehaltsbezüge auf Entreicherung berufen, muß er im einzelnen Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, daß die Bereicherung weggefallen ist und keine notwendigerweise angefallenen Ausgaben erspart worden sind (BAG Urteil vom 25. August 1977 – 3 AZR 705/77 – aaO und BAG Urteil vom 17. Juli 1985 – 5 AZR 131/84 -). Dabei können dem Bereicherungsschuldner allerdings Erleichterungen zur Erfüllung seiner Darlegungslast zugute kommen.

b) Das Bundesverwaltungsgericht verlangt bei der Überzahlung von Beamten unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts die konkrete Darlegung über den ersatzlosen Wegfall des Erlangten nicht mehr (BVerwG Urteil vom 10. Oktober 1961 – VI C 25/60 – NJW 1962, 266, 267; BVerwG Urteil vom 30. August 1962 – II C 90/60 – NJW 1962, 2317, 2318). Dazu hat es ausgeführt, nach dem besonderen Zweck und Wesen des Beamtengehalts als einer Unterhaltsrente müsse die Verwendung einer Überzahlung für eine bessere Lebenshaltung des Beamten und seiner Familie als Wegfall der Bereicherung angesehen werden. Beamte und Versorgungsempfänger benützten ihre Bezüge regelmäßig zur Bestreitung des standesgemäßen Unterhalts für sich und ihre Familie. Ein Wegfall der Bereicherung sei daher auch dann anzunehmen, wenn der Beamte die zuviel gezahlten Bezüge zur Verbesserung seiner allgemeinen Lebenshaltung verwendet habe, ohne daß von reinen Luxusausgaben die Rede sein könne. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung richte sich die Lebenshaltung der Beamten regelmäßig – von den Ausnahmefällen eigenen Vermögens abgesehen – nach dem ihnen zur Verfügung stehenden Gehalt und infolgedessen stiegen mit der Erhöhung des Gehalts auch die Ausgaben. Das gelte insbesondere für die Beamten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen. Es habe daher auch einen wohlüberlegten Sinn, wenn von der Verwaltungspraxis in einigen Ländern bei geringfügigen Überzahlungen, die nicht mehr als 10 % der an sich zustehenden Bezüge betrügen, ein offenbarer Wegfall der Bereicherung unterstellt werde. Das gelte sogar bei der Tilgung von Schulden mittels der überzahlten Beträge (BVerwG Urteil vom 30. August 1962, aaO). In ähnlicher Weise hat der Bundesgerichtshof im Falle eines Beamten entschieden, der von den Überzahlungen Anschaffungen getätigt hatte (BGH Urteil vom 20. Oktober 1958 – III ZR 101/57 – MDR 1959, 109, 110). Um den nach § 818 Abs. 2 BGB geschuldeten Wertersatz zu erbringen, müßte der Beamte entweder auf seine anderen Gehaltsbezüge zurückgreifen und sie auf diese Weise praktisch zu Ausgaben verwenden, die er sonst nicht gehabt hätte, oder er müßte versuchen, sich etwa mittels Veräußerung einzelner der angeschafften Gegenstände, die erfahrungsgemäß nur zu weit herabgesetzten Preisen möglich sein werde, wenigstens einen Teil der zum Wertersatz benötigten Mittel zu verschaffen. Vor derartigen Verlustgeschäften wolle nach Auffassung des Bundesgerichtshofs § 818 Abs. 3 BGB den Bereicherungsschuldner aber bewahren.

c) Eine verbreitete, gefestigte Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen zu den Fällen geringfügiger Überzahlung von Lohn oder Gehalt gibt es bisher nicht. Die Landesarbeitsgerichte Hamm (Urteil vom 27. März 1974 – 3 Sa 51/74 – BB 1975, 230) und Baden-Württemberg (Urteil vom 3. April 1973 – 7 Sa 2/73 – AR-Blattei „Ungerechtfertigte Bereicherung“: Entsch. 9) haben die Rechtsprechung zum Beamtenrecht auf das Arbeitsverhältnis übertragen. Das Arbeitsentgelt stelle in der Regel wie Dienstbezüge die Grundlage für die Lebenshaltung und den Lebensstandard des Arbeitnehmers dar. Allein aus der Tatsache, daß das Arbeitsentgelt in der Regel das einzige Einkommen des Empfängers darstelle, sei zu folgern, daß sich der Lebensstandard des Empfängers und seiner Familie nach der Höhe seiner Einkünfte bestimme. Schwankungen in der Höhe der Einkünfte führten daher regelmäßig auch zu Schwankungen im Lebensstandard und in der Lebensweise, und zwar derart, daß der Empfänger höhere Bezüge zu einer besseren Lebenshaltung verwende. Das ist auch teilweise die Auffassung des Schrifttums (MünchKomm-Lieb, aaO, § 818 Rz 83; Söllner, AR-Blattei „Ungerechtfertigte Bereicherung“ unter A IV 2 und B I 2 e). Demgegenüber finden sich derartige Überlegungen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Noch in der nicht veröffentlichten Entscheidung des Fünften Senats vom 17. Juli 1985 – 5 AZR 131/84 – wird der Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht akzeptiert, weil die dortige Klägerin lediglich vorgetragen habe, den überzahlten Ortszuschlagsbetrag für den täglichen Lebensunterhalt mitverbraucht zu haben.

d) Nach Auffassung des erkennenden Senats kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die uneingeschränkte Übernahme der von den Verwaltungsgerichten entwickelten Grundsätze zur Entreicherung eines überzahlten Beamten auf das privatrechtliche Arbeitsverhältnis möglich und geboten ist, wie sie von Teilen des Schrifttums gefordert und von den Instanzgerichten praktiziert wird. Der erkennende Senat geht jedenfalls auch ohne konkrete Darlegung eines Arbeitnehmers über die Ausgabe der zu Unrecht erhaltenen Lohnteile von seiner Entreicherung aus, wenn die monatliche Überzahlung geringfügig war, der betroffene Arbeitnehmer den unteren und mittleren Einkommensgruppen zuzurechnen ist und der Arbeitgeber durch von ihm gesetzte Richtlinien zu erkennen gegeben hat, er unterstelle bei diesen Umständen den Wegfall der Bereicherung.

Dem Arbeitgeber insbesondere des öffentlichen Dienstes, der angesichts der gefestigten Rechtsprechung zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch die Erleichterung zur Darlegungslast auch im Bereicherungsrecht des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses akzeptiert, das in Form von Richtlinien festhält und jahrelang praktiziert, ist es verwehrt, sich im Einzelfall ohne nähere Begründung auf die volle Darlegungslast des privatrechtlichen Bereicherungsschuldners zu berufen. Zwar sind die Richtlinien dem öffentlichen Recht angehörende Weisungen einer vorgesetzten Behörde gegenüber nachgeordneten Behörden bzw. mit ihrem Vollzug beauftragen Bediensteten ohne normativen Charakter. Als einseitige Verwaltungsordnung kommt ihnen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine unmittelbare zivil- und arbeitsrechtliche Bedeutung zu (BAG 23, 83 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 31. Januar 1973 und vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 258/72 – und – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 4 und 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 – AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Sie können deshalb nur mittelbar durch einzelvertragliche Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis Bedeutung gewinnen, ggfls. auch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bindungswirkung einer betrieblichen Übung. Im Sinne einer Selbstbindung wirken die Richtlinien der Beklagten im Streitfall. Sie ist an die von ihr dargestellte und praktizierte Entlastung ihrer Arbeitnehmer im Bereich der Darlegung zum Tatbestandsmerkmal der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB so lange gebunden, als sie nicht konkrete Umstände dafür darlegen kann, nach denen die Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil z.B. von Geringfügigkeit nicht gesprochen werden kann oder die überzahlten Beträge nicht nur zu einer Anpassung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie geführt haben oder der Arbeitnehmer vermögend ist (so auch BVerwG, aaO). Derartige Umstände hat das Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch sind sie von den Parteien vorgetragen. Vielmehr ist vorliegend von Geringfügigkeit der monatlichen Überzahlung im Vergleich zur gesamten Bruttomonatssumme ebenso wie von der Zugehörigkeit des Klägers zur unteren bzw. mittleren Einkommensgruppe auszugehen.

5. Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Ausschluß des Entreicherungseinwands berufen, weil der Kläger keiner verschärften Haftung unterliegt.

a) Die Voraussetzungen der §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB sind nicht gegeben. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, der Kläger habe für den zuletzt streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der rechtsgrundlosen Zahlung des Sozialzuschlags gehabt. Die Revision hat insoweit keine Rügen erhoben.

b) Auch die weitergehenden Voraussetzungen für eine verschärfte Haftung nach § 26 Abs. 14 Satz 2 LTV, der mit § 87 Abs. 2 Satz 2 BBG und § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG wortgleich ist, sind nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. Februar 1985 – 2 C 21.84 – Archiv PF 1985, 383, 384 m.w.N.) ist ein Mangel des rechtlichen Grundes offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen hat. Davon sind die Vorinstanzen zu Recht nicht ausgegangen, nachdem sie von der Revision ungerügt und für den Senat daher bindend festgestellt haben, daß der Kläger von seiner Mutter die Information bekommen hatte, seine geschiedene Ehefrau arbeite in einem Lebensmittelgeschäft. Eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt „in hohem Maße“ liegt zu diesem Zeitpunkt nicht vor, wenn sich der Kläger auf die Information verläßt und keine weiteren Auskünfte über eine Tätigkeit seiner geschiedenen Ehefrau einholt. Die Beklagte hat weder vorgetragen noch hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, der Kläger habe in der Folgezeit vor Beginn des Unterhaltsprozesses von irgendeiner Seite Umstände erfahren, die den Schluß zuließen, der Kläger habe nunmehr in hohem Maße die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, indem er sich nicht erneut und wiederholt nach einer Tätigkeit seiner ehemaligen Ehefrau erkundigt hat.

c) Der Kläger unterliegt auch nicht der verschärften Haftung der §§ 820 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB. Die unmittelbare Anwendung des § 820 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil weder ein Kondiktionsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB (§ 820 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB) geltend gemacht wird, sondern ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB. Ob eine analoge Anwendung des § 820 Abs. 1 BGB auch in Betracht kommt, wenn Leistungen unter Vorbehalt erbracht worden sind (BVerwG Urteil vom 28. Februar 1985, aaO; MünchKomm-Lieb, aaO, § 820 Rz 1; Staudinger/Lorenz, aaO, § 820 Rz 5) kann dahingestellt bleiben. Denn in der Erklärung des Klägers vom 3. Mai 1979 liegt keine – auch nicht mittelbare – Erklärung der Beklagten über einen gewillkürten Vorbehalt. Darin liegt auch keine Vereinbarung der Parteien, wonach die monatlichen Lohnbezüge lediglich eine vorläufige Leistung seien und unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Fall der Änderung anspruchsbegründender Voraussetzungen stehen. Solches ergibt sich auch nicht aus dem Tarifvertrag.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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