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Überzahlung – Aufrechnung eines überzahlten Bruttobetrages

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 9 Sa 599/09

Urteil vom 26.02.2010


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 25.08.2009, Az.: 5 Ca 1340/07 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.823,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.03.2007 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Beklagte zur Zahlung weiterer Arbeitsvergütung an den Kläger gemäß Lohnabrechnung für den Monat Februar 2007 nebst Verzugszinsen verpflichtet ist.

Zur Darstellung des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen sowie des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 25.08.2009, Az.: 5 Ca 1340/07 (Bl. 140 ff. d. A.).

Nachdem der Kläger erstinstanzlich beantragt hat,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.823,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab 01.03.2007 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 133,45 EUR netto zu zahlen,

hat das Arbeitsgericht mit dem genannten Urteil unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 133,45 € netto zu zahlen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger – soweit die Klage abgewiesen wurde – sein erstinstanzliches Begehren weiter. Soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat es – zusammengefasst – zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Soweit die Beklagte in der Abrechnung für den Monat Februar 2007 einen Betrag in Höhe von 1.823,20 € brutto abgezogen hatte, sei dies zu Recht erfolgt. Der Beklagten stehe wegen einer Überzahlung im Monat Januar 2007 ein entsprechender Anspruch auf Rückerstattung in Höhe von jedenfalls 1.832,20 € brutto zu, mit welchem sie wirksam gegen den Zahlungsanspruch des Klägers in gleicher Höhe aufgerechnet habe. Der Rückforderungsanspruch ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit der Abrechnung des Monat Januar 2007 irrtümlich bei Berechnung der Urlaubsvergütung von einem Stundenlohn 37,54 €, statt zutreffend in Höhe von 11,87 € pro Stunde ausgegangen sei. Mit dem sich deshalb ergebenden Rückforderungsbetrag habe die Beklagte auch rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen tariflichen Ausschlussfrist nach § 14 des Rahmentarifvertrages für die Beton- und Bimsindustrie in Rheinland-Pfalz aufgerechnet. Die Aufrechnungserklärung läge im Abzug des entsprechenden Bruttobetrages mit Abrechnung des Monats Februar 2007. In dieser sei die zur Aufrechnung gestellte Forderung auch hinreichend konkret bezeichnet.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 04.09.2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 02.10.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.11.2009, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Mit dem genannten Schriftsatz, (Bl. 178 ff. d. A.), sowie mit Schriftsatz vom 03.12.2009, auf die jeweils Bezug genommen wird (Bl. 178 ff., 195 ff. d. A.), macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

In der Abrechnung des Monats Februar 2007 sei die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Es fehle daher an einer wirksamen Aufrechnung. Im Übrigen scheitere eine Aufrechnung mit Ausnahme eines Teilbetrages in Höhe von 262,– € auch an dem Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB i. V. m. § 850 c ZPO. Es bestehe eine Unterhaltspflicht für seine Ehefrau und ein Kind.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 25.08.2009, Az.: 5 Ca 1340/07 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.823,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.03.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 23.11.2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 190 ff. d. A.), als zutreffend. Der Aufrechnungswille sei in der Abrechnung des Monats Februar 2007 klar erkennbar gewesen. Die Gegenforderung sowie auch die Forderung seien hinreichend bestimmt. Hierzu sei nicht erforderlich, dass bereits bei Erklärung der Aufrechnung die Berechnung der zur Aufrechnung gestellten Forderung konkret dargelegt werde. Pfändungsfreigrenzen seien nicht unterschritten worden. Es sei zu bestreiten, dass der Kläger einer Ehefrau und einem Kind unterhaltspflichtig sei.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet.

II.

1. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung des mit der Abrechnung des Monats Januar 2007 dem Kläger zugewendeten, diesem aber nicht zustehenden Bruttobetrags mit den zu Gunsten des Klägers errechneten Bruttobezügen gemäß Abrechnung des Monats Februar 2007 war ungeachtet der zwischen den Parteien im Verfahren kontrovers diskutierten Frage, ob eine hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung vorlag, nicht möglich, weil eine Aufrechnung eines überzahlten Bruttobetrages gegen anderweitige Bruttovergütungsansprüche des Arbeitnehmers nicht möglich ist. Die Berufungskammer folgt den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg im Urteil vom 02.03.1999 – Az.: 6 Sa 637/96 – (LAGE § 387 BGB Nr. 2). Der Arbeitgeber hat zwar die Lohnsteuer und den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzuführen, und zwar für einen bestimmten an den Arbeitnehmer ausgezahlten Vergütungsanspruch. Die Beträge werden zwar in eigener Verpflichtung, jedoch gleichzeitig auch im Auftrag des Arbeitnehmers abgeführt. Der Arbeitnehmer wird als der alleinige Steuerschuldner bzw. derjenige, der die Beiträge zu tragen hat, hierdurch von seinen Verpflichtungen befreit. Eine Steuer- und Sozialversicherungspflicht besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber einen Entgeltbetrag an den Arbeitnehmer auszahlt, der in Wirklichkeit nicht geschuldet ist. Etwaige Ansprüche wegen zuviel gezahlter Lohnsteuer oder Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen dem Arbeitnehmer zu (§ 38 Abs. 2 EStG, § 26 Abs. 3 SGB IV). Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Überzahlung von Lohnsteuern und SozialversicherungsBeiträgen etwa deswegen, weil ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers in Wirklichkeit nicht bestand, die überzahlten Steuern und Beiträge nicht gegenüber dem Finanzamt oder den Sozialversicherungsträgen zurückverlangen kann. Daraus folgt gleichzeitig, dass der Arbeitgeber derartige Überzahlungen auch zumindest ohne Einverständnis des Arbeitnehmers nicht mit Lohnsteuern und Beitragszahlungen für andere Zeiträume verrechnen kann. Die Abgaben erfolgten auf eine bestimmte Entgeltzahlung in einem bestimmten Zeitraum. Hat er Entgelt für andere Zeitabschnitte zu entrichten, so muss er für dieses Entgelt erneut Lohnsteuer- und Versicherungsbeiträge abführen. Eine Verrechnung mit den anderen Zeiträumen gezahlten Steuern und Beiträgen ist hierbei nicht möglich. Aus diesem Grund scheitert auch eine Aufrechnung „brutto gegen brutto“ aus.

2. Dem entspricht es, dass ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vergütung hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nur auf Abtretung des Erstattungsanspruches des Arbeitnehmers gegen den Sozialversicherungsträger nach § 26 Abs. 3 SGB IV gerichtet sein kann, solange dem Arbeitnehmer von der Einzugsstelle die zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nicht ausgezahlt worden sind (BAG 09.04.2008 – 4 AZR 164/07 – EZA § 4 TVG Gaststättengewerbe Nr. 3). Weder die Abrechnung für den Monat Februar 2007 noch der Sachvortrag der Beklagten im gerichtlichen Verfahren lassen aber erkennen, welche Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf die erfolgte Überzahlung entfallen.

III.

Auf die Berufung des Klägers war daher das angefochtene Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

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